Wirtschaft in der Krise

Geschrieben von: am 15. Mai 2013 um 20:08

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise. So müssten die Schlagzeilen heute eigentlich lauten. Doch nach Veröffentlichung der Quartalszahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt lauten sie anders. Deutschland entgeht nur knapp der Rezession, Neuer deutscher Optimismus verhindert Rezession usw. Dabei ist die deutsche Wirtschaft nach einem heftigen Einbruch im Schlussquartal 2012 (-0,7 Prozent) in den ersten drei Monaten des neuen Jahres gerade mal um mickrige 0,1 Prozent gewachsen. Schaut man sich die Gesamtentwicklung an, kann man gut und gerne von einer Stagnation sprechen. Seit dem zweiten Quartal 2012 gibt es kaum noch positive Impulse.

BIP_0113

Quelle: Statistisches Bundesamt

Dennoch heißt es im ersten Satz der Meldung vom statistischen Bundesamt: Die deutsche Wirtschaft nimmt nur langsam wieder Fahrt auf. Eine Begründung für die kühne These liefert das Amt nicht. Von Fahrt aufnehmen, kann überhaupt keine Rede sein. Denn wie die Behörde selbst mitteilt, mussten die Daten des vergangenen Jahres nach unten revidiert werden. Am 22. Februar war in der ausführlichen Betrachtung von Q4/2012 noch von einem Rückgang um 0,6 Prozent die Rede (110,73 Indexpunkte). Nach der Neuberechnung liegt der Indexwert bei 110,61 und das erste Quartal 2013 bei 110,68 Indexpunkten. Weil also das letzte Quartal 2012 noch etwas schlechter ausfiel als ursprünglich berechnet, gibt es zum Start in 2013 keinen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Diesem rechnerischen Trick ist es also zu verdanken, dass man nun schon wieder verhalten optimistisch in die Zukunft blickt. Die Verbraucher sollen es angeblich mit ihrer Kauflaune herausgerissen haben. Gut gelaunt waren sie vielleicht, aber gekauft haben sie nicht viel, wie der Rückgang bei den Einzelhandelsumsätzen klar beweist.

Ganz anders sieht die Berichterstattung mit Blick auf den Rest der Eurozone und vor allem Frankreich aus. Das Land hat im zweiten Quartal in Folge einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zu verzeichnen. Hier mosern deutsche Medien natürlich über den mangelnden Reformeifer, der für die ebenso klare Rezession verantwortlich gemacht wird. In der Summe beider Quartale dürfte Deutschlands Wirtschaft aber wesentlich stärker geschrumpft sein als die Französische. Doch halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Fakt ist, dass sich Deutschland vom Rest Europas nicht einfach abkoppeln kann, sondern ebenso auf eine Depression zusteuert.

Die verspätete Nation will das nur noch nicht wahrhaben und glaubt mit ihrem politischen Spitzenpersonal fest an einen Turnaround. Das ist vor der Wahl auch nicht anders zu erwarten. Doch Belege dafür gibt es keine. Die Nachfrageschwäche aus dem Ausland wird weiter anhalten. Sie schlägt sich bereits jetzt in der für Deutschland so wichtigen Exportstatistik nieder. Bleibt also nur die ‚Binnennachfrage. Doch wie oben bereits erwähnt, klafft eine große Lücke zwischen angeblicher Kauflaune (Anspruch) und tatsächlichem Konsumverhalten (Wirklichkeit). Das sich an diesem Verhältnis auf absehbare Zeit etwas ändert, ist im Land mit dem blühenden Niedriglohnsektor zumindest zweifelhaft.

PS: EU-Kommissionspräsident Barroso hat übrigens die Reformpolitik Frankreichs gerügt und eine Duldung der Verletzung der Defizitgrenze an die Bedingung eines glaubwürdigen Reformprogramms geknüpft. Ganz im Sinne von Merkel und Schäuble fordert nun auch die EU-Spitze, dass die zweitgrößte Wirtschaft der Eurozone jene Medizin einnehmen solle, die Europa dahin geführt hat, wo es jetzt steht. Im Rezessionsschlamassel. Komisch ist nur, dass der gleiche Barroso für die anderen Staaten, die schon nicht mehr können, wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit ein Ende des Spardiktates verlangt. Wirklich frech ist aber der Satz von Barroso:

“Die Wahrheit ist, dass Frankreich seine Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen 20 Jahren verloren hat.”

Die Wahrheit ist, dass sich Frankreich als einziges Land der Eurozone an den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Einhaltung des Inflationsziels gehalten hat.

Quelle: Hans Böckler Stiftung

Eigentlich müsste Barroso Deutschland rügen, weil es die Eurozone systematisch ausnutzt und fortwährend die vereinbarten Regeln bricht, um sich auf Kosten der anderen Wettbewerbsvorteile zu sichern.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. bergmaratoni  Mai 15, 2013

    Zitat:
    Doch wie oben bereits erwähnt klafft eine große Lücke zwischen angeblicher Kauflaune und tatsächlichem Konsumverhalten. Das sich an diesem Verhältnis etwas ändert, ist zweifelhaft.

