Post von Frank-Water Steinmeier

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Haben sie auch einen Brief vom Kanzlerkandidaten der SPD Frank-Walter Steinmeier (kurz: FWS) bekommen? Darin wirbt Steinmeier um meine Stimme. Ich dürfe die Zukunft allgemein und meine ganz konkret nicht anderen überlassen. Denn:

„Bei dieser Wahl geht es um eine Richtungsentscheidung für unser Land.“

Brief_von_fws

So so, eine Richtungsentscheidung. Dumm nur, dass der Parteivize Steinbrück immer wieder betont, wie gern er doch die Große Koalition fortsetzen würde und wie wahrscheinlich das Ganze auch ist. Zuletzt zelebrierte Steinbrück beim Stern-Jörges seine One-Man-Show, die zwar sehr unterhaltend wirkt, aber im Grunde nur Fassade ist, um zu verdecken, welch dummer und gescheiterter Fachminister er doch ist. Statt über die Verfehlungen und Defizite von Steinbrücks Politik zu sprechen, überlässt Jörges seinem Gesprächspartner die Gestaltung des Interviews. Der wiederum kalauert sich über die Zeit, stellt die aktuelle Wahlkampfbotschaft seiner Partei auf den Kopf und verteilt Streicheleinheiten an die Adresse der Kanzlerin.
Quelle: Stern

Und Frank-Walter Steinmeier schickt mir und vermutlich allen anderen Bundesbürgern auch einen Brief, in dem er darum bettelt, am 27. September die SPD zu wählen, weil man die Zukunft und ganz konkret angesprochen auch die eigene Zukunft nicht anderen politischen Kräften überlassen sollte. In welche Richtung geht es also? Bei der SPD jedenfalls kreuz und quer.

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Zum TV-Dreikampf im Ersten – Wahlwerbung für die FDP

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Gestern Abend lief eine Wahlkampfsendung mit den Spitzen der drei Oppositionsparteien im deutschen Bundestag in der ARD. Moderatoren und Fragensteller waren Jörg Schönenborn vom WDR und Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk. Vorweg, ich habe in die Sendung hineingeschaltet und nicht alles von Anfang an gesehen. Dennoch sind mir einige Merkwürdigkeiten aufgefallen. Zunächst einmal zu Herrn Schönenborn, der für die ARD eigentlich Umfragen präsentiert und gestern wie erwartet als dummer Einfaltspinsel auffiel. Zum Beispiel stellte er die Rentenfrage. Und zwar wandte er sich an Jürgen Trittin mit der Frage, warum man vor dem Hintergrund der Einführung der Rente mit 67 nicht einfach sagen könne, da hätte jemand an die Zukunft gedacht. Künftige Generationen müssten nicht die Zeche zahlen. Zum Zweiten sagte Schönenborn wahrheitswidrig, in Sachen Abschaffung der Rente mit 67 seien sich alle Oppositionsparteien einig.

Die Neue Presse Hannover spricht heute auch von der einen Gemeinsamkeit in Bezug auf die Abschaffung der Rente mit 67. Ohne Umschweife, das ist versteckte Wahlwerbung für die FDP. Denn wenn man Guido Westerwelle genau zugehört hat, wird man vielleicht bemerkt haben, wie er seine Vorstellung einer gerechten Rente begründet. Im Sinne der Versicherungswirtschaft nämlich. Die Branche hat mittlerweile ja erkannt, dass sich Geringverdiener eine private Zusatzrente erstens nicht leisten können und zweitens nichts von ihr haben, da der Gesetzgeber die Privatrente im Alter mit der Grundsicherung verrechnet. Die Pointe mit der Riester-Rente hatten ja die Kollegen von Monitor 30 Jahre zu früh verraten. Und das ist sehr wichtig, um zu verstehen, warum Westerwelle einen geheuchelten sozialen Schwenk vollzieht und nunmehr für ein höheres Schonvermögen eintritt.

Das ist doch glasklar. Die Leute sollen weiter die Renditen der großen Versicherer und Finanzinstitute bezahlen und nicht auf die Idee kommen, dass ihnen die vielen Zusatz-Sinnlosversicherungen nichts weiter bringen als Kosten und Ärger. Logischerweise muss man dann auch der immer größer werdenden Gruppe von Arbeitslosen einen höheren Schonbetrag lassen. Denn Westerwelle will das Geld nicht für den Staat, sondern für die Finanzindustrie, als dessen Anwalt er in Wirklichkeit immer wieder auftritt. Ich fand es schade, dass Lafontaine dieses miese Drecksspiel nicht offen angesprochen hat, zumal er Herrn Schönenborn harsch anging, als dieser mit Zahlen vom Versicherungslobbyisten Raffelhüschen kam und wieder so tat, als seien die einer seriösen Forschung entsprungen. Auch daran können sie sehen, dass Schönenborn als Vertreter der Meinungsforschung im Fernsehen einfach untragbar ist.

