Ein sehr schöner Beitrag von Jens Berger auf „Der Spiegelfechter“ zum Vuvuzela-Aufreger.
„Da der Deutsche als solcher sich im Umfeld von Fußballspielen auch gerne körperlich betätigt (Mens sana in corpore sano), müsste der Afrikaner dann auch erst einmal lernen, wie man den Fans der Gegnermannschaft stilecht die Fresse poliert, Innenstädte verwüstet und Polizisten den Schädel einschlägt. All dies gehört schließlich zur deutschen Fußballkultur, wie ein Haufen Erbrochenes zum Münchner Oktoberfest.“
Inzwischen sind ja nicht nur die teutonischen Feingeister vom Trötenlärm genervt, sondern auch umgekehrt die Südafrikaner von den nörgelnden Europäern. Aus Protest gegen die Anti-Vuvu-Bewegung rief der Nationaltorhüter des WM-Gastgebers, Itumeleng Khune, seine Landsleute auf, beim nächsten Spiel Südafrikas noch mehr Vuvuzelas mitzubringen und noch lauter zu tröten.
Wieso plant der Viacom-Konzern (MTV, VIVA usw.) eigentlich keine Serie mit dem Titel „Pimp my Vuvu“? :>>
Wie geht es eigentlich Oskar Lafontaine? Die Frage müssten sich die Medien doch stellen, wenn man sich vor Augen führt, wer in den letzten Wochen so alles hingeschmissen hat. Oder, um es mit den Worten von Peter Frey zu sagen…
Toll. Immer wieder gern gesehen. Nun hat also auch Hannelore Kraft hingeschmissen. Na ja, nicht richtig, aber antreten will sie auch nicht, nachdem sie die Wahl in Nordrhein-Westfalen nach eigener Bekundung so überzeugend gewonnen hatte. Hier noch mal zur Erinnerung der Wahlabend mit Hannelore…
Schwarz-Gelb ist abgewählt!
und
Die SPD ist wieder da!
und
Geschlossenheit. Das wird uns durch eine gute Regierungszeit tragen!
Und nun? Frau Kraft hat keine Lust mehr. Es geht halt nicht mit den anderen, deshalb darf der vom Wähler gnadenlos abgestrafte Jürgen Rüttgers einfach weitermachen und Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat behalten. Dass es mit den anderen nicht klappen würde, war schon vor der Wahl klar. Nach der Wahl war wiederum klar, dass es zwangsläufig zu Neuwahlen kommen müsse, da die SPD die Linken scheut, wie der Teufel das Weihwasser und eine Konstellation mit den Wahlverlierern überhaupt nicht zu vermitteln gewesen wäre.
Ja ja, Schwarz-Gelb ist abgewählt, aber auch nur dann, wenn die SPD eine Regierung bildet.
Ja ja, die SPD ist wieder da, aber was nützt das der SPD, wenn sie gar nicht regieren will, weil ihr der Wählerwillen nicht passt?
Ja ja, die Geschlossenheit würde die SPD durch eine gute Regierungszeit tragen. Das stimmt aber nur für den Fall, dass man sich geschlossen hinter eine Regierungsbildung stellt und nicht geschlossen hinter die neue Hannelore-Strategie, im Landtag einfach gar nichts zu unternehmen.
Wie würde wohl Peter Frey mit Hannelore im Sommerinterview verfahren? Würde er sie genauso gut behandeln wie jeden anderen Politiker auch? Würde er vielleicht auf die Weimarer Republik verweisen und das damalige Politikverständnis, wonach Parlamente vor allem als Bühne für den destruktiven Auftritt dienten? So langsam dürfte auch dem letzten dämmern, dass die alternativlose Alternativlosigkeit nicht nur die Merkel-Politik kennzeichnet, sondern vor allem auch die SPD, die unfähig ist, einer vorhandenen Alternative, die vom Wähler gewünscht wurde, offensiv vorzustehen.
