Zu Wolfgang Liebs "Das Triumfeminat" auf den NachDenkSeiten

Geschrieben von: am 28. Jan 2011 um 13:39

Wolfgang Lieb geht auf den NachDenkSeiten heute der Frage nach, warum die Bild-Zeitung den „Minister Liebling“ zu Guttenberg plötzlich herunterschreibt. Dabei kommt Lieb zu folgendem Ergebnis:

„Wie ist diese (wohl kurzfristige) Attacke der Bild-Zeitung auf Deutschlands „Liebling“ zu erklären? Warum wollte man ihm einen kleinen Kratzer im Lack verpassen?

Könnte da vielleicht Angela Merkel im (natürlich) gepflegten Plausch mit Friede Springer dezent die Frage angedeutet haben, was die Blätter ihres Verlags eigentlich für ein Ziel damit verfolgten, wenn sie ihr, der Kanzlerin, einen lästigen Konkurrenten hochschreiben? Und könnte vielleicht Friede Springer, aufgeschreckt von ihrer Freundin Angela Merkel, gegenüber ihrem Consigliere Mathias Döpfner, ihrem treuen Diener im Konzern eine zarte Andeutung in diese Richtung gemacht haben? Und könnte dann möglicherweise der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG bei einer Tasse Kaffee mit den Chefredakteuren von Bild und Bild am Sonntag so ganz nebenbei eine Bemerkung fallen gelassen haben, dass die Vorfälle bei der Bundeswehr doch nicht so ganz koscher seien und zu Guttenberg schon mal eine bessere Figur abgegeben habe?

Nein, so lief das natürlich nicht ab. Das könnte ja nur der wirren Phantasie eines Verschwörungstheoretikers entsprungen sein. Aber eines ist jedenfalls sicher, das Triumfeminat hält – jedenfalls noch – zusammen.“

Grundsätzlich ist der Gedanke an ein Triumfeminat nicht abwegig, aber wie Lieb selber schon ahnt, ist der Vorwurf, eine Verschwörungstheorie formuliert zu haben, als absehbare Reaktion auf den obigen Text erwartbar. Dagegen kann man sich schwer wehren, weil man selbst nicht zum Kaffeekränzchen ins Kanzleramt eingeladen wird? Die obige Darstellung widerspricht auch Liebs Kommentar zur Sache vom 24.01.2010, der meiner Meinung nach sehr viel treffender ist:

Ich habe keine Gründe, zu Guttenberg zu verteidigen. Die jetzt gegen ihn beginnende Medienkampagne zeigt zweierlei: Erstens ist sie ein schönes Beispiel dafür, wie die Meinungsmache (vor allem der Bild-Zeitung) die Politik treibt. Und zweitens können wir das regelmäßig sich wiederholende Phänomen beobachten: Zuerst schreiben die Medien einen Politiker, der ihre Vermarktungsbedürfnisse befriedigt, bis in den Himmel hoch, um ihn dann, wenn er zum Medienstar gemacht worden ist, wieder herunter zu schreiben – um aus dem selbst geschaffenen Aufmerksamkeitswert wieder Auflage zu machen. Die zu Guttenberg-Medienblase scheint geplatzt zu sein, wenn ihm nicht noch eine neue Medienstrategie einfällt. Angela Merkel wird den Sturz des Phaetons mit klammheimlicher Freude genießen.

Ich halte die Bild-Schreiberlinge auch für Friedes Tintenknechte, aber die erste Analyse Liebs, dass es den Springer-Medien schlicht um Auflage geht, ist einfach stichhaltiger. Was verkauft sich denn noch besser als ein glanzvolles Image, das mit bunten Bildchen und netten Geschichtchen im Homestory-Stil geschaffen wurde? Natürlich die schrittweise Demontage des Lieblings, bei der wiederum sehr viel Dreck entsteht, mit dem man dann schmeißen und das abgestumpfte Publikum bei Laune halten kann. Schließlich läuft gerade das Dschungel-Camp. Da ist das Ekel-Bedürfnis der Volksvoyeure besonders hoch.

Insofern spielt es eigentlich keine Rolle, ob Friede, Liz und Angela besonders gut miteinander können oder ob Angela durch die Blume angeordnet hat, den Guttenberg nach unten zu schreiben. Das sollte uns auch nicht interessieren.

