Wie Recht Lafontaine doch hatte. Doch nun schreit die Scheinlinke Andrea Nahles von der SPD völlig wirr, Lafontaine sei Steigbügelhalter für einen abgehalfterten Ministerpräsidenten (siehe FAZ). Die Logik muss man sich mal vorstellen. In Thüringen darf die SPD-Matschbirne Matschie zum Steigbügelhalter des verhassten Systems Althaus werden und die neue SPD-Führung äußert dafür auch noch Verständnis, weil man sich von der Linken angeblich nicht vorführen lassen wolle. Und im Saarland wirft man nun die völlig irrsinnige Entscheidung der Grünen, Schwarz-Gelb zu unterstützen, den Linken vor, weil deren Spitzenkandidat Oskar Lafontaine in unverschämter Weise, das ihm entgegengebrachte Wählervertrauen in Anspruch nehmen will. :crazy:
Wenn sie an der praktizierten Demokratie in diesem Land zweifeln, haben sie hier wieder ein Beispiel für die Richtigkeit ihrer Vermutung. Das deutsche parlamentarische System ist am Ende. Als Schröder 2005 die fingierte Vertrauensfrage im Bundestag stellte und so tat, als ginge nichts mehr, um dann in der Zeit bis zur Auflösung noch zahlreiche Gesetze mit der Kanzlermehrheit zu beschließen, wurde der Parlamentarismus in Deutschland quasi beerdigt. Danach folgte ein unwürdiges Schauspiel dem anderen. Die Missachtung von Mehrheiten wurde zum Standardprogramm des Parlaments. Das Einbringen von SPD-Gesetzesvorschlägen durch die Linkspartei, wie den Mindestlohn, lehnte die SPD-Fraktion trotz vorhandener Mehrheit ab. Andrea Nahles sagte damals:
Auch SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles nannte den Antrag der Links-Fraktion eine Showveranstaltung und kündigte an, ihn abzulehnen. Wir leben doch nicht in Italien und machen vor der entscheidenden Koalitionsrunde eine Politshow der Linkspartei mit, sagte sie. Am Montag werde im Koalitionsausschuss ernsthaft mit der Union über das Thema verhandelt und man wolle im Interesse der Betroffenen zu Ergebnissen kommen.
Das ernsthafte Verhandeln mit der Union über einen Mindestlohn hat der SPD immerhin das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl überhaupt eingebracht und Andrea Nahles wird zum Dank befördert. Hätte sie damals gemäß ihrer unterstellten Gesinnung mit den Linken gestimmt und offen Koalitionsbruch begangen, hätte man zeigen können, dass der Parlamentarismus noch funktioniert und Glaubwürdigkeit sich darin äußert, wichtige Entscheidungen mit Hilfe einer Mehrheit herbeizuführen. Die Mehrheit des Volkes hätte profitieren können. Nun regieren CDU und FDP im Bund. Sie vereinen eine Minderheit und werden dennoch ihre jetzt erlangte parlamentarische Mehrheit nutzen. Im Saarland und in Thüringen haben sie in den Parlamenten noch immer keine Mehrheit, aber offenbar das Recht, sich diese unbeanstandet zu erkaufen. Beschönigend nennt man das dann stabile Verhältnisse. Wolfgang Lieb schreibt heute auf den NachDenkSeiten:
„Die Methode von CDU, FDP, SPD und Grünen für eine Politik des Weiter-so (man nennt das jetzt beschönigend Stabilität) ist in Deutschland ziemlich einfach gestrickt: Man erkläre die Linkspartei zum leibhaftigen Teufel und Lafontaine zum Beelzebub und schon darf man jedes politische Versprechen brechen und alle Prinzipien über Bord werfen. Und man kann sogar sicher sein, dass die veröffentlichte Meinung diesen Betrug am Wähler in den Himmel hebt.“
In Berlin melden die Arbeitsgruppen der künftigen Koalitionäre eine Zumutung nach der anderen. Die katastrophale Haushaltslage wirft ihre Schatten voraus. So als ob nicht schon längst klar gewesen wäre, dass es nach bisherigen Maßstäben keine Gestaltungsspielräume geben würde. Überall wird das Wahlvolk auf harte Einschnitte vorbereitet. Plötzlich und unerwartet. Man tut überrascht, so als ob die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erst ab dem 28. September spürbar geworden seien. So auch die Neue Presse Hannover mit ihrem PR-Agenten Christoph Slangen aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz. Für die heutige Ausgabe liefert er zwei Beiträge. Ein Interview mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der in Berlin mitverhandelt und einen Kommentar mit dem bezeichnenden Titel:
„Schwarz-Gelb in der Finanzklemme“
Da wundert man sich schon einmal. Warum heißt es nicht, Schwarz-Gelb in der Glaubwürdigkeitsfalle oder Schwarz-Gelbe Wortbrüche? Nein, die völlig überraschende Finanzklemme befreit die handelnden Akteuere von jedem Schuldvorwurf.
