Verzerrte Wahlergebnisse

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Die CSU hat es geschafft, die Protestpartei der vergangenen Landtagswahl zu absorbieren und wieder bei der absoluten Mehrheit zu landen. Die FDP ist auch in Bayern auf das Maß zusammengeschrumpft, dass ihr eigentlich zusteht. Nimmt man das Ergebnis von Niedersachsen und jetzt in Bayern im Vergleich, wird deutlich, dass die FDP eigentlich nur noch dazu da ist, um das Wahlergebnis zu verzerren.

Statt den FDP-Luftpumpen ziehen nun noch mehr Verwandte aus der CSU in den bayerischen Landtag ein. Jeder zweite Bayer/in habe die Christsozialen gewählt, meinte Horst Seehofer überschwänglich. Dabei setzte er die bescheidene Zunahme der Wahlbeteiligung auf immer noch schwache 64 Prozent mit 100 gleich. In Wahrheit hat die CSU nur rund ein Drittel aller Wahlberechtigten hinter sich. Etwas größer ist die Gruppe der Nichtwähler. Von den 9,5 Millionen Wahlberechtigten haben 3,42 Millionen nicht gewählt. Für die CSU stimmten demnach 2,97 Millionen Bayern und damit 31,36 Prozent aller Wahlberechtigten.

Nicht nur in Bayern ticken die Uhren anders, wie Rösler sagte, sondern auch in den Köpfen der Wahlgewinner wie Medien, die nicht begreifen wollen, dass aus Mangel an politischen Alternativen kaum noch jemand mit einem Weckruf zu erreichen ist. Jetzt geht es um Deutschland, hat Rösler seine verbliebenen Anhänger angeschrien. In Wahrheit geht den meisten Deutschland am Arsch vorbei.

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Die Strategie des Duetts

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Nun wird die SPD nicht nur nicht von ihrer ehemaligen Klientel geliebt, sondern auch nicht mehr von der ihrer Kanzlerin. Kann es etwas Schlimmeres geben? Angela Merkel wirft der SPD „Unzuverlässigkeit“ vor. Wer die für Tagesschau-Verhältnisse epischen Ausschnitte aus dem von Steinbrück während des Duetts auf vier Kanälen angekündigten „noch nicht veröffentlichten Interview“ gesehen hat, kommt nicht umhin, beiden Scheinwahlkämpfern eine gewisse Strategie zu unterstellen.

Auf welches Ergebnis die SPD dabei abzielt, bleibt wie immer im Dunkeln. Heute sagte Gregor Gysi im Bundestag, dass die Leidensfähigkeit der SPD ziemlich hoch sei. Er hoffe aber, dass es noch eine Grenze gebe, die zu überschreiten die Sozialdemokraten sich dann doch nicht mehr trauen. Weit gefehlt. Um ihre Treue zu Merkel zu beweisen, posaunen die Genossen nun immer lauter hinaus, dass sie all die schrecklichen wie sinnlosen Rettungspakete der Kanzlerin nur deshalb mitgetragen hätten, um sich noch vor der staatspolitischen Verantwortung ihrer Gunst zu versichern.

Diese naive Hoffnung wurde nun bitter enttäuscht und die führenden Genossen kochen vor Wut, weil sie nicht so behandelt werden wollen, wie sie es mit der Linkspartei tun. Schließlich haben die Spezialdemokraten alles unternommen, um dem Establishment, den Lobbyisten und den Bossen zu gefallen. Sie haben alles gemacht, was der neoliberale Mainstream wollte und damit die eigene Wählerschaft vergrault. Zum Schluss haben sie sogar wie gewünscht den Steinbrück nominiert und eine beispiellose Demontage erlebt.

Es ist schon klar, dass nun der Liebesentzug der Kanzlerin besonders schmerzt. Die SPD hat ja sonst niemanden mehr.

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Was den Bundestag attraktiv macht

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Was den Bundestag attraktiv macht, ist die Linke. Denn bevor die Linke einen dummen Antrag stellt, ändern die übrigen vier Fraktionen schon ihre Politik, sagt Gregor Gysi.

