Die große Konsenssoßen-Politik ist seit Jahren bemüht, unternehmerische Logik auf ihre Entscheidungen die Volkswirtschaft betreffend zu übertragen. Der Staatshaushalt müsse ausgeglichen sein und Kosten eingespart werden. Dummerweise würde nie ein Unternehmer auf die Idee kommen, sich selbst eine Schuldenbremse zu verpassen. Wenn die Zinsen niedrig sind, werden Kredite aufgenommen. Und zwar deshalb, weil die Rendite aus Investitionen höher ist, als die Zinsen auf den Kredit. Auf die Volkswirtschaft übertragen, hieße das, dass beispielsweise über Staatsanleihen finanzierte Bildungsausgaben einen deutlich über den Kosten liegenden Gewinn versprechen. Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft errechnet Bildungsrenditen von bis zu zehn Prozent.
Ohne Kredite gibt es keinen Geldumlauf und ohne Geldumlauf kein Wachstum. Wenn man sich im Wahlkampf die einzelnen Positionen so anhört, so stellt man fest, dass von rechts bis links und von Nord nach Süd dieselbe Einstellung zum Schuldenmachen vorherrscht. Man dürfe nur ausgeben, was man auch tatsächlich habe, heißt es immer wieder. Aber genau das hat eben nichts mit Marktwirtschaft und der Realität zu tun. Denn was ist denn das, was jemand hat. Geld. Und Geld ist nichts weiter, als eine Schuldverschreibung, die man für beliebige Waren und Dienstleistungen wieder eintauschen kann. Geld entsteht überhaupt erst, weil Kredite vergeben werden. Wenn ein Arbeitnehmer Lohn erhält oder eine Stadt Steuern, dann drückt der Betrag nur eine bestimmte Höhe einer Forderungsposition aus. Etwas haben kann man hingegen nur, wenn man mit dem Geld investiert, konsumiert oder es als Tapete an die Wand klebt.
Geld zu horten und zu sparen, hat hingegen keinerlei volkswirtschaftlichen Sinn, sondern führt nur dazu, eine Deflation in Gang zu setzen. Was ist nun mit den Schulden? Wenn Schulden bestehen, heißt das doch nur, dass die Bank eine bestimmte Forderungsposition gegenüber dem Schuldner hat und einen Anspruch darauf, dass aus dem Nichts geschaffene Geld nach Tilgung wieder vollständig verschwinden zu lassen. Ein in seiner eigenen Währung verschuldeter Staat ist die Bedienung seiner Schulden immer problemlos möglich, weil er nicht nur Geld drucken, sondern auch dafür sorgen kann, es über Steuern einzutreiben. Er braucht daher keine Schuldenbremse, die in der Realität nur als Investitionsbremse wirken kann, sondern viel eher eine Wiederbelebung ökonomischen Sachverstandes. Er braucht übrigens auch keine Banken. Es reicht eine.
Die Ausgaben von heute, sind eben nicht nur die Schulden von Morgen, sondern auch die Einnahmen. Wenn der Staat meint, den Banken Milliardenbeträge zu deren Rettung in den Rachen zu werfen oder vielmehr in den Rachen der Bankeigentümer, so hat er genauso gut das Recht, das viele Geld bei den so Begünstigten durch höhere Abgaben wieder hereinzuholen. Denn sie produzieren ja auch nichts damit, was dem Gemeinwohl vom Nutzen wäre. Das ist dann eben der Preis der Rettung, den dann auch die bezahlen sollen, die gerettet wurden. Sie wären ja nicht arm, nur weil sie von ihrem Reichtum etwas abgeben müssten.
Wenn der Staat nun aber zu der Überzeugung gelangt, sich zu verschulden, weil er in die Realwirtschaft, in Schulen, in Straßen, in die Qualifikation der Bevölkerung investieren möchte oder Menschen einfach nur beschäftigen will, weil genug Arbeit da ist, so hat er nicht nur seinen Schuldenstand erhöht, sondern auch dafür Sorge getragen, dass ihm und den Sozialkassen in der Zukunft höhere Einnahmen zufließen, als der Kredit, den er dafür aufnehmen muss, in Wirklichkeit kostet. Die Tatsache, dass Schulden immer weiter zunehmen, liegt nicht daran, dass der Staat Kredite aufnimmt, sondern daran, dass seine politischen Führer eine falsche Wirtschaftspolitik betreiben, die einerseits einem total unproduktiven Sektor in Windeseile Milliardensummen zur Verfügung stellt und anderseits von den Menschen der Realwirtschaft verlangt, Verzicht zu üben und sparsam zu sein.
Wer aber von den Menschen verlangt, den Gürtel immer noch enger zu schnallen, muss die Demokratie, den Rechtsstaat und die Parlamente abschaffen. Vielleicht hat Frau Merkel genau das im Sinn.
Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.
Quelle: NachDenkSeiten
In einer Demokratie zu leben, ist für Merkel anscheinend bedauerlich. Wo ist eigentlich der Aufschrei unserer Verfassungshüter aus der CSU? Steht Angela Merkel noch auf dem Fundament der freiheitlich, demokratischen Grundordnung? Immerhin will sie die Mitbestimmung marktkonform gestalten. Dazu schreibt das Grundgesetz:
Art 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.