Wortspiele und Aufklärung: Zu Neues aus der Anstalt – Folge 35

Geschrieben von: am 12. Mai 2010 um 13:36

Oft hört man ja vom sog. Vermittlungsproblem. Die politischen Entscheidungen müssten dem Volk nur besser erklärt werden und schon ernte man Verständnis und Zustimmung. So simpel klingt die Logik seit der Umsetzung der Agenda 2010. Und wenn der Wähler nicht mehr wählen geht, stattdessen lieber zu Hause bleibt, dann liegt das keinesfalls daran, dass sämtliche jemals an der Regierung beteiligten Parteien vielleicht falsche Entscheidungen getroffen hätten, nein, es läge halt immer daran, dass das Volk die Volksvertreter nicht verstehe. Die Wahlniederlage sei sogesehen eine Aufforderung, die Absichten besser zu erklären.

Deshalb kann Westerwelle auch von einem Warnschuss faseln, obwohl er lieber von einem Gnadenschuss hätte reden sollen, wie es Urban Priol zum Einstieg in die gestrige Sendung bissig auf den Punkt brachte. Der Primat der Politik auf der Anklagebank. Mit Merkel gehe ein Gespenst in Europa um (das war nicht der letzte Hinweis auf Karl Marx), die als neue Mis(s)Management durch die Krise stolpere, wie ein Qualitätsprüfer bei Toyota und dabei ganz offen eine Politik im Sinne der Finanzindustrie betreibe, die das Kabarett genau beobachten werde. Über die Fahndungsliste wacht der Patientensprecher. Ganz oben stehen Merkel und Ackermann.

En passant: Oskar Lafontaine beschrieb letztes Jahr vor den Bundestagswahlen einmal sehr schön, wer Bundeskanzler ist. Im Grundgesetz stehe ja, dass der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimme. D.h., dass derjenige, der die Richtlinien der Politik bestimmt (Richtlinienkompetenz), Bundeskanzler ist. Wenn man sich nun anschaut, was bei der IKB, der HRE, der Commerzbank, der Postbank und jetzt bei Griechenland sowie der EU geschehen ist, welche Geldsummen da auf Empfehlung oder sollte ich sagen auf Drohung Ackermanns in Bewegung gesetzt wurden, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass Josef Ackermann unser Bundeskanzler ist und damit zurecht seinen Geburtstag im Bundeskanzleramt feiern darf.

Doch nun zurück zur Anstalt: Dombrowski versteht nicht, dass es Aufgabe der Kanzlerin sein soll, also jener Frau oder Sache, die die Richtlinienkompetenz dejure inne hat, das Vertrauen in das organisierte Verbrechen der Finanzmärkte wiederherzustellen. Misstrauen müsste wachsen und nicht Vertrauen, so Dombrowski. Warum, das zeigt die folgende Kasino Szene. Im Spielkasino gäbe es Tische mit realen Chips, die einen Gegenwert darstellen, mit klaren Regeln und Aufpassern, die Vertöße gegen die Regeln gnadenlos mit einem Rauswurf ahnden. Derweil spielt Dombrowski Roulette, setzt auf Rot und verliert. Er sagt ganz bewusst

„Schwarz, alles an die Bank!“

In Wirklichkeit kam nämlich die rote 36. :>> Das hat das Publikum leider wieder nicht richtig verstanden. Ich gebe zu, ich zuerst auch nicht.

Danach kamen Bildstörungen und ich bin mir zu 100 Prozent sicher, die Sendung lief von da an zeitversetzt. Warum auch immer. Um vielleicht rechtzeitig abzuschalten, wenn es dem ZDF zu bunt wird? Sie können das in der ZDF-Mediathek nachschauen. Auch dort sind die Störungen ab Minute 9:11 zu sehen. Die Bildqualität war im Anschluss grottenschlecht. Eben die Wiedergabe einer Aufzeichnung.

Die Anstalt wurde aber nicht vom Sender genommen, sie lief weiter. Der Zuschauer bekam eine schöne Erklärung, wie das Glücksspiel auf den Finanzmärkten funktioniert. Mit Sachen, die nicht da seien und mit Geld, das auch nicht da sei. So ein Konstrukt muss man natürlich „alternativlos“ schützen, damit der dumme Bürger nicht auf die Idee kommt, an der Systemrelevanz zu zweifeln.

Doch Urban Priol schlug zurück, in dem er zum Beispiel die Unfähigkeit der FDP-Ikone und stellv. EU-Parlamentspräsidentin Silvana Koch-Mehrin vorführte, als diese bei hart aber fair einmal schätzen sollte, wie hoch die Staatsverschuldung nach gut 75 Minuten Sendezeit gestiegen sei. Es sind rund 20 Millionen Euro, aber Koch-Mehrin meinte 6000 Euro. Dazu Priol bissig, Koch-Mehrin sei der überflüssigste Kostenposten, den wir je zur Endlagerung nach Brüssel geschickt haben und die wir nun, wahrscheinlich alternativlos, durchfüttern müssten, so wie die inkompetente, machtversessene Zonenwachtel, die alle ins komatöse Politikdesinteresse wegverwalte. :>>

