Vorweg: Ich habe die Sendung nicht gesehen, sondern nur den Trailer. Das hat mir gereicht.
Jung, arm, chancenlos – Wie aus Kindern Hartzer werden!
Hartz-IV-Empfänger als Berufswunsch – bitterer kann ein Kind seine Zukunftsperspektive nicht sehen. Tatsache ist: Viel zu oft bleiben arme Kinder auch als Erwachsene arm – an Bildung und Chancen. Was hilft: Mehr Geld für die Eltern oder mehr staatlicher Einfluss auf die Erziehung?
Als ich den Trailer im Fernsehen sah, stellten sich mir sofort zwei Fragen.
Erstens: Wie hat es die Redaktion von „hart aber fair“ geschafft, endlich mal eine richtige Zustandsbeschreibung hinzukriegen?
Viel zu oft bleiben arme Kinder auch als Erwachsene arm – an Bildung und Chancen.
Und zweitens: Wieso stellt dieselbe Redaktion einmal mehr die völlig falschen Fragen?
Was hilft: Mehr Geld für die Eltern oder mehr staatlicher Einfluss auf die Erziehung?
Aha, mehr Geld für Eltern vs. Erziehungszwang. Da freut sich der Stammtisch. Warum die Kinder nicht gleich zur Zwangsadoption freigeben? Ein toller Themeneinstieg, lenkt er doch auch von der wichtigen Frage ab, was an einem System nicht stimmen könnte, das nicht nur Armut produziert und Bildungspolitik vernachlässigt, sondern auch eine Reservearmee von Arbeitslosen den herrschenden Interessen vorhält, die diese unbedingt brauchen, um ihre idiotische Wirtschaftspolitik fortzuführen, die seit Jahren auf radikaler Umverteilung von unten nach oben beruht.
Was der Titel der Sendung eigentlich noch mit der Sendung zu tun hat, bleibt auch in dieser Woche wieder ein Rätsel.
___________________________________________
Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Westerwelles Radikalforderung nach einem „Arbeitszwang“ für Langzeitarbeitslose und Hannelore Krafts Kuschelangebot an ALG-II-Empfänger, „freiwillige Arbeit“ gegen nunmehr einen „symbolischen Aufschlag“ auf die Regelsätze abzuleisten?
Richtig! Es gibt keinen. Beide Modelle führen zu dem gleichen Bild:
Vorhin erreichte mich von meinem Leser Jens K. noch folgende Karikatur zur Hartz-IV-Diskussion aus der Zeitschrift Erziehung und Wissenschaft 3/2010. Sie trifft den Sachverhalt ebenfalls sehr genau.
Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Hannelore Kraft hat sich ja via Spiegel Online mehr oder weniger auf das Niveau der Westerwelle begeben.
Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit sollten „die Chance bekommen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Gesellschaft etwas zu leisten“, sagte die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die nordrhein-westfälische Landtagswahl im Mai in einem SPIEGEL-Interview.
„Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden“, begründete Kraft ihre Initiative. Diese Menschen bräuchten ein neues Angebot, das ihnen eine „würdevolle Perspektive“ gebe.
Mir geht’s dabei jetzt nicht um den inhaltlichen Schwachsinn und die offensichtliche Tatsache, dass Frau Kraft die Wahl in NRW nicht gewinnen will, sondern vielmehr um die Logik dieser Frau. Schließlich hält sie nach eigenem Bekunden die Tür der NRW-SPD für rückkehrwillige Linke weit offen und ist zudem auch noch überzeugt davon, dass da tatsächlich jemand vorbeischaut.
Damals sagte sie:
„Ich glaube, wir können jetzt wieder ein gutes Angebot für viele SPD-Abwanderer und Gewerkschafter sein. Die sind bei uns gut aufgehoben.“
Seit der jüngst ausgebrochenen spätrömischen Dekadenz Welle, wird nicht nur dreist gelogen, was den angeblichen Missbrauch von Sozialleitungen angeht, sondern auch, und das ist noch viel schlimmer, ein sehr bedeutenderes Verbrechen durch den Trick der Gleichmacherei verharmlost. Steuerhinterziehung wird im Augenblick gern mit dem Betrug am Sozialstaat verglichen und die Behauptung aufgestellt, dass ja alle Bevölkerungsgruppen in Teilen gelegentlich oder auch systematisch den Staat betrügen würden. Mit dieser Gleichsetzung will man erstens davon ablenken, welch immens hoher Schaden durch systematische Steuerhinterziehung angerichtet wird, die nur durch den massiven Einsatz krimmineller Energie möglich ist, und zweitens will man erreichen, dass sich die Welle der Empörung über angebliche Sozialschmarotzer wieder etwas legt, ohne davon abzurücken, dass man beiden Betrugsfällen mit verstärktem Druck begegnen müsse.
