Die panische Angst vor Schulden

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Da hat sich die Bundesregierung nun endlich dazu durchgerungen, ein Konjunkturpaket zu beschließen (Keine Angst, es ist noch lange nicht in Kraft, erst im Sommer soll es soweit sein!) und alles was man darüber hört, ist die panische Angst der Medien vor der hohen Neuverschuldung. Hilfe, wer soll das alles bezahlen? Na ja, die Leiharbeiter werden künftig weniger beisteuern können, hat doch die Bundesregierung gerade beschlossen, das betriebene Lohndumping auf niedrigem Niveau festzuschreiben. Aber relativ gesehen, dürfen die Menschen, die von Leiharbeit betroffen sind, mehr von ihrem kärglichen Lohn zur Finanzierung der abzusehenden Haushaltslöcher beisteuern. Denn wenn beim Staat über direkte Steuern nix mehr reinkommt, kürzt er wie bisher vor allem bei den Sozialtransfers oder erhöht vielleicht noch mal die nicht nach der Größe des Einkommens gestaltete Konsumsteuer, um so doch noch an die Kröten von zum Beispiel Geringverdienern zu kommen, die ihren Lohn fast vollständig verkonsumieren müssen. Dazu braucht man keine Glaskugel.

Aber ich schweife ab. Es geht ja mal wieder um die Schulden. Die Rekordneuverschuldung wird nun zum Anlass genommen, eine schizophrene Debatte loszutreten, die überhaupt nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Es geht doch nun wahrlich nicht darum, ob Schulden gemacht werden dürfen oder nicht. Diese Krise trifft die Volkswirtschaft so hart, dass die Defizite in den öffentlichen Haushalten so oder so massiv ansteigen werden. Das hat ja auch die Kanzlerin nach langen Überlegungen scheinbar richtig begriffen. Sie sagte selber, wenn sie nichts tun würde, wäre das Haushaltsdefizit am Ende viel höher und die Krise von längerer Dauer. Man fragt sich an der Stelle nur, warum einzelne Maßnahmen, wie die Steuer- und Beitragssatzsenkungen erst zum 1. Juli in Kraft treten sollen.

Ein Konjunkturpaket, das im Kern auf die wirtschaftliche Belebung abzielt, gerade weil es viel Geld in den Kreislauf pumpt und somit die für die Wirtschaft so wichtige Nachfrage generiert, hilft die Krise im Ergebnis zu verkürzen. Manchmal fragt man sich deshalb, welche Gehirnamputierten da in den Redaktionen rumhocken bzw. im Dunstkreis der Politiker ihr üppiges Dasein fristen und anscheinend überhaupt nicht Willens sind, einmal über volkswirtschaftliche Wirkungszusammenhänge nachzudenken. Besonders Christoph Slangen, der in Berlin unter anderem für die Neue Presse schreibt, fällt erneut mit dusseligen Fragestellungen auf.

Heute erscheint in der Neuen Presse ein Interview von ihm mit Peter Bofinger, der Mitglied des Sachverständigenrates ist. Slangens erste Frage an den Wirtschaftsweisen ist natürlich nicht jene, die nach der Wirkung des beschlossenen Konjunkturpakets auf die Wirtschaftsleistung und die Dauer der Krise abzielt, sondern einfach nur dümmlich darauf, ob am Ende höhere Schulden übrig bleiben würden. Diesen Möchtegern-Journalisten interessiert dann auch nicht Bofingers Antwort, dass die Verschuldung sich erstens nicht umgehen lässt und zweitens ein Nichtstun während einer wirtschaftlichen Krise, nicht nur noch höhere Schulden zur Folge hätte, sondern auch historisch bereits einmal bitter bestraft wurde.

Doch am Ende fragt Slangen noch einmal nach der Schuldenbremse, die 2015 greifen soll und ob bis dahin das konjunkturelle Tal durchschritten sei und nicht, ob diese Maßnahme angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Schulden, die Bofinger in seiner ersten Antwort erläutert hat, überhaupt sinnvoll sei. Deshalb muss Bofinger auch hier die offensichtliche Dummheit und Lernunfähigkeit des Fragestellers mit seiner Antwort kompensieren. Kein anderes großes Industrieland nutze ein solches Instrument. Und in der Schweiz, dem einzigen Land, das eine Schuldenbremse kennt, wurde diese 2003 außer Kraft gesetzt, weil sie schlicht bedeutet, dass sich die Politik ihrer Gestaltungsspielräume beraubt und den Staat somit handlungsunfähig macht.

Heiner Flassbeck sagt heute im manager-magazin über solche Leute, die auf eine Verschuldungsbremse pochen, sie hätten den Ernst der Lage nicht begriffen und machten sich schlichtweg lächerlich. Dem möchte ich mich anschließen und hinzufügen, dass das auch für Journalisten gilt. Christoph Slangen ist eine Lachnummer, dass habe ich schon mehrfach hier belegen können, aber nicht nur er. Gestern auf der Bundespressekonferenz stellte doch tatsächlich jemand die Frage, ob die Einführung einer Lohnuntergrenze bei der Leiharbeit in der Krise nicht kontraproduktiv sei. Da ich nicht so schön formulieren kann, wie die akkreditierten Kollegen vor Ort, hier die hirnverbrannte Fragestellung, die den unterirdischen Geisteszustand unserer Journalisten sehr schön beschreibt: (nachzulessen in der Mitschrift der Pressekonferenz auf regierung-online)

FRAGE: „Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen, Sie wollen Arbeitsplätze sichern. Wie verträgt sich dieses Ziel denn mit der Tatsache, dass Sie sich auf Lohnuntergrenzen bei der Zeitarbeit geeinigt haben, also ein neues Hemmnis auf dem Arbeitsmarkt schaffen, gerade vor dem Hintergrund, dass die Zeitarbeit in Krisenzeiten besonders wichtig ist?“

Wo soll man sich da noch hinfassen? :|

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Ruf nach der "Schuldenbremse"

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Über den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag Otto Fricke habe ich ja schon geschrieben. Sein moralisches Pathos im Hinblick auf die Staatsverschuldung ist vor dem Hintergrund des Milliarden-Rettungsschirms für den unproduktiven Bankensektor einfach lächerlich.

Doch was ist von einer „Schuldenbremse“, wie sie jetzt gefordert wird zu halten? Nützt sie tatsächlich der künftigen Generation etwas? Nein. Denn Staatsschulden sind doch kein Problem zwischen den Generationen, sondern „ein sich von der Gegenwart in die Zukunft fortpflanzendes Verteilungsproblem innerhalb der Gesellschaft zwischen Reich und Arm.“ (Quelle: Das kritische Jahrbuch 2008/2009, S.18)

An der unterschiedlichen Bewertung der beschlossenen Milliardenpakete und der geplanten kann man das gut erkennen. Während der üppige Bankenschirm, dessen Effekt gleich Null ist, da wir uns gegenwärtig in einer Kreditklemme befinden, überhaupt nicht kritisiert wird, werden zum Beispiel die läppischen 10 Mrd., die die SPD in Bildung und Infrastruktur investieren will, als viel zu hoch erachtet. Dabei ist gerade das Gegenteil richtig. Es müsste viel mehr investiert werden, damit überhaupt eine Wirkung erzielt werden kann.

Dennoch erheben sich die angeblichen Weltversteher und Schützer künftiger Generationen und fordern die Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes. Dabei wurde dieser eingeführt, um Inflation zu verhindern. In der jetzigen Krise geht es aber nicht um Inflation, sondern um ein tiefