Wählen, bis es passt

Geschrieben von: am 07. Nov 2008 um 13:58

Die Neue Presse Hannover überschreibt ihren Leitkommentar auf Seite 1 heute mit

Die Wähler haben eine Chance verdient

Bodo Krüger findet also, dass die beabsichtigte Auflösung des hessischen Landtages so in Ordnung sei. Schließlich habe der zermürbende Machtkampf der vergangenen Monate gezeigt, dass hessische Verhältnisse die politische Kultur beschädigen. Krüger wüscht sich indes klare Verhältnisse. Und die können nur über Neuwahlen erreicht werden. Da ist sich der NP-Redakteur fast sicher.

Es ist schon erschreckend zu lesen, in welchem larifari Stil über die Demontage von Demokratie hinweg geschrieben wird. Da gibt es ein Wahlergebnis, also den Ausdruck eines wie auch immer gearteten Wählerwillens und keiner kann damit etwas anfangen. Man erklärt einfach, dass nichts mehr geht und ruft Neuwahlen aus, bei der dieselben Pappnasen antreten werden. Und danach soll die Zusammenarbeit nun in dann hoffentlich klaren Verhältnissen klappen? :crazy:

Also ist im Grunde nicht der Wählerwille von Bedeutung, sondern ausschließlich klare Verhältnisse. Sprich man wählt so lange, bis die Ergebnisse passen. Die Presse tut dabei jetzt so, als trüge sie keine Schuld an dem Wirrwarr, das sie selber beklagt. Monatelang wurde über Ypsilantis demokratischen Versuch, eine Mehrheit zu finden, gespottet und am Ende werden vier plötzliche Abweichler gefeiert, die vorher fleißig für den Weg Ypsilantis gestimmt hatten.

Manchmal fragt man sich, welches Verständnis von Demokratie einige Schreiberlinge in unserem Land eigentlich haben. Da reden sie jetzt von einer Chance für die Wähler, meinen aber die Chance des bereits gescheiterten Roland Koch und schreiben das auch noch so hin. Wer so gleichgültig mit Wählerentscheidungen umgeht, wie Bodo Krüger es in seinem Leitartikel tut, braucht den Begriff Demokratie überhaupt nicht mehr in den Mund zu nehmen.

Hier wird schlicht Gewalt gegen den Begriff ausgeübt. Am Ende bleibt nur ein Wortfetzen übrig, der mit Beliebigkeit am besten übersetzt werden kann…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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