Gregor Gysi im Deutschen Bundestag am 3. September 2013

Das stimmt nur bedingt, da diese vermeintlichen Änderungen in der Politik zunächst als hübsche Schachteln ins Schaufenster wandern oder als Etiketten auf leeren Flaschen landen. Wo Steinbrück Recht hat, sollte er auch zitiert werden. Die Wirkung der Linken auf die anderen ist unbestreitbar, allein das Ergebnis dieser Beziehung ist weniger zufriedenstellend. So schnell, wie Gysi erklärt, ändert sich die Politik von Union, SPD, FDP und Grünen eben doch nicht.

Ohne die Linke wäre der Bundestag aber nicht nur um eine Meinung ärmer, es würde gar keine andere mehr geben. Da hat Gysi wiederum Recht. Immerhin hat es sein geflügeltes Wort von der Konsenssoße auch in die Medien geschafft. Geben sie bei Google mal den Begriff ein und es erscheinen seitenweise Printerzeugnisse mit dem Satz:

“Gysi lobt Linke als Alternative zu Konsenssoße”

Von Welt über Stern und Zeit bis hin zu dutzenden regionalen Blättern mit Internetauftritt erscheint die Überschrift einer dpa-Meldung. Damit hat Gysi die vorherrschende Struktur der Konsenssoße in den Medien selbst genutzt, um diese dort und vor allem in der Politik besser kenntlich zu machen. Das ist schon ziemlich genial und um Welten besser als Raabs Kotelett, zu der die fade Konsenssoße aber perfekt passen würde.

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Zum blanken Entsetzen reicht es nicht

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Nach dem TV-Duell müsste eigentlich das blanke Entsetzen herrschen. Doch Medien und Volk trösten sich mit Halskette, PKW-Maut und Stefan Raab als neuen Hoffnungsträger des medialen Polittheaters über eine blamable Vorstellung hinweg. Zwar hatte Raabs Nominierung ein wenig mehr Publikum vor die Flimmerkisten gelockt, doch zu einer Mobilisierung der Unentschlossenen, wie Sigmund Gottlieb anschließend in den Tagesthemen meinte, wird auch das nicht führen. Vieles wurde einfach überhört oder unter der Kategorie “zu schwierig für den Zuschauer” abgelegt.

Gleich das Thema Mindestlohn bot die Möglichkeit, den wandelnden Sprechnblasenautomaten zu überführen.

“Ich bin der Meinung, das diejenigen, die in der sozialen Marktwirtschaft für die Tarifverträge zuständig sind, mehr von den Arbeitsplätzen verstehen, auch bei den unteren Löhnen als wir Politiker.”

[…]

Den Flickenteppich in der Tariflandschaft für alle Branchen kennen wir. Der hat sich in der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Das ist nämlich eine angepasste Lohnfindung. Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben hier die Möglichkeit ihre Erfahrungen einzubringen.”

Wenn das so ist, wie konnte dann ein Niedriglohnsektor mit Dumpinglöhnen entstehen?

Die Frage fiel niemandem ein. An dieser Stelle hätte bereits klar die Feststellung getroffen werden müssen, dass Merkel überhaupt nichts ändern will. Sie spricht von Lohnuntergrenzen, alle verstehen Mindestlohn, gemeint ist aber ein Weiter so und niemand checkt das, weil alle bereits gedanklich mit der Farbe der Halskette beschäftigt sind.

Bei der PKW-Maut waren sie aber alle wieder voll da und emsig bemüht, zwischen dem “irren” Seehofer und der “besonnenen” Merkel ein wenig Zwietracht zu säen, was ja auch gelang, wie alle Medien heute freudig berichteten. Draußen tobt derweil die größte Wirtschaftskrise seit Jahren, doch die deutsche Journaille interessiert sich lieber für die vermeintlich spannendste Frage in den anstehenden Koalitionsverhandlungen. Sogar der Herausforderer Steinbrück machte mit und demonstrierte damit einmal mehr, dass er keine Regierung bilden wird und eine Wahl aufgrund des vorhersehbaren Ergebnisses eigentlich überflüssig ist.

Demzufolge hatte Merkel auch viel Zeit, die Ergebnisse ihrer Regierungsarbeit abermals und ohne Widerspruch als sensationell zu bezeichnen. Eine Wechselstimmung gäbe es ja nicht, so Anne Will, was nicht stimmt, wenn man endlich die zunehmende Zahl derer betrachten würde, die von der Wahl einer Partei Abstand nehmen und zur Stimmenthaltung wechseln.