„Durch die Wirtschaftskrise ist die Ausgangslage prekär. Auf einen schnellen, kräftigen Aufschwung kann die neue Regierung nicht bauen. Zudem ist ihre Handlungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Weg des geringsten Widerstands, mit massiven Steuersenkungen und Ausgabenprogrammen auf Pump die Wirtschaft anzukurbeln, ist verstellt. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes verlangt ab dem Jahr 2011 striktere Haushaltsdisziplin als je zuvor. Schwarz-Gelb müsste sich nach Lage der Dinge für Steuererhöhungen und/oder drastische Einsparungen entscheiden, um den Vorgaben gerecht zu werden. Da wundert es nicht, dass die Koalitionsverhandlungen bisher so zäh verlaufen. Die Finanzfrage ist der Schlüssel für viele Bereiche. Heulen und Zähneklappern also auch diesmal? In jedem Fall werden die Entlastungen deutlich geringer ausfallen, als mancher Wahlkämpfer verkündet hatte und Einschnitte stehen bevor. Die Qualität und Haltbarkeitsdauer des Koalitionsvertrages wird sich daran bemessen, wie engagiert die Koalition die Finanzprobleme angeht.„
Unglaublich oder? Die Qualität des Koalitionsvertrages bemisst sich also nicht daran, was man vor der Wahl versprochen hat, sondern schlicht daran, wie man unter dem Diktat der Sachzwänge engagierte Haushaltspolitik betreibt. Als Müntefering einst verkündete, Politiker dürfe man nicht an den abgegebenen Wahlversprechen bemessen, hat er noch ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Doch jetzt übernimmt die Presse genau dieses Argument, weil sie ihre Wunschkoalition nun schon verteidigen muss, bevor sie überhaupt angetreten ist. Slangen stimmt die Leser der Neuen Presse Hannover ganz im Sinne der zukünftigen Regierung ein. Mit Formulierungen wie „striktere Haushaltsdisziplin“, „Finanzfrage ist der Schlüssel“ und „Entlastungen deutlich geringer – Einschnitte stehen bevor“ bereitet Slangen die Grundlage für die kommende Kampagne zur Rechtfertigung eines harten Sparkurses und Sozialabbauprogramms.
Im Interview mit Rösler fragt Slangen noch nach dem Wahlbetrug der FDP, die mit ganz klaren Forderungen angetreten war. Die Antworten von Rösler sind erbärmlich. Doch finden sie im Slangen-Kommentar keine Berücksichtigung. Dort genießt die FDP den vollen Schutz des Autors.
Slangen: „Ihre Partei ist mit einem Steuersenkungsprogramm von 35 Milliarden Euro im Wahlkampf gestartet. FDP-Chefunterhändler Hermann Otto Solms stimmt nun auf Mini-Entlastungen ein. Bricht die FDP Wahlversprechen?“
Rösler: „Nein, es war immer klar, dass die einzelnen Arbeitsgruppen nicht mit riesigen Wunschkatalogen kommen können. Es ist die originäre Aufgabe von Haushaltspolitikern, ein entsprechend deutliches Signal an alle Beteiligten zu geben. So verstehe ich Hermann Otto Solms. Gute Politik mit wenig Geld zu machen, ist unsere Herausforderung.“
Slangen: „Es bleibt bei dem Versprechen, die FDP werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der kein einfacheres, gerechteres und niedrigeres Steuerrecht enthält?“
Rösler: „Die Zahlen zum Haushalt und zu Entlastungen werden in der Hauptgruppe der Koalitionsverhandlungen in dieser Woche vorgelegt. Dann werden wir entscheiden, ob wir einen vernünftigen Koalitionsvertrag zustande bekommen oder nicht. Ich glaube, das wird gelingen. Der Vertrag wird in allen Teilbereichen aus Sicht der FDP mehr als zufriedenstellend sein.“
Man muss sich das mal vorstellen. Der Linkspartei unterstellte man auch dann noch Unseriösität und das Blaue vom Himmel zu versprechen, als selbst Wirtschaftswissenschaftler beim Durchrechnen der Vorschläge zu dem Ergebnis kamen, das stimmt alles. Bei der FDP reicht ein einfacher Verweis auf die Haushaltslage, um über jeden Zweifel erhaben zu sein. Rösler darf sogar dreist behaupten, dass es schon immer klar gewesen sei, dass die Wunschkataloge nicht umgesetzt werden können. Auch hier erkennen sie den Spruch von Müntefering über das natürliche Recht, Wahlversprechen einfach brechen zu dürfen. Doch stört es den angeblichen Journalisten Christoph Slangen?
Als die Union im Wahlkampf auf konkrete Steuerversprechen verzichtete, kommentierte Slangen am 16. Juni 2009 das noch so.
„In Zeiten der Krise erscheint ihr ein solches Wahlversprechen, an dem man sie messen könnte, wenig ratsam. Und schließlich gilt es doch auch, das Versprechen von Zukunftsinvestitionen in die Bildung zu erfüllen und die Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen. So präsentieren CDU und CSU vergleichsweise vorsichtige steuerpolitische Absichtserklärungen.“
Und die FDP hat vollmundig verprochen und kommt bei Slangen jetzt ungeschoren davon. Wenn es aus Sicht von Slangen also ratsam war, auf konkrete Wahlversprechen in der Krise zu verzichten, wieso ist ihm das Verhalten der FDP keine Kritik mehr wert? Einem wirklichen Journalisten würden diese Widersprüche in der eigenen Argumentation auffallen. Bei einem PR-Agenten gehört der Widerspruch zum Geschäft. Bei PR geht es nur darum, ein Produkt möglichst gut zu verkaufen. Nichts anderes betreiben Slangen und die Neue Presse Hannover. Sie haben Schwarz-Gelb immer gewollt und nun müssen sie das auch vermarkten, egal wie groß der Widerspruch auch sein mag.
Mission erfüllt! So lautet nicht die morgige Schlagzeile der Neuen Presse Hannover, sondern…
Grüne segeln nach „Jamaika“
Und im nebenstehenden Leitkommentar von Claus Lingenauber heißt die Überschrift hoffnungsfroh…
Die Republik wird bunter
Nur mal zum Vergleich. Als in Hessen der Landtag aufgelöst wurde und Neuwahlen ausgerufen, da titelte die Neue Presse Hannover mit dem Satz „Die Wähler haben eine Chance verdient“. Als Andrea Ypsilanti bei ihren Bemühungen, die Republik bunter werden zu lassen, scheiterte, titelte Claus Lingenauber mit der Schlagzeile „Blind ins Verderben“. Das war am 4. November 2008. Lingenauber sprach damals vom politschen Autismus. Diesem schrägen Kommentar von Lingenauber in der Neuen Presse Hannover widmete ich meinen zweiten Eintrag in diesem Blog überhaupt. Lesen sie noch einmal, was dieser angebliche Journalist über Ypsilanti und ihre Absicht, ein Dreierbündnis in einem Fünfparteienparlament zu Stande zu bringen, schrieb, und wie er den vier, mittlerweile des Betruges überführten, Abweichlern dankte (Siehe hier).