Die Linken in NRW und im Bundestag sollten zu den Vuvuzelas greifen und das sinnlose Geschwätz der Alternativlosen im Parlament niedertröten. Vielleicht wacht dann auch der deutsche Michel auf und beginnt dem Unsinn der anderen Parteien aufmerksam zu folgen, nachdem er die Abschaffung der nervenden Tröten gefordert hat, weil er sonst dem parlamentarischen Spiel nicht folgen kann. Vielleicht begreift er dann auch endlich, welche Pfeiffen er sich da erwählt hat und macht es beim nächsten Mal besser.
Der erste Auftritt der deutschen Nationalmannschaft in Südafrika war ein riesen Erfolg. Ein tolles Spiel. Das bisher beste der noch jungen WM. Gestern konnte man sehr schön die Weiterentwicklung der Klinsmannschen Idee vom Offensivfußball sehen. Es gilt nämlich nicht nur das Prinzip des nach vorne Spielens, sondern vor allem das Prinzip der Dominanz. Zwischenzeitlich wies die Statistik über den Ballbesitz ein Verhältnis von 60:40 aus. Das heißt, während der Ball in den eigenen Reihen hin und her lief, lief der Gegner vor allem hinterher. Aber nicht nur der Gegner lief hinterher, auch die sog. „Experten“ des Fußballs, die allesamt überrascht waren, ob der Stärke der noch jungen deutschen Mannschaft.
In der Erklärungsnot wurden dann nicht nur allerhand deutschtümelnde Reliquien reaktiviert, sondern auch die Spieler mit einem Migrationshintergrund angeführt, die eine angeblich uns Deutschen fremde Fußballkultur in die Nationalmannschaft getragen hätten. Dieser Blödsinn gipfelte schließlich in der Halbzeit-Aussage von Frau Müller-Hohenstein, wonach Miroslav Klose einen „inneren Reichsparteitag“ erlebt haben müsse bei seinem erlösenden Kopfballtor zum 2:0. (Blogfreund Einhard machte mich darauf aufmerksam)
Es wird wohl wieder an uns Bloggern liegen, ob Frau Müller-Hohenstein nun Probleme beim ZDF bekommt oder nicht. Ein Rücktritt wäre fällig.
Aber was ist nun dran an dem Schmarrn der Fußballkulturen. Natürlich nichts, weil das Spiel der Deutschen eine Handschrift trägt und zwar die eines Trainerteams mit einer klaren Vorstellung, wie der moderne Fußball auszusehen hat. Im Interview mit Michael Steinbrecher deutete der Bundestrainer das auch an, als er beschrieb, wie er seine Mannschaft auf den Gegner Australien einstellte und welche Vorgaben umgesetzt werden sollten. Es geht dabei also weniger darum, dem Gegner das eigene Spiel aufzuzwingen, wie das in der Vergangenheit immer wieder martialisch formuliert wurde, sondern darum, die Spielweise des Gegners genau zu studieren, um das eigene Spiel entsprechend anpassen zu können.
Und dafür braucht es keine anderen Fußballkulturen oder Spieler mit Migrationshintergrund, in deren Körpern ein noch unentdecktes Fußballergen verborgen liege, sondern Spieler, die verstehen, was das Trainerteam taktisch von ihnen verlangt. Erst mit Jürgen Klinsmann, der vor sechs Jahren die Mannschaft übernahm, gelang es, ein modernes Spielverständnis in Deutschland einzuführen, welches der allerorten verinnerlichten Grundüberzeugung von der Notwendigkeit deutscher Tugenden wie Rennen und Kämpfen zutiefst widersprach. Der von Klinsmann angestoßene Lernprozess scheint durch Joachim Löw eine neue Stufe erreicht zu haben.
Die Spieler sind wieder auf den Punkt fit (dank der einst so belächelten amerikanischen Fitnesscoaches) und die Sicherheit im Spiel ist deutlich spürbarer als noch bei den letzten Turnieren. Insgesamt wirkte die Mannschaft sehr eingespielt, obwohl die „Experten“ sich fast sicher waren, dass der Ausfall von Ballack und Westermann eine unübersehbare Lücke reißen würde, die ihre Zeit bräuchte, um geschlossen zu werden. Da es nun aber anders kam, verfiel man wieder in alte Muster und dumme Sprüche.