Aber welcher Betrugsfall ist eigentlich konkret unser Problem? Sozialleistungsmissbrauch oder Steuerhinterziehung? Aus Sicht der Gleichmacher stellt es sich nun so dar, als müsse man beide Dinge mindestens gleichermaßen bekämpfen, weil sie auch gleichschwer wiegen. Das ist einfach falsch. Der Sozialmissbrauch ist defacto überhaupt kein Problem. Das belegen die Zahlen eindeutig, die nur keiner der Hetzredner zur Kenntnis nehmen will. Am vergangenen Donnerstag wurde der völkische Wahrheitsverkünder Guido Westerwelle bei Maybrit Illner im ZDF darauf hingewiesen, dass nach amtlicher Statistik die Missbrauchsquote bei etwa 1,9 Prozent läge oder rund 126.000 Fälle bei 6,5 Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II. Bei einem Sozialleistungs-Etat für’s SGB II (Arbeitslosengeld II) in Höhe von 24 Mrd. Euro kam es im Jahr 2009 zu Überzahlungen in der Größenordnung von 72 Millionen Euro.
Westerwelles Kommentar: Er bezweifle die Zahlen. Damit hat er wahrscheinlich sogar Recht. Denn er weiß ja ganz genau, wie bei der aktuellen Arbeitslosenzahl geschummelt wird. Doch nehmen wir mal an, die Quote läge in Wirklichkeit bei 5 Prozent. Selbst dann wäre der Leistungsmissbrauch kein richtiges Problem, das man ernsthaft bekämpfen müsse, weil der Staat dadurch viel Geld verlöre oder aber die Steuerzahler über Gebühr belastet würden. So ein Aufwand und so ein Geschrei wegen ein paar Millionen, die jeden einzelnen Deutschen umgerechnet vielleicht höchstens zwei Euro zusätzlich kosten?
Warum gibt es kein Geschrei bei der Steuerhinterziehung, die laut OECD, den deutschen Steuerzahler jedes Jahr über 100 Mrd. Euro kostet oder umgerechnet jeden einzelnen Deutschen mit gut 1250 EUR belastet? Das ist schon eine andere Hausnummer. Doch nun kommt’s…
Allein die nackte Meldung, dass eine CD mit den Daten von Steuerhinterziehern existiere, hat dazu geführt, dass inzwischen weit über 100 Millionen Euro dem Fiskus in Selbstanzeigen nachgemeldet wurden.
D.h., dass der Staat jetzt schon mehr hinterzogenes Steuergeld im Tausch gegen Straffreiheit zurückerhalten hat, als ihm im gesamten Jahr 2009 durch Sozialmissbrauch überhaupt entanden ist. Gegen welche Sozialschmarotzer müsste Westerwelle denn nun eigentlich zu Felde ziehen? Der Witz ist ja, er müsste gar nicht zu den Waffen greifen, sondern bloß jede Woche verkünden, dass er wieder eine CD aus der Schweiz mitbringen würde, die man ihm bei seinen zahlreichen hochdotierten Vorträgen in die Hand gedrückt habe. Das reicht doch schon aus, um die Staatsfinanzen ein gutes Stück weit zu verbessern. ;)
Vor zwei Wochen lieferte der Chefredakteur der Zeit Giovanni di Lorenzo in Absprache mit der Bild-Zeitung ein ziemlich mieses Hetz-Stück gegen Hartz-IV-Empfänger und Migranten. Darin behauptete di Lorenzo, der ebenfalls eine Migrationsgeschichte aufweist, dass sich der Verdacht aufdränge, die deutschen Sozialsysteme seien immer noch attraktiv genug, um eine massenhafte Einwanderung in die sozialen Netze auszulösen. Eine handfeste Falschbehauptung.
