Gerade hat die EZB ein Ultimatum an die zyprische Regierung formuliert. Bis kommenden Montag muss eine Lösung her, sonst droht die Schließung des Geldhahns. Prompt reagieren die Märkte mit einer Talfahrt. Als das zyprische Parlament den mit Überraschungen versehenen Rettungsplan der Eurogruppe am Dienstagabend klar und deutlich ablehnte, blieb es an den Börsen hingegen ruhig. Wie die Eurokrise funktioniert, wird besonders in dieser Woche sehr anschaulich vermittelt.
Richtig war das Nein des zyprischen Parlaments. Damit bestand nämlich zum ersten Mal die Chance, das absurde Vorgehen und das schlechte Blatt der „Euroretter“ auch für die Doofen an den deutschen Stammtischen sichtbar werden zu lassen. Leider wurde der kurze Moment des erhellenden Lichts durch das Gebrüll von bornierten Kommentatoren mit Reichweite schrill überdeckt. Dabei ist klar, kein Land der Eurozone kann pleitegehen. Die Konkursgefahr wird nur ständig herbeigeredet, um politisch Druck ausüben zu können.
Es ist doch seltsam, dass die EZB ihre Kreditlinien nun mit einem Ultimatum verknüpft. Das macht man nur, um inhaltlich leere Drohungen besser verkaufen zu können. Nach der Parlamentsentscheidung vom Dienstag haben alle mit einem Weltuntergang gerechnet. Er blieb freilich aus und die Euroretter auf ihrer geplatzten Dramaturgie sitzen. An den Märkten herrschte ebenfalls Ruhe. Erst das Ultimatum der EZB von heute sorgt wieder für die gewünschte Panik, die viele als Zuspitzung der Krise interpretieren. Würde die Zentralbank stattdessen an ihrem ursprünglichen Kurs festhalten, die Liquidität in der Eurozone in jedem Fall sicherzustellen, wäre weiterhin Ruhe im Karton. Dann hätten allerdings die „Euroretter“ mit ihren Drohungen und Hilfsprogrammen keine Chance, sondern würden sich mit ihrer Rhetorik in Slapstick-Nummern verheddern.
Da aber die EZB, wie von Schäuble gewollt, mitspielt, wird es am Verhandlungstisch mit Sicherheit eine Lösung geben, der auch das Parlament in Nikosia abschließend zustimmt. Dann gibt es wieder nur Gewinner, allen voran Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, aber keine gelösten Probleme. Das wissen die Bürger Zyperns ganz genau, für die ein Deal mit Brüssel nichts anderes bedeutet, als Souveränität abzugeben und weitere Einschnitte in dann regelmäßigen Abständen hinnehmen zu müssen. Das lehrt sie das Beispiel Griechenland, von dem wir Deutschen ja schon wieder glauben, es sei gerettet, weil Mutti Merkel und Märchen-Onkel Claus vom heute-journal es so nett erzählen.
Dabei ist die Mittelmeerinsel Zypern durch das Versagen der „Euroretter“ in Schwierigkeiten geraten und nicht weil es wie andere auch, seinen Finanzplatz außerordentlich liebevoll gepflegt hat. Das dilletantische Vorgehen der Achse Berlin/Brüssel während der seit fast fünf Jahren andauernden Finanzkrise hat zum einen zu hohen Abschreibungen bei den zyprischen Banken geführt und zum anderen das gesamte Land seiner bisherigen Märkte in Südeuropa beraubt. Die Logik des Schuldenschnitts kombiniert mit einer gnadenlosen Austeritätspolitik ging und geht nicht auf, sondern führt nur zu einer ständigen und immer teurer werdenden Verlagerung der immer gleichen Probleme.
MRZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.