Verfassungsrechtlicher Analphabetismus

Geschrieben von: am 04. Aug 2015 um 10:30

Generalbundesanwalt Harald Range hat die Unabhängigkeit der Justiz instrumentalisiert, um seine Haltung in der Causa #Landesverrat zu rechtfertigen. Die Unabhängigkeit gilt explizit aber nur für Richter, sagt der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur. Sie gilt nach den Buchstaben des Grundgesetzes ausdrücklich nicht für Staatsanwälte, also für die Ermittlungsbehörden. Diese Herren und Damen sind an Weisungen gebunden, unterstehen also der Exekutive. Übrigens ist das auch auf der Seite des Generalbundesanwalts nachzulesen, wie Stephan Hebel in der Frankfurter Rundschau bemerkt.

„Die beamtenrechtlichen Bestimmungen sehen vor“, heißt es da, dass der Generalbundesanwalt sich „in fortdauernder Übereinstimmung“ mit den „grundlegenden kriminalpolitischen Ansichten und Zielsetzungen der Regierung befindet“.

Das heißt, Range hat gar keinen Grund, sich über politische Einflussnahme auf seine Ermittlungsarbeit zu beschweren. Sie ist die Grundlage seines Jobs. Das ganze Verfahren selbst ist politisch motiviert und dilettantisch umgesetzt. Da läuft ein Verfassungsschutzpräsident, der auch nicht unabhängig ist, sondern dem Innenminister (CDU) untersteht zum Generalbundesanwalt, der dem Justizminister (SPD) untersteht und lässt ein Verfahren wegen Landesverrats in Gang setzen.

Der erste Minister will mal wieder nichts von der Angelegenheit gewusst haben. Der zweite Minister hat es gewusst, wie inzwischen bekannt ist. Er hat seinem Untergebenen aber nur einen Rat gegeben, die Ermittlungen ruhen zu lassen und im übrigen wie Range auch auf die Unabhängigkeit der Justiz verwiesen, in die er (Heiko Maas) nicht eingreifen wolle. Das ist Arbeitsverweigerung, sagt Neskovic. Justizminister Heiko Maas hätte als Dienstherr den Alleingang von Range untersagen müssen. Das ist sein Job, er trägt die politische Verantwortung.

Neskovic stellt klar, dass sich der Bundesjustizminister gesetzeswidrig verhält, wenn er sich weigert, seiner Aufsichts- und Leitungsfunktion nachzukommen. Wenn er gleichzeitig glaubt, sich mit Verweis auf eine nichtbestehende Unabhängigkeit des Generalbundesanwalts aus der Affäre ziehen zu können, zeige das nur die fachliche Ahnungslosigkeit von Heiko Maas (“verfassungsrechtlicher Analphabetismus”). Er hätte es vielleicht wie sein Kabinettskollege Thomas de Maizière machen sollen, der immer dieselbe Strategie verfolgt, und zwar: Mein Name ist Hase, ich weiß von nix. Mit dieser Einstellung kann man unter Merkel alles werden und bleiben.


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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Brandkanne  August 5, 2015

    Ist es eigentlich so, daß Herr Maaßen dem Maizere vor Übermittlung der Anzeige an Range hätte berichten _müßen_? Daß also, wenn Maizere auf Unkenntnis abstellen wollte, es einfach heißt, er hat seine Leute nicht richtig im Griff und seine Dienstaufsicht verletzt?

    Wenn ja: wer müsste da aktiv werden?

    • adtstar  August 5, 2015

      Ganz klar ja. Der Vorwurf lautet ja „Landesverrat“. In meinen Augen hätte Maaßen das Vorgehen absprechen müssen. Hat er bestimmt auch, doch de Maizière wiegelt ab. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll es den Mitarbeitern seines Hauses bekannt gewesen sein. Die Rolle des Innenministers wird noch aufzuarbeiten sein.

      Unterm Strich lässt aber sagen, dass das politische Führungspersonal dieser Großen Koalition mal wieder versagt hat und allein deshalb schon entlassen gehört.