Es ist unerträglich, wie sich Westerwelle als Vorkämpfer einer Mittelschicht inszeniert, aber in Wahrheit die Interessen der immer gleichen Klientel bedient. Das können sie in einigen Ärzte-Wartezimmern der Republik unter Umständen sehen. Die Partei eigene Initiative Ärzte empfehlen FDP – Und die FDP empfiehlt den Ärzten Infomaterial hat bereits Anklang gefunden und zahlreiche niedergelassene Ärzte pflastern ihre Wände und Türen in den Praxen mit dem FDP-Müll zu. Diese Klientel zum Beispiel würde von dem eiskalten Neoliberalismus profitieren. Wenn die Patienten mehr und mehr Rechnungen selbst bezahlen müssten, ließen sich traumhafte Renditen erzielen.

Gestern sagte Westerwelle entschlossen, mit der FDP in der Regierung höre die Gesundheitspolitik der Ulla Schmidt endlich auf. Das müssen sie als Drohung begreifen, auch wenn sie zu Recht mit der Arbeit von Ulla Schmidt unzufrieden waren. Die FDP begründet in ihrem Wahlprogramm auf Seite 6 die beabsichtigten Steuersenkungen nämlich so.

Unser einfacher und verständlicher Drei-Stufen-Tarif von 10, 25 und 35 Prozent senkt die Steuerbelastung und schafft den dringend benötigten finanziellen Spielraum für Bürger und Unternehmen: Für mehr privaten Konsum, für Vorsorge für Alter, Gesundheit und Pflege, als Impuls für Wachstum und Investitionen.

Das heißt ganz klar, dass das Gerede von mehr Netto vom Brutto nur dem einen Ziel dient. Sie sollen die durch den Staat und die gesetzliche Sozialversicherung künftig eingespaarten Kosten, gefälligst selber tragen und aus privater Tasche zahlen. Dafür werden schließlich Steuern und Abgaben gesenkt. So einfach ist das Weltbild der FDP. Glauben sie bitte ja nicht, dass sie mit einer privaten Absicherung von Gesundheitsrisiken billiger fahren, als unter dem Ordnungsprinzip einer Sozialversicherung und Solidargemeinschaft.

Es ist wirklich schade, dass keiner es vermag, den Westerwelle zu entzaubern und mit den harten Fakten und seiner Interessenverflechtung zu konfrontieren. Im Gegenteil: Die angeblichen Journalisten jagen lieber Oskar Lafontaine, um ihm dann noch dreist zu sagen, dass sie nicht bedauern würden, wenn der Chef der Linkspartei sich aus der Politik zurück zöge. Das geht doch nun überhaupt nicht. Dann hätte man statt Schönenborn und Gottlieb auch Kai Diekmann und Hugo Müller-Vogg hinstellen können.

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Ein lausiger Sonntagabend im Ersten, Zweiten, bei RTL und Sat.1

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Über die Kontrahenten im TV-Duell möchte ich mich eigentlich gar nicht äußern, sondern zunächst einmal die Frage stellen, warum auf der anderen Seite immer dieselben Kandidaten der vier großen TV-Anstalten stehen und zum Teil dämliche Fragen stellen. Peter Limbourg zum Beispiel. Nachdem Frau Merkel erklären durfte, warum sie gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ist und gleichzeitig ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass Frisörinnen im Osten zum Teil nicht hinnehmbare 3,50 Euro verdienen, fragte der hellwach wirkende Sat.1 Mann den Herausforderer doch glatt, wie er den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen, wie eben in solchen Frisörbetrieben, verantworten könne.

Da hätte man am liebsten die erste Dose Ravioli in den Fernseher geschmissen. Offenbar scheinen einige Journalisten angesichts der Realtität in diesem Land, dass Arbeitnehmer zunehmend ausgebeutet werden und sittenwidrige Löhne hinzunehmen haben, nicht mehr klar denken zu können. Wie kann man aus der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nur einen Vorwurf konstruieren, der gerade mit dem Wegfall von jenen Arbeitsplätzen begründet wird, die es in einer sozialen Marktwirtschaft eigentlich gar nicht geben dürfte? Warum fragen diese angeblichen Topjournalisten die verantwortliche Regierungschefin nicht nach deren Gesundheitszustand oder Weltbild, wenn diese zu einer solchen bedrückenden Wirklichkeit nur mit einer Floskel des Bedauerns antwortet, aber ansonsten mit dem Geplapper Vorfahrt für Arbeit punktet.

Oder nehmen sie Herrn Plaßberg, der Steinmeier beim Thema Gesundheit eine Falle stellte und sich dann diebisch darüber freute, als dieser hinein stolperte und von selbst das Thema Dienstwagen ansprach. Wirklich albern. Wer im ZDF die Nachberichterstattung gesehen hat, wird vielleicht die Schalte in ein Krankenhaus gesehen haben. Dort gab es dann von einer Ärztin einen konkreten Hinweis darauf, was man beim Thema Gesundheitspolitik dringend hätte ansprechen sollen. Nämlich die Einführung des betriebswirtschaftlichen Denkens und seine Folgen für die Gesundheitsversorgung. Hoch aktuell, wenn man sich die letzten Meldungen anschaut, wonach niedergelassene Ärzte Patienten gegen entsprechendes Schmiergeld in Krankenhäuser haben einweisen lassen. Die Reporterin vor Ort hat das natürlich nicht verstanden und sofort etwas vom lieben Geld gefaselt, um dass es ja immer gehen würde. Erbärmlich!

