Am Bedarf vorbei

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Das Thema der Woche ist die Enteignungsdebatte. Dazu ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Seltsam ist das Argument der Gegner, darunter auch wieder viele SPD-Politiker, die behaupten, dass durch Enteignungen schließlich kein neuer Wohnraum geschaffen werde. Bauen sei das Gebot der Stunde, um das Wohnungsproblem zu lösen. Doch diese Annahme ist höchst fraglich, da freiwerdende Wohnungen meist teuer weitervermietet werden, wie eine Studie von Stadtforschern aus dem September des vergangenen Jahres zeigt.

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Journalisten zum Fürchten

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Es herrschen mehr chaotische Zustände in deutschen Redaktionen als an der Absturzstelle von MH17 in der Ostukraine.

Was in der Ostukraine tatsächlich passiert, ist unklar. Klar ist, dass derzeit nicht nur ein mit Waffen geführter Krieg tobt, sondern auch ein Krieg der Worte. Medien und Journalisten aus Deutschland blamieren sich auf ganzer Linie, indem sie Spekulationen, ungeprüfte Informationen sowie persönliche Eindrücke in die Welt hinaus posaunen und diese als Wahrheit verkaufen. Immer häufiger stellt sich dann aber heraus, dass das ergriffene journalistische Wort überzogen war, ja manchmal sogar der Lüge gleicht. Und das in einem Land, dass die Pressefreiheit gerade vor dem Angriff des Mindestlohns verteidigt hat.

Die Kritik in den sozialen Netzwerken an der katastrophalen Berichterstattung nimmt zu. Da wo sich die Einseitigkeit und Falschheit von Aussagen nicht mehr leugnen lässt, rudern die Verantwortlichen halbherzig zurück. So hat das ZDF einen Bericht korrigiert, in dem der verantwortliche Journalist die im Beitrag zu hörende Aussage einer wütenden Frau in der Ostukraine falsch übersetzte. Via Twitter und Youtube stellte das ZDF unter dem Stichwort „Es gab keine Manipulation im heutejournal vom 12. Juli“ klar, dass die Übersetzung richtig, die Filmsequenz aber falsch ausgewählt worden war.

Das kann in der Eile offenbar passieren. Eilig mit einem Kommentar hatte es auch Thomas Heyer vom WDR. Via WDR Blog ließ er die Öffentlichkeit am Montag an seinen Gedanken teilhaben, die ihm durch den Kopf schossen, als er das Bild eines Mannes in Uniform an der Absturzstelle von MH17 sah, wie er einen Teddybären in die Kamera hält. „Gorillas zum Fürchten“ überschrieb er seinen, na nennen wir es ruhig Kommentar, in dem er zu folgender Formulierung greift. „Unterdessen gebärden sich die Freischärler von Putin’s Gnaden weiter wie Gorillas, denen man Waffen in die Hand gegeben und die man mit Uniformen ausgestattet hat.“ Und weiter schreibt er von Söldnern, die ihre Opfer und deren Hinterbliebenen sowie die gesamte zivilisierte Welt verhöhnen und verspotten. „Da zusehen zu müssen, ist kaum auszuhalten.“

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Nur hat Thomas Heyer gar nicht genau hingesehen, wie er am Mittwoch kleinlaut zugeben musste. „Da bin ich vermutlich einer verkürzten Wahrheit aufgesessen“, schreibt er nun. Welche Wahrheit meint er denn jetzt? Die, die er nach Prüfung der Quelle, die nicht er, sondern andere vornahmen, nicht mehr sehen kann, aber unbedingt sehen möchte, um das eigene Weltbild nicht ändern zu müssen? Einer verkürzten Wahrheit aufgesessen zu sein, bedeutet ja, nicht ganz so falsch gelegen zu haben. Das tat er aber, nachweislich. Er verteidigt sich dennoch. „Ich hatte das Bild in einer renommierten Tageszeitung gesehen und war entsetzt.“ Das ist natürlich Grund genug, das Hirn auszuschalten. Wirklich armselig wirkt aber die zweifelhafte Behauptung, dass der Sender bislang sehr vorsichtig mit den Informationen rund um die Krise in der Ukraine umgegangen sei. Gerade das scheint eben nicht der Fall.