„Ihr Ziel, Roland Koch als Regierungschef abzulösen, hat sie unempfänglich gemacht gegenüber Stimmungen in der eigenen Fraktion und taub gegenüber Bedenken aus Berlin. Dabei war sie bereits einmal gescheitert, gelernt hatte sie aus dem Debakel aber nichts. Augen zu und vorwärts Politischer Autismus in Reinkultur.
Ypsilanti wäre wahrlich eine schlechte Wahl gewesen: machtbesessen, blauäugig, selbstbezogen, beratungsresistent. Sie dürfte ihre Zukunft hinter sich haben.“
Doch nun wird es das Menetekel Ypsilanti nicht geben. Den vier Rebellen sei Dank.
Vergleichen sie das mit der morgigen Tonlage, die sie in nahezu allen Medien vorfinden werden. Zitat Lingenauber 12.10.2009:
„An der Saar soll jetzt geschwampelt werden, soll es eine schwarze Ampel geben oder wie man auch so schön sagt, eine Jamaika-Koalition. Die Grünen schwimmen sich frei und eröffnen sich neue Bündnis- und Machtperspektiven.
Nach dieser Parteitagsentscheidung sind sie nicht mehr automatisch dem linken Lager zuzurechnen, sondern koalitionsfähig bis weit in die Mitte hinein. Besonders die unberechenbare Art von Linken-Chef Oskar Lafontaine mag mit dazu beigetragen haben, dass die Grünen jetzt sogar bereit sind, mit der FDP zusammenzugehen, einer Partei also, mit der sie bisher eine herzliche Abneigung verband.
Auch wenn landesspezifische Besonderheiten eine wesentliche Rolle gespielt haben mögen, kann die bundespolitische Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Indem die Grünen sich in beide Richtungen flexibel zeigen und die Rolle als Zünglein an der Waage annehmen, machen sie die Republik regierbarer.
Weil das politische Parteienspektrum bunter und breiter geworden ist, absolute Mehrheiten nicht mal mehr für die CSU selbstverständlich sind und selbst klassische Zweierkoalitionen seltener möglich werden, wird die koalitionspolitische Offenheit zur staatspolitischen Notwendigkeit.„
Und am Ende legt er nartürlich auch der FDP nahe, sich für’s „Ampeln“ bereit zu halten. Das versteht man dann wohl unter journalistischer Ausgewogenheit. Es darf aber nicht der Zusatz fehlen, dass eine Ampel eben nur dann möglich sei, wenn die SPD nicht so weit nach links abdrifte…
„Das wird die FDP hoffentlich auch noch lernen, denn wer schwampeln kann, muss irgendwann auch ampeln können. Dafür aber darf die SPD nicht allzu sehr nach links abdriften.“
Die Grünen im Saarland haben sich festgelegt. Sie werden in Koalitionsverhandlungen mit der Union und FDP eintreten. Die Springer-Presse jubelt bereits und spricht von der längst überfälligen Abkehr des Lagerdenkens. Lesen sie sich mal den aktuellen Kommentar auf Welt-Online durch und vergleichen sie das mit dem von mir zuvor zitierten Kommentar von Horst Schmuda in der Neuen Presse Hannover vom Samstag und der Meldung bei NDR-Info. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend.
„Sollte es in Saarbrücken zu einer Jamaika-Koalition kommen, darf sich ausgerechnet Lafontaine als ihr Pate verstehen. Seine plötzliche Andeutung, dem langweiligen Landtag an der Saar treu zu bleiben, hat die Grünen kräftig verschreckt und in die Arme von CDU und FDP getrieben.
Das bürgerliche Lager hatte den Grünen zuvor weit reichende Zugeständnisse gemacht: ein längeres gemeinsames Lernen an den Schulen, die Abschaffung der Studiengebühren und ein Bekenntnis zum Atomausstieg. Zudem sollen die Grünen gleich zwei Ministerien erhalten. Viel mehr kann man mit sechs Prozent (und drei Abgeordneten) kaum erreichen. Gleichwohl steht ihnen eine Zerreißprobe bevor. Es ist ungewiss, ob ihr erratisch agierender Vorsitzender Hubert Ulrich dem Unmut der Basis gewachsen ist.
Eine Jamaika-Koalition wäre ein Novum. Reiz und Risiko von Jamaika besteht darin, dass eine kleine Partei mit zwei Partnern des gegnerischen Lagers regiert. Schon CDU und Grünen haben in Hamburg das Lager-Denken überwunden. Dafür ist es höchste Zeit in der deutschen Fünfparteienlandschaft.„
Man stelle sich nur vor, in Hessen (erfolgreiche), in Thüringen und in Hamburg hätte es rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen gegeben. Hätte dann die Welt auch von „höchster Zeit in der Fünfparteienlandschaft“ geschrieben? Und wie zuvor von mir bereits angeführt, weigert sich die rechtskonservative Presse bei den Zugeständnissen von CDU und FDP von Wortbrüchen zu reden. Nicht Union und FDP stünden vor einer Zerreißprobe, weil sie ihrer Wählerschaft erklären müssten, warum sie nun für Dinge eintreten wollen, die sie vor der Wahl ausgeschlossen haben, es seien die Grünen. Ich will nicht falsch verstanden werden, die Grünen werden mit Sicherheit Ärger bekommen, doch rein logisch, ergibt es keinen Sinn. Sollten die Forderungen der Grünen tatsächlich umgesetzt werden, gäbe es keinen Grund für eine Zerreißprobe. Die bestünde nur, wenn Schwarz-Gelb einfach weiterregiert und die Grünen der abzusehenden Trickserei bei den Sachthemen zustimmen werden.
