Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat das kollektive Besäufnis der Bundesregierung zum Jahreswechsel unbeschadet überstanden. Sein geistiger Zustand hat sich nicht geändert. Nach wie vor beglückt uns der Minister und heimliche Hoffnungsträger der FDP mit freudigen Botschaften zur deutschen Wirtschaft.
„Mit Optimismus ins Jahr 2011“
„Bürger und Wirtschaft können mit Zuversicht in das neue Jahr starten. Hinter uns liegt ein wirtschaftlich außerordentlich erfolgreiches Jahr 2010. Wir haben den Weg aus der Krise gefunden. Deutschland hat den Grundstein für ein nachhaltiges Wachstum gelegt.
Trotz des harten Winters können wir von einem Rekordwachstum in 2010 ausgehen. Die jüngsten Exportzahlen sind ein weiteres Ausrufezeichen.
Wichtiger aber noch ist: Wir haben im letzten Jahr in Deutschland bewiesen, was wir gemeinsam leisten können, wenn es darauf ankommt. Daher haben wir auch allen Grund, dem Jahr 2011 optimistisch entgegenzusehen. Wenn wir gemeinsam mit dem gleichen Fleiß und der Entschlossenheit weitermachen, wird auch 2011 ein kräftiges Aufschwungjahr. Wenn wir alle mit anpacken, können wir dem Ziel der Vollbeschäftigung wieder ein Stück näher kommen.“
Quelle: BMWi
Im Gegensatz dazu hat der Bundesfinanzminister Schäuble, der ebenfalls Mitglied der schwarz-gelben Regierung ist, anscheinend nichts gesoffen. In seinem letzten Monatsbericht im Dezember heißt es unter dem Punkt „Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht“ sehr klar und nüchtern:
Die Exportdynamik hat sich zu Beginn des Schlussquartals abgeschwächt. Zwar sind die Warenausfuhren der Grundtendenz nach weiterhin klar aufwärtsgerichtet, obwohl sie im Oktober gegenüber dem Vormonat leicht sanken. Allerdings hat sich der Aufwärtstrend mit Blick auf den Dreimonatsdurchschnitt in den letzten Monaten spürbar abgeflacht. Die Exporttätigkeit deutscher Unternehmen wird derzeit vor allem durch die Wachstumsschwäche einiger europäischer Länder belastet.
D.h., dass bei andauernder Wachstumsschwäche einiger europäischer Länder der bisherige Aufwärtstrend bei den Exporten nicht nur noch flacher werden, sondern sich auch zu einem Abwärtstrend entwickeln könnte. Mit beinharter Sparpolitik, die von Berlin aus an ganz Europa verordnet wird, lässt sich wohl kaum diese Wachstumsschwäche überwinden. Zumindest nicht ohne den Zauberfusel, den Brüderle und Merkel offenbar in sich hineingekippt haben.
Grundsätzlich ist es sehr lustig, wie sich Wirtschafts- und Finanzministerium der gleichen Bundesregierung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ständig widersprechen. Während Brüderle auf Optimismus setzt und den Menschen mit seiner XXL-Propaganda offen Sand in die Augen streut, schafft es der Schäuble mit seinen Monatsberichten wenigstens, die Lage annähernd der Wirklichkeit entsprechend darzustellen, auch wenn er nach außen hin die Euphorie vom Brüderle teilt.
Wo soll denn die Vollbeschäftigung auch herkommen, wenn keiner mehr etwas kauft oder nachfragt, weil öffentlich und damit auch zwangsläufig privat gespart werden muss? Das ist ein ganz simpler Zusammenhang, der sich auch in Zahlen messen lässt, die die Herren Brüderle und Schäuble sowie Frau Bundeskanzlerin nicht zur Kenntnis nehmen. Es steigt zwar die Beschäftigung im Allgemeinen, aber es sinkt die für eine Volkswirtschaft wichtige Arbeitsplatzsituation im produzierenden Gewerbe, also in jenem Bereich, in dem etwas hergestellt wird, das auch verbraucht werden kann. Und es soll ja in diesem Jahr mehr konsumiert werden, so Brüderle und Co.
In der Meldung des statistischen Bundesamts zum Beschäftigungsrekord, die heute als Jubelschlagzeile rauf und runter gedudelt wird, steht es auch eindeutig drin, dass der Beschäftigungszuwachs nichts weiter ist, als die Summe aus einem Abbau von regulärer Beschäftigung zu Gunsten prekärer Stellen in der Leih- und Zeitarbeit:
Nach Wirtschaftsbereichen betrachtet entwickelte sich die Zahl der Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland im Jahr 2010 sehr unterschiedlich. In der Summe der Dienstleistungsbereiche nahm die Erwerbstätigkeit im Jahresdurchschnitt um 330 000 Personen (+ 1,1%) gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Ein Teil dieses Anstiegs entfiel auf die den unternehmensnahen Dienstleistungen zuzuordnende Zeitarbeitsbranche. Ebenfalls Beschäftigungsgewinne konnte das Baugewerbe verzeichnen. Dort wuchs die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2010 um durchschnittlich 30 000 Personen (+ 1,4%), während es im übrigen Produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) weitere Beschäftigungsverluste gab.
Quelle: destatis
Man muss das halt zur Kenntnis nehmen und nicht nur den Unsinn nachbeten, den die Statistiker und der Brüderle in irreführender Weise als Hauptnachricht verkaufen wollen, um das Volk ruhig zu stellen.
JAN