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Sich auf “renommierte” Quellen zu berufen, heißt übersetzt schlicht und einfach. Weil es die anderen auch alle schreiben, kann es ja so falsch nicht sein. Dieser Strategie folgte auch die ARD Aktuell Redaktion unter der Leitung von Kai Gniffke, die bis heute von entführten OSZE Beobachtern spricht, die in Wirklichkeit Militärbeobachter ohne OSZE Mandat waren, wie der Vizechef des OSZE-Krisenpräventionszentrums, Claus Neukirch, relativ schnell klarstellte. Allerdings nicht in der ARD, sondern bei den österreichischen Kollegen des ORF. Der Kritik an der Position der ARD begegnete Gniffke mit einem ähnlichen Argument wie Thomas Heyer in dieser Woche. „Wir haben den Begriff ‚OSZE-Militärbeobachter’ richtig verwendet. … Die Bezeichnung … steht im Einklang mit dem Wording von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen…“

Das sind Journalisten zum Fürchten. Ich sage nicht, sie sind Propagandisten. Ich sage, sie missachten die Grundsätze einer sauberen Recherche, weil sie wie Spekulanten an der Börse lieber einem primitiven Herdentrieb folgen wollen.


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Die Herde setzt zur Flucht an

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Schwellenländer wie Argentinien, Brasilien, Türkei und Indonesien geraten in Währungsturbulenzen. Die Investoren flüchten, so lauten die Nachrichten seit ein paar Tagen und Wochen. Nur warum flüchten die Investoren, die doch eigentlich als Spekulanten bezeichnet werden müssten? Ist es nicht die Aufgabe der Schwellenländer, künftig die Exportüberschüsse Deutschlands zu finanzieren? Dafür benötigen die aber Geld und zwar das der Investoren Spekulanten. Die wiederum flüchten aber nicht aus rationalen Gründen, wie uns jene Börsenheinis weißmachen wollen, die auch behaupten, dass die Aktie gerade wieder als Altersvorsorge tauge. Sie flüchten eigentlich nur, weil es die Herde tut. In Panik sozusagen.

Es ist schon erstaunlich, wie sich das Blatt in der öffentlichen Diskussion mal wieder gewendet hat. Plötzlich haben die Wirtschaftsredaktionen die Problematik anhaltender Leistungsbilanzdefizite entdeckt. Heiner Flassbeck weist am Beispiel der FAZ darauf hin. 

In der Türkei, schreibt Gerald Braunberger, riefen „das Leistungsbilanzdefizit und die Auslandsverschuldung Sorgen hervor.“ Na so etwas, Sorgen haben auf einmal Länder, die Leistungsbilanzdefizite und Auslandsverschuldung aufweisen. Wo doch gerade die FAZ in den vergangenen Wochen nicht müde wurde zu betonen, wie ungefährlich, ja geradezu gut die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse für die ganze Welt sind. Wie können dann Defizite und Verschuldung schlecht sein, wenn Überschüsse und Forderungen doch durchweg gut sind? Sind die deutschen Überschüsse vielleicht gar nicht von dieser Welt? Sind es doch Mars und Venus, die die Defizite machen, die den deutschen Überschüssen gegenüberstehen?

An den Börsen wird erzählt, dass die Entscheidung der FED, die Geldschleusen langsam zu schließen, das Angstbarometer der Anleger wieder steigen lasse. Die Defizite der Schwellenländer würden nun sichtbar und das Risiko für die Anleger sei plötzlich zu hoch. Dabei waren die Leistungsbilanzdefizite schon vorher sichtbar, wurden aber absichtlich oder aus Unwissenheit übersehen, weil es die Anleger ja toll fanden, in die Schwellenländer und vor allem in die gut verzinste Währung zu investieren.

Hier zeigt sich wieder, wie absurd der Meinungsmainstream funktioniert. Das Interesse der Anleger gilt ja nicht irgendeiner wirtschaftlichen Entwicklung, sondern der Möglichkeit, mit billig geliehenem Kapital die höchst mögliche Rendite zu erzielen. Nicht Investition, sondern Spekulation ist die Triebfeder des Kapitalmarkts. Die Zinsunterschiede versprachen einen Profit unter der Bedingung der lockeren Geldpolitik (Carry-Trades). Diese neigt sich im Dollarraum nun allmählich dem Ende zu, so scheint es aber nur. Die Probleme der Schwellenländer sind daher nicht der Grund für eine Kapitalflucht der Spekulanten, sondern bloß ein Anlass, den man der zahlenden Öffentlichkeit als Brocken hinwirft.