Für die Welt ist indes klar, die SPD bleibt der Verlierer. Der Kommentator genießt den Triumpf.
„Eine Ampel aber ist vorerst nirgends in Sicht, was an der strukturellen Schwäche der SPD und der Unbeweglichkeit der FDP liegt. Die Sozialdemokraten wären ohnehin der große Verlierer an der Saar, sollte der lädierte Ministerpräsident Peter Müller weiter regieren. Ihr gefühlter Sieg vor sechs Wochen schlägt in Katzenjammer um. In Thüringen zerfleischt sich die SPD nach hessischem Vorbild.“
Fazit: Die Medienkampagne hatte Erfolg. Wie die Neue Presse Hannover darauf reagieren wird, erfahren sie vielleicht noch heute Abend, wenn die morgige Ausgabe online gestellt ist. Auch da haben die Grünen mitgespielt, sie haben sich noch vor dem Redaktionsschluss entschieden…
Am Freitag konnten sie einen aufschlussreichen Beitrag von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten lesen, in dem darüber berichtet wird, dass Steinmeier in den Springer Medien eine öffentliche Plattform erhält, um sein politisches wie persönliches Versagen wettmachen zu können. Im Gegenzug erhalten die rechtskonservativen Blätter einen SPD-Fraktionschef, der auch weiterhin auf einen Ausgrenzungskurs zu den Linken setzt.
Es war natürlich zu erwarten, dass die Neue Presse Hannover mit ihrem Berliner PR-Agenten Christoph Slangen aus dem PR-Büro Slangen & Herholz am Samstag nachlegt und ebenfalls ein Interview mit Steinmeier abdruckt, in dem dieser noch einmal bekräftigen konnte, dass nicht die SPD, sondern die Linkspartei sich öffnen müsse, um eine künftige Zusammenarbeit zu ermöglichen. Steinmeier durfte wieder wahrheitswidrig behaupten, dass die Linke sich nicht zu den internationalen Verträgen bekenne und kein eigenes Programm hätte. Auffallend sind aber auch die Fragestellungen, die ganz bewusst formuliert sind und erneut belegen, dass mindestens die SPD-Fraktion auch künftig fremdgesteuert sein wird. Ferner liefert das Slangen-Interview auch einen neuerlichen Beweis für die Medien-Gleichschaltung. Denn das Büro Slangen & Herholz wird dieses Interview an die zahlreich angeschlossenen regionalen Tageszeitungen mitverteilt haben.
„Slangen: Welchen Umgang werden Sie in der Opposition mit der Linkspartei pflegen?
FWS: Es gibt keine Koalition in der Opposition. Die SPD wird Oppositionsführerin sein. Wir werden eine eigene Strategie verfolgen. Wir werden unverkrampft mit der Linkspartei umgehen. Nicht die SPD muss sich öffnen die Linkspartei muss ihre Positionen klären und verändern, wenn sie eines Tages für uns auch im Bund koalitionsfähig werden will. Sie bekennt sich nicht zu den internationalen Verträgen, die Deutschland eingegangen ist. Sie hat bis jetzt nicht einmal ein Programm vorgelegt.
Slangen: Oskar Lafontaine will sich von der Führung der Bundestagsfraktion zurückziehen. Erleichtert das die Zusammenarbeit mit der Linken?
FWS: Entscheidend sind für mich nicht Personen, sondern die politischen Aussagen. Aber die SPD wird nicht in erster Linie auf die Linkspartei schauen. Unser Gegner sind nicht die anderen Oppositionsparteien unser Gegner ist die Regierung.
Slangen: Die Linkspartei fordert den schnellen Abzug aus Afghanistan. Wann ist er möglich?
FWS: Ich habe vor der Wahl ein Konzept vorgelegt, wie wir schneller an den Punkt kommen, dass Afghanistan selbst für seine Sicherheit sorgen und dann die Bundeswehr abziehen kann. Bis zum Jahr 2013 sollen die Voraussetzungen geschaffen sein. Dieses Konzept gilt auch nach der Wahl.“
Die Kampagne wird in der Neuen Presse Hannover zusätzlich mit einem Kommentar von Horst Schmuda aus der internen Redaktion des Blattes unterstützt. Er befasst sich mit dem Thema Lafontaine. Dieser hatte ja erklärt, auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag verzichten zu wollen. Daraufhin schrieben wiederum zahlreiche Medien, Lafontaine schmeiße erneut hin. So auch Horst Schmuda, dessen Beitrag man so gesehen als eingekaufte Meinung interpretieren muss.
„Leute erschrecken, das kann er: Kaum hatte Oskar bei den Vorstandswahlen der linken Bundestagsfraktion den Oskar gemacht, herrschte an der Saar Oskar-Alarm. Lafontaine ante portas ein Schreckensruf, der im grünen Lager Irritationen auslöste, wo die Angst umgeht, der unberechenbare Linksparteichef plane womöglich, sich bei einem rot-rot-grünen Bündnis als Neben-Ministerpräsident zu installieren. Eine eher diffuse Vorstellung, weil Lafontaine dergleichen nie öffentlich erklärt hat. Aber wer traut schon Oskar, und vor allem: Was will er wirklich? Fest steht bisher nur: Oskar ist wieder auf der Flucht.„
Pikant ist die Meinung deshalb, weil Schmuda sofort darauf abzielt, dass nun die Grünen im Saarland verschreckt reagieren müssten und die bereits sicher geglaubte rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf dem heutigen Parteitag zu Gunsten einer schwarz-gelb-grünen Koalition verwerfen müssten. Und in der Tat läuft die Meinungsmache gezielt darauf hinaus. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Heute morgen hörte ich in den NDR2-Nachrichten, dass es inhaltlich zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot im Saarland keine Unterschiede mehr geben würde. Die Entscheidung der Grünen sei also nur noch daran zu bemessen, ob sie Lafontaine als angeblichen „Neben-Ministerpräsidenten“ akzeptieren könnten.