    Eher Kaufkraft statt Laune, zu lange Umverteilt …
    Goldmann Sachs Regierung EU, Spekulanten schaffen keine Kaufkraft, keine Arbeitsplätze,
    hatten wir das nicht schon mal ?
    Haben wir das nicht schon wieder ?
    Banken Spekulanten Wichtiger
    als das Volk, wird nicht in Griechenland wieder Spekuliert,
    Banken verdienen Super,
    das Griechische Volk geht den Bach runter ?
    Ist das unsere Zunkunft wie Amerika …
    10 % Reiche geht es gut, 90% EU Bürger verhungern ?
    Die EU in der Krise durch Goldmann Sachs …
    den ein Auto das rumsteht ist 20 000 Euro totes Kapital,
    Profit für Wenige …
    20 000 Euro die jeder ohne Auto ausgeben kann, ist
    Wirtschafts Belebung …

    Grüsse
    Erich M.

  2. Jenny  Mai 16, 2013

    http://www.europa-geht-anders.eu/

    angeblich kommt noch ein ominöser „Wachstumspakt“, der die Sozialpolitik der Nationalstaaten aushebelt und europaweit in radikale Spardiktate mündet.

    bin mal gespannt, ob das wirklich so kommt. Letztens wurde Schweden schon gerügt, es solle gefälligst mehr Lohnungleichheit zulassen.

    die wollen unbedingt eine vertiefte Krise in Europa, nur so sind die Menschen dann zu allem bereit, Hauptsache es gibt einen Job.

    und bei 0,1 bis 0,5 % Wachstum wird in deutschen Qualitätsmedien wie WELT doch mittlerweile gejubelt, man sei eine Wachstumslokomotive und dank Reformen überholt man alle anderen.

    absolut cool auch das Märchen von Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel. Absolut cool. Bei mir im Bekanntenkreis sieht niemand was davon.

    soll eigentlich DE auch weiter kaputtgespart werden? Wenn alle anderen jetzt sowas einlegen, dann wird ja jemand auf die Idee kommen, dass die Agenda 2020 nun kommen muss – bin mal gespannt, wo hier noch gespart werden kann. Die Renten gehen doch eh schon auf nur noch 38% Bruttorentenniveau zu.

  3. Skalg  Mai 16, 2013

    Deutsche Politiker kommen halt aus der Narration von den guten Deutschen und dem faulen Rest nicht raus. Und wenn man fest genug an die Erzählung glaubt, finden sich auch Zahlen, die es belegen. Dass unabhängige Ökonomen außerhalb Europas schon lange Deutschland kritisieren – geschenkt.

  4. gordon  Mai 16, 2013

    Weder bilden die Zahlen aus dem Einzelhandel den Konsum in Deutschland ab, noch ist die reale Lohnentwicklung bei hoher Arbeitslosigkeit (wie in Frankreich) eine sinnvolle Bezugsgröße für angeblich mustergültiges Verhalten.

    Mann Mann Mann, ihr Linken ey

  5. Jenny  Mai 17, 2013

    lieber Gordon,

    Die Lohnentwicklung war in ALLEN Industriestaaten besser als in DE. In wirklich ALLEN. Alle anderen liegen also falsch und nur DE Sparkurs war der richtige? DE war international mit sinkenden Reallöhnen zusammen mit dem sozial kriselnden Israel und dem deflationären Japan die absolute Ausnahme. Sowohl im angelsächsischen Raum wie AU, NZ als auch in Europa stiegen die Reallöhne gewöhnlich zweistellig.

    ich wohn hier dicht an der dänischen Grenze. In DK stiegen die Reallöhne seit 2002 um 19%. In DE sanken diese. DK hat in der gesamten Zeit kein bisschen gekriselt, sondern deren Stellenmarktentwicklung war bis auf die jetzige Krise gut.

    allein die jetzige Krisensituation in Europa dank Bankenrettung und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Währungsraum haben die Situation massiv verschlechtert. Spanien hatte bis zur Krise überhaupt keine Haushaltsprobleme, sondern stand viel besser da als DE – mit geringerer Verchuldung.

    Neoliberale Spinner achten überhaupt nicht auf die Nachfrage, das ist wohl eher das Problem. Durch Kaputtsparen und Lohhndrückerei erreicht man gar nichts. Firmen investieren nur, wenn sie auch absetzen können. Aber bei den Neoliberalen schafft sich angeblich jedes Angebot seine Nachfrage selbst – deshalb gab es dann auch sowas wie „Abrwackprämien“

    und natürlich spielt auch die Konsumentwicklung eine Rolle. Die meisten Branchen in einem Land leben nicht über den Export, auch in DE nicht, sondern über inländlische Nachfrage.