Hinzu kommen bestimmte Automatismen, die an der Börse selten eine Erwähnung finden. Bei den dort berichtenden Journalisten herrscht der Glaube vor, dass selbst Anleger mal tief enttäuscht sein dürften und ihre seit Monaten vorhandene gute Stimmung “vorübergehend” verlieren können. Ich frage mich nur, wo genau das menschliche Gefühl der “tiefen Enttäuschung” in den Algorithmen der Superrechner versteckt sein soll, die blitzschnell über Kauf und Verkauf entscheiden.

Diese angenommene Emotionalität als Grundlage von Entscheidungen ist eine abwegige Vorstellung, die immer dann besonders deutlich wird, wenn “Unfälle” an den Marktplätzen dieser Welt passieren und die Börsenkurse plötzlich rasant zu fallen beginnen und der Handel sogar ausgesetzt werden muss. Mehr als 70 Prozent der amerikanischen und bis zu 50 Prozent der deutschen Aktiengeschäfte werden nicht von realen Anlegern oder Investoren getätigt, sondern von Computerprogrammen im Nanosekundenbereich. Das Ganze nennt sich Hochfrequenzhandel, auf den die Börsenheinis selbst schon einmal hingewiesen hatten.

Dieser Hochfrequenzhandel ist fehlerhaft und führt auch dazu, dass sich die Herde von Spekulanten davon natürlich beeinflussen lässt und ihre Geschäfte dem ausgelösten Druck entsprechend panisch anzupassen versucht. Das kann auch ein Gefühl erzeugen, nämlich nicht zu denen gehören zu wollen, die den Anschluss an die Herde verpassen. Der Hochfrequenzhandel bildet beschleunigt daher nur das ab, was auch im normalen Handel maßgeblich ist. Es sind keine Unternehmensdaten oder Nachrichten zur konjunkturellen Lage, die das Geschehen bestimmen, sondern ein simples Herdenverhalten basierend auf Gerüchten, Glauben und technischen Pannen.

Im Ergebnis wird einfach nur weitergezockt, ohne Rücksicht auf Schäden für die reale Volkswirtschaft, die am Ende nicht die Spekulanten zahlen. Das öffentliche Erkennen von Leistungsbilanzdefiziten als Problem passt da nur ins Bild, um die Zocker einerseits als rational denkende Anleger beschreiben zu können und die ahnungslosen Börsenheinis als seriöse Journalisten erscheinen zu lassen. Die bejubeln aber weiterhin den “fulminanten” Jahresauftakt der deutschen Industrie, die aber ihre Aufträge doch gerade aus jenen Ländern erhalten haben muss, die als neue Problemstaaten jetzt gebrandmarkt werden.

Statt von einem Aufschwung hier zu faseln, müsste die Journaille vor einem wirtschaftlichen Absturz warnen. Denn was sind die optimistischen Prognosen noch wert, wenn die deutsche Exportwirtschaft neben den Absatzmärkten der Eurozone nun auch noch die in Lateinamerika und Asien verlöre?

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Börse nimm dich in Acht

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Wer hat heute Börse vor Acht gesehen? Einfach zu schön, da die Entscheidung er US-Notenbank FED nicht mehr vor der Sendezeit fiel. So wagten die Börsenprofis bei der ARD mal wieder einen Schuss ins Blaue (nicht, dass die auch was anderes könnten) und interpretierten den Anstieg des DAX als Vorfreude der Anleger darauf, dass die FED ihr Anleihenaufkaufprogramm nicht drosseln und das billige Geld weiterhin sprudeln würde.

Und was soll ich sagen, es kam natürlich anders. Die FED kündigte an, ihre monatlichen Anleihekäufe zu reduzieren und die Nullzinspolitik solange beizubehalten, bis die Arbeitslosenquote unter eine bestimmte Schwelle fällt. Laut ARD Börsenstudio machte nun der Dow Jones einen Freudensprung. Offenbar haben die Anleger dort ganz fest mit dem Schritt gerechnet, obwohl die Journalisten jetzt vom Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik schreiben.

Gestern faselte Markus Gürne in der Börse vor Acht: Alles ist rosig. Das Stimmungsbarometer steigt, die Auftragsbücher sind voll, doch an der Börse tut sich nix. Es sei halt alles erwartet worden. Was hätte er wohl gesagt, wenn die Kurse gestiegen wären: „In freudiger Erwartung“ und wenn die Kurse gefallen wären: „In trauriger Erwartung“. Statt der Börse vor Acht sollte die ARD lieber die andere Werbung mit den Jingles senden. Da kommt inhaltlich mehr rüber.

Andererseits könnte man Börse vor Acht auch als Satire Magazin sehen. Dann würde ich den Machern aber empfehlen, die Sendung wegen der zu authentisch wirkenden Seriosität der Darsteller einzustellen. Damit ließe sich die Ersparnis beim Rundfunkbeitrag sicherlich noch deutlich erhöhen.

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Merkels Nummerngirl und Schäubles Vergewaltigung

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Person und Gewissen heißt Annettes Doktorarbeit. Ob Plagiat oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle. Von Bildungspolitik hat Schavan keine Ahnung. Nicht nur, dass ihr Ministerium wegen der Föderalismusreform praktisch überflüssig geworden ist, selbst als Nummerngirl der Regierung ist sie weder ein Hingucker, noch versteht sie die Zahlen auf den von ihr hochgehaltenen Pappschildern.

Stichwort öffentliche Bildungsausgaben: Da hat es im vergangenen Jahr die peinliche Verwechslung zwischen einer nominalen Steigerung und einer realen Stagnation gegeben. Zwar konnte gegenüber dem Jahr 2005 ein Zuwachs bei den Bildungsausgaben um knapp 20 Milliarden Euro verzeichnet werden. Gemessen am BIP hätten sich die Ausgaben damit aber kaum verändert. Mit 4,1 Prozent am BIP gibt Deutschland demnach genauso viel für Bildung aus wie im Jahr 1995.

Im Vergleich zu anderen OECD-Staaten hat Deutschland eine unterdurchschnittliche Entwicklung genommen. Andere haben seit 1995 ihre Bildungsausgaben in Relation zum BIP kräftig steigern können. Die Deutschen hingegen wollten unter Merkel 10 Prozent erreichen und versuchen das statt über Ausgaben vor allem mit Rechentricks zu bewerkstelligen. Das ist vergleichbar mit der Ermittlung der Arbeitslosenzahlen. Nur das hier keine Menschen heraus, sondern bereits vorhandene Ausgaben in die manipulierte Statistik hinein gerechnet werden.

Nun ist die Aufgabe eines Nummerngirls bekanntlich die, das Publikum während der Pause zu unterhalten. Für diesen Zweck inmitten der Krise taugt Schavan allemal. Denn eigentlich müssten wir ja über Minister Schäuble diskutieren, der im fernen Singapur die Finanzschallmauer nicht im freien Fall, wohl aber mit der Kraft der zwei Sprachen durchbrach. Leider klappte die übliche Verschleierung mit Worten gleich doppelt nicht.

„I think, there will no, it will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece.“

Entgegen der deutschen Vernebelungstaktik, wonach eine Hilfszusage immer an strenge Bedingungen geknüpft wird, ist in Südostasien ein griechischer Staatsbankrott für Schäuble praktisch ausgeschlossen. Es geht auch gar nicht anders, müsste es doch langsam in den Reporterhirnen dämmern. Selbst wenn die Griechen sich dazu entschließen würden, der Merkelschen Kürzungspolitik zu trotzen, müsste der Exportweltmeister und Nettogläubiger Deutschland weiter Geld in den Süden transferieren, um die eigene innenpolitische Stabilität nicht zu gefährden.

Schäuble ist nun auf Werbetour, um neue Gläubiger für die alten Schuldner zu finden. Das wiederum streitet gegen jenes in der Heimat gebetsmühlenartig vorgetragene Lied über die böse Schuldenmacherei. Denn in Deutschland und Europa soll mit Hilfe von Schuldenbremsen eine „Zukunft ohne Schulden“ möglich werden. Dieser Blödsinn ist populär, hilft aber nicht aus der Krise. Denn…

„Zukunft ohne Schulden wäre deshalb Zukunft ohne Geld. Wer das propagiert, ist antikapitalistischer als die SED. In der DDR gab es wenigstens Alumünzen.“

Quelle: Zeit Online

Deshalb müssen Schäuble und Merkel die Sprache vergewaltigen, um sie als Mittel der Kommunikation unbrauchbar zu machen. Was gemeint oder beabsichtigt ist, soll bewusst nicht erkennbar sein, weil es der herrschenden Ideologie widersprechen könnte. Befürchtet wird ein Schock inmitten der Schocktherapie. Um dem auszuweichen, wundert man sich lieber öffentlich über das Ausnutzen jener Spekulationsräume, die die eigenen Aussagen naturwüchsig produzieren.