Steinbrück und die SPD haben immer mit Merkel gestimmt. Der Stachel sitzt. Da hilft auch nicht das Gejammer über den Vorwurf der europäischen Unzuverlässigkeit. Die SPD müsste halt nur kapieren, dass sie als Opposition eine Alternative zu entwickeln hat, und lieber darauf verzichten sollte, sich als weiterer Flügel in Merkels Einheitspartei einzureihen. Worum es in Europa geht, beschrieb Merkel so.

“Es geht um die schwerste Krise, die Europa je hatte. Aber keiner weiß, wie sich die Dinge in Griechenland weiterentwickeln.”

Die Aufgabe der Bundeskanzlerin sei es aber, dafür zu sorgen, dass der Reformdruck auf Griechenland nicht nachlasse.

Wo steht im Grundgesetz, dass sich die deutsche Bundeskanzlerin um die Innenpolitik Griechenlands zu kümmern hat? Und warum sollte sie es tun, wenn sie gleichzeitig keinen blassen Schimmer hat, wie sich die Dinge dort überhaupt weiterentwickeln?

Im weiteren Verlauf des Interviews sprach Merkel dann verharmlosend davon, die Krisenländer “ermuntern” zu wollen, die segensreichen Reformen deutschen Ursprungs zu übernehmen. Auch hier wäre die Nachfrage erlaubt gewesen, welche Strategie die Regierung nun eigentlich verfolgt oder wovon sie ablenken will. Das wollte aber keiner wissen und so behielt Merkel die Deutungshoheit und durfte nach etwa einer halben Stunde in unverschämter Weise die Dinge nach ihrem Weltbild ordnen.

“Wir sehen doch jetzt die ersten zarten Pflänzchen des Wachstums. Und dem wird auch wieder mehr Beschäftigung folgen. Das sind die ganz normalen Zyklen, wie sich die Dinge entwickeln. Deshalb heißt es, den Kurs fortzusetzen.”

An dieser Stelle bezeichnet Merkel das Ergebnis ihrer Krisenpolitik, eine Rezession mit über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa als ganz normalen Zyklus. Geht’s noch?

Die Europäer müssten sich anschließend noch auf der Welt sehen lassen können, verteidigte Merkel ihren Kampf der Nationen um Wettbewerbsanteile und meinte natürlich Deutschland, das auf seine Überschüsse unter keinen Umständen verzichten dürfe. Hätten die Journalisten im Studio und Herr Steinbrück als gelernter Volkswirt etwas von Ökonomie verstanden, sie hätten Merkel stellen und ihre Vorstellung von Wirtschaft als Vodoo-Ökonomie entlarven können.

Doch stattdessen dominieren bescheuerte Fragen wie die von Raab nach dem Schuldenabbau (wenn man jetzt jedes Jahr eine Milliarde zurückzahlen würde, wäre man Zweitauseneinhundertirgendwas schuldenfrei) die Diskussion. Dies verdeutlicht zweierlei. Erstens die ökonomische Borniertheit, mit der die Menschen tagein tagaus auch von den Medien gequält werden – denn warum sollte ein Staat jemals alle Schulden zurückzahlen sollen – und zweitens der völlig absurde Handlungsautomatismus, der sich aus dieser abwegigen Vorstellung scheinbar ergibt, bei dem aber völlig außer acht gelassen wird, dass die Schulden der einen immer auch die Vermögen der anderen sind.

Wer Schulden und Defizite abbauen will, muss gleichzeitig Vermögen und Überschüsse reduzieren. Wer will, dass die Krisenländer wettbewerbsfähiger werden sollen, muss eigene Marktanteile abgeben. Wer will, dass der Kapitalismus funktioniert, muss für den Ausgleich sorgen. Als es den bösen Osten noch gab, wussten das alle im Westen, weil sie zeigen wollten, dass ihr System das überlegenere ist. Nun müssen sie nichts mehr beweisen und können den Laden unter Mitnahme des größtmöglichen Gewinns vor die Wand fahren. Dass eine Ostdeutsche in führender Position dabei behilflich ist, wird künftigen Generationen, sofern sie das dann noch können, ein süffisantes Lächeln entlocken.