Oder nehmen sie abschließend Frau Illner vom ZDF, die bei ihren Fragen zum Teil länger sprach, als die Duellanten. Vielleicht könnte Herr Priol in der Anstalt die Redezeit von Frau Illner mal nachmessen und vielleicht ein Zimmer vorbereiten. Auch im Anschluss schwärmte die ZDF-Ikone über Belanglosigkeiten. Schrecklich! Doch am allerschärfsten war mal wieder das kollektive Versagen der Wahlforschung. Zunächst einmal hatte man erwartet, dass das Duell ein Straßenfeger würde. Heute wissen wir, dass sechs Millionen weniger zugeschaut haben, als beim letzten Mal.

Doch nun zu den Hardcore-Facts von infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen und Forsa. Frau Merkel sei syphatischer, kompetenter und noch irgendwas. Überall lag sie vor Steinmeier. Doch dann kam die Frage, wer insgesamt besser überzeugt habe und schwupps lag Steinmeier vorne. Keinem der Beteilligten war das suspekt oder keiner fragte einmal kritisch zurück, wie man denn zu solch unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann und ob da vielleicht etwas mit den Fragen oder der Methode nicht stimme. Eine zweite Lachnummer war die Frage nach richtigem Duell oder sachlicher Diskussion. Zwei Prozent empfanden das Gesehene als richtiges Duell. Eine tendenziöse Frage, die man sich angesichts der tendenziösen Berichterstattung im Vorfeld hätte sparen können, wie die komplette Veranstaltung überhaupt.

Aber das war ja allen auch klar, wie im Nachhinein auf sämtlichen Kanälen enttäuschend festgestellt wurde. Besonders bemerkenswert fand ich dann noch Helmut Markworts Statement im ZDF, dass die Schreibenden, also unter anderem auch er, angesichts der kaum feststellbaren Unterschiede, ja ohnehin dazu beitragen, die Menschen zu beeinflussen. Danach war bei mir Schluss. Aus Anne Will im Ersten habe ich jetzt nichts behalten, außer die schiefe Brille auf der Nase von Günther Jauch.

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Erbärmliches im heutigen Presseclub der ARD

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Heutiges Thema waren rot-rote Bündnisse – SPD und Linke nähern sich an, so der Untertitel der Sendung, die gerade zu Ende gegangen ist. Und man fragt sich verwundert, ob die versammelten Journalisten irgend wann mal zum Kern des Problems vorstoßen werden. In der anschließenden Nachgefragt-Sendung mussten dann schließlich die Zuschauer entscheidende Fragen stellen, auf die die versammelte Gehirnmasse beim Wälzen taktischer Analysen nicht zu kommen schien. Ab wann sei denn eine Wahl überhaupt noch legitim, wenn die Wahlbeteiligung stetig abnehme und warum akzeptiere man den Wählerwillen nicht und insbes. die Linkspartei als normale Machtalternative nicht, wenn man denn nun schon durch die Behandlung der Grünen weiß, dass eine Ausgrenzung nichts bringt.

Heraus kam leider nur die plumpe Aufforderung an die Nichtwähler doch zur Wahl zu gehen bzw. die Feststellung, dass es auf Bundesebene nun einmal ganz große Unterschiede zwischen SPD und Linkspartei gäbe, die unüberwindbar seien. Außenpolitik, Agenda 2010 und Rente mit 67 wurde da genannt. Da müsse sich die Linkspartei erst noch bewegen, so die irrige Botschaft. Zunächst einmal gibt es vielmehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Über den Mindestlohn wurde überhaupt nicht gesprochen. Gebührenfreier Bildungszugang, Besteuerung der Reichen etc. Das spielte alles in der Sendung keine Rolle. Eine wirklich erbärmliche Aufbereitung der Wirklichkeit. Und wieso sollte sich die Linkspartei auf die SPD zubewegen, wenn eine breite Mehrheit der Bevölkerung die aufgeworfenen Sachfragen der Linkspartei unterstützt.

Lustig fand ich die bescheurte Frage des Moderators, was denn nun, theoretisch gedacht, geschehen würde, wenn es am 27. September zu einer rot-rot-grünen Mehrheit reichen sollte. Würde dann die Machtgeilheit zu diesem Bündnis führen. Daraufhin mussten sogar die Journalisten einräumen, dass es diese Konstellation schon längst gibt. Und da hätte man in der Runde endlich mal eine Diskussion darüber führen können, ob das Gerede über ein rot-rotes Schreckgespenst auf Bundesebene in der Vergangenheit nicht völlig an der Realität vorbeigegangen ist. Oder man hätte schließlich danach fragen können, warum die SPD wesentliche Punkte ihres Wahlprogramms, wie die Durchsetzung des Mindestlohns nicht schon längst mit der zur Verfügung stehenden Mehrheit im Bundestag beschlossen hat.

Aber nein. Es wird weiter das absurde Spiel Wählertäuschung betrieben. Selbst beim Thema Außenpolitik hätte man sich mal kritisch hinterfragen sollen, ob angesichts eines von der Bundeswehr angeordneten Bombardements in Afghanistan, bei dem auch zivile Opfer zu beklagen sind, die Position der Linkspartei völlig abwegig ist. Wer hat denn im Wahlkampf 2002 mit seiner vernünftigen Forderung „NEIN zum Irak-Krieg“ die Wahl gewonnen? Dann hätte man noch einen Widerspruch bei der SPD in Bezug auf die Abgrenzung zur Linkspartei hinsichtlich des Verständnisses über den EU-Vertrag aufwerfen können. Egon W. Kreutzer hat das mal gemacht und Erstaunliches in seinem Paukenschlag festgestellt.