Unglaublich, fällt mir dazu nur ein. Aber merkwürdig ist das alles nicht. Lesen sie den Schlussabsatz von Horst Schmuda.
„Dass es den ehemaligen Sonnenkönig von der Saar zurücktreibt, um an der Macht teilzuhaben, würde seinem Selbstverständnis durchaus entsprechen. Ob es Sinn macht, ist derzeit eine ganz andere Frage. Denn die Gerüchte um das landespolitische Comeback Lafontaines treffen die Saar-Grünen in einer Art politischen Schwebezustands: Rot-Rot-Grün oder Jamaika. Die Vorstellung, den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben, könnte die Öko-Partei Schwarz-Gelb in die Arme treiben. Weshalb der Polit-Stratege Lafontaine es mal wieder spannend macht und seine wahren Absichten erstmal im Dunkeln hält. Den armen Grünen steht womöglich eine ziemliche Zerreißprobe bevor: die Kröte Oskar schlucken oder nicht.„
Obwohl es keine Äußerung von Lafontaine gibt, wie Schmuda oben ja selbst schreibt, die bestätigen würde, dass er in die saarländische Regierung eintreten wolle, schürt die gleichgeschaltete rechte Presse diffuse Ängste. Um eine linke Mehrheit zu verhindern, scheint jedes Mittel recht. Wir akzeptieren lieber schwarz-gelbe Wortbrüche, als den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben. So müsste die Schlagzeile eigentlich lauten. Doch wo sind die Moralappostel von Hessen, die Wortbrüche gegenüber dem Wähler in einer Weise skandalisierten, dass man annehmen konnte, die freiheitlich demokratische Grundordnung hinge davon ab? Artikel wurden geschrieben und Sendungen produziert, in denen der Wortbruch thematisiert wurde. Und nun? Ich zitiere mal einen Bericht auf der Seite von NDR-Info:
Großzügige Offerten der CDU
Eine klare Tendenz für eine der beiden Koalitionsmöglichkeiten gibt es nicht. „Ich bin selbst noch nicht hundertprozentig entschlossen“, sagte der ehemalige Grünen-Landesvorsitzende Gerold Fischer am Donnerstag. Vor allem die Zugeständnisse von CDU und FDP hatten viele Parteimitglieder verblüfft.
So soll die Union nach Informationen des Saarländischen Rundfunks den Grünen im Falle einer Regierungszusammenarbeit zwei Ministerien angeboten haben. Auch bei den Streitthemen wie der Abschaffung der Studiengebühren, einer grundlegenden Schulreform oder der Abschaffung des Finanzvorbehalts bei Volksbegehren sollen die Christdemokraten Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben.
Die Machtgeilheit und der Wortbruch von Union und FDP sind maximal ein übliches Entgegenkommen in Bündnsifragen und das Angebot zweier Ministerposten kein korruptes Verhalten, sondern normale Verhandlungssache. Werten sie die Vorgänge bitte selbst.
Hier im Blog habe ich ja davon berichtet, dass Guido Westerwelle mir einen Brief geschickt hat. D.h. Name und Adresse waren angegeben. Später erhielt ich auch eine Mail von Westerwelle über einen Dienst, der gern Konsumentendaten erhebt. Da wurde mir schon einiges klar. Siehe folgenden Kommentar zum Beitrag:
Jetzt weiß ich, woher Guido meine Adresse hat. Ich erhalte ja regelmäßig Spam-Mails von einer Lifestyle-GmbH, die gerne Konsumentendaten erhebt. Und ich war damals so blöd, so einen beknackten Fragebogen von denen auszufüllen. Aber das geschieht mir ja recht.
In den Spam-Mails werden allerlei Produkte angeboten, die man als Trend bewusster Zeitgenosse unbedingt ausprobieren sollte. Heute erhielt ich nun eine Spam-Mail mit dem Titel: Guido Westerwelles letzter Brief vor der Bundestagswahl. Und da war mir alles klar. Die FDP beteiligt sich am Handel mit Adressdaten bzw. greift auf solche zurück, die durch ein unbedacht gesetztes Kreuzchen auch ganz legal zur Verfügung stehen.
Nun war ich höchst erfreut zu sehen, dass sich das NDR-Medienmagazin Zapp der Sache angenommen hat und folgenden Beitrag zum offensichtlichen Datenmissbrauch der FDP in der Sendung vom 30.09.2009 beisteuerte.
Ich habe mir jetzt längere Zeit den Müll in der Neuen Presse Hannover nicht mehr angetan. Da nun die Bundestagswahl gelaufen ist, möchte ich ihnen aber doch die letzte Ausgabe vor der Wahl, vom 26.09.2009 kurz in Bildern wiedergeben. Zunächst ein Leitkommentar vom Vizechef des Blattes Bodo Krüger, in dem er offen Wahlwerbung für die FDP macht. Er nennt seinen Wahlkommentar verharmlosend „Wunschzettel für die Zeit danach“
Darin sagt er Sachen, wie…
„Wenn in Zukunft weiterhin Schulden für milliardenteure Konjunkturprogramme angehäuft werden, so darf dies nicht zu Lasten der nachfolgenden Generation geschehen.“
Die Bankenmilliarden sind schon deutlich vergessen.
