Die Kommentatoren beschäftigen sich heute morgen mit Syrien und einem bevorstehenden Militärschlag aus humanitären Gründen. Das mit den humanitären Gründen hat der britische Außenminister William Hague erfunden, wahrscheinlich weil ihm genauso wenig Beweise für einen vom Assad-Regime aus gesteuerten Chemiewaffeneinsatz vorliegen wie den USA. In den Medien wird bagatellisiert, um die erneut nicht vorhandene Haltung der Bundesregierung zu stützen.
Die Süddeutsche unterstellt der Linken gar Moralische Großmannssucht, weil die klar von einem militärischen Eingreifen in Syrien abrät und Luftschläge für Wahnsinn hält. Daniel Brössler schreibt an die Adresse der anderen beiden Merkel-Flügel im Parlament:
SPD und Grüne sollten sich hüten, dem Beispiel der Linkspartei zu folgen. Der Antikriegswahlkampf 2002 lebte von der Überzeugung, Deutschland habe sich richtig, also gegen Bush, positioniert. Auf diese einfache Formel lässt sich der Fall Syrien nicht reduzieren. Das verbieten die Fakten – und die Bilder aus Damaskus.
Nur welche Formel greift im Fall Syrien? Hilft eine Bombardierung, die ja offenbar nur kurz und als Bestrafung gedacht sein soll, den Menschen in Syrien, die ja nicht erst seit dem mutmaßlichen C-Waffen-Einsatz zu leiden haben. In Neues aus der Anstalt brachte Kabarettist Christian Springer die Lage im Nahen Osten und die Rolle des vor Humanität triefenden Westens auf den Punkt.
Die syrischen Flüchtlinge sagen: Wir beten jeden Tag zu Gott, dass er uns ein Erdbeben schickt. Dann hätten wir morgen Hilfe. Aber wir haben nur einen Krieg.
Und in diesem Krieg sei eine rote Linie überschritten worden. Von wem, wissen offenbar nicht einmal die Geheimdienste, die ihren globalen Bruch von Grundrechten ja immer damit begründen, böse Menschen mit bösen Absichten rechtzeitig zu erkennen. Ein Militärschlag ohne oder mit konstruierten Beweisen, das kommt nicht nur bekannt vor, es ist dieselbe Strategie, genauso wie die Heuchelei über einen Zivilisationsbruch, einen Begriff, den neuerdings der deutsche Außenminister in den Mund nimmt. Wo bleibt der Aufschrei der Intellektuellen? Westerwelle setzt den Einsatz von C-Waffen in Syrien mit Auschwitz gleich.
Die Humanität der westlichen Demokratien, die ihre Werte inzwischen nur noch mit Mitteln der Diktatur verteidigen können, ist kaum noch zu ertragen. Erwin Pelzig stellte gestern in der Anstalt der Sorge der Bundesregierung um die Menschen in Syrien jene Flüchtlinge gegenüber, die zu Tausenden im Mittelmeer ersaufen, bei dem Versuch die Grenzen der durch und durch verlogenen europäischen Wertegemeinschaft zu erreichen.
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.