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Zufriedenheit nicht nehmen lassen

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Der Deutsche steht noch mit 85 und drei Bypässen auf der Baustelle und planiert mit dem Rollator die Auffahrt zur Vollbeschäftigung, meint Christoph Sieber in Neues aus der Anstalt und hat damit einen furiosen Auftritt hingelegt. Bitte mehr davon. Die Zufriedenheit dürfe man sich nicht durch so etwas wie die Realität nehmen lassen. Es sollte mehr Euphorie herrschen. Die Jugend saufe offenbar so viel, dass die Alten vom Flaschenpfand noch leben können. Das sei ein echter sozialer Ausgleich, findet Sieber.

Christoph Sieber in Neues aus der Anstalt vom 27.08.2013

Und in der Tat, der Monat neigt sich dem Ende und die Jubelmeldungen zur wirtschaftlichen Lage häufen sich. Erst hat das ifo Institut seinen monatlichen “Wie-geht’s-uns-Index” veröffentlicht und heute die GfK ihre Klimaforschung sowie das DIW sein Konjunkturbarometer. Gleichzeitig prescht die Bundesregierung mit einem eigenen Wirtschaftsbericht vor, in dem sie alle drei Jubelmeldung bündelt und die Sektkorken ordentlich knallen lässt, noch bevor die offiziellen Zahlen zum Arbeitsmarkt und zum Einzelhandel bekanntgegeben wurden.

Rösler und Schäuble: Solide Haushalte, stetes Wachstum und hohe Beschäftigung – Deutschland geht es gut

Eigentlich schade, dass die Rader Hochbrücke über den Nord-Ostseekanal nicht unter der Last des LKW-Verkehrs krachend eingestürzt ist. Dann hätten die Container voller Konsumgüter schwimmend an die maroden Schleusentore klopfen können. Darüber hätte der sterbende Brummifahrer dann das Wahlplakat der Bundesregierung mit dem Slogan lesen können: Solide Haushalte, stetes Wachstum und hohe Beschäftigung – Deutschland geht es gut. Peinlich wäre das gewesen. So rollt der Aufschwung irgendwo um das gesperrte Nadelöhr herum und vergrößert die Schäden auf den Straßen anderer Baulastträger.

Ich hätte ja noch dazu geschrieben,

Haltet durch: Noch schreiben wir an der Rechnung – Vorlage nach dem 22. September

Wer einigermaßen wach in der Birne ist, weiß natürlich, dass in Deutschland gar nichts gut ist. Die marode Infrastruktur ist nur ein Beispiel von vielen. Die öffentlichen Haushalte mögen solide aussehen, das Land bröckelt aber für alle sichtbar vor sich hin, weil es die Politik nach wie vor für wichtiger hält, notwendige Aufgaben aufzuschieben, statt sie zu erledigen. Schuld sind dann immer die jeweils anderen, die es irgendwann einmal “fahrlässig” unterlassen haben, rechtzeitig zu investieren. Dabei folgen alle Kämmerer stets dem gleichen Ziel, dem ausgeglichenen Haushalt. Was man sich dafür kaufen kann, wird man nach der Wahl sehen, wenn dank Schuldenbremse die Gürtel noch einmal enger geschnallt werden müssen.

Jetzt will davon keiner etwas wissen. Deutschland ist schließlich die Wachstumslokomotive in Europa, auch ohne Stellwerker. Auf die kann Merkels Regierung getrost verzichten, weil sie nicht auf Schienen fährt, sondern auf Sicht vor sich hin segelt mit dem Kompass fest in der Hand, aber ohne Idee, welche Richtung sie einschlagen muss. Man hat keine Erwartung mehr an diese Bundesregierung und selbst das können sie nicht erfüllen, sagte Christoph Sieber. Lassen Sie sich ihre Zufriedenheit nicht nehmen, legen Sie sie doch selber ab. Seien Sie empört!

