Todesnachrichten: Merkel im Stress

Geschrieben von: am 11. Apr 2010 um 14:05

Es ist durchaus makaber, aber unsere Regierungschefin musste ad-hoc zwei Auftritte absolvieren, bei denen sie sich mit dem Tod auseinanderzusetzen hatte. Ein Vergleich lohnt sich. Als der polnische Präsident bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, sprach die Kanzlerin von einer politischen und menschlichen Tragödie für Polen. Kurz und knapp viel ihre Beileidsbekundung aus, denn Bestürzung und Fassungslosigkeit bestimmten die Reaktion.

Als sie aber von der Bild-Zeitung dazu gedrängt wurde, auch bei der Gedenkfeier für drei in Afghanistan getötete Soldaten teilzunehmen, geriet ihre Rede zu einer Apologie auf den Afghanistan-Einsatz. Sie sprach nicht von einer Tragödie für unser Land, sondern versuchte in epischer Breite zu erklären, warum der sinnlose Afghanistan-Einsatz dennoch richtig sei. An die Angehörigen gerichtet, meinte sie zum Schluss, dass die Erinnerungen ja bleiben.

„Die Erinnerungen an das große oder kleine Glück kann niemand nehmen.“

Eingangs sagte Merkel wahrscheinlich zur Beruhigung der Öffentlichkeit:

„Unser Einsatz in Afghanistan verlangt von uns Politikern, den Tatsachen ins Auge zu sehen und sie klar zu benennen.

Im Völkerrecht nennt man das, was in Afghanistan in weiten Teilen herrscht, einen nicht internationalen bewaffneten Konflikt. Die meisten Soldatinnen und Soldaten nennen es Bürgerkrieg oder einfach nur Krieg. Und ich verstehe das gut. Denn wer auf den Straßen vor sich täglich neue Minen vermuten muss oder wer auf Patrouille immer damit rechnen muss, in einen Hinterhalt zu geraten oder unter gezieltes Feuer zu kommen, der denkt nicht in juristischen Begrifflichkeiten, der sieht die Welt verständlicherweise mit anderen Augen.

Ja, es ist wieder und wieder wichtig, dass wir uns klar machen, warum wir junge Frauen und Männer in ein fernes Land schicken, wo ihre Gesundheit an Leib und Seele und ihr Leben immer wieder in Gefahr sind. Die Antwort darauf ist nicht selbstverständlich – und bequem ist sie auch nicht.“

Wer einen Krieg, an dem sich die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Italien, Polen und weitere 35 Nationen beteiligen, einen NICHT-internationalen bewaffneten Konflikt nennt, sich dabei auf das Völkerrecht beruft und so tut, als würde man nur juristische Begriffe verwenden, der hat schlichtweg einen an der Waffel. Sie hätte auch direkt auf die Särge spucken können.

Auf das Warum gab die Frau Bundeskanzlerin übrigens keine Antwort, außer jene falschen Begründungen über angebliche Bedrohungsszenarien, an die man schon fest glauben muss, um die Wirklichkeit weiter so offenkundig ignorieren zu können, wie es die Bundesregierung tut. Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan würde der Sicherheit Deutschlands dienen. Zunächst einmal muss man aber feststellen, dass die Sicherheit der deutschen Soldaten mit fortschreitender Einsatzdauer immer weniger gewährleistet werden kann. Gibt es überhaupt noch eine messbare Sicherheitslage, aus der man schließen könnte, dass ein Wiederaufbau, wie ihn die Bundesregierung anstrebt, überhaupt möglich ist? Ist es nicht eher so, dass Strukturen, die vielleicht geschaffen wurden, nicht schon längst wieder zerstört wurden? Die Kanzlerin lügt, wenn sie behauptet, dass es in Afghanistan noch „genügend Sicherheit“ gäbe, die dank des Einsatzes der Bundeswehr erzielt worden sei. Die Bundeswehr zieht sich doch permanent zurück. Ihr Basislager ist inzwischen vom Feind umringt und die Zufahrtsstraße oft Schauplatz von Anschlägen.

Merkel sprach wieder von dem Rückzugsgebiet Afghanistan und einer Brutstätte des internationalen Terrorismus. Davon gibt es aber viele auf der Welt, zum Beispiel in Afrika. Wieso kämpfen wir nicht auch dort? Schließlich wolle die Kanzlerin ja unbedingt verhindern, dass Deutschland Ziel von Anschlägen würde. Kann sie denn ausschließen, dass uns aus anderen Ländern keine Gefahren von Terroristen drohen? Was ist so besonders an Afghanistan? Dazu wie immer lautes Schweigen im Walde. Dafür das:

„Dennoch steht auch heute die große Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages hinter diesem Einsatz. Darauf können unsere Soldatinnen und Soldaten setzen.“

Der Souverän lehnt den Einsatz aber mit überwältigender Mehrheit ab. Wieso ignoriert die Regierungschefin das? Wem gehorcht sie denn?

„Wir arbeiten deshalb daran, die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, selbst die Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen.“

Indem man auf sie schießt?

Ah, ich vergaß. Das war ja ein Versehen. Freigeist zu Guttenberg hat diesbezüglich keine Tränen in den Augen gehabt, sondern umgangssprachlich bemerkt, dass soetwas passieren könne.

„Oft verblasst in der öffentlichen Wahrnehmung das Leid, das der Einsatz bei unseren Soldaten und ihren Familien hinterlässt. Kein Denkmal und keine Feier kann hier unser ganz persönliches Mitgefühl ersetzen.“

Und da war sie wieder, die Beleidigung des Urnenpöbels, der einfach zu doof sei, die Komplexität von Regierungshandeln zu begreifen. Zu Guttenberg hat ja selbst gesagt, es läge bzgl. des Afghanistan-Einsatzes ein Vermittlungsproblem vor, an dem er arbeiten wolle. Kein Denkmal könne persönliches Mitgefühl ersetzen. Toll. Was sollte auch auf der Gedenktafel stehen? Nee nee, die Angehörigen wissen schließlich am besten über die sinnlos Getöteten Bescheid. Anstatt sich öffentlich darüber den Kopf zu zerbrechen, lässt die Bundeskanzlerin der Bananenrepublik Deutschland die Opfer allein mit der Bemerkung, sich schöne Erinnerungen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Mehr kann man von dieser Schweineregierung nicht erwarten!

Alles in allem komme ich zu dem Schluss, dass hier ein Medienevent zelebriert wurde mit Merkel als der kühlen Regierungschefin, die den Anschein erwecken sollte, das Heft des Handelns fest in der Hand zu halten und einem menschelnden zu Guttenberg, der für die Taschentuchfraktion und die eigenen Popularitätswerte da war. Und die Kirche diente dabei als Kulisse. Inzwischen hat der Tod des polnischen Präsidenten unter dem Titel „Die polnische Tragödie“ die Bilder der patriotisch wirkenden Trauerfeier abgelöst.

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Quellen:
http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2010/04/2010-04-09-rede-trauerfeier-selsingen.html

http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2010/04/2010-04-10-statement-polen.html

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Einhard  April 11, 2010

    Man sollte Familienmitglieder & enge Freunde der dem Einsatz zustimmenden Politiker dorthin schicken, vielleicht würden die sich dann der Realität stellen.