Tanja Gönner und der letzte Stand, der keiner ist

Geschrieben von: am 22. Okt 2010 um 15:36

Eine Beteiligung der Öffentlichkeit wird von Seiten der Befürworter von Stuttgart 21 nach wie vor abgelehnt. Es ist schon toll, dass eine sachliche Auseinandersetzung bereits daran scheitert, dass die Fakten, wie ein Fahrplan und ein Fahrbetrieb im neuen Bahnhof, gar nicht festgestellt werden können, weil die Bahn und die Landesregierung gar nicht wissen, wie das Verkehrsaufkommen aussehen wird, wenn die Milliarden erst einmal versenkt wurden.

Frau Gönner sprach vom Eindruck eines letzten Standes, den die Öffentlichkeit gewinnen könne, wenn alle Dokumente zugänglich gemacht würden. Es sei vielmehr so, dass es sich um Planungen handele, die weiterentwickelt würden. Ja toll. Was soll man mit so einem Scheiß anfangen. Wir bauen einen Bahnhof und gucken dann, ob die Züge auch abgewickelt werden können? Das ist doch Blödsinn. Mit der Aussage von den Befürwortern, man würde auf die Verkehrsentwicklung reagieren, heißt doch konkret, dass die Kosten für S21 weiter steigen werden. Jedenfalls haben die Bahn und die Landesregierung nicht begründet darlegen können, dass mit Stuttgart 21 ein Gewinn an Kapazität einherr geht. Sie haben auch nicht den Vorwurf der Gegner entkräften können, dass nach den bisherigen Planungen, die Kapazitätsgrenze bereits erreicht sei.

Dafür hat Herr Kefer im Sinne eines PR-Fachmanns und nicht in seiner Funktion als Technik-Vorstand der Bahn stets gelächelt und die Verfahren als Begründung für die Fakten angeführt. Man könnte da auch von Zirkelschlüssen sprechen, wenn man die lange Dauer der Planung, die nachweislich von falschen Projektionen und Simmulationen ausgegangen ist, anführt, um die Unumstößlichkeit des Gesamtprojekts zu beweisen. Das ist krank.

Wenn man die berechtigten Kritikpunkte der Gegner ernst nähme, müsste man als neutraler Beobachter zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Voraussetzungen grundlegend geändert haben. Das konnte man sehr schön an der Diskussion um Haltezeiten sehen. Die Befürworter gehen in ihrer theoretischen Annahme davon aus, dass die Züge künftig nur eine Minute halten werden. Damit hatte sogar der Geißler Probleme, da so eine Annahme vollkommen realitätsfern sei. Dennoch ist diese Größe in die absurde Effizienz-Berechnung der Gutachter eingeflossen und hat somit zu dem Ergebnis geführt, dass S21 wirtschaftlicher sei als der bisherige Kopfbahnhof. Bahn und Landesregierung meinten darauf nur, dass es sich hierbei um einen Prozess handeln würde und es gar nicht darauf ankäme, wie lange die Züge nun tatsächlich hielten.

Daran können sie sehr schön sehen, wie bewusst manipuliert wurde, um die bisher vorhandene Infrastruktur zu dikreditieren und die Öffentlichkeit mit falschen Modellannahmen in die Irre zu führen. Einmal hat Herr Kefer als es ihm zu bunt wurde, auch wieder betont, dass der Beschluss pro S21 nicht zur Debatte stünde. In diesem Sinne hilft es kaum, wenn die begeisterte Medienöffentlichkeit von einem demokratischen Ereignis fabuliert. Man müsste vielmehr nüchtern festhalten, dass hier die Demokratie grandios gescheitert ist, weil Entscheidungen getroffen wurden, die vor dem Hintergrund einer Unschärfe stattfanden, die der Öffentlichkeit aber bisher als klare Faktenlage verkauft wurde.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Ormuz  Oktober 22, 2010

    Wenn sowohl die Bahn als auch die Landesregierung nicht will, das es da unten brennt, dann sollten sie schleunigst von diesem Irrsinn abrücken und das ganze abblasen.
    Da müßen die sich ihre Milliönchen, die sie damit verdienen wollten eben woanders erwirtschaften, ein gut funktionierendes System zu runieren, um anschließend etwas deutlich schlechteres zu haben, nur damit sich ein paar Lobbyisten profilieren und bereichern können, das ist schlicht nicht hinnehmbar.