Was woll’n se?

Geschrieben von: am 16. Jul 2014 um 10:40

Die Empörung der scheinbürgerlichen Presse über die Siegesfeier der Weltmeister am Brandenburger Tor ist köstlich. Nein wie peinlich, trottelhaft und dumm diese Spieler unter dem Einfluss von Alkohol doch gewesen sind. Fort war die Bescheidenheit und die Fairness, mit der die DFB Kicker im Turnier noch glänzten.

Dabei trifft diese Beschreibung auch auf die nun jammernden Journalisten zu, die entweder den positiven Glanz der Elf für ihr unreflektiertes Weltbild schamlos und dümmlich zu nutzen wussten oder, das andere Extrem, den Auftritt der Spieler auf der Fanmeile als Bestätigung für ihren intellektuellen Hass auf den Fußball betrachten.

Sie können das nicht trennen. Das Spiel, das begeistert und nationalen Taumel produziert und die große Politik, die sich solange im Licht des Erfolges sonnt, wie es den eigenen Umfragewerten dienlich ist. Es ist ja auch so verlockend, die fußballerische Überlegenheit, die auf Köpfchen beruht, mit jener nur vermeintlichen Überlegenheit zu vermischen, deren Ziel die kopf- und geistlose Ausübung von Macht über andere ist.

In Wahrheit haben die Spieler mit ihren inszenierten Choreografien – zu denen sie sicherlich ein ebenso kopfloser PR Stratege angestiftet hatte, um den emotionalen Moment von 2006 zu toppen – der scheinbürgerlichen Presse einen Spiegel vorgehalten. Für Quote und Aufmerksamkeit ist keine Nummer zu billig. Diesen Grundsatz haben die Weltmeister doch erfüllt.

Leider lässt sich damit das spontane Gefühl von 2006 nicht erneuern, als die Mannschaft und ein Trainer überraschte, den die Medien vorher noch zum Teufel schrieben. Die Mission vierter Stern enthält dagegen vielmehr Planung und Professionalität bis hin zur Siegesfeier, die auch zu einem Happening der Sponsoren werden musste. Wer bei diesem durchgeplanten Event dann auch noch versucht, soetwas wie Spontanität zu erzeugen, muss sich über das Ergebnis nicht beschweren.

Den linken Fußballhassern, die sich nun wieder bestätigt fühlen, sei hingegen gesagt: Den Fußball kann man auch genießen, ohne sich ein Fähnchen an das Auto zu hängen oder die bescheuerte Nationalhymne mitzusingen. Nur gegen einen wunderbaren Sport zu sein, weil die Dummheit außerhalb des Platzes manchmal unerträglich ist, greift zu kurz. Der Fußball ist mehr, als das, wofür ihn die einen oder die anderen halten.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Arnold  Juli 17, 2014

    Ja, es ist ein Jammer, da steht auf der einen Seite der Sport an dem man sich an sich ergötzen können sollte. Auf der anderen Seite die Politik und die Wirtschaft, die das in unverschämter Weise ausnutzen.
    Wo viel Popularität ist, kann man viel Gewinn machen. Auch wenn dabei brasilianische Favelabewohner oder fernöstliche Näherinnen unter die Räder kommen.
    Unsere Politik steuert auf einen Abgrund zu. Die Notbremse können wir nur nach einem Mehrheitsentscheid ziehen. Aber wer denkt schon an Abgründe und Notbremsen wenn wir Weltmeister sind.

    Der Fußball kann nichts dafür er ist nur Werkzeug. Genau wie eine Axt mit der man Hütten bauen oder Köpfe einschlagen kann.

  2. Thomas  Juli 17, 2014

    „Linke Fussballhasser“? Warum müssen Fussballhasser automatisch immer links sein? Das verstehe wer will, ich nicht. Und dass es viele Leute gibt, die den Fussball „genießen“ ohne Deutschtümelei, ist sicher keine bahnbrechende Erkenntnis. Um die geht es aber nicht sondern um die Autocorso-Deppen und die „Hurra, wir sind wieder wer“ Spießer. Und leider muss man auch feststellen, gibt es keine Sportart, die so geeignet ist für nationalistische Propaganda wie Fussball. Für diese Feststellung muss man weder links noch Fussballhasser sein. Da genügt es schon manchmal die rosa Brille wegzulegen.

  3. VDA  Juli 26, 2014

    Ich habe den Fussball auch genossen aber ohne ARD und ZDF.Ich kann die „Kommentare“ eines Bela Reti oder Rety? oder Tom Bartels nicht mehr hören.Aber zum Glück gibt es noch SRF und ORF,wo die Reporter mit der Hälfte der Worte deutscher Kommentatoren auskommen.Bei den o.g. Kommentatoren ist man erinnert an die Bundesliga Reporter in den 60iger und 70iger zu Hörfunkzeiten.Nur war es damals notwendig den Spielverlauf für die Zuhöhrer zu schildern.Im heutigen TV sieht der Zuschauer das Spiel und alle Daten werden eingeblendet.Wie kommen da die Fans,die am WE ins Stadion gehen ohne solche Reporter zurecht?Oder meinen diese,dass dem blöden TV Zuschauer alles erklärt werden muss.Übrigens war das bei der Winterolympiade genau gleich.Ob Skispringen Eisschnellauf oder Rodeln,alle Daten sind eingeblendet und unsere deutschen Reporter tragen sie dem TV Publikum auch noch vor.Einfach unterirdisch.