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Hirn- statt Körpertäuschung

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Angela Merkel lässt ihre Angreifer gekonnt ins Leere laufen, aber nicht wie ein Fußballer mittels Körpertäuschung, ihr reicht eine Hirntäuschung, meint Volker Pispers heute auf WDR 2. Links andenken und rechts vorbeiregieren, das sei die Strategie der Kanzlerin. Die großen staatstragenden Parteien hätten es vollbracht, dass das Volk seine Stimme völlig losgelöst von seinen politischen Ansichten abgibt. Eine linke Mehrheit rechts von der CDU sei schon immer dagewesen, nur finde diese im Parlament nie zusammen. Die Wahlentscheidung sei folglich nicht bestimmt von politischen Inhalten, sondern von Bauchentscheidungen.

Von wem lässt sich der Deutsche lieber verarschen? Das ist die Frage. Vom Holzkopf Steinbrück oder von Mutti Merkel? Es genügt der Kanzlerin für den Mindestlohn oder eine Mietpreisbremse zu sein. Sie muss beides ja nicht umsetzen. Derweil versuchen Steinbrück, Steinmeier und Gabriel den Fußspuren Willy Brandts nachzulaufen und spielen darin Verstecken.

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TV-Tipp: Neues aus der Anstalt im Endspurt

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Die vorletzte Sendung Neues aus der Anstalt mit Urban Priol und Erwin Pelzig gibt es heute zu sehen. Wegen Fußball vermutlich erst ab 23 Uhr.

Kurz vor dem Endspurt zur Bundestagswahl melden sich Urban Priol und Erwin Pelzig aus der Sommerpause zurück. Die beiden satirischen Chefreporter kommentieren die aktuellen Prognosen und beobachten genau was auf der Zielgeraden passiert: Wer kann noch einmal die letzten politischen Kräfte mobilisieren und wer hat sich das Rennen um die Wählergunst falsch eingeteilt?

Als kabarettistische Unterstützer sind Monika Gruber, Christoph Sieber und Ingo Appelt mit von der Partie.

Quelle: ZDF

Der Ankündigungstext hat einen Fehler. Die beiden Chefreporter können gar nicht beobachten, was auf der Zielgeraden passiert. Diese liegt nämlich längst hinter uns. Spätestens als vielen Deutschen im Angesicht eines möglichen “Veggie-Days” klar wurde, dass ihnen Burgerrechte wichtiger sind als Bürgerrechte (Christian Ehring, extra 3), hat die bevorstehende Wahl keinerlei Bedeutung mehr.

Außerdem laufen schon jetzt die Koalitionserpressungsverhandlungen bevor überhaupt gewählt worden ist (Fritz Eckenga, WDR 2). Die Wahl ist bereits entschieden und die noch ausstehende Abstimmung bloß ein lästiges Fragment der Demokratie. Die Deutschen hassen Politik und deshalb finden sie Merkel gut. Kein Skandal kann die Kanzlerin zu Fall bringen. Die Frau hat es nicht nur geschafft, mit ihren eigenen Regierungen nicht in Verbindung gebracht zu werden. Sie hat es auch geschafft als eine Person dazustehen, von der die Menschen glauben, sie teile deren Verachtung für den politischen Betrieb.

Merkel verweigert sich dem Wahlkampf wie 2009 und das Volk findet das gut. Der politische Gegner jammert darüber und versucht wie wild und ohne erkennbare Strategie jede sich bietende Chance für Angriffe auf die Regierung zu nutzen. Merkel beantwortet diese nicht, sondern setzt vielmehr auf einlullen, abwiegeln und beschwichtigen. Der Wähler ist von der Opposition genervt und wünscht sich eigentlich nur, mit Politik in Ruhe gelassen zu werden. Und genau das liefert Merkel. Damit wächst auch die Anhängerschaft der “Zeugen Angelas”.

Denken strengt an, tut aber nicht weh. Also bleiben Sie auf und schalten Sie die Anstalt ein, bevor es auch dieses Juwel der Satire in dieser Zusammensetzung nicht mehr gibt.

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Manipulation: Alle lieben wieder die Große Koalition

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Es ist schwer zu glauben, dass auf einmal die Große Koalition der Deutschen liebstes Kind sein soll. Überall hört und liest man plötzlich davon, weil sowohl die SPD als auch ihre Heiligkeit, Angela Merkel, eine solche Option haben durchblicken lassen. Dieser Unfug ist deshalb schwer zu glauben, weil ebendiese Deutschen vor vier Jahren noch froh waren, die Große Koalition endlich wieder los zu sein.

