Die Forderung, Geheimdienste abzuschaffen, ist realitätsfern. Zwingende Pflicht ist aber, die Verantwortung zu übernehmen, wenn bekannt wird, was Geheimdienste tun. Und was sie tun, steht nun mal nicht im Einklang mit Recht und Gesetz.
Geheimdienste abschaffen: Das ist eine beliebte Forderung in diesen Tagen. Leider ist das überhaupt nicht denkbar. Leider ist es aber auch so, dass die Regierung, viele Parlamentarier, aber auch Journalisten immer noch glauben oder glauben machen wollen, Geheimdienste könnten im eng gesteckten Rahmen von Recht und Gesetz operieren. Das war schon immer eine grundfalsche wie irreführende Annahme.
Warum unterhalten Staaten wie die Bundesrepublik eigentlich Geheimdienste? Na weil sie nachvollziehbarer Weise an Informationen interessiert sind, die sie eben nicht auf legalem Wege etwa durch höfliche Anfragen bei den demokratisch gewählten Regierungschefs anderer souveräner Staaten erhalten können. Es ist schlichtweg naiv anzunehmen, Geheimdienste hielten Rechte ein.
Peinliche Wahrheiten
Diese Feststellung muss zwangsläufig zu der Einsicht führen, dass auch demokratisch verfasste Staaten für sich das Recht in Anspruch nehmen, Spionage zu betreiben, um mit den gewonnenen Informationen was auch immer anzustellen. Das ist das erste. Das zweite ist, dass Geheimdienste dann immer auch damit rechnen müssen, dass ihre Arbeitsweise auffliegt und zur öffentlichen Anklage gebracht wird. Denn das kennzeichnet einen funktionierenden Rechtsstaat. Dann holt er sich zurück, was beim Schnüffeln im Verborgenen verloren gegangen ist.
Das geschieht in diesem Moment. Dabei zeigt sich, wie viel Wert das Gerede von den Grundrechten oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist oder kurz gesagt: Was uns von Staaten unterscheidet, die ganz offen die Grundrechte ihrer Bürger missachten. Der Eiertanz der Bundesregierung und ihrer Sprecher zeigt nun aber: Die Wahrheit hinter der zur Schau getragenen Unwahrheit ist mindestens peinlich.
Da hilft auch kein Supergrundrecht auf Sicherheit. Die Musterschüler der Demokratie sind gar keine. Da wo Demokratie und Grundrechte hinderlich sind, werden sie einfach außer Kraft gesetzt und trotzdem so getan, als geschehe alles nur zum Schutze der eigenen Bevölkerung. Aber nicht einmal das stimmt. Das zeigt doch die bizarre Vereinbarung zwischen NSA und BND nach 9/11.
Statt die eigene Bevölkerung vor Terroranschlägen zu schützen, hat es jede Bundesregierung seit 2001 zugelassen, dass ein befreundeter Geheimdienst nach eigenen Interessen die Infrastruktur des BND nutzen konnte. Mehr als Ermahnungen und Hinweise gab es von deutscher Seite nicht. Öffentlich stellte man sich sogar ahnungslos, um den „Freund“ zu schützen. So eine Art von Geheimdienst, der gar nicht für die Bundesregierung oder zum Schutz der eigenen Bevölkerung arbeitet, sondern für das „befreundete“ Ausland, braucht es wirklich nicht.
Fuck the Grundrechte
Fuck the EU: Wir machen was wir wollen. Den Rest erklärt ihr euren Bürgern bitte selbst. Es ist beschämend wie deutsche Parlamentarier angesichts des Ausmaßes der befreundeten Spionage das enttarnte System auch noch zu verteidigen suchen oder einmal mehr nach Aufklärung schreien, obwohl sie genau wissen, dass es die nicht geben wird. Denn wie der Bundesinnenminister schon sagte: Was geheim ist, kann nicht öffentlich besprochen werden.
Seinen Job wird er damit sicher nicht retten können, aber es bleibt noch mehr zu klären: Wer ein System der Informationsbeschaffung betreibt, ob es den Bürgern nun gefällt oder nicht, darf sich nicht so bescheuert und unterwürfig anstellen, wie das nach 2001 geschehen ist. Wo ist eigentlich die Spionageabwehr, deren unzureichende Wirkung auch die Bundesregierung längst erkannt und eine entsprechende Neuausrichtung angekündigt hat?
Die Spionageabwehr versagt auf ganzer Linie, die Regierung versagt auf ganzer Linie und die Kontrolleure versagen auf ganzer Linie. Konsequenzen gibt es aber keine. Jedenfalls nicht spürbar. Doch eines muss klar sein. Die Verantwortung für das Versagen lässt sich nicht in abstrakt gehaltene Räume delegieren oder hinter den Vermerk vertraulich. Der demokratisch verfasste Rechtsstaat fordert die persönliche Übernahme von Verantwortung, sonst ist er kein Rechtsstaat mehr und damit auch keinen Deut besser als die vom Westen benannte Achse des Bösen.
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APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.