Im neoliberalen System gibt es keine Fehler. Demzufolge kann ein Patrick Döring, der unverständlicher Weise im Aufsichtsrat der Bahn sitzt, auch fordern, dass sich die im Urlaub befindlichen Mitarbeiter des Verkehrsunternehmens sofort zurückmelden sollen, um am Mainzer Hauptbahnhof ihren Dienst wieder aufzunehmen. Dort läuft nämlich aufgrund von Personalknappheit gar nichts mehr. Aber halt, Personalknappheit? Das gibt es im neoliberalen Denken nicht. Die Arbeit ist nur schlecht geplant oder verteilt, würde Döring wohl sagen.
Jedenfalls gebe es eine Betriebspflicht, so der FDP-Generalsekretär. Unternehmen und Mitarbeiter seien daher in der Pflicht. Das sagt einer, der erst einen Schaden verursacht, sich dann kackdreist verpisst und hinterher behauptet, nichts gehört und nichts gesehen zu haben. Als gelernter Klinkenputzer für Haustierversicherungen sorgte er sich nicht weiter um den Schaden des anderen. Sein Außenspiegel war ja heil geblieben. Davon hatte sich Döring nach Zeugenaussagen pflichtbewusst überzeugt, bevor er Unfallflucht beging.
Die dümmliche Reaktion von Döring ist nur allzu verständlich. Er ist Leistungsträger und FDP Politiker, der sich, wie ein Großteil der Medien nur um die Reisenden sorgt, die entweder durch Urlaubszeit und Krankheitsfälle oder durch Streiks kaum vertretbare Zumutungen in Kauf nehmen müssen. Wen interessiert schon Personalpolitik. Dabei könnte sich ein aufschlussreiches Bild ergeben. Siemens hat so viele Leute rausgeschmissen und kann jetzt keine Züge mehr rechtzeitig fertig bauen und die Bahn kann keine Züge mehr abfertigen, weil man so viele Fahrdienstleiter rausgeschmissen oder in den Ruhestand versetzt hat.
Warum das alles? Um hübsch auszusehen für die Leistungsträger, die meist bei Banken, Versicherungen oder in Beratungsbüros hocken und an den Vorschlägen zur Kostenreduktion wie auch an der Privatisierung verdienen. Deshalb gibt es Katastrophen wie bei der Berliner S-Bahn, die, wohlgemerkt in Friedenszeiten, jahrelang mit einem Notfahrplan operieren musste, weil Mehdorn und der Bundesregierung Rendite wichtiger waren als die technische Zuverlässigkeit eines Verkehrsmittels, auf das die Menschen in der Tat angewiesen sind.
Hübsch aussehen muss auch die Fassade. Deshalb werden Milliarden Euros nicht in Personal, Zuverlässigkeit oder breite Anbindung investiert, sondern in privilegierte Haltepunkte gepumpt, die dann sogar in der Erde verschwinden sollen. Vergraben? Das wäre auch für Mainz eine denkbare Lösung. Man würde vom Chaos nicht mehr viel sehen. Aber ob die Menschen es nun sehen oder nicht. Es ist egal. Sie wählen Leute wie Döring ja doch wieder in den Bundestag.
Quelle: Stuttmann Karikaturen
AUG
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.