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Wohlfahrtsgewinn durch Verzicht

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Zwischen der Jagd auf Salafisten und der Fußball-Europameisterschaft beschäftigten sich die Medien auch mit Merkels Regierungserklärung. Das mit Abstand Blödeste, was ich zu diesem Thema heute in der Presse las, war ein Kommentar im Münchner Merkur, der die Bundeskanzlerin verteidigte und gegenüber Brüssel und Washington bekräftigte, dass Deutschland bis an den Rand der Selbstaufgabe bei der Eurorettung in Vorleistung gegangen sei.

„Es hat den durch den Verzicht seiner Bürger hart erarbeiteten Wohlfahrtsgewinn mehrerer Dekaden verpfändet und sieht sich mit der realen Gefahr des Verlusts seiner Spitzenbonität an den Kreditmärkten konfrontiert. Geriete Europas Kraftmaschine selbst in den Strudel der Krise, wäre für Europa nichts gewonnen – aber für Deutschland, seine Kanzlerin und die sie tragenden Parteien alles verloren.“

Die Frage ist doch, wer durch den Verzicht der Bürger einen Wohlfahrtsgewinn verbuchen konnte und damit nichts besseres anzustellen wusste, als ihn auf den Kapitalmärkten zu verjubeln. Wären die Überschüsse bei den Bürgern nicht vielleicht besser aufgehoben gewesen, um die Binnennachfrage zu stärken?

Der Verzicht für den Wohlfahrtsgewinn Weniger setzte sich aber auch gestern im deutschen Bundestag fort. Am Abend verabschiedete die Koalition, die im Prinzip auf die Einhaltung der absurden Schuldenbremse pocht, einen Nachtragshaushalt. Dieser sieht eine Erhöhung der Neuverschuldung um sechs Milliarden Euro vor. Mit dem Geld soll das Konto des europäischen Stabilitätsmechanismus ESM gefüllt werden, obwohl dieser noch nicht einmal vom Parlament ratifiziert wurde.

Das Absurde daran ist, dass sowohl die 17 Milliarden Neuverschuldung aus dem letzten Jahr wie auch die insgesamt 34,8 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht im Widerspruch zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse stehen. Wie das geht, hat Georg Schramm einmal sehr schön erklärt. Mehr Schulden ermöglichen nämlich mehr Schulden. Nach der Finanzplanung der marktkonformen bürgerlichen Regierung hätte Schäuble noch mehr neue Schulden aufnehmen dürfen.

Dass die Presse indes nichts von Finanzpolitik versteht, kann man sehr schön daran erkennen, dass sie die Reaktion der britischen Notenbank, ihren Währungsraum mit 100 Milliarden Pfund zu stärken, als mehr oder weniger gewöhnlichen Vorgang der Krisenpolitik bezeichnet, um die Kreditvergabe im Vereinigten Königreich zu erleichtern. Dabei liegen diese 100 Milliarden Pfund genauso wenig in den Tresoren der Bank-of-England herum wie jene Milliarden Euro, die ein Land wie Spanien, das eine deutlich niedrigere Gesamtverschuldung ausweist als Deutschland oder Großbritannien, dringend bräuchte.

Großbritannien druckt Geld gegen die sich verschärfende Wirtschaftskrise im Land und den sich abzeichnenden Verlust an Wohlstand. Die Eurozone druckt auch Geld, nur eben nicht um die Krise in den Griff zu bekommen und den Menschen, die dem Euro ausgeliefert sind, wenigstens ihre Existenz zu sichern, sondern um es den Geschäftsbanken zu geben, die es dann gegen “marktkonforme” Zinsen an die Staaten der Eurozone weiterverleihen.