Heute meldet das statistische Bundesamt, dass die in Deutschland lebende ausländische Bevölkerung im letzten Jahr zurückgegangen sei.
Gegenüber 2008 ist die Zahl der ausländischen Bevölkerung um 32 800 Personen zurückgegangen ( 0,5%). Dieser Rückgang betraf am stärksten die türkische Bevölkerung. Ihre Zahl hat gegenüber dem Vorjahr um 30 300 Personen ( 1,8%) abgenommen und lag Ende 2009 noch bei 1,66 Millionen.
Im Laufe des Jahres 2009 sind 412 400 ausländische Personen nach Deutschland zugezogen oder wurden hier geboren, 9 000 mehr als im Jahr zuvor. Gleichzeitig haben 312 000 ausländische Personen das Land verlassen oder sind verstorben, 4 200 Fälle mehr als im Vorjahr. Rund 133 200 Personen sind aus anderen Gründen wie zum Beispiel durch Einbürgerung aus dem Register ausgeschieden, 3 700 mehr als ein Jahr zuvor.
Was di Lorenzo also unter massenhafter Einwanderung versteht, bewegt sich aktuell in einer Höhe von rund 400.000 Personen. Per Saldo sind es rund 100.000 Menschen, denn die, die wahrscheinlich angewiedert über die hiesige Presse das Land fluchtartig wieder verlassen haben, werden wohl kaum weiterhin Sozialleistungen beziehen.
Seit di Lorenzos falscher Behauptung zur Unterstützung der widerlichen Westerwelle-Kampagne hetzt der Stammtisch nicht nur gegen Hartz-IV-Empfänger, sondern auch wieder gegen Ausländer. Die wahren Fakten dürften wie immer ungehört verklingen. Giovanni di Lorenzo scheint jedenfalls auch jedes Mittel recht zu sein, um Leser an sein Blatt zu binden. Die regelmäßig stattfindenden Bettelaktionen bei ehemaligen Kunden, doch wieder ein Zeit-Abo abzuschließen und dafür eine elegante Armbanduhr oder einen schicken Schreiber als Geschenk anzubieten, bringt wohl nicht den erhofften Erfolg.
Jürgen Becker in Hochform. Er fand nicht nur die richtigen Worte zum Kölner U-Bahn-Bau, sondern auch zu Guido Westerwelle, der gerade zum Ahmadinedschad des Mittelstands pubertiert. Großartig!!!
Hier der Extremist der Mitte.
Becker dann zur spätrömischen Dekadenz:
„Die reichen Römer, die haben ja immer lecker gespachtelt. Und damit die dann noch mehr spachteln können, haben die sich dann eine Feder in den Hals gehalten und das ganze Essen wieder ausgekotzt. Und das ist das Schöne an Westerwelle. Bei dem kotzt man auch ohne Feder!“
Am Ende dann wieder der Auftritt von Wilfried Schmickler, der natürlich auch den größten „Staatsknete-Abgreifer“ Gwuido Westerwelle zum Thema hatte. Dieser Beitrag ist deshalb so herrlich, weil Schmickler es schafft, die Hetze gegen Hartz-IV-Empfänger als Prozess zu beschreiben und zu entlarven, der nicht voraussetzunglos, sondern an bestimmte vorherrschende Bedingungen geknüpft ist. Die Hetze ist nämlich nur möglich, weil die Gruppe der Hilfebezieher keine Lobby hat. Alle anderen, ob Bundeswehr, Kirchen oder auch Schiedsrichter ( :>> ) besäßen eine solche, die sie vor willkürlichen und absurden Verallgemeinerungen im Zuge ihrer Skandälchen schützen würde.
Allein das ist schon ein Skandal. Nicht Guido Westerwelle, der heute im Bundestag wieder log, ist das Problem, es sind diejenigen, die, wie die Kanzlerin zum Beispiel, so tun, als würden sie dem Vizekanz-nicht zurechtweisen, ihm in Wirklichkeit aber Recht geben. Lesen sie mal die erste Äußerung der Regierungschefin nach der Duktus-Offenbarung vor einer Woche:
Bundeskanzlerin Merkel wirft dem FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler Westerwelle vor, die Debatte über die Reform des Sozialstaats unnötig erschwert zu haben. Selbstverständliches sollte selbstverständlich bleiben, damit man in der Sache zu guten Ergebnissen kommen kann, sagte Frau Merkel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Formulierungen wie Man muss noch sagen dürfen, ließen den Eindruck entstehen, es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich ist, als gebe es also ein Tabu. Das treffe bei der Umsetzung des Hartz IV-Urteils und beim sogenannten Lohnabstandsgebot nicht zu, kritisierte die Kanzlerin Westerwelle.