„Wenn Frank Walter Steinmeier einerseits, in Unkenntnis (schlimm, schlimm!) oder unter Missachtung hört, hört!) geltenden EU-Rechts im Wahlkampf erklärt, an die OPEL-Rettung müsse die Standortgarantie für alle vier deutschen Standorte geknüpft werden, dann vertritt FWS damit durchaus in einer wünschenswerten Weise einen patriotischen Standpunkt.

Wenn die LINKE andererseits, in Kenntnis der unsäglichen Details des Vertragswerks von Lissabon vor dem Verfassungsgericht gegen dieses Vertragswerk klagt und die Annahme dieser noch weitergehenden Auflösung deutschen Rechts von einer Volksabstimmung abhängig machen will, und damit ebenfalls in einer wünschenswerten Weise einen patriotischen Standpunkte vertritt —

der gleiche Frank Walter Steinmeier diese LINKE aber genau deshalb auf Bundesebene für nicht koalitionsfähig erklärt – und damit nicht weniger tut, als den von einer Mehrheit der Wähler angestrebten Politikwechsel schon vor der Wahl zu blockieren, dann vertritt FWS damit einen Standpunkt, der zu einem seiner anderen Standpunkte in so grobem Widerspruch steht, dass man sich fragt, ob hinter diesen gegensätzlichen Standpunkten wirklich und wahrhaftig die gleiche Person stehen kann.“

Man muss sich also die Frage stellen, für wen arbeitet die SPD-Führung.

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Die SPD außer Rand und Band

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Können sie sich noch an die derbe Wählerkritik von Müntefering erinnern? Im Juni 2009 warf er den Bürgern vor, sich nicht genügend zu engagieren. Gezeichnet von dem schlechten Ergebnis der SPD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament sagte Müntefering in der Welt am Sonntag…

„Es gibt ein Gefühl bei manchen, dass derjenige, der nicht handelt, mit dem, was passiert, nichts zu tun hat. Aber das ist nicht so. Wer nicht handelt, ist genauso verantwortlich.“

Seit Sonntag können wir nun sehen, wie die Wähler handeln und dennoch nichts passiert. In Thüringen und im Saarland gab es die Aussicht auf eine machtpolitische Option, die eine Alternative zum „Weiter so“ darstellte. Die Wahlbeteiligung stieg. Mehr Menschen gingen zu beiden Wahlen und die vorliegenden Ergebnisse deuten klar auf eine Wechselstimmung hin. Doch wie von mir bereits vermutet, wird es damit nichts.

Bereits unmittelbar nach den Wahlen wurde deutlich, dass die SPD an der Durchsetzung der propagierten inhaltlichen Wende gar nicht interessiert ist. In Thüringen konnte man das an dem SPD-Spitzenkandidaten Matschie sehr schön studieren. Dieser hatte noch einmal bekräftigt, sich an das halten zu wollen, was er vor der Wahl versprochen habe. Die SPD-Führung in Berlin reklamierte sogar den Posten des Regierungschefs für den unterlegenen Matschie mit der absurden Begründung, dieser hätte ja vor der Wahl gesagt, den Spitzenkandidaten der Linken nicht zu wählen.

Nun ist Althaus zurückgetreten und eine wesentliche Bedingung der SPD erfüllt (Abwahl des „System Althaus“), um nun doch eine große Koalition schmieden zu können. Sie können also wählen, was sie wollen, sie bekommen im günstigsten Falle immer eine Große Koalition. Das ist auch die eigentliche Botschaft des SPD-Wahlkampfes, der an Absurdität kaum noch zu überbieten ist. Da freut sich ein Kanzlerkandidat darüber, schwarz-gelbe Bündnisse verhindert zu haben, um dann als Alternative die offiziell nicht gewollte Große Koalition den Wählern zu präsentieren.

Wieso wundert sich Müntefering eigentlich darüber, dass die Menschen nicht mehr wählen gehen, wenn das Wählervotum derart verzerrt wird. Gestern konnte man das Theater noch einmal bei „Hart aber Fair“ im Ersten sehen. Eine Sendung übrigens, die immer alberner und überflüssiger wird. Sigmar Gabriel und Renate Künast versuchten die Abgrenzung zur Linkspartei auf Bundesebene wie erwartet damit zu erklären, dass die Partei Militäreinsätze und den EU-Reformvertrag ablehne. Deshalb sei grundsätzlich keine Zusammenarbeit möglich. Lafontaine stimmte dieser Sicht zu, konnte die Haltung seiner Partei aber auch nachvollziehbar begründen, während Gabriel einen riesigen Erklärugsbogen bis hin zu Hitler und Stalin schlug, um Militäreinsätze zu rechtfertigen.

Er verglich das alliierte Vorgehen gegen Nazi-Deutschland mit den aktuellen Einsätzen der Bundeswehr im Anti-Terrorkampf. Eine infame Entgleisung, die vom Moderator und den Medien mal wieder unbeachtet blieb. Als nächstes kommt noch die verteidigende Begründung, wir müssten Kriege halt deshalb führen, um einen neuen Hitler zu vermeiden, als Lehre aus der Geschichte sozusagen. Es ist nicht mehr zu verstehen, was im Augenblick mit der SPD los ist. Lesen sie dazu einen Erklärungsansatz von Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten mit der These: SPD-Spitze arbeitet für andere. In meinen Augen gar nicht so abwegig.