In der Logik geht es dann auch nicht um den Erhalt irgendeiner Währung oder irgendeines Wohlstandes, sondern um die Rettung eines absurden wie gescheiterten Finanz- und Wirtschaftssystems innerhalb der Eurozone, das maßgeblich von Deutschland aus bestimmt wird. Je brüchiger das Ganze aber wird, desto härter wird der Ton und das Verlangen mit Bestrafungen und Sanktionen für eine radikale Anpassung der Politik in den Ländern zu sorgen, die als logische Verlierer der Gesamtkonstruktion bereits zum Start des gemeinsamen Währungsraums feststanden.

Ein Wohlfahrtsgewinn kann wenn überhaupt nur dann erreicht werden, wenn gerade wir Deutschen bei Wahlen auf Parteien verzichten, die eine Regierung wie die von Angela Merkel tragen.

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Die Presse spuckt Gift und Galle

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Wie erwartet spuckt die deutsche Presse Gift und Galle. Mit 100 Milliarden soll Europa und vor allem Deutschland für das Versagen spanischer Banker aufkommen, so der Tenor in den Redaktionsstuben. Dabei ist das Versagen spanischer Banker erst möglich geworden, weil deutsche Banker und Versicherer die Mittel zur Verfügung stellten, um den Immobilienboom in Spanien finanzierbar zu machen.

Den meisten deutschen Journalisten bleiben die Kapitalströme innerhalb Europas noch immer verborgen. Sie kapieren einfach nicht, welche Auswirkungen vor allem das deutsche Wirtschaftsmodell innerhalb der Eurozone hat. Aufgrund der binnenwirtschaftlichen Sparsamkeit (erzwungen durch permanenten Lohnverzicht und Gürtel-enger-schnallen) ist Deutschland ein großer Geldexporteur und damit auch Gläubiger spanischer Banken geworden.

Diese Tatsache lässt eine mehr oder weniger bedingungslose Rettung spanischer Banken aus politischer Sicht notwendig erscheinen, wenn man denn verhindern will, dass deutsche Institute erneut ins Straucheln geraten und wohlmöglich private Riesterrenten und Lebensversicherungen mit in den Abgrund ziehen. Denn der deutsche Michel hat kaum Kohle für ein eigenes Haus, aber für die sinnlose private Altersvorsorge, die vom Staat und damit wieder von ihm selbst, üppig subventioniert wird.

Spanische Staatsanleihen waren eine sichere Anlage, weil das Land auf der iberischen Halbinsel vor und auch während der Krise einen solide finanzierten Haushalt sowie eine niedrige Staatsverschuldung vorweisen konnte. Gerade mit Blick auf letzteres steht das Land noch immer besser da als beispielsweise Großbritannien oder auch Deutschland. Dennoch treiben marktkonforme Demokraten, kurz: Spekulanten, das Land an den Rand des Abgrunds.

Doch mit Gerüchten um den aufgeblähten Immobiliensektor wird den Anlegern suggeriert, spanische Banken könnten auf faulen Krediten sitzen, die letztlich das ganze Land nach unten ziehen. Damit steigen die Risikoaufschläge und die Prophezeiung eines Finanzierungsproblems erfüllt sich wie vorhergesagt.

Nun fordert die Presse aber nicht ein Ende der Spekulation oder ein Recht, seine eigene Währung auch drucken und ausgeben zu dürfen, sondern sie verlangt nach einer Bestrafungspolitik auch für Spanien. Die Sorge einiger Presseleute ist nicht etwa die, dass noch mehr Länder von Spekulanten ins Visier genommen werden, sondern dass die Griechen nach der Wahl die Bedingungen ihres Austeritätspaketes mit Verweis auf die spanische Lösung noch einmal nachverhandeln wollen.

Das wäre unerhört und ein Affront gegenüber der Kanzlerin, die den Euro schließlich nur retten will. Dabei ist nicht einmal klar, über welchen Mechanismus die 100 Milliarden, die Schäuble am Wochenende als ausreichend bezeichnete, an die spanischen Banken verteilt werden sollen. Es könnte sich dabei um ein Manöver handeln, den noch nicht ratifizierten ESM-Vertrag samt Fiskalpakt mit der nötigen Portion Druck durchzupauken. Denn ohne diesen Vertrag wäre die bereits als sicher verkaufte Rettung der spanischen Banken wohl hinfällig.