Fakt ist, dass es in Deutschland Kapagnenjournalismus gibt, der auf einer Aufweichung des Journalismus-Begriffs beruht. Es gibt wohl inzwischen mehr PR-Leute als Journalisten. Fakt ist, dass so ziemlich alle großen Medien Kampagnen weiterverbreiten und voneinander abschreiben oder direkt aus der Bild-Zeitung oder der Zuarbeit von PR-Dienstleistern zitieren. Fakt ist auch, dass es zwischen der Regierung und Medienleuten enge Verbindungen gibt, die weniger von kritischer Distanz geprägt sind als mehr von einem exklusiven Dazugehörigkeitsgehabe. Ich nenne das Schnittchenjournalismus. Fakt ist, dass die Medien in diesem Land ihrem Auftrag nicht gerecht werden.

Und natürlich hat der feine Herr zu Guttenberg auch seine ganz persönliche und auf ihn zugeschnittene Schmutzkampagne verdient, es gibt aber Wichtigeres. Zum Beispiel seinen Rücktritt, weil er ein großspuriger Kriegstreiber ist, der alle Handelswege der Welt am liebsten militärisch absichern lassen will. Am besten mit Segelschiffen wie es scheint. Wozu brauchen wir eigentlich ein Segelschulschiff, wäre die nächste Frage, die auch Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten zurecht stellte.

Aber die wichtigste Frage ist ja wohl, was nun mit der Bombardierung zweier Tanklastzüge nahe Kunduz ist, bei der zahlreiche Zivilisten auf deutschen Befehl hin getötet wurden. Zu Guttenberg könnte ja auch ein Kriegsverbrecher sein, weil ihm die Unterscheidung zwischen militärisch angemessenen und unangemessenen Verhalten offensichtlich nicht ganz klar ist. Heute wurde das Afghanistan-Mandat verlängert. Auch hier ist nicht so ganz ersichtlich, was da überhaupt beschlossen wurde. Als Übersetzung für den Mandatstext…

„Die Bundesregierung ist zuversichtlich, (…) die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können und wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt.“

…könnte diese Karikatur von Klaus Stuttmann stehen.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Darüber müsste man sprechen. In jedem Fall geht das sinnlose Töten erst einmal weiter, aber hierzulande wird lieber über Segelschulschiffe berichtet und über die Führungsqualitäten eines Herrn zu Guttenberg diskutiert. Derweil versuchen sich Außen- und Verteidigungsminister in ihrer Profilierungssucht gegenseitig zu überbieten.

Westerwelle wertet Afghanistan-Votum als persönlichen Erfolg

Berlin (dpa) – Außenminister Guido Westerwelle hat die Zustimmung des Bundestags zum neuen Afghanistan-Mandat als persönlichen Erfolg verbucht. Jetzt sei eine Abzugsperspektive da. Das habe er sich vorgenommen. Der Bundestag hatte mit mehr als 70 Prozent der abgegebenen Stimmen für das Mandat votiert. Es verlängert den Einsatz von bis zu 5 350 Soldaten um ein Jahr. Gleichzeitig leitet es aber den Abzug in die Wege. Westerwelle bekräftigte, dass er den angepeilten Termin für den Abzugsbeginn Ende 2011 einhalten wolle.

Quelle: Focus Online

Guttenberg trotz Bundeswehrskandalen beliebtester Politiker

Berlin (dpa) – Das Image von Karl-Theodor zu Guttenberg hat nach den jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr zwar mächtig gelitten. Der CSU-Verteidigungsminister bleibt aber beliebtester Politiker in Deutschland. Das ergab das aktuelle ZDF-Politbarometer. In der Umfrage waren knapp zwei Drittel der Bürger der Meinung, Guttenberg mache bei der Klärung der Vorfälle seine Sache eher gut. 24 Prozent der Befragten bescheinigten dem Minister dagegen im Umgang mit diesen Krisen eher schlechte Arbeit.

Quelle: Süddeutsche

Keine Sau interessiert es aber, dass der Einsatz in Afghanistan weder begründet noch in irgend einer Weise erfolgreich gewesen ist. Es gibt keinen Grund, dort länger militärische Präsenz zu zeigen oder einen möglichen Abzug der Truppen an die vorherrschende Sicherheitslage zu knüpfen. Hier wird mit dem Krieg, dem Leben von Bundeswehrsoldaten und unschuldigen Zivilisten Wahlkampf betrieben. Für mich ist der PR-Begriff „Abzugsperspektive“ bereits als Unwort des Jahres 2011 nominiert.

Dabei ist heute schon klar, dass abgezogen werden wird, weil Obama in seiner Rede zur Lage der Nation für seine GIs bereits einen festen Zeitplan verkündet hat.

“And in Afghanistan, we’re increasing our troops and training Afghan security forces so they can begin to take the lead in July of 2011, and our troops can begin to come home. (Applause.) We will reward good governance, work to reduce corruption, and support the rights of all Afghans — men and women alike. (Applause.) We’re joined by allies and partners who have increased their own commitments, and who will come together tomorrow in London to reaffirm our common purpose. There will be difficult days ahead. But I am absolutely confident we will succeed.”

