Das Unwort des Jahres lautet „alternativlos“. Warum eigentlich nicht „Aufschwung“? Dieses Wort wäre in seiner Verwendung mindestens genauso sachlich unangemessen und dazu ein Substantiv wie einst das Unwort des Jahres 2005, Entlassungsproduktivität. Da hätte der Germanistik-Professor Horst-Dieter Schlosser dann den Verlust an inhaltlicher Substanz bei einem Hauptwort beklagen können, statt dem armen Adjektiv „alternativlos“ vorzuwerfen, dass es von vornherein Alternativlosigkeit suggeriere. Ja Mensch, das ist ja auch der Sinn eines Absolutadjekivs, das weder Komparativ noch Superlativ erlaubt und im Hyperlativ eine äußerst schräge Figur abgäbe.
Die Verwendung des Wortes „alternativlos“ war ja sprachlich gesehen nicht falsch. In seiner Verwendung sollte es der Lüge dienen. Die Lüge ist das Verbrechen, aber nicht das in diesem Zusammenhang verwendete Beiwort. Es hat seine Schuldigkeit getan. Wer aber die Bedeutung von Begriffen ändert, sie geradezu schändet, wie der Bundeswirtschaftsminister mit seinem Aufschwung, der übt Gewalt aus, gegen die Sprache und gegen deren Sinn, nämlich Verständigung zu erreichen. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist übrigens voll davon. Die Worte haben nur noch einen Zweck, sie dienen der Unterhaltung, sagte einmal Georg Schramm. Verwirrung statt Komunikation.
„Wir stehen am Grab des Wortes. Es ist nicht schön gestorben, das Wort. Es ist nicht vom Zensor erwürgt worden, es ist als leere Worthülse im Brackwasser der Beliebigkeit ertrunken.“
Brüderles pervertierter „Aufschwung“-Begriff zählt dazu. Während ganz Europa dank der Deutschen auch weiterhin am Abgrund steht und die USA schon einen Schritt weiter sind, feiert die Bundesregierung trotz wachsender Armut im eigenen Land fröhlich „Aufschwung“. Ob nun auf der Überholspur zur Vollbeschäftigung oder als Geisterfahrer auf dem Weg zum Massencrash, das ist doch im Prinzip egal. Die vermeintlich unterschiedlichen Perspektiven ändern nichts an der düsteren Prognose von einer Gesellschaft im Abstieg. Dieser Verlauf ist zwar nicht alternativlos, aber nach gegenwärtigem Stand und politischem Willen doch geradezu zwangsläufig.
JAN
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.