Mit viel Getöse dürfte erneut vor einem Scheitern der Eurorettung gewarnt werden und der lächerliche Streit um die Börsenumsatzsteuer in den Hintergrund treten. Bei diesem beschweren sich SPD und Grüne ja augenscheinlich über die Öffentlichkeitsarbeit der Union. Denn sowohl Kanzleramtsminister Pofalla wie auch Finanzminister Schäuble haben mit ihren Äußerungen, die Steuer überhaupt und schon gar nicht vor der nächsten Wahl umsetzen zu wollen, den schönen Plan der rot-grünen Vernebelungskünstler durchkreuzt.

Man könnte auch sagen, die CDU hat die Maske, mit der SPD und Grüne ihr Gesicht wahren wollten, einfach heruntergerissen. Zu Recht beklagen sich nun Gabriel und Trittin über einen schlechten Umgang innerhalb der großen Koalition. Nee, falsch: Gabriel hat das so formuliert:

Was die Union am Wochenende getan habe, sei „das Gegenteil von vertrauenswürdigem Verhandeln“, sagte Gabriel in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.    

Die Bundesregierung betonte indes, dass sie seit Jahren für eine solche Steuer eintrete. Leider haben andere Staaten etwas dagegen, hieß es zur Begründung. Man kann schließlich nicht jede Maßnahme so radikal und über Widerstände hinweggehend durchsetzen wie das beispielsweise bei dem ein und anderen (allen) Austeritätskurs in den Südländern geschehen ist.

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Um was wird bei der Euro2012 gespielt?

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Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen der Euro2012. Nein nicht der in Polen und der Ukraine, sondern der in Brüssel, Berlin, Athen und Madrid. Wer darf den Euro behalten und wer nicht? Wer bekommt den Euro gegen Auflagen, um Banken zu retten und wer die Zustimmung zu seinem Fiskalpakt?

Gestern in der Halbzeitpause des Auftaktspiels der deutschen Mannschaft begrüßte Wolfgang Schäuble in den Tagesthemen die “Entscheidung” Spaniens, unter den europäischen Rettungsschirm zu schlüpfen. “Wir lösen die Probleme in den Ländern schrittweise”, so Schäuble in der ARD. Damit war er einen Tick offensiver eingestellt als Jogis Jungs, die im Spiel gegen Portugal oftmals einen Schritt zu spät kamen.

Auf die Frage, warum die ominöse Telefonkonferenz am Samstag stattfand, antwortete Schäuble souverän: “Weil da die Märkte geschlossen haben.” Ist das nun unfair gegenüber den Spekulanten, denen bei der Euro2012 gute Siegchancen eingeräumt werden oder einfach nur taktisch klug gespielt, um die vermeintlichen Rettungsgelder auch als solche erscheinen zu lassen?

Jedenfalls sieht der Plan aus Schäubles Schublade “Hilfs”Gelder von bis zu 100 Milliarden Euro vor, die laut dem deutschen Finanzminister ausreichen, um das Problem Spanien zu lösen. Die ganz große Endlösung ist derweil noch nicht in Sicht, da sich bedauerlicherweise erst vier Länder freiwillig dazu “entschlossen” haben, den sogenannten Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen.

Neben den “faulen Griechen” und den zu “stolzen Spaniern” haben bereits Portugal und Irland unter dem Schirm ihren Platz einnehmen dürfen. Wer folgt nun als nächstes und sorgt damit für eine kollektive “Erleichterung”? Kandidaten sind reichlich vorhanden. Die Finanzmärkte werden bei ihrem Gegenangriff am Montag eine erste Duftmarke in diese Richtung setzen wollen. 

Unklar ist aber noch, ob die Berliner Variante der Euro2012 auf Fanfesten mit Public Viewing Angeboten begleitet wird. Denn nachdem SPD und Grüne mit ihrer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer einen linken Flügellauf erneut bloß antäuschten und nicht mal das Erreichen des Spielfeldes bereits als Durchbruch feierten, dürfte sich die Begeisterung der deutschen Schlachtenbummler eher in Grenzen halten.

Außerdem ist der deutsche Michel dank Aufklärungssendungen wie “Mein Revier – Ordnungshüter räumen auf” bestens informiert über den Fauxpas von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der einen Orientteppich an Zoll und Steuer vorbei mit Hilfe des BND ins Land schmuggelte. Allerdings sind einige Zuschauer irritiert darüber, dass es neben dem grünen und roten Kanal auch einen gelben für FDP-Minister außerhalb des Terminals zu geben scheint.

