Die Empörung der scheinbürgerlichen Presse über die Siegesfeier der Weltmeister am Brandenburger Tor ist köstlich. Nein wie peinlich, trottelhaft und dumm diese Spieler unter dem Einfluss von Alkohol doch gewesen sind. Fort war die Bescheidenheit und die Fairness, mit der die DFB Kicker im Turnier noch glänzten.
Dabei trifft diese Beschreibung auch auf die nun jammernden Journalisten zu, die entweder den positiven Glanz der Elf für ihr unreflektiertes Weltbild schamlos und dümmlich zu nutzen wussten oder, das andere Extrem, den Auftritt der Spieler auf der Fanmeile als Bestätigung für ihren intellektuellen Hass auf den Fußball betrachten.
Sie können das nicht trennen. Das Spiel, das begeistert und nationalen Taumel produziert und die große Politik, die sich solange im Licht des Erfolges sonnt, wie es den eigenen Umfragewerten dienlich ist. Es ist ja auch so verlockend, die fußballerische Überlegenheit, die auf Köpfchen beruht, mit jener nur vermeintlichen Überlegenheit zu vermischen, deren Ziel die kopf- und geistlose Ausübung von Macht über andere ist.
In Wahrheit haben die Spieler mit ihren inszenierten Choreografien – zu denen sie sicherlich ein ebenso kopfloser PR Stratege angestiftet hatte, um den emotionalen Moment von 2006 zu toppen – der scheinbürgerlichen Presse einen Spiegel vorgehalten. Für Quote und Aufmerksamkeit ist keine Nummer zu billig. Diesen Grundsatz haben die Weltmeister doch erfüllt.
Leider lässt sich damit das spontane Gefühl von 2006 nicht erneuern, als die Mannschaft und ein Trainer überraschte, den die Medien vorher noch zum Teufel schrieben. Die Mission vierter Stern enthält dagegen vielmehr Planung und Professionalität bis hin zur Siegesfeier, die auch zu einem Happening der Sponsoren werden musste. Wer bei diesem durchgeplanten Event dann auch noch versucht, soetwas wie Spontanität zu erzeugen, muss sich über das Ergebnis nicht beschweren.
Den linken Fußballhassern, die sich nun wieder bestätigt fühlen, sei hingegen gesagt: Den Fußball kann man auch genießen, ohne sich ein Fähnchen an das Auto zu hängen oder die bescheuerte Nationalhymne mitzusingen. Nur gegen einen wunderbaren Sport zu sein, weil die Dummheit außerhalb des Platzes manchmal unerträglich ist, greift zu kurz. Der Fußball ist mehr, als das, wofür ihn die einen oder die anderen halten.
JUL
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.