Kein Schnitt, die Anstalt sendete weiter, wahrscheinlich weil Günther Zieschong, alias Uwe Steimle, auftrat und sagte, dass Priol im Prinzip Recht habe, aber wir nun Demokratie hätten und er deshalb lieber nichts mehr sage. :>>

Tat er aber doch mit seiner Brötchen-Analogie. Einfach klasse. Während es in der DDR nur zwei Brötchensorten gab, die am ersten Tag richtig lecker schmeckten und am zweiten Tag bereits so hart waren, dass man jemand damit hätte erschlagen können, brachte der Westen ein Mehr an Auswahl. Aber: Man hätte bereits am westdeutschen Brötchen erkennen können, was da im Zuge der „deutlichen Wiedervereinigung“ auf uns zukam.

„Luft! Unglaublich viel Luft!“

Aber nicht nur in der Backware selber, sondern vor allem auch bei den Namen der Produkte wie Wellness-Semmel zum Beispiel. Solche Bezeichnungen kann sich doch nur ein Unternehmensberater ausgedacht haben, der für so einen Schwachsinn eine Menge Kohle kassiert hat, während die armen Verkäuferinnen mit einem Hungerlohn abgespeist und mit diesen nichtssagenden Zungenbrechern allein gelassen werden.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Finanzkrise. In einem Zwischenspiel führte Dombrowski vor, wie die Menschen mit der Angst vor einem Staatsbankrott systematisch belogen werden. So, als ob es das noch nie gegeben hätte. Jedes große europäische Land sei schon einmal insolvent gewesen. Die Spanier hätten in einem Jahrhundert gar sechs Pleiten hingelegt. Trotzdem gibt’s das Land immer noch. Oder Frankreich. Dort habe der französische König zum Beispiel seine Zahlungsunfähigkeit dadurch auszugleichen verucht, in dem er seinen Gläubigern den Kopf abschlagen ließ. Bei uns gäbe es viele Laternen im Land, meinte Priol später an anderer Stelle.

Zur Finanzkrise sollte auch Piet Klocke einen Beitrag beisteuern. Das müssen sie sich aber angucken, denn beschreiben kann man das nicht: :>>

Nach dem etwas wirren und lustigen Auftritt von Piet Klocke wurde es wieder ernst. Oberstleutnant Sanftleben betrat die Bühne, um die zuletzt als Angriff auf die Eurozone bezeichnete Spekulation gegen Länder und Währung endlich mal nachvollziehbar zu übersetzen. Frau Merkel hat das ja bis heute nicht vollbracht. Seit Sonntag wissen wir zudem, dass auf den Finanzmärkten Krieg herrsche. So reden jetzt zumindest die Eurofighter. Doch was heißt das konkret? Warum greift uns der Feind, Big Money, überhaupt an? Der erste Weltkrieg mit virtuellen Massenvernichtungswaffen. Geld gegen Staaten. Ein aussichtsloser Kampf aus Sicht der Staaten. Oberstleutnant Sanftleben erklärt der Heimatfront den Krieg. Ein unverztichtbares Stück Aufklärung:

Und Wilfried Schmickler prophezeit eine düstere Zukunft. Bitter ernst und doch so wahr, denn wer menschlich aussieht, ist schon verloren:

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Careca  Mai 12, 2010

    „Qualitätsprüfer“ nicht „Qualitätsmanager“ sagte Priol. Das ist nicht nur sachlich ein himmelweiter Unterschied.

    • adtstar  Mai 12, 2010

      Stimmt natürlich. Hab’s geändert. War wohl ein Fehler im Hirn. Ich war gedanklich noch bei der Mis(s)Management. ;)

  2. Careca  Mai 13, 2010

    Noch ein Hinweis: die Sendung kann man sich auch als mp4-Podcast unter Podcast.de runterladen, archivieren, abonnieren etc. Dort habe ich nichts von einer Bildstörung oder so mitbekommen. Mag Euer Wulf die Sendung nicht? ;)
    Der Altmeister der Kabaretts Dieter Hildebrandt sass auch im Publikum.
    Schade, dass das Duo nicht mehr auf die Zeugenaussage Ackermanns von gestern eingehen konnten. Denn es hätte schon in den Rahmen von Lug und Trug gepasst.

    • adtstar  Mai 13, 2010

      Mag Euer Wulf die Sendung nicht? ;)

      Bestimmt. ;)
      Aber die Bildstörung trat über die Satellitenverbreitung auf. Ich wundere mich auch, warum diese in der ZDF-Mediathek auch auftaucht. Offensichtlich scheint es ja ein fehlerfreien Mittschnitt zu geben.