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Ein Satz für die An(n)alen

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Josef Ackermann heuchelte auf seiner Verabschiedungsparty den Satz ins Mikrofon:

„Kein Geschäft darf es uns wert sein, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank aufs Spiel zu setzen.“

Mit zynischer Eitelkeit lobte sich der scheidende Bankchef aber gleichzeitig dafür, den Ausbau des Investmentbankings vorangetrieben und das umstrittene Renditeziel von 25 Prozent verteidigt zu haben, um Deutschland die Bank zu bewahren. Wie hat er das gemeint? Hat er dabei an die Parkbank gedacht, auf der jene gegen eine Gebühr Platz nehmen dürfen, die zwingend ihr Geld verlieren müssen, damit die Deutsche Bank bei einem volkswirtschaftlichen Wachstum von gerademal ein bis zwei Prozent ihr unanständiges Renditeziel von 25 Prozent erreichen kann?

„Kein Geschäft darf es uns wert sein, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank aufs Spiel zu setzen.“ 

Diesen Satz von Josef Ackermann kann man nur als eine niederträchtige Irreführung verstehen, um nicht sagen zu müssen, dass jedes Geschäft erlaubt ist, sofern die Verpackung stimmt. Künftig müsste also noch mehr kriminelle Energie investiert und damit volkswirtschaftliche Ressourcen verschwendet werden, um “Finanzprodukte” zu entwickeln, die keine Gefahr für den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank bedeuten.

„Kein Geschäft darf es uns wert sein, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank aufs Spiel zu setzen.“

Mit Josef Ackermann verlässt nach 10 Jahren ein Mann das Land, der vom Volk nie gewählt wurde, aber dennoch die Richtlinien der deutschen Politik ungehindert bestimmen durfte. Demnächst darf Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich zwischen zwei Spitzen der Deutschen Bank Platz nehmen und sich so von links wie von rechts die Vorgaben ihrer Politik diktieren lassen, um den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Bank bei deren Aktionären nicht aufs Spiel zu setzen.

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Finanztransaktionssteuer: Merkel will Sarkozy zurückpfeifen

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Wie ernst es Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Finanztransaktionssteuer ist, beweist der Vorstoß Frankreichs, sie jetzt notfalls allein einführen zu wollen. Das durchaus wahltaktische Manöver Sarkozys gefällt der deutschen Regierungschefin nicht. Dabei ist sie grundsätzlich von einer Abgabe auf Börsenumsätze überzeugt, wenn man ihren bisherigen Lippenbekenntnissen Glauben schenkte. Allerdings, so Merkel, dürfe die Finanztransaktionssteuer nur gemeinsam als europäische Lösung umgesetzt werden.

An dieser Lösung arbeitet man aber nun schon seit mindestens drei Jahren. Ohne Ergebnis, weil immer irgend einer etwas dagegen hatte. Erst waren es global gesehen die USA und aktuell ist es Großbritannien, die sich dagegen wehren. Die Deutschen lehnten einen Alleingang immer mit der Begründung ab, dass sich die Finanzgeschäfte dann auf die Orte verschieben würden, an denen eine solche Umsatzsteuer nicht gilt. Nun könnte es Frau Merkel doch egal sein, ob Sarkozy eine Tobin-Steuer einführt. Ihrer Logik folgend, müsste der Finanzplatz Deutschland davon profitieren.

In Wahrheit will die, an den Lippen von Josef Ackermann hängende, Bundeskanzlerin keine Transaktionssteuer. Der Vorwurf, Sarkozy hätte sie aus wahltaktischen Gründen gerade jetzt wieder auf die Agenda gesetzt, könnte man genauso gut Angela Merkel machen. Ihre strategische Überlegung war immer, die populäre Transaktionssteuer unter der Bedingung, das alle anderen zustimmen, national zu fordern, um sie dann international immer wieder scheitern zu lassen.

Nur zur Erinnerung: Eine Steuer auf Börsenumsätze hat es in Deutschland bis 1991 gegeben, ohne dass dabei das eingetreten wäre, was die neoliberalen Verfechter freier und ungezügelter Märkte immer wieder behaupten. Helmut Kohl ließ sie allerdings im Rahmen des ersten Finanzmarktförderungsgesetz abschaffen. Es war der Auftakt zur Deregulierung der Finanzmärkte in Deutschland, die vom angloamerikanischen Raum ausgehend die gesamte Welt erfasste.

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