Quelle: NY-Times

Es ist also viel wichtiger, auf die Medienkampagnen und die damit verbundenen Manipulationsversuche hinzuweisen, als über das Triumfeminat aus Liz, Friede und Angela zu klagen.

7

Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
  Verwandte Beiträge

Kommentare

  1. Manfred Corte  Januar 28, 2011

    Erst hochgelobt – dann abgekanzlert! Die Geister die ihn riefen – haben ihn nun abberufen. Auch ich vermute das „Matriarchat“ hinter der Demontage des Hochglanz-Showmasters Karl-Theodor etc. Er ist und war nur ein Hohlkörper, der Forschheit simuliert hat. Jetzt wird er wohl so gekürzt, daß er mit Hut und aufrechtem Gang problemlos unter jeder Tür hindurchgehen kann …. ich finde das gutt!

    • adtstar  Januar 28, 2011

      Aber das MERKEL bleibt wieder übrig. :( ;)

  2. Manfred Corte  Januar 28, 2011

    … ja, Merkel bleibt immer Übrig, Teflon-Tussi eben, oder ist es die „Vorsehung“? Irgendwo im Web habe ich auch etwas von „Postdemokratischer Lobby-Hure“ gelesen, damit kann sie ja wohl kaum gemeint sein …. Das kann doch nur Satrie sein – oder? Und in Davos, wo die Welt unter den Reichen gerade ‚mal wieder aufgeteilt wird, ist sie sicher auch nur zwangsweise dabei – eben alternativlos! Ich hatte ja immer die Hoffnung, daß sich irgendein Adliger mit Rückgrat finden würde, der bei einer Kabinettssitzung im Kanzlerbunker eine Aktentasche unter den Tisch stellt, irgendein Dingsbums-berg! Damit könnte er sich um die Nation verdient machen – und doch noch in die Geschichtsbücher kommen. Ich fände das gutt! Vielleicht erfüllt sich diese Hoffnung ja noch – eines Tages …

  3. Careca  Januar 28, 2011

    „Es verlängert den Einsatz von bis zu 5 350 Soldaten um ein Jahr.“ (dpa)
    Schöner wäre es, wenn der Journalist mehr Ahnung von der Materie gehabt hätte, als er den Satz niederschrieb und dpa ihn rausblies … aber es passt ja ins Bild der hiesigen Medien: Unscharfe Informationen prägen das Bild. Fuzzy-Logic-Systeme gab es vormals in der Technik, jetzt auch in der Journalistik.
    Ich sag die Bekanntgabe des Ergebnisses und einen zufrieden nickenden Westerwelle. Nickend wie ein Wackeldackel.
    Die Mehrheit des Bundestags hat beschlossen, dass es weiterhin offizielle Trauerfeier mit viel Pathos für im Auftrag erschossene Menschen mit Lizenz zum Töten geben wird.
    Nach der Debatte zum Kampf in Afghanistan gab es die Debatte über die Pflegeversicherung. Wie passend. Dort die zu Krüppel geschossenen Soldaten und im Bundestag ein Politiker der CDU (den Namen des Knispels konnte/wollte ich mir nicht merken) der von der Pflegeversicherung als konsequente Umsetzung der christlichen Nächstenliebe schwadronierte …
    heute schon gekotzt? … :(

  4. Careca  Januar 28, 2011

    Nur ein Zitat aus der heutigen Bundestagsdebatte und die Einstellung zu der BILD-Zeitung zweier Parteien. Die Buhlerei um die Gunstbezeugungen der BILD-Zeitung ist nur entlarvend. Aber das interessiert ja kein Journalist:

    Sigmar Gabriel (SPD):
    „[…] Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung treffend schreibt, gibt es eine strategische Verbindung, eine strategische Partnerschaft zwischen der Bild-Zeitung und dem Minister. Der Bild-Zeitung ist nichts vorzuwerfen. Sie will eine gute Auflage.
    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh!- Volker Kauder (CDU/CSU): Man sieht die Schleimspur!)
    […]“

  5. Peterhannes  März 7, 2011

    Hallo!

    Der Fall Guttenberg war dem Karikaturisten Klaus Stuttmann ein eigenes Büchlein wert: Ohne Titel und ohne viele Worte zeigt dieses Buch 40 Karikaturen über unseren ehemaligen Selbstverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

    Beste Grüße

    • adtstar  März 8, 2011

      Das unterstütze ich natürlich gern und rufe zum unverzüglichen Kauf des Büchleins auf.