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Welche Steuerphilosophie vertritt die FDP wirklich?

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Die Liberalen behaupten ja überall, dass sie großzügig Steuern senken wollen, scheißegal ob Krise oder nicht. Auch zahlreiche Experten, die das Steuerkonzept der FDP zu Recht kritisieren und es schlicht als unseriösestes Wahlprogramm von allen bezeichnen, konnten bisher nicht zu einer verstärkt kritischen Wahrnehmung der Gelben beitragen. Die FDP eilt dennoch von Wahlsieg zu Wahlsieg und es steht zu befürchten, dass am 27. September eine schwarz-gelbe Mehrheit zu Stande kommt.

Doch nun tut uns der liberale Spitzenkandidat für die ebenfalls am 27. September stattfindenden vorgezogenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, den Gefallen und verrät der staunenden Öffentlichkeit, darunter auch der Boulevardjournalist Claus Strunz, wie die FDP ihre Steuergeschenke gegenzufinanzieren gedenkt. Eine richtiger Verplapperer, bei dem aber bezweifelt werden kann, dass er die große Mehrheit der Wahlwilligen in diesem Land noch ereichen wird. Aber sehen sie selbst. Unglaublich!

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Wahlnachlese

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Eine schöne Analyse der drei Landtagswahlen finden sie wie immer auf den NachDenkSeiten. Wolfgang Lieb begründet anhand der Ergebnisse einmal mehr die These, dass eine höhere Wahlbeteiligung nur dann erreicht werden kann, wenn auch politische Alternativen im Vorfeld angeboten werden.

„Die unterschiedlichen Wahlbeteiligungen sind ein Beleg für die These, dass die Wählerinnen und Wähler sich überall dort, wo sie eine realistische Chance für einen Politikwechsel sehen, mobilisieren lassen und vermehrt zur Wahlurne gehen.“

In Sachsen zum Beispiel gab es diese Alternative nicht. Die SPD dort ruhte sich auf der bisherigen Regierungsbeteiligung aus und fuhr eine Kampagne gegen schwarz-gelb. Selbst bot man aber nichts an, wie im übrigen auch die Bundes-SPD, die einen ähnlichen Wahlkampf betreibt, wie die SPD in Sachsen. Die Wahlbeteiligung sank demnach auch um sieben Prozent auf einen historischen Tiefstand von 52,2 Prozent.

Infolge dessen ist es auch nicht verwunderlich wenn die NPD abermals flächendeckend über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Denn je weniger Menschen zur Wahl gehen, desto höher schlägt sich der Stimmenanteil für die NPD im Endergebnis nieder. Auch darüber sollte die Wahlkampfführung der SPD in Sachsen einmal nachdenken. Schwarz-gelb nicht verhindert und der NPD zum Wiedereinzug verholfen – tolle Bilanz. An Sachsen kann man auch sehr schön sehen, wie es für Herrn Matschie in Thüringen enden kann, wenn er die Wähler nun betrügen sollte und Althaus zum Ministerpräsidenten wählt. In den Medien wird die Große Koalition für Thüringen bereits unter dem Stichwort „Ypsilanti-Falle“ ins Spiel gebracht.

Gestern habe ich ja schon den absurden Auftritt von Matschie zu beschreiben versucht, als ihm die Frage nach einem rot-roten Bündnis wieder und wieder gestellt wurde. Matschie betonte jedesmal, dass er das macht, was er vor der Wahl gesagt hat. Er will seine Inhalte umsetzen, die deckungsgleich zu jenen von Linkspartei und Grünen sind, aber keinen Ministerpräsidenten aus der Linkspartei wählen. So eine strategisch bornierte Haltung kapiert kein Mensch. Dennoch erklären Politikwissenschaftler wie Peter Lösche diese beknackte Ausgangslage so:

„Es kommt sehr auf die Koalitionsfindung in Thüringen an: Dort darf die SPD nicht in die Ypsilanti-Falle hineinlaufen. Eine Zusammenarbeit mit der Linken, ohne den Ministerpräsidenten zu stellen, hat die SPD dort ausgeschlossen. Ein Wortbruch wie in Hessen wäre schädlich für Frank-Walter Steinmeier.

Schon wieder das Wortbruch-Gerede. Anstatt zu fragen, warum die SPD sich überhaupt solche Fußfesseln anlegen muss, wenn man gleichzeitig eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht mehr ausschließt, konstruiert der Wissenschaftler nun wieder eine Tugend aus dem bloßen Einhalten eines Versprechens, das in der Konsequenz die Umsetzung der inhaltlichen Ziele von SPD und Grünen gefährdet. Und damit auch die Option einer politischen Alternative. Laut Lösche würde ein absehbarer Verlust an Glaubwürdigkeit allein aus der Tatsache des Wortbruches entstehen, nicht aber daraus, dass die SPD wie auch die Grünen abermals ein Zustandekommen einer politischen Alternative verhindern, weil personelle Fragen wichtiger sind als inhaltliche.