      • Careca  Mai 14, 2010

        Ich habe mir nochmals die Podcast-Version an jener Stelle angeschaut. Die Störung findet sich auch dort wieder. Aber die dabei verloren gegangenen Frames bringen einem Zensor kaum einen Vorteil rechtzeitig reagieren zu können. Dafür war die Dauer nicht groß genug. Um reagieren zu können, müsste die Zeitdifferenz zwischen „live“ und „Fernsehbild beim Zuschauer“ mehr verzögert werden. Am besten in der Größenordnung wie beim Superbowl (bei dem wegen Janet Jacksons Brustpiercing damals um 20 Sekunden die Shows zeitverzögert ausgestrahlt werden … wegen den Kindern vor den Empfangsgeräten freilich …). Bei der Störung handelt es sich um Frameverluste aufgrund plötzlich aufgetretenem technischen Bandbreitenverlust. Beim digitalen Fernsehen (DVB) macht sich das genau in den gezeigten Verhalten (Blockbildung bis Bildstillstand und einem Ton wie bei einer hängenbleibenden CD) bemerkbar. Nebenbei, wenn du auf einem Fernsehgerät DVB-T empfängst und auf nem zweiten DVB-S dann bemerkst du eine ganz erhebliche Zeitverzögerung. Als 2006 die WM übertragen würde hatte ich DVB-T und noch den analogen Empfang. Bei Toren für Deutschland konnte ganz genau auf der Straße gehört werden, wer noch der Analog-Übertragung frönte. Das waren die, welche knapp zwei Sekunden vor den DVB-T’lern TOOOOOR brüllten. Auch jetzt noch ist dieser zeitversatz erfahrbar: Wer DVB-C (Kabel) mit DVB-T (Terristisch) vergleicht, sollte bei der WM gleich auf DVB-T umschwenken. Dort fallen die Tore immer bis zu 1 Sekunde früher.
        Und noch ein „nebenbei“, für die Sendeanstalten von ARD über ZDF bis RTL&Co ist es kein Problem mehr, die Sendung der aufgenommenen Bilder um eine halbe Minute zu verzögern. Es merkt ja keiner, weil keiner vergleichen kann, was live ist und was nicht. Die Anstaltsuhr verfügt über keinen Sekundenzeiger.
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        Ich glaube, dass Schramm den Satz mit „Schwarz, alles an die Bank!“ eh im Plan gehabt hat. Seine Chancen auf „schwarz“ lagen eh nur bei knappe 49 % mit Schwarz richtig zu liegen.
        Beim zweiten Versuch (28:00) war Schramm regelrecht verblüfft. Er hatte auf vier Zahlen gesetzt gehabt und eine davon (die 16, rot) fiel dann. Entgeistert meinte er da nur „Ich hab gewonnen. 16.“ und der Satz fiel bei ihm recht spontan und hatte ihn doch ein wenig aus dem Konzept gebracht.
        Der Roulette-Tisch hat im übrigen das, was an den Börsen seit mehr als zwei Jahrzehnten passiert, richtig beschrieben. Der Einsatz (und somit der Verlust) ist gekennzeichnet durch die auf den Tisch liegenden Chips. Aber der Gewinn kann mörderisch hoch werden (stimmt beim Roulette nicht wirklich, weil die Spielbanken vorgesorgt haben), so dass die realen Banken gesprengt werden.
        Es gibt zwei Sorten Terroristen auf dieser Welt: Diejenigen, die mit Waffengewalt vorgehen und bomben und sprengen und schießen, und dann diejenigen, bei der Oberstleutnant Senftleben so ohnmächtig seine indirekte Kapitulation bekanntgab: den Finanzexperten der Börsen. Die ersteren werden mit Bomben und Granaten bekämpft, die zweiteren aber gehätschelt und notfalls mit Begriffshülsen wie „Leistungsgerechtigkeit“ gehegt, gepflegt und gehedged. Es ist die perfekte Bruchrechnung bestehend aus Zähler und Nenner. Die Zähler zählen und mit dem Nenner wird gekürzt und was dann dabei herauskommt, sind oftmals richtig krumme Dinger … :((

        • Careca  Mai 14, 2010

          Das obere Smilie „(DVB)“ ist eigentlich ein „( DVB )“. Blog.de hat hier noch einen Bug im System.

  3. Anonymous  Mai 13, 2010

    Das war wieder eine gelungene Sendung.
    LG. Remo

  4. Susan  Mai 16, 2010

    schaue heute die sendung, nachdem ich aus dem Urlaub gekommen bin. ich frage mich, wielange „neues aus der anstalt“ noch im fersehen läuft.

  5. Anonymous  Mai 16, 2010

    Hi Leute, warum habt Ihr das amüsante Video mit dem begnadeten Anarchisten Piet Klocke rausgenommen? Ich fands absolut gigantisch!

    • adtstar  Mai 17, 2010

      Leider habe ich keinen Einfluss auf den Youtube-Content. Ich kann hier im Blog nur einbinden, was auf der Youtube-Plattform zur Verfügung gestellt wird, bzw. nicht gelöscht wird.

      Inzwischen werden aber immer häufiger Videos gelöscht bzw. mit Verweis auf Urheberrechtsverletzungen entfernt. Dennoch tauchen die in meinen Augen völlig legalen Mitschnitte von Sendungen, die jeder mit seinen GEZ-Gebühren oder an der Supermarktkasse bereits bezahlt hat an anderer Stelle wieder auf.

      Deshalb habe ich die Videos oben aktualisiert. Vielen Dank für den Hinweis.