Mit anderen Worten, Westerwelle hätte nicht so auf den Putz hauen sollen, weil man sich in der Sache doch schon längst einig ist. Das ist kein inhaltlicher Widerspruch, sondern lediglich eine Kritik an der äußeren Form. Oder wie es Ulrich Maurer gestern in der Aktuellen Stunde zum „Schweigen der Bundeskanzlerin zur Sozialpolitik der Bundesregierung“ treffend formulierte:
„Ich bin an einem einzigen Punkt derselben Meinung wie der Kollege Kolb. Die Frau Bundeskanzlerin hat nicht geschwiegen, sondern sie hat den Duktus des Herrn Vizekanzlers gegeißelt. Das heißt im Klartext: Sie hat sich wie eine Richterin verhalten, die den Kollegen Westerwelle nicht wegen seiner Tat, sondern wegen mangelnder Eleganz bei der Tatausführung verurteilt.“
Es lohnt sich übrigens, die kurze Rede Maurers anzuschauen: (gefunden u.a. im Blog Marigny de Grilleau)
Heute nun die Aussprache über den Antrag der Partei die Linke mit dem Titel, „Weg mit Hartz IV Für gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung“. In den Medien ist aus diesem Antrag nur der Punkt, Erhöhung der Hartz-IV-Sätze auf 500 EUR überliefert. Das kann man ja aus Schlagzeilensicht verstehen, aber der Antrag hat acht Seiten, auf denen mehr steht, als die bloße Anhebung des Regelsatzes. Der für mich entscheidende Absatz darin lautet:
Hartz IV hat die Furcht vor Armut und sozialem Ausschluss bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineingetragen. Die Drohung mit dem sozialen Absturz wirkt disziplinierend auf die Beschäftigten, schwächt die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften, begünstigt Untertanenmentalität und unterhöhlt so die gesellschaftlichen Voraussetzungen der Demokratie. Hartz IV stärkt die Arbeitgeber im gesellschaftlichen Verteilungskampf, befördert die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die zunehmende soziale Polarisierung bei Einkommen und Vermögen.
Statt diese Fehlentwicklungen grundlegend zu korrigieren und Hartz IV einer Generalrevision zu unterziehen, setzt die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP auf die noch stärkere Drangsalierung von Erwerbslosen durch erneut verschärfte Sanktionen und die weitere Ausdehnung des ohnehin schon riesigen Niedriglohnsektors.
Man kann das noch deutlicher formulieren. Die Bundesregierung will, so lang es eben nur geht, gar nichts an dem im Kern verfassungswidrigen Gesetz ändern. Sie will sich erst einmal bis zum Herbst Zeit nehmen, um erneut irgendetwas zu prüfen. Seit Jahren hört man das, ohne Ergebnis. Es war ein großer Fehler der Bundesrichter, die verfassungswidrigen Regelungen bis zum Ende des Jahres formal gelten zu lassen. Spätestens im Mai nach der NRW-Wahl wird die unmögliche Hetzerei ihren Höhepunkt erreichen. Man muss es einfach noch einmal ganz klar sagen.
Für die Banken haben alle Fraktionen des Bundestags, mit Ausnahme der Partei die Linke, binnen einer Woche knapp 500 Mrd. Euro bereitgestellt und ein Ermächtigungsgesetz erlassen, das dem damaligen Finanzminister Steinbrück rechenschaftslose Verfügungsgewalt über Steuergelder zugestand. Damals hieß das Zauberwort „Systemisch“, mit dem sich jede Kritik wegbügeln ließ. Heute geht es um einen verfassungswidrigen Zustand, was die Berechnung der Hartz-IV-Sätze anbelangt und die Regierung nimmt sich alle Zeit der Welt, um die festgestellte Grundrechtsverletzung, die Verletzung der „Menschenwürde“, zu beseitigen.
Was für ein Skandal.
