Gestern gab es ja wieder ganz großes Kino von unserer Kanzlerin in der ARD wie auch im ZDF zu bestaunen. Farbe bekennen hieß zum Beispiel das Theaterstück, das uns in der ARD bei Uli Deppendorf und Thomas Baumann vorgespielt wurde. Gleich die erste von Deppendorf abgelesene Frage, wie gut Merkel denn in der letzten Zeit geschlafen hätte, belegt den beiderseitigen Willen zum Schauspiel, aber nicht, um das Publikum zu unterhalten, sondern um es in die Irre zu führen.
Merkel durfte sich als Macherin präsentieren, die das Problem an der Wurzel gepackt habe und nun den Griechen unsere so erfolgreiche Agenda 2010 als knallharte Bedingung im Gegenzug für deutsche Kredite aufzwingen dürfe. Die Strategie der Kanzlerin habe eben nichts mit einem Zögern oder Zaudern zu tun, sondern mit dem festen Willen, Schaden vom deutschen Volk abwenden zu wollen (indem man den Schaden dem griechischen Volk per Bundestagsbeschluss aufhalst?). Daher sei es wichtig gewesen, besonders darauf zu achten, dass der Euro als „unsere“ Währung stabil bleibe bzw. dass das Ersparte der Deutschen sicher sei. wie Thomas Baumann allerdings darauf kommt, dass die Frage nach dem eigenen Ersparten, die Deutschen bei der Griechenlandproblematik besonders umtreiben würde, erschließt sich mir nicht. Es ist wohl nur die Frage eines Stichwortgebers. Aber hören sie zunächst einmal selbst.
Die Absicherung der Stabilität des Euro ist also die zentrale Aufgabe gewesen, die Merkel so hart verhandeln ließ. Dumm nur, dass seit Bekanntgabe des Beschlusses zur Aktivierung des EU-Rettungspakets am Wochenende, der Euro-Kurs auf weitere Talfahrt ging.
Offensichtlich scheint es die Märkte nicht die Bohne zu interessieren, was Merkel da angeblich an der Wurzel behandelt haben will. Die nächsten Krisenkandidaten stehen ja auch vor der Tür. Das leugnet Merkel aber und lobt die bereits angelaufenen Sparanstrengungen in diesen Ländern. In diesem Zusammenhang muss man dann auch Merkels Forderungen nach künftigen Vertragsänderungen sehen und die Frage stellen, warum in der erst vor kurzem in Kraft getretenen EU-Verfassung, die doch über so viele Jahre von „Miss World“ entwickelt und vorangetrieben worden war, keine solchen Mechanismen eingebaut wurden. Kam das Griechenland-Desaster etwa wieder völlig überraschend über uns? Werden die bereits jetzt absehbaren Krisen in Portugal, Spanien und Irland etwa auch völlig überraschend über uns kommen?
Merkels Forderungen nach der Einführung einer europäischen Ratingagentur oder der Möglichkeit einer „geordneten Insolvenz“ auch für Staaten, die eine Beteiligung der Gläubiger einschließen soll, sind dummes Geschwätz, weil sie gerade für den aktuellen Fall nicht gelten dürfen. Aus welchen fadenscheinigen Gründen auch immer. Es ist das ewige Gelaber über Finanzmarktregeln, bei denen die Kanzlerin sofort dabei wäre, wenn es einen internationalen Konsens gäbe, den sie in der Vergangenheit aber stets zu verhindern wusste.
MAI
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.