„Ich wünsche mir auch, dass die Belastungen auf dem Arbeitsmarkt, die uns ins Haus stehen, nicht einseitig auf den Schultern der Jungen abgeladen werden.“
Da spricht der Versicherungsvertreter, der sich gegen die Rentengarantie wendet.
„Überhaupt wünsche ich mir, dass jeder in unserem Land so gefördert und ausgebildet wird, wie er es entsprechend seinem Engagement und Talent verdient hat und zwar unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten seiner Eltern.“
Da spricht ein selbst ernannter Leistungsträger, der sich für das FDP-Modell eines Stipendiensystems erwärmen kann, bei dem der Studierwillige zunächst einmal den Beweis erbringen muss, zu den Besten zu gehören, um dann auch Unterstützung zu bekommen, wenn die Eltern nicht so reich sind. Das Motto lautet: Spitzenbildung für die Elite, nicht so gute Bedingungen für den Rest. Eben jedem das, was er verdient.
„Und ich wünsche mir, dass die Alten und Gebrechlichen in diesem Land, die immer mehr werden und sich selbst immer weniger helfen können, jene Pflege, Fürsorge und Unterstützung bekommen, die sie verdienen.“
Das Wort verdienen kommt bei Krüger relativ häufig vor. Entschlüsselt heißt das ja, dass eine Leistungserbringung dann verdient ist, wenn man sie vorher durch private Vorsorge entsprechend finanziert hat. Der Rest hätte es dann halt nicht verdient.
Aber Bodo Krüger ist auch noch so dumm und schreibt die zentrale Forderung der FDP in seinen Kommentar hinein.
„Ich wünsche mir von der nächsten Regierung auch ein neues Steuersystem.“
Doch nun zu den versprochenen Bildern. Die ganze Ausgabe war von Wahlaufrufen der Parteien zugepflastert. Die Neue Presse Hannover hat sicherlich auch gut verdient an dieser Bundestagswahl. Fangen wir aber an. Auf Seite 3 Wahlendspurt im Redaktionsteil. Die CDU präsentiert sich abschließend auch in Hannover.
Darunter Frank-Walter Steinmeier mit einer überraschenden Glaskugel-PR-Botschaft von Christoph Slangen Rückt Steinmeier an die SPD Spitze?
Dann auf Seite 7 eine ganze Seite, gestiftet von Doris und Gerd für ihren Mach mal.
Und auf Seite 8 folgt eine wohl reguläre Werbeanzeige der SPD, über eine halbe Seite.
Im Börsenteil auf Seite 9 gibt es passend eine gelbe Anzeige der hannoverschen Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Slogan: Wähle gesund!.
Und im Boulevard-Teil „Magazin“ auf Seite 10 glotzt wie bestellt Frau Merkel aus der Ecke. Die Seite ist erstens die letzte im ersten Blattverbund und daher schnell aufgeschlagen – man braucht die Zeitung ja nur umzudrehen – und zweitens die Seite, die mit Sicherheit am Häufigsten angeguckt wird. Die Platzierung ist also optimal. Das Wörtchen Anzeige fehlt übrigens.
Zum Vergleich dazu gebe ich noch die relativ unaufällige Anzeige der Linkspartei im Regionalteil zur Kenntnis. Offenbar wird das Vermögen der SED für die Platzierung von üppigen Anzeigen nicht so sehr belastet. Die anderen Parteien scheinen derweil Steuer- oder Spendengelder im Überfluss zu haben, um sich solche tapezierten Zeitungsseiten leisten zu können.
Man durfte sich ja schon zu Recht darüber wundern, was die Bundes-SPD unter einem Neuanfang versteht. Doch nun wird all das getoppt durch Herrn Matschie in Thüringen. Er und sein Parteivorstand haben gestern beschlossen, aus Gründen politischer Stabilität, Steigbügelhalter für die abgestrafte CDU zu sein. Vier Ministerposten stünden der SPD in einer Großen Koalition zu. Und jetzt raten sie mal, welche vier SPD-Vertreter auf den freien Ministersesseln Platz nehmen werden. Genau. Es werden wohl jene vier sein, die die Sondierungsgespräche auch mit Linken und Grünen führten. Schon wieder vier, möchte man meinen. Doch mal ganz abgesehen von den ausgelebten widerlichen persönlichen Interessen, muss man doch die Frage stellen, welches Signal von dieser Entscheidung ausgehen mag.
Aktuell haben wir es ja mit einer Kampagne zu tun, in der man die SPD davor warnt, sich den Positionen der Linkspartei unterzuordnen und gleichzeitig das bisher Erreichte, Stichwort Agenda 2010, zu verleugnen oder zu kritisieren. Dennoch unterstützt man im Grunde eine Öffnung nach links. Unter dieser Prämisse und unter dem Eindruck der Bundestagswahl hatte Matschie zuerst noch erklärt, dass eine Große Koalition in Thüringen nun nicht mehr vorstellbar sei. Und nun verteidigt er sie. Für mich sieht das mal wieder nach Korruption aus. Dass Matschie nun sogar behauptet, mit der CDU sei ein Politikwechsel möglich, ist gerade zu absurd. Doch was bedeutet dieses irre Spiel eigentlich konkret? Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glatt annehmen, dass die SPD sich auch im Bund noch einmal als Koalitionspartner für Frau Merkel ins Spiel bringen möchte.
Schaut man sich die mediale Begleitmusik zu den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP an, könnte man durchaus zu dem Eindruck gelangen, dass hier bewusst von einer explosiven Mischung geredet wird, um das Ganze im Zweifel noch platzen zu lassen. Angela Merkel wird immer noch als Sozialdemokratin dargestellt und ihre angeblichen Verdienste bei der Bewältigung der Krise herausgestrichen. Nehmen sie die Arbeitsmarktdaten, die überall schon wieder für Jubelstimmung sorgen. In der Neuen Presse Hannover schreibt heute Inken Hägermann unter dem Titel „Erfolgreich mit Augenmaß“ die scheinbar positive Entwicklung nachträglich der Großen Koalition zu.