Und dann der Auftritt von Frau von der Leyen zum Schluss. Die hat auch gar nichts begriffen. Sie schwafelt andauernd davon, dass man vor allem Kinder fördern und staatliche Hilfe gerade dort in Form von Sachleistungen verstärkt anbieten müsse. Liebe Frau von und zu Hirnlos, das Bundesverfassungsgericht hat die Regelsätze der Kinder für verfassungswidrig erklärt, weil der Gesetzgeber es schlicht unterlassen hatte, das Existenzminimum eines minderjährigen Kindes überhaupt festzustellen und es stattdessen lieber vorzog, freihändig ins Blaue zu schätzen. Vielleicht schaut die Supermutti erst einmal, welcher Bedarf konkret besteht, bevor sie ins Plenum schreit, den Kindern armer Eltern Nachhilfeunterricht zu ermöglichen. Diese dumme Aristokraten-Pute sollte selbst Nachhilfe nehmen oder einfach mal das Urteil lesen!
Dr. Guido Westerwelle stellt auch am Wochenende seine geistigen Fähigkeiten unter Beweis. Sie haben es vielleicht gehört, die Geschichte mit dem Schneeschippen (siehe SpOn). Toll. Da freut sich am Montag der Stammtisch wieder. Ich will den Schwachsinn gar nicht weiter kommentieren. Ich habe das ja bereits mit Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Falle Pinkwart getan (siehe hier im Blog). Auch Westerwelle ruft dazu auf, die höchst richterliche Entscheidung zu den sozialen Hilfeleistungen des Staates mit Füßen zu treten und die Verfassung abermals zu brechen. Westerwelle rechnet wohl damit, dass es wieder fünf Jahre dauern wird, bis das Bundesverfassungsgericht eine im liberalen Sinne durchgesetzte Neuregelung der Hartz-Gesetze für grundgesetzwidrig erklärt.
Nachdem also Westerwelle und seine liberalen Ministerkollegen neue Jobs für Gleichgesindel, äh Gleichgesinnte, geschaffen haben und diese nun ihre Ärsche als zusätzliche Staatssekretäre und Referatsleiter plattsitzen dürfen, will Westerwelle auch in anderen Bereichen für Vollbeschäftigung sorgen. Wenn schon das Straßenfegerpersonal und der Winterdienst in Berlin weggespart wurden oder unter dem Diktat liberaler Unternehmenslogik leiden, wonach Kostenfaktoren immer vor dem Auftrag, Versorgungs- und Verkehrssicherheit zu gewährleisten, stehen, muss nun das arbeitslose Faulenzerherr ran und gefälligst Schippen gehen, damit auch der verbliebene Rest ordentlich bezahlter öffentlicher Arbeit betriebswirtschaftlich abgewickelt werden kann.
Findet sich bei den Liberalen eigentlich kein beschäftigungsloser Minderleister, der den geistigen Sondermüll des Vorsitzenden wegschippen könnte? Die haben in der Truppe doch alle keine Erfahrung mit praktischer Arbeit, sondern sind meist aus der Uni gleich in den Parteiapparat gewechselt. Da besteht doch Nachholbedarf oder nicht? Man könnte doch einiges lernen, wenn man unter dem Abfall scheinliberaler Worthampelei die Straße ins Verderben wiedererkennen könnte. Aber so wie es aussieht, nehmen die liberalen Freigeister doch eher rechtzeitig jene, für den öffentlichen Durchgangsverkehr gesperrte, frisch asphaltierte Ausfahrt nach Eldorado, die im Prozess der Arbeitsteilung vom angeblich so neidischen Straßenpöbel fertiggestellt und zudem vom selbigen auch bezahlt wurde.
Wo bleibt da eigentlich Dr. Guido Westerwelles Intervention? Der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Martin Kannegiesser droht damit, den Tarifabschluss wieder platzen zu lassen, falls die Bundesregierung nicht dafür sorgt, dass die Bundesagentur für Arbeit auch weiterhin die Sozialabgaben für Kurzarbeiter den Unternehmen erstattet. (Quelle: Focus)
Könnte man das nicht als „sozialistische Züge“ bezeichnen, Herr Westerwelle? Denn bisher haben doch gerade die großen, vom Export abhängigen Unternehmen, immer darauf gepocht, wirklich autonome Tarifverhandlungen zu führen, ohne politische Einmischung. Und nun, wo die Not ebenfalls groß zu sein scheint, gilt dieses heilige Gesetz der Freiheit nicht mehr? Was wird der zuletzt sehr ernst wirkende Spaß-Gwuido dazu wohl sagen. Ich glaube, ich weiß es.