Abschließend nur zur Erinnerung. Mesut Özil und Sami Khedira sind in Deutschland geboren und aufgewachsen und haben hier auch das Fußballspielen gelernt. Es ist also totaler Blödsinn von Migranten zu faseln, die etwas Besonderes in sich tragen würden, das die deutschen Tugenden ergänze. Dieser ecklige Rassismus von deutschen „Experten“ ist nach wie vor zum Kotzen und verdirbt jeden Spaß am Zuschauen. Deshalb können aus meiner Sicht die Vuvuzelas gar nicht laut genug sein.
Es ist Halbzeit, das heute-journal läuft. Und ich weiß zu schätzen, was Dieter Hildebrandt im Interview mit der Süddeutschen vom 07.06.2010 meinte:
„Der ist schön. Ich nenne dieses Studio, das sie ihm gebaut haben, das Kleber-Stadion. Je kleiner die Nachrichten, umso größer wird das Studio. Ich denke mir, wo sind die 3000 Leute, die vor ihm sitzen, just in diesem Moment. Und knurrig, aber lächelnd teilt der Kleber uns mit: gar nichts. Und das in einem riesigen Studio. Es ist inzwischen so, wenn meine Frau sagt: ‚Komm, heute journal‘ – und wenn ich mich dann nicht beeile, ist es schon zu Ende. Alle Sendungen haben Überlänge, nur die Nachrichten werden ständig gekürzt.“
Heute war zwar Marietta Slomka dran, aber die präsentierten Nachrichten waren trotz der obligatorischen Halbzeitkürze das Allerletzte. Der Anschlag auf die Bundeswehr eine Randnotiz. Der Streit in der Koalition nicht mehr als eine zusammenhanglose Vorführung. Aufklärung keine. Und am Ende wirbt Marietta Slomka für einen von ihr gestalteten Film über Afrika. Achja, und am Anfang gab es viel Sendezeit für das Fanfest in Berlin, über das man wirklich nicht viel Neues berichten konnte, außer dass die Vuvuzelas offiziell verbannt wurden.
Oh je. Béla Rethy, einer der schlechtesten Kommentatoren nach dem schlimmen Tiefflieger Heribert Faßbender, nannte es in seinem Kommentar sogar den Vuvuzela-Terror, der in Durban nicht so schlimm sei wie in anderen Stadien. Dieser verbale Ausfall wäre allemal eine Meldung wert gewesen.
Noch ein paar Minuten und Deutschland startet in die Fußball-WM. Danach ist wahrscheinlich alles andere noch unwichtiger. Das ist auch soweit in Ordnung. Dennoch lehrt die Erfahrung, dass man während eines emotional elektrisierenden Großereignisses wie der Fußball Weltmeisterschaft die Politik nicht aus den Augen verlieren sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft ihre Regierung zur Ruhe auf, so als ob sie sagen wollte, jetzt sei doch die Zeit, in der man still und leise handeln könne, ohne dass der Wähler etwas davon mitbekommen würde.
Damals im Sommer 2006 war es die Förderalismusreform Teil 1, die mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag jeweils im Juni und im Juli um den Zeitpunkt deutscher WM-Spiele herum beschlossen wurde. Was kommt dieses Jahr? Ich würde ja die Meldung vom Rücktritt Merkels sehr begrüßen, nachdem auch schon dem Ölprinz zu Guttenberg unterstellt wird, keine Lust mehr auf seinen Job zu haben, weil beim Thema Kunduz und die Tanklaster in der Regierung jeder macht, was er will. Das schmeckt dem Verteidigungsminister gar nicht. Es war ohnehin recht still geworden um ihn.
Aber egal. Besser wird es nicht werden. Muss man zu Nordrhein-Westfalen noch etwas sagen oder zu Opel oder zum Bildungsgipfel? Vielleicht nachher nach dem Spiel. Jetzt genieße ich erstmal die Vuvuzelas, die der deutsche Michel gern verbieten möchte, weil das nervende Geheule den Qualitätsfernsehgenuss zu sehr störe. Ich finde es jedenfalls toll, dass die HD-Dolby-Digital-Flat-TV Mafia diese Entwicklung nicht voraussehen konnte. Allein das macht dieses Ereignis schon sehr besonders.