„Dennoch muss man dem Bündnis zugestehen, dass Kanzlerin und Kabinett umsichtig, professionell und mit Augenmaß auf die Wirtschaftskrise reagiert haben. Ob eine Maßnahme wie die Verlängerung der Kurzarbeit, die bisher 1,4 Millionen Menschen ihren Job gesichert hat, mit der FDP überhaupt möglich gewesen wäre, darf bezweifelt werden.“
Das klingt ja nun nicht gerade zuversichtlich. Ein wenig hat man das Gefühl, als wünschte man sich die Große Koalition zurück. Mit der SPD und einem Minister Steinbrück zum Beispiel, der genauso entrückt von seiner Partei war, wie Angela Merkel von der ihrigen, würde doch das gewollte „Weiter So“ viel besser funktionieren, als mit einer FDP, der man den Wahlbetrug bereits jetzt schon nachweisen kann. Es scheint fast so, als fürchte man sich vor der öffentlichen Reaktion eines schwarz-gelben Durchmarsches, bei dem der Bürger noch auf dumme Gedanken kommt. Unter keinen Umständen darf nämlich der Eindruck entstehen, als würden die Kosten der Krise auf dem Rücken der einfachen Menschen abgeladen. Erst wenn dieser Eindruck transportiert und überall verankert ist, können die Kosten der Krise auch weiterhin auf dem Rücken der einfachen Menschen abgeladen werden, ohne dass die sich dann sonderlich dagegen wehren.
Das ist der Punkt. Mit wem kann man diese Strategie am Besten umsetzen? Die Liberalen werden deshalb auf Bundesebene derzeit eingebremst. Die Forderungen aus der Wirtschaft, wie die Lockerung des Kündigungsschutzes zum Beispiel kommen mal wieder auf den Tisch, um zu zeigen, wohin es gehen könnte, wenn man wollte. Jeder spielt dabei seine Rolle. Am Ende wird man sehen, wie offensichtlich radikal eine neue Regierung daherkommen wird. Merkels aufgesetztes „Sozial-Image“ dient dabei nur der Verschleierung einer ansonsten knallharten rechten Politik. Die FDP hat das noch nicht ganz begriffen. Merkel will die Kanzlerin aller Deutschen sein. Den Satz haben ihr bestimmt Friede Springer und Liz Mohn beim gemeinsamen Kaffeekränzchen an den Hosenanzug getackert.
Umso interessanter ist es, wie ausländische Medien auf die aktuelle Regierungsbildungsversuche reagieren. Die New York Times bringt das auf den Punkt, was unsere Medien nicht in der Lage und Willens sind, zu erfassen.
Her new coalition partner will be the Free Democrats, giving her a solid, politically coherent center-right majority. Mrs. Merkel should resist pressures to shift too far to the right, especially on economic policies. What the world economy needs most from Germany is another round of widely disbursed stimulus spending, not regressive supply-side tax cuts. Germany is Europes biggest economy, and it needs to become a faster-running motor of continental recovery.
Deutschland ist nach rechts gerrückt und es besteht die Gefahr der Fortführung einer falschen Wirtschaftspolitik. Nötig wären weitere Konjunkturprogramme statt Steuersenkungen. Die Amerikaner haben die politische Dimension dieser Wahl bereits erkannt, während hierzulande darüber gestritten wird, ob versprochene Steuersenkungen nun kommen oder nicht, egal wie volkswirtschaftlich unsinnig sie auch sein mögen.
Aber was hat das mit Matschie in Thüringen zu tun? Da muss ich jetzt noch schnell den Bogen kriegen. Matschie tut so, als sei seine SPD in einer kommenden Großen Koalition genau jenes stabilisierende soziale Korrektiv, dass den Eindruck vermitteln soll, die politischen Kräfteverhältnisse sorgten für eine gerechtere Politik. In der eben zu Ende gegangenen Pressekonferenz beklagte Matschie unter anderem, dass ihm von der Linkspartei Bundesratsinitiativen vorgelegt wurden, die z.B. auf die Abschaffung von Hartz IV zielten. So etwas hätte er keinesfalls mittragen wollen. Er begründete das Scheitern der Verhandlungen mit der Linken damit, dass er sich kein Prgramm aufzwingen lasse, sondern dafür eintrete, dass die SPD ihr eigenes Profil schärfen müsse.
Und genau da können sie sehen, wie die SPD, die man nun auch getrost CDU-light nennen darf, genau das tut, was sie im selben Satz ausschließt. Sie passt sich dem politischen Rechtsruck an und unterwirft sich selbst dann diesen politischen Kräften, wenn linke Mehrheiten möglich wären. Diese werden aber mit der Begründung abgelehnt, sich nicht einfach so vereinnahmen zu lassen. Dabei sollte die SPD endlich akzeptieren, dass sie ihren Status als Volkspartei verloren hat und nicht mehr in der Position ist, Bedingungen diktieren zu können, sondern Abstriche machen zu müssen, wie es bei kleineren Parteien nun einmal üblich ist. Angesichts dieser Entwicklungen müsste man mal abwarten, wie die Verhandlungen zwischen Union und FDP im Bund verlaufen. Vielleicht kommt ja mal irgend ein Journalist auf die Frage, warum die Union nicht einfach mit der SPD weitermacht.
