Die Medien erwecken weiterhin den Eindruck, dass Angela Merkel als präsidiale Kanzlerin gar nichts mit den Koalitionsverhandlungen zu tun hätte. Gestern hieß es, sie mahne SPD und Union zu Kompromissen. Als ob sie über den Dingen schwebe. Damit setzt sich fort, was schon unter Schwarz-Gelb galt. Merkel wird mit dem Regierungshandeln gar nicht in Verbindung gebracht. Hauptsache sie bleibt Kanzlerin, egal welcher Koalition sie vorsteht.
Um diesen Eindruck zu verfestigen, gibt es eine neue manipulative Umfrage von infratest dimap im Auftrag des ARD Morgenmagazins. Darin werden die Menschen gefragt, was gut für Deutschland sei. Alle zur Verfügung stehenden Antwortmöglichkeiten lassen aber nur einen Schluss zu. Gut für Deutschland ist, wenn Merkel Kanzlerin bleibt.
Quelle: ARD
Die Große Koalition wünschen sich demnach noch 55 Prozent. Schwarz-Grün 32 Prozent und eine Minderheitsregierung 25 Prozent. Die Option Rot-Rot-Grün oder Minderheitsregierung Rot-Grün wird gar nicht erst abgefragt, da Merkel unter diesen Voraussetzungen nicht Kanzlerin bleiben könne. Interessant ist natürlich die Alternative Neuwahl, die inzwischen von 43 Prozent der Befragten befürwortet wird. Für die Demoskopen die Nachricht des Tages, da offenbar immer mehr Menschen die täglichen Wasserstandsmeldungen aus den Koalitionsverhandlungen nicht mehr ertragen können.
Doch auch bei dieser Variante bleibt Merkel Kanzlerin, zunächst geschäftsführend und, das legt die angeschlossene Sonntagsfrage nahe, auch bei einer Neuwahl. Dass die Zustimmung zu Neuwahlen steigt, liegt aber nicht an den Koalitionsverhandlungen, sondern vornehmlich an dem Versagen der Medien, die zunächst das Bündnis hochgeschrieben haben und nun allmählich merken, dass SPD und Union nur da weitermachen können, wo sie vor vier Jahren aufgehört haben, als allen die Große Koalition zum Halse heraushing.
Interessant ist auch, dass eine Mehrheit der Deutschen weiterhin Steuererhöhung zur Finanzierung politischer Projekte befürworte, diese Mehrheit aber weiterhin jene Parteien auf dem Wahlzettel ankreuzen würde, die ein solches Programm dezidiert ablehnen. Unterm Strich ist klar, auch diese Umfrage ist unbrauchbar. Das einzige was sie belegt, ist der geistige Schaden, den Kampagnenjournalismus bei Demoskopen und Befragten offenbar angerichtet hat.
NOV
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.