Wolfgang Lieb ordnet übrigens die gestrigen Jubelschreie im Willy Brand Haus ähnlich ein wie ich:

„Die Beschönigung von Wahlergebnissen durch Müntefering und Steinmeier ist man seit der endlosen Kette von Wahlniederlagen inzwischen gewöhnt, der Jubel in der SPD-Parteizentrale über den gestrigen Wahlausgang kann angesichts der Fakten nur noch aus Wahnvorstellungen gespeist sein. Man feiert die Verluste der Union so, als habe man davon profitiert, und man verdrängt offenbar, dass man selbst nicht aus dem Tief herauskommt.

Offenbar ist das einzige Wahlziel der SPD nur noch die Verhinderung von Schwarz-Gelb. „Schwarz-Gelb ist in Deutschland nicht gewollt“ posaunt Steinmeier hinaus und will daraus Honig saugen. Er unterschlägt dabei allerdings, dass eine Große Koalition aus CDU und SPD nach allen Umfragen noch viel weniger gewollt ist.“

So steht dann auch abschließend zu befürchten, dass die Bundes-SPD aus ihren wahnhaften Zustand nicht mehr erwachen wird. Die Bundestagswahl wird unter dem Eindruck der Alternativlosigkeit stattfinden. Denn jeder Mensch bei klarem Verstand weiß, dass die SPD ohne die linke Option nur die Große Koalition erreichen kann und das auch so will. Steinmeier spielt auf Platz, weil er die Linke auf Bundesebene nicht für koalitionsfähig hält. Unter anderem begründet die SPD-Führung das ja mit dem Nein der Linken zu Kriegseinsätzen und der Ablehnung des EU-Reformvertrags.

Wenn ihnen, liebe Leserinnen und Leser ein SPD-Wahlkämpfer mit dieser Begründung kommt, fragen sie ihn doch mal, was die Ablehnung von Kriegseinsätzen und des EU-Reformvertrages beispielsweise mit der Durchsetzung des Mindestlohnes zu tun hat. Den will die SPD doch unbedingt haben. Dafür bräuchte es aber keinen Koalitionsvertrag mit der Linkspartei, sondern einfach nur die Zustimmung der aktuellen Parlamentsmehrheit in den verbleibenden vier Wochen der Legislaturperiode. Mit der CDU wird es keinen Mindestlohn geben, sondern wie die SPD richtig auf ihren Wahlplakaten schreibt – Dumpinglöhne würden CDU wählen.

Warum, also zum Teufel, verabschiedet man keinen Mindestlohn im Bundestag? Es kann der SPD doch nun egal sein, ob sie Koalitionsbruch begeht und ein Gesetz beschließen, dass rund 70 Prozent der Bevölkerung wollen. Eine solche günstige Mehrheit für ihr Programm kriegen sie doch nie wieder…

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Nachtrag Wahlen: Keine klaren Verhältnisse?

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Wer die aktuelle Nachberichterstattung verfolgt, wird zugetextet mit Begriffen wie Lagerwahlkampf, Farbenspiele und der Floskel „Keine klaren Verhältnisse“. An dieser Scheinfeststellung können sie sehr gut die Absicht, die öffentlichen Meinung manipulieren zu wollen, nachvollziehen. Der warnende Ausdruck, dass man sich wohl an „keine klaren Verhältnisse“ gewöhnen müsse, entspringt ja nicht aus dem Wortschatz kritisch beobachtender Journalisten, sondern aus dem Wahlkampfvokabular der so genannten „bürgerlichen Parteien“. CDU und FDP behaupten ja immer wieder, dass nur schwarz-gelbe Mehrheiten stabile Verhältnisse bedeuten. Alles andere sei eben nicht klar. Es ist beschämend, wie die Medienberichterstattung diese PR-Begriffe kritiklos übernimmt und verbreitet.

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SPD und Grüne jubeln darüber, etwas verhindert zu haben

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Nur was haben sie jetzt davon? Diese Landtagswahlen am heutigen Sonntag sind interessant und absurd zugleich. Interessant deshalb, weil tatsächlich, trotz anhaltender Medienkampagnen, auch weiterhin linke Mehrheiten möglich sind und absurd deshalb, weil man diese Mehrheiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nutzen wird. Nehmen sie das Beispiel Thüringen. Dort macht gerade Herr Matschie von der SPD seinem Namen alle Ehre. Er redet von der Verhinderung von schwarz-gelb und freut sich, wie im Übrigen alle anderen SPDler in Berlin und im Saarland auch sowie die beteiligten Grünen. Diese Jubelschreie sind schlichtweg absurd, denn SPD wie auch Grüne sind nach wie vor nicht in der Lage, eine alternative Mehrheit zu schwarz-gelb auch zu realisieren. Also ist das, was man glaubt, verhindert zu haben, unnötiges substanzloses PR-Geschnatter.

Das können sie nirgends so schön sehen wie am heutigen Tage in Thüringen. Herr Matschie behauptet wie ein programmierter Roboter, in einer komfortablen Lage zu sein, weil an der SPD in Thüringen keiner mehr vorbeikäme. Dabei kann man ihn mit seinen 18 Prozent wirklich nur bedauern. Das politische Dilemma der SPD, in das sie sich selbst hinein manövriert hat, bricht immer deutlicher zu Tage und ist an Absurdität kaum noch zu überbieten. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum die im Willy Brandt Haus dem Steinmeier und dem Müntefering so zujubeln. Kennen die ihre Zahlen nicht?!