EDIT: Zum Zustand der SPD ganz aktuell Volker Pispers auf WDR 2
In Sachen SPD bin ich heute Abend ein wenig irritiert. Steinbrücks Abgang wird überall bedauert und seine persönliche Entscheidung so dargestellt, als hätten ihn die chaotischen Zustände in seiner Partei dazu getrieben. Ein guter Mann bliebe auf der Strecke, hieß es. Und so wird an der Legende vom erfolgreichen Krisenmanager weitergesponnen. Dabei gehört Steinbrück neben der Kanzlerin vor ein Gericht gestellt, wenn man sich vor Augen führt, was sich die beiden bei der dubiosen und bis heute nicht vollständig aufgeklärten HRE-Rettung geleistet haben. Sie haben keinen Schaden, wie einst geschworen, vom Deutschen Volke abgewendet, sondern ihm bewusst einen solchen zugefügt – einen milliardenschweren Schaden.
Wenn man sich die Tickermeldungen von heute noch einmal anschaut, könnte man zu dem Eindruck gelangen, in der SPD hätte es einen Aufstand gegeben. Doch halten wir mal fest. Steinmeier ist Fraktionschef und ein weiterer Agenda-Versager soll nun die Partei führen. Der Harzer Roller Sigmar Gabriel, dem nun wieder Regierungserfahrung angedichtet wird, obwohl er lediglich Gerhard Schröders Mehrheit in Niedersachsen von 1998 bis zum folgenden Wahltermin 2003 verwaltete, um dann ziemlich deutlich vom Kuschel-Wulff in die Wüste geschickt zu werden, kann mit seinem Auftreten höchstens für Unterhaltung sorgen, mehr nicht. Die Scheinlinke Andrea Nahles soll ihm zur Seite gestellt werden. Das klingt auch nicht wirklich nach Neuanfang, da man sich noch immer nicht von einer falschen Politik distanziert und auch erklärt, dass sie falsch war. Im Gegenteil, ich höre schon wieder Stimmen, dass es bloß ein Vermittlungsproblem gegeben habe. Die Menschen hätten den Reformkurs halt noch immer nicht verstanden. Schützenhilfe liefern die Medien, die allesamt den Agendakurs als notwendig und unumkehrbar darzustellen versuchen.
In Thüringen wird es gerade sehr interessant. Plötzlich hält Spitzenkandidat Matschie eine eigene Kandidatur um den Posten des Ministerpräsidenten nicht mehr für anstrebenswert. Die Linkspartei solle halt einen anderen sozialdemokratischen Regierungschef mitwählen, den Matschie nun intensiv suchen werde. Nach dem Bundestagswahlergebnis sei eine Große Koalition in Thüringen zudem nicht mehr vorstellbar. Dabei dachte ich immer, dem Matschie ginge es um Themen und nicht um strategische Optionen. Das alles wirft doch ein sehr bezeichnendes Licht auf die inneren Zustände in der SPD.
Nicht nur das Wetter zeigt sich von seiner miesen Seite, auch die Gesundheit leidet. Meine geistige Tätigkeit ist infolge dessen etwas eingeschränkt. Darum schreibe ich heute nicht viel. Ich will nur auf einiges hinweisen. Wenn man krank ist, überbrückt man die Schlafpausen ja häufig mit einem Blick in das TV-Programmangebot. Man sollte das nicht tun. Ist nicht gut für das ohnehin angeschlagene Wohlbefinden. Auf Phoenix zum Beispiel gab es heute Vormittag Wiederholungen der politischen Sendungen von gestern. Beckmann, hart aber fair Spezial und Unter den Linden. Dazu gab es noch einmal die Statements der Parteispitzen nach den Gremiensitzungen zu sehen.
Bei hart aber fair zum Beispiel musste der Zuschauer einen Arnulf Baring (INSM-Botschafter) ertragen, der zusammen mit dem Kabarettisten Dieter Hallervorden gegen die Linkspartei wettern durfte. Beim FDP-Unterstützer Dieter Hallervorden konnte man das ja noch verstehen, da er die DDR persönlich erlebte. Dennoch konnte ich den aggressiven Grundton gegen die Linkspartei allgemein nicht nachvollziehen. Eingangs der Sendung monierte Hallervorden noch die Wahlplakate, auf denen die sprachliche Verkürzung in Form von Slogans zu sehen sei, die die Intelligenz der Wähler beleidigen würde. In Bezug auf die Linkspartei lies Hallervorden aber auch nicht mehr als einen verkürzten mit gängigen Vorurteilen bespickten Blick zu. Sehr schwach von einem Kabarettisten, der sich im Verein für deutsche Sprache (VDS) im Rahmen einer FDP-Kampagne für die Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas einsetzt.
Was der künftige Außenminister Westerwelle mittlerweile von der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas hält, hat er ja bei seiner Pressekonferenz gegenüber einem auf englisch fragenden BBC-Korrespondenten deutlich gemacht. Dem wollte Westerwelle nicht in seiner Landessprache antworten.
In Großbritannien wird erwartet, dass die Leute Englisch sprechen, und es ist dasselbe in Deutschland von den Leuten wird erwartet, dass sie Deutsch sprechen.
So so. In Großbritannien macht sich die Zeitung Independent bereits zu Recht lustig und schreibt, dass sei ein Vorgeschmack auf ein neues teutonisches Selbstbewusstsein in internationalen Angelegenheiten. Und während Dieter Hallervorden und Arnulf Baring von der persönlichen Freiheit als wichtigstem Gut schwadronieren, gibt der Rest der Runde Ratschläge, wie eine Linkspartei möglicherweise koalitionsfähig werden könne. Aber zu diesem neuerlichen Medienspiel lesen sie bitte unbedingt die NachDenkSeiten von heute und den Beitrag von Albrecht Müller, Von Pflöcken, die schon kurz nach der Wahl eingeschlagen werden. Dort finden sie eine schöne Analyse über das, was uns von Seiten der Medien künftig begegnen wird.