Vom Minister Schamlos zum Minister Ahnungslos. So könnte man den Wechsel im Verteidigungsministerium treffend bezeichnen. Das äußerlich gegeelte Haar zu Guttenbergs trägt Thomas de Maizière nach innen toupiert und zwar da, wo bei normalen Menschen das Gehirn sitzt.
Man muss es so deutlich sagen, weil es zum Kotzen ist, mit welcher journalistischen Einfalt einem weiteren adeligen Vollidioten im schwarz-gelben Horrorkabinett auf den Leim gegangen wird. Was waren sie alle froh, den zu Guttenberg losgeworden zu sein. Nach der Lichtgestalt, die jäh über ihre eigene Dreistigkeit stolperte und jene beinahe mit sich riss, die in ihr den nächsten Kanzler sehen wollten, trat nun an deren Stelle der Anti-Held de Maizière, Merkels Mann für alles und nichts.
Ihm schrieb man sofort die vermisste Ruhe, Unaufgeregtheit sowie Geradlinigkeit zu, die es brauchte, um der Regierung den Anschein von Sachkompetenz zurückzugeben. Dabei ist de Maizière ein ahnungsloser Trottel, der mit seinem Neusprech nur vorgibt besonders kompetent zu sein. Das verbindet ihn mit dem Rest im Kabinett und der bereits politisch entsorgten ehemaligen Amtsträger.
Der FAZ gab der Minister ein Interview, in dem er das Töten und Sterben als normale Alltagsrealität der Bundeswehr beschrieb:
Es kann dazugehören, und man muss vorher damit rechnen, dass das bei Soldaten dazugehört: Sterben und Töten. Wer die Bundeswehr bejaht, muss sie im Ganzen bejahen. Umso mehr ist bei einem Einsatz immer auch zu prüfen, wie gefährlich ist er, wie sind die Ziele, kann man die Ziele mit angemessenen Mitteln erreichen, ist es verantwortbar? Es kann aber nicht das Kriterium sein: Gefährliche Einsätze Nein, ungefährliche Einsätze Ja. Dann müsste man auf Streitkräfte – und übrigens auch auf Polizei – verzichten.
Der Minister lenkt ab. Es geht gar nicht um gefährliche oder ungefährliche Einsätze der Bundeswehr, sondern einzig und allein um die Frage, ob Einsätze, ob Kriege oder kriegsähnliche Zustände als Mittel der Außenpolitik überhaupt zulässig sind. Das Grundgesetz kennt so etwas nämlich nicht. Mit Ausnahme des Verteidigungsfalls.
Um seine abstruse Vorstellung zu untermauern, die vor ihm immerhin einen Bundespräsidenten zu Fall brachte, beruft sich de Maizière auf Artikel 24 GG, wonach durch die Einbindung des Landes in Bündnisse zur Sicherung des Weltfriedens auch die militärische Optionen durchaus zulässig sein kann.
Zunächst ist klar, dass Streitkräfte im nationalen Interesse eingesetzt werden. Dazu gehört auch die Landesverteidigung als Bündnisverteidigung. Wir sind aus nationalem Interesse im Bündnis. Aber nach dem Ende der deutschen Teilung und wegen der Rolle Deutschlands in der Welt kann es auch zu Einsätzen kommen, wo wir kein unmittelbares Interesse haben, sondern wo sich die Frage stellt: Beteiligen wir uns aus internationaler Verantwortung? Das handhaben längst viele Nationen in der Welt so.
Krieg, Chaos, Leid, Tod und Verletzung seit nunmehr zehn Jahren in Afghanistan nennt de Maizière also internationale Verantwortung, die sich mit der Forderung des Grundgesetzes vereinbaren ließe, eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeizuführen und zu sichern. Das ist einfach nur Bullshit.
Noch schlimmer wird es, wenn er den Clausewitz einmal mehr falsch zitiert und versteht.
