Die Entstehungsseite des Bruttoinlandsprodukts war im Jahr 2011 noch immer von Aufholeffekten in nahezu allen Wirtschaftsbereichen geprägt.
Quelle: destatis
Dieser unscheinbare Satz steht an einer noch unscheinbareren Stelle in der Jubelmeldung des statistischen Bundesamts vom Mittwoch, wonach die deutsche Wirtschaft auf das Jahr 2011 gesehen in einer sehr robusten Verfassung gewesen sei. Die Medien haben entsprechend reagiert und vom Boom geschwärmt.
Andere und auch die Bundesregierung waren da etwas verhaltener in ihren Reaktionen, weil sie die Meldung der Statistiker aus Wiesbaden offenbar genauer gelesen haben und bemerkten, dass der wirtschaftliche Aufschwung hauptsächlich in der ersten Jahreshälfte stattfand. Das wirft natürlich die Frage auf, wie es denn in der zweiten Halbzeit gelaufen sei.
Für das vierte Quartal 2011 liegen noch keine Ergebnisse vor. Das soll erst im Februar der Fall sein. Dennoch rechnet die Behörde für das vierte Quartal 2011 mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaft um 0,25 Prozent. Das wäre dann das erste Quartalsminus seit 2009. Trotzdem blicken die meisten Ökonomen verhalten optimistisch in die Zukunft. Übersetzt heißt das, wir haben keine Ahnung und lassen uns nicht festnageln.
Dabei ist in der Gesamtbetrachtung doch eins vollkommen klar. Die sich zuspitzende Eurokrise, befeuert durch den Export des eisernen Sparwillens der Deutschen, wird nicht folgenlos bleiben. Es stellt sich die Frage, woher das Wachstum kommen soll, wenn man den Ast absägt, auf dem man hockt. Ökonomen und Regierung bauen auf die Binnenwirtschaft und den privaten Konsum. Er sei zu einer Stütze der volkswirtschaftlichen Entwicklung geworden und lasse eine ausgeprägte Schwächephase für unwahrscheinlich erscheinen.
Interessant ist nun mal wieder die Gewichtung von gemessenen Konsumwerten und gefühlter Anschaffungsneigung.
Die Umsätze im Einzelhandel im engeren Sinne gingen zwar im November etwas zurück (-0,9 %), doch sprechen der spürbare Anstieg des Geschäftsklimas im Einzelhandel und das recht freundliche Konsumklima zum Jahreswechsel für einen guten Ausklang der privaten Konsumausgaben im vierten Quartal.
Quelle: BMWi
Die Kaffeesatzleserei von ifo und GfK wird für bahre Münze genommen, obwohl die Erwartungen vom real gemessenen Einkaufsverhalten der Deutschen nie bestätigt werden. Die Selbsttäuschung setzt sich also auch im Jahr 2012 fort.
Im Statement vom Präsidenten des statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, findet sich auch eine sehr aufschlussreiche Darstellung des durchschnittlichen Wachstums der letzten zehn Jahre.
Mit 0,9 bis vielleicht 1,3 Prozent im Schnitt seit dem Jahr 2000 fällt es schwer, in eine bo(o)mbastische Stimmung zu verfallen. Wenn man sich die Wachstumsperioden davor anschaut und miteinander vergleicht, wird die Sache mit dem Boom historisch betrachtet noch alberner, mindestens aber relativiert.
Quelle: destatis BIP 2009
Volkswirtschaftlich gesehen, fehlt einfach der Blick für das Ganze. Auswertung und Einordnung von Daten sind geprägt von Kurzsichtigkeit. Zusammenhänge werden ignoriert oder künstlich konstruiert. Doch selbst isoliert betrachtet, gerät das Gerede vom Aufschwung ins Wanken, weil es immer schwerer fällt, die sich abzeichnende Verschärfung der Krise zu leugnen.
Bekanntlich spricht man von einer Rezession, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu verzeichnen ist. Was werden sich Regierung und ihre Ökonomen aber freuen, wenn die Wachstumsraten weiterhin knapp im positiven Bereich verlaufen. Dann kann Philipp Rösler seinen tollen, aber ökonomisch völlig wertlosen, Satz wiederholen, wonach 1 Prozent Wachstum auch Wachstum und damit gut sei.
Auch ein Prozent Wachstum ist natürlich Wachstum.
…sagt der, dessen Partei mit 2 Prozent in den Umfragen dazu verdammt ist, vom Wachstum zu träumen. Würde aber die FDP von nun an um jährlich ein Prozent bis zur Bundestagswahl 2013 wachsen, am Ende stünde doch bloß das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.
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JAN