24,5 Prozent im Saarland, 18,6 18,5 Prozent in Thüringen und 10,1 10,4 Prozent in Sachsen

Die SPD ist doch keine Volkspartei mehr. In Sachsen könnte die FDP sogar noch vor der SPD landen. In Sachsen wäre die FDP fast noch vor der SPD durchs Ziel marschiert. Da kann man doch dem Steinmeier und dem Münte nicht zujubeln, wenn die Freude strahlend rufen, sie hätten schwarz-gelb verhindert oder schwarz-gelb sei in Deutschland nicht gewollt? Wer will denn die SPD? Mit dieser Frage sollte man die ferngesteuerten Steinmeier und Müntefering davon jagen und den Steinbrück natürlich nicht vergessen, gleichwohl sollte man sie dazu zwingen, sich bei Kurt Beck zu entschuldigen, dem sie vorwarfen, die SPD an den Abgrund getrieben zu haben.

Kein Mensch kann z.B. die SPD-Haltung in Thüringen verstehen. Gregor Gysi brachte die Situation mal wieder treffend auf den Punkt. Wenn Herr Matschie, der ja so gern seine Inhalte umsetzen und einen Politikwechsel vollziehen möchte, den linken Spitzenkandidaten Ramelow nicht mitwählt, der mit knapp 28 Prozent deutlich mehr Stimmen holt als Matschie selbst, bleibt ihm doch nur der Gang zu Dieter Althaus und damit der politische Tod der SPD. Andersherum würde es im Saarland ja auch nicht toleriert, wenn Oskar Lafontaine nur in eine Koalition mit der SPD einträte, wenn er als unterlegener Partner zum Ministerpräsidenten gewählt würde.

Eigentlich vertändlich. Nur glaubt man noch immer mit grottenschlechten PR-Strategien irgendetwas dem Wähler plausibel machen zu können. So geht es denn auch nicht um Personalfragen, sondern darum, dass die PR-Strategien und Medienkampagnen nicht mehr aufgehen. Der Wähler liefert Wahlergebnisse, die keiner Seite in den Kram passen können und auch nicht dem entsprechen, was PR-Berater, die noch immer vorgeben, etwas von gesellschaftlichen Vorgängen zu verstehen, für teures Geld versprochen haben. So ist dann auch die obligatorische Deppendorf-Runde mit den Generalsekretären und Bundesgeschäftsführern der im Bundestag vertretenen Parteien kurz vor Acht in der ARD an Unterhaltungswert kaum noch zu überbieten.

Herr Heil von der SPD freut sich, dass man schwarz-gelb verhindern könne und ignoriert weiterhin die politische Realität, in der sein Kanzlerkandidat Steinmeier nur dann Kanzler werden kann, wenn die Linke ihn auch mitwählt, wie Herr Bartsch von der Linken ohne PR-Berater und aus eigener Kraft völlig realitätssicher festzustellen weiß. Ronald Pofalla von der CDU stimmt vor Schreck dem Linken Bartsch in dessen Ansicht zu und ignoriert glatt alle zurückliegenden Wahlniederlagen seiner Partei und behauptet natürlich, die Große Koalition in Berlin beenden zu wollen, weil man in den letzten vier Jahren hervorragend mit der SPD zusammengearbeitet hat. Und der FDP-Niebel wirft dem SPD-Heil eine politisch destruktive Haltung vor, weil dieser nur etwas verhindern wolle, anstatt zu gestalten, um dann zwei Sätze später vor der drohenden kommunistischen Gefahr zu warnen, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.

Neben all dem PR-Wahnsinn geht mal wieder der Blick für die Realitäten verloren. Kurz vor der Wahl gab es im SR-Fernsehen einen Talk mit den Spitzenkandidaten im Saarland. In dieser Sendung wurde Oskar Lafontaine mal wieder mit Umfrageergebnissen von infratest dimap belästigt, die aussagen würden, dass die Linke an Zustimmung verlöre. Daraufhin übte Lafontaine Kritik an der von diesem Institut betriebenen Wahlforschung, was die Moderatoren natürlich empört zurückwiesen. Lafontaine sagte ein Wahlergebnis in Höhe von 20 Prozent für seine Partei voraus. Dafür wurde er mal wieder belächelt. Seine Kritik an den Wahlforschern hat an Aktualität nicht verloren. Denn noch am Samstag sah infratest dimap die Linke im Saarland bei 15 Prozent. Irgendwas scheint da also noch immer nicht zu stimmen. Offenbar ist man mehr mit Kampagnenjournalismus denn mit Forschung beschäftigt.

Und wer sagt mal wieder nix? Angela Merkel. Unsere Kanzlerin der Herzen schweigt souverän. Das wird wieder Pluspunkte auf der nach oben offenen Beliebtheitsskala geben.