Aber wenn der Einsatz von Streitkräften im Ausland immer auch Instrument der Außenpolitik ist, dann heißt das, dass Politik nicht endet, wenn Soldaten da sind. Das besagt auch die Clausewitz’sche Formulierung Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Das wird oft so ausgelegt, als wäre die Politik dann am Ende. Nein, Soldaten sind Teil der Außenpolitik, und ein politischer Prozess muss begleitend zum Einsatz von Soldaten stattfinden nicht nur klassische Außenpolitik, sondern auch Wirtschaftspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, gegebenenfalls Finanzpolitik, Sanktions- und Nachbarschaftspolitik.
Clausewitz schrieb in seinem unvollendeten Werk Vom Kriege:
Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel
D.h., dass die Politik selbst entscheidet, ob sie Krieg führen will oder nicht. Es gibt eine Alternative, nämlich keinen Krieg zu führen. Aber bei dieser Bundesregierung ist es genau so, wie de Maizère behauptet, dass es nicht ist. Die Politik hat sich der militärischen Gewalt untergeordnet und akzeptiert, dass sie zur Durchsetzung von ökonomischen Interessen automatisch und an der Verfassung vorbei eingesetzt werden kann. Das Militär als Instrument der Außenpolitik zu betrachten, ist eine schändliche Tat der politischen Lenker, die sich gern als Gestalter, denn als Gestalten verstanden wissen wollen.
Mit der Annahme der Änderungen zum NATO-Vertrag 1992 erklärte sich die Bundesregierung zum Beispiel damit einverstanden, innerhalb des Bündnisses auch an so gennannten „Out of Area“ Einsätzen teilzunehmen. Erst diese Vereinbarung machte den Krieg unter NATO-Flagge im Kosovo 1999, der weder durch die Feststellung eines Bündnisfalls, noch durch ein UN-Mandat gedeckt war, möglich.
Heute ist das alles einfacher. Bündnisfälle sind schnell ausgerufen und UNO-Resolutionen mit dem Teufelswort Mandat, das auch de Maizière im Munde führt, gibt es im weltweiten Geschacher um Kohle und Wählerstimmen auch recht zügig geliefert. Die Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke, von der Moral mal ganz zu schweigen. Selbst die Grünen haben so gesehen, auch kein Problem mit Krieg und militärischen Kapazitäten, die es für solche Fälle vorzuhalten gilt.
Die Politik macht sich überhaupt nicht mehr die Mühe, über andere Optionen auch nur nachzudenken. Der Krieg ist einfach zu leicht zu haben. Dafür kann man sogar den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Ganz schlimm wird es aber, wenn unsere demokratischen Vordenker und Wahrer des Grundgesetzes, die andere gern als Verfassungsfeinde bezeichnen, selbige nicht einfach nur brechen, sondern schlichtweg ignorieren. Soll das Bundesverfassungsgericht doch urteilen und anmahnen wie und was es will. Soll es doch Fristen setzen, bis dahin ein verfassungswidriger Zustand beseitigt sein soll, es ist ihnen inzwischen egal.
In einem weiteren Interview sagte de Maizière bedeutungsschwanger:
„Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.“
Quelle: Phoenix
Wenn de Maizière, als er noch Innenminister war, den Artikel 24 GG genau gelesen hätte, wüsste er, dass der Einsatz von Streitkräften im Rahmen des Völkerrechts und auf Basis von Bündnispflichten gerade nicht die staatliche Souveränität besonders zum Ausdruck bringt. Diese wird nämlich vorher zum Teil abgegeben.
Artikel 24 GG, Abs. 2
Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Quelle: Bundestag
Und in einer der nächsten Folgen erklärt Herr de Maizière dann die freiheitlich demokratische Grundordnung, die es zu verteidigen gilt, wenn Terroristen den Rechtsstaat bedrohen. Dabei sind es nicht die Terroristen, die ihn bedrohen, sondern Regierungsteilnehmer wie de Maizière. Aber da steht der Vorzeigeminister in einer Linie mit Schily, Schäuble, Friedrich und Co.
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MAI