Nun ist das wieder anders. Journaille und politische Beobachter nehmen für ihre Behauptung einfach einen ziemlich schwachen Wert zur Grundlage, den infratest dimap im Auftrag der ARD vergangene Woche ermittelt hat. Demnach würden 23 Prozent der Deutschen, also nicht mal ein Viertel, die Große Koalition befürworten. Leidenschaft sieht anders aus. Außerdem hatten die Befragten nur fünf Auswahlmöglichkeiten, wobei “Keine” als Option erneut fehlte. Die Frage, was Union oder SPD speziell nach der Wahl machen sollten, ist statistischer Unsinn.

Interessant ist, dass sich vor vier Jahren laut Deutschlandtrend über 60 Prozent gegen den Fortbestand der Großen Koalition ausgesprochen haben. Dies wurde damals als klare Wechselstimmung gewertet. Heute wären bei nur 23 Prozent Zustimmung deutlich über 70 Prozent gegen eine Große Koalition. Dennoch läuft die Propaganda für dieses Modell auf Hochtouren, weil die Spindoktoren es so eingefädelt haben und es alle wieder toll zu finden haben. Und ich wette, dass die Zustimmungswerte für die Große Koalition in den nächsten Wochen steigen werden, je öfter davon gesprochen wird. Da ist der Deutsche ganz einfach gestrickt.

Auf der anderen Seite könnte diese Diskussion auch der FDP nutzen, die nun auf der Zielgeraden eine ganz einfache Kampagne fahren kann: Wer keine Große Koalition will, müsse die Liberalen wählen, wird es wieder heißen. Und der Wähler? Er wird sichtlich beeindruckt von der Strategie, die er nicht durchschaut, ein weiteres Mal dabei helfen, die FDP über die 5-Prozent-Hürde zu bringen. Er wird nicht fragen, warum überall Personalmangel herrscht, nur bei den Liberalen nicht. Dort sprießt eine zweifelhafte Fachkraft nach der anderen aus dem Boden.

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Belanglose Prognosen

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Die Bundestagswahl rückt unaufhaltsam näher und wie zu erwarten bricht in den Medien Panik aus. Die Umfragen ließen kein eindeutiges Bild zu. Wer wird regieren? Welche Koalition wird es nach dem 22. September geben? Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, Rot-Gelb-Grün, das Schreckgespenst Rot-Rot-Grün oder doch die Große Koalition. Dabei ist die Frage, welche Vertreter der vier Flügel ein und derselben Partei am Ende einen Vertrag für die nächsten vier Jahre unterschreiben werden, belanglos. Viel entscheidender wird sein, wer angesichts dieser Auswahl, die ja keine mehr ist, noch zur Wahl gehen wird. Doch Prognosen zur Wahlbeteiligung gibt es nicht. Warum eigentlich nicht?

Seit den Bundestagswahlen 1998 mit einer Wahlbeteiligung von 82,2 Prozent und einer klaren Alternative zum System Helmut Kohl ging es mit riesigen Schritten bergab. Bei den letzten Bundestagswahlen im Herbst 2009 gaben nur noch 70,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab und damit so wenig wie noch nie. In den Ländern sieht die Lage noch katastrophaler aus. Der vermeintliche Lagerwahlkampf in Niedersachsen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün hat zu Beginn des Jahres zwar insgesamt mehr Wähler an die Urne gelockt. Doch mit knapp unter 60 Prozent blieb auch hier die Wahlbeteiligung auf erschreckend niedrigem Niveau.