Der Turboleister und Superdurchblicker der FDP wird demnächst wieder auf die Agentur für Arbeit schimpfen, weil deren Finanzbedarf ständig steigt und deren Personalbestand inzwischen auf über 100.000 Mitarbeiter angewachsen ist, obwohl es kaum gelingt, „dekadent auftretende arbeitslose Faulenzer“ so unter Druck zu setzen, dass die wieder arbeiten gehen, anstatt sich in die soziale Hängematte zu legen. Da müsse man Kürzungen vornehmen. Ist doch klar. Schließlich bietet die Bundesagentur dem FDP-Vorsitzenden augenblicklich Paroli und widerlegt die Lügen Westerwelles.
Die Sendung quer im Bayerischen Fernsehen ist Westerwelles Behauptungen ebenfalls nachgegangen und hat dazu einen sehr schön aufklärenden Bericht mit dem Titel, „Held der Deppen – Westerwelles Feldzug gegen den Sozialstaat“, produziert.
Glauben sie das jetzt nicht? Ist aber so. Lesen sie mal die Schlagzeile.
FDP-Vize Pinkwart fordert, Hartz-IV-Beziehern schneller die Stütze zu kürzen, wenn sie angebotene Jobs verweigern.
Nordrhein-Westfalens FDP-Landeschef Andreas Pinkwart heizt die Debatte um Hartz IV an und fordert ein härteres Vorgehen gegen „Leistungsverweigerer“: Wenn die Betreuung in den Jobcentern weiter verbessert werde, „müssen die Bezüge arbeitsfähiger Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigern, auch konsequenter gekürzt werden“, sagte Pinkwart, der auch Vizechef der Partei ist. Wer arbeitsfähig sei, „sollte auf staatliche Hilfe grundsätzlich nur Anspruch haben, wenn er auch zur Gegenleistung bereit ist“, zitierte ihn die „Rheinische Post“.
Langsam glaube ich, die FDP-Idioten wurden nicht nur zu heiß gebadet, denen hat man auch gehörig ins Gehirn geschissen. Tschuldigung für den Ausdruck. Aber so dämlich und plump kann man doch nicht mehr sein. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen doch ganz klar festgestellt, dass staatliche Hilfe keine Leistung sein darf, an die der Gesetzgeber einfach so Bedingungen knüpfen kann. Der Bedürftige hat einen unmittelbaren verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch, „da das Grundrecht die Würde jedes individuellen Menschen schützt“ (siehe Rdnr. 134 im Urteil)
Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist.
Und dann gibt es noch folgenden Absatz im Urteil der Karslruher Richter (Rdnr. 137):
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.
Leistung nur gegen Gegenleistung wie Pinkwart es wohl gerne hätte, deckt sich nicht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach dem Bedürftigen ein absoluter und unverfügbarer Anspruch auf verfassungsrechtlich konform ermittelte staatliche Hilfen zusteht. Dazu noch einmal der Wortlaut aus dem Urteil (Rdnr. 133):
Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat.
Möglicherweise hätte eine deutliche Stellungnahme des Gerichts zum Sanktionsparagraphen § 31 SGB II mehr Klarheit in dieser Frage schaffen können. Aus dem Urteil des Verfassungsgerichts lässt sich aber meiner Meinung nach indirekt schließen, dass diese Sanktionsregelungen ebenfalls verfassungswidrig sein müssen, da sie gegen den vom Gericht aufgestellten „absolut wirkenden Anspruch“, der unverfügbar eingelöst werden müsse, streiten. Zumindestens dürfte die Forderung nach einer Verschärfung der Sanktionsregeln mit dem Urteil klar ausgeschlossen sein.
Den Hetzern aus der FDP scheint das aber völlig egal zu sein. Diese beklagen sich über eine angeblich sozialistische Gefahr und brechen gleichwohl als feine Demokraten verkleidet die eigene Verfassung, wo es nur geht. Da möchte man wirklich zum Dreschflegel greifen und dieser selbsternannten Elite die Arroganz aus dem Leistungsschädel prügeln. Nicht mal richtig lesen können diese Kasperköpfe.