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Und wieder zwei CDU-Skandale (TV-Tipp: Report Mainz – heute um 21:45 Uhr im Ersten)

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In Niedersachsen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Kultusministerin Heister-Neumann ein Disziplinarverfahren gegen den unbequemen Landeschef der Lehrergewerkschaft GEW, Eberhard Brandt, veranlasste, obwohl die Landesschulbehörde davon abgeraten hatte. Darauf deuten nun auch der Öffentlichkeit zugespielte Akten hin, aus denen hervor gehe, dass das Ministerium die Landesschulbehörde zur Aufnahme des Verfahrens gegen den Kritiker der schwarz-gelben Schulpolitik gezwungen habe. Das ist übrigens sehr lustig. Denn die Landesregierung um den allseits beliebten Kuschel-Wulff hatte im Vorfeld die brisanten Akten für geheim erklärt und jedem Abgeordneten, der daraus zitieren würde, Strafe angedroht. Landesverrat sozusagen.

Die Neue Presse Hannover widmet heute mal einen Kommentar dieser schäbigen Geschichte. Amtsmissbrauch nennt das der schreibende Dirk Racke zu Recht. Achselzuckend nimmt er aber dann zur Kenntnis, dass dieses Vergehen folgenlos bleiben werde, da die Mehrheit der schwarz-gelben Koalition einen Entlassungsantrag der Opposition niederstimmen werde. Da könne man halt nix machen, außer bis zur nächsten Kabinettsumbildung zu warten.

„Es ist schwer vorstellbar, dass die Ministerin nicht davon wusste. In dem Fall hätte sie das Vorgehen gegen ihren Kritiker mindestens gebilligt. Ihr Posten dürfte nur bis zur nächsten Kabinettsumbildung sicher sein.“

Tja, unter dem Kommentar von Racke steht übrigens in großen Lettern,

„Schon wieder Kritik an Ulla Schmidt – Diesmal geht es um Nutzung der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Kosten 2000 Euro.“

Das läuft dann wohl unter dem redaktionsinternen Objektivitätsgebot. Wenn die Missetaten einer CDU-Politikerin nicht mehr unter der Decke gehalten werden können, muss zum Ausgleich mindestens noch eine Drecksgeschichte gegen die SPD-Seite ausgegraben werden. Wirkt auf mich jedenfalls so. Bei Frau Schmidt sucht man inzwischen mit der Lupe nach Verwertbarem. Dass die Informationen von Bild kommen, ist dabei nur logisch.

Beim nächsten CDU-Skandal, den die Presse nicht sonderlich interessieren dürfte, geht es um eine Geburtstagsfeier im Kanzleramt. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, durfte zu seinem 60. Geburtstag bei Frau Merkel feiern und auf Kosten der Steuerzahler 30 weitere Gäste einladen. Kosten: mind. 2100 Euro für zusätzliches Personal. Die Aufwendungen für Speisen und Getränke konnte im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden, berichtet Report Mainz, zu sehen heute um 21:45 im Ersten.

Das sind immerhin schon einmal mindestens 100 Euro mehr als die Bild am Sonntag Frau Schmidt in Rechnung stellen wollte. Da bin ich jetzt aber mal gespannt, ob meine Tageszeitung, die Neue Presse Hannover, morgen ein richtiges Fass aufmacht und zum Beispiel titelt.

Ackermann & Friends dürfen nicht nur Staatsknete für ihre maroden Bankhäuser abgreifen, sondern auch noch auf unser aller Rechnung im Kanzleramt Parties feiern – Lesen sie, wie Kanzlerin Merkel die Finanz- und Wirtschaftskrise managed.

Es wird wohl ein Traum bleiben. Schließlich darf sogar der Wirtschaftsminister zu Guttenberg, der des Einkaufs von fertigen Gesetzen überführt ist, unwidersprochen zu seiner Entlastung heute behaupten:

„Es gibt in besonderen Ausnahmefällen Fragen und Themen, die einen so hohen Komplexitätsgrad aufweisen, dass man im eigenen Ministerium nicht die nötige Expertise dafür vorhalten kann“, sagte er. „In solchen Fällen ist es geradezu eine Verpflichtung, sich Sachverstand von außen zu holen.“

Mit anderen Worten, die Mitarbeiter im Ministerium sind zu blöd, die komplexen Zusammenhänge zu begreifen, deshalb muss externer Sachverstand her. So kann wohl nur ein Aristokratenarsch denken, der bei seiner Umprogrammierung zum „jungen Führer“ in der Atlantikbrücke nicht viel zum Thema Demokratie auf die ölige Festplatte geladen bekommen hat. Denn dann wüsste der Minister, dass wenn man sich externen Rat einholt, was ja durchaus legitim ist, am Ende das Ministerium und die zuständigen Fachreferate doch wenigstens prüfen und bewerten müssen, ob diese Vorschläge brauchbar und ggf. umsetzbar sind. Wozu sind die Mitarbeiter denn dann da? Halten die etwa nur den Pisseimer für seine Majestät?

Genau genommen bedroht zu Guttenberg mit seinem Eindruck schindenden PR-Gerede die freiheitlich demokratische Grundordnung, weil er zu verstehen gibt, dass es einer Gewaltenteilung nicht mehr bedarf, sondern es geradezu eine Pflicht sei, so genannten Fachleuten das Schreiben von Gesetzen anzuvertrauen, die weder durch Wahlen, noch durch Fragen des Souveräns in irgendeiner Weise legitimiert worden sind. Darüber sollten die Terrorismusexperten in diesem Land mal angestrengt nachdenken.

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