Weitere Beispiele sind das Saarland (vorgezogene Neuwahl 2012) mit 61,6 Prozent (-6 Prozent im Vergleich zu 2009), Schleswig Holstein (vorgezogene Neuwahl 2012) mit 60,2 Prozent (-13,4 Prozent im Vergleich zu 2009) und Nordrhein-Westfalen (vorgezogene Neuwahl 2012) mit 59,6 Prozent (+0,3 Prozent im Vergleich zu 2010). Die Gruppe der Nichtwähler nimmt permanent zu, doch Politik und Medien ist das allenfalls eine Randnotiz wert, da, egal wie hoch die Wahlenthaltung auch sein mag, immer alle Sitze eines Parlamentes besetzt werden.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über irgendeine Wahlumfrage berichtet wird. Am spannendsten ist dabei immer wieder die sogenannte Sonntagsfrage. Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre? Die Option “Keine” gibt es dabei nicht. Stattdessen wird darüber gerätselt, warum eine Partei gut und die andere schlecht abschneidet. Zuletzt trumpfte der ARD-Deutschlandtrend gar mit der Meldung auf: “Noch nie in 16 Jahren DeutschlandTrend ist eine Bundesregierung so positiv bewertet worden. 52 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden – das ist Rekord.” Reflexion, Fehlanzeige. Weiter unten wundern sich die Demoskopen dann über Parallelwelten, weil, nach konkreten Themen befragt, miserable Noten für die eben noch gelobte Regierung ermittelt werden.

Eine Wechselstimmung gibt es nicht. Sie wäre aber vonnöten, um Wähler an die Urne zu locken und Merkel aus dem Amt zu kegeln. In jedem denkbaren Szenario zum Wahlausgang bleibt sie allerdings Kanzlerin. Denn egal welche Partei sie fragen, mit Ausnahme der Linkspartei, jede von ihnen würde unter Umständen eine Frau Merkel erneut zur Kanzlerin wählen. Weder die FDP, noch die Grünen und auch die SPD schließen ein Bündnis mit der Union aus und mit der Linken, die eine Abwahl Merkels sicher garantieren könnte, will niemand koalieren. Unter diesen Voraussetzungen muss der Versuch scheitern, Wähler zu mobilisieren, die wahlweise dem einen oder anderen Lager zugerechnet werden.

Die Sozialdemokraten reagieren bereits auf die absehbare Wahlniederlage. So soll es laut Spiegel-Informationen angeblich keine Steuererhöhungen mehr geben. Damit ist wieder ein Wahlprogramm für die Katz, noch bevor die Partei in Verlegenheit kommt, dieses auch umsetzen zu müssen. Obendrein wird jenen verbliebenen Genossen vors Schienbein getreten, die an der Basis gerade mit dem Wahlkampf begonnen haben. Wofür braucht man also noch Wahlprognosen, wenn die klare Gewissheit herrscht, dass Angela Merkel weiterhin Kanzlerin bleibt? Spannend ist da nur die Frage, wie viele Nichtwähler ihr diesmal zum Erfolg verhelfen werden.

Allein die Ruhe, mit der die Deutschen das ertragen, bleibt beängstigend.

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Nass gemacht

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Beim ARD Sommerinterview gab es heute zwei richtig gute Fragen:

  1. Was hat uns der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gebracht?
  2. Wovor hat uns der Verfassungsschutz beschützt, als Nazis jahrelang mordend durchs Land zogen und dafür auch noch finanzielle Unterstützung erhielten?

Die Fragen stellte Gregor Gysi. Einmal, weil Deppendorf wissen wollte, welches Angebot die Linke der SPD unterbreiten werde, damit es eine Koalition zwischen beiden geben könne. So als ob der SPD zig andere Machtoptionen zur Verfügung stünden.

Zum anderen antwortete Gysi auf den noch blöder daher fragenden Rainald Becker, der allen ernstes wissen wollte, wie Gysi denn die Deutschen vor Terroranschlägen beschützen wolle, wenn die Linke den Verfassungsschutz und andere Geheimdienste abschaffte.

Eine Antwort auf seine berechtigten Fragen erhielt Gysi von seinen Interviewpartnern nicht. Es regnete in Berlin. Baden gingen aber nur Deppendorf und Becker, die Gysi zusätzlich auch noch nass machte, was nicht schwer war, wenn man Leuten gegenübersitzt, die der Realität nichts abgewinnen können und sich dennoch für die Speerspitze des deutschen Journalismus halten.

Hier geht es direkt zu der journalistischen Glanzleistung, frei vom Anspruch der Unabhängigkeit:

http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1329062~_origin-b21f2ff6-88b7-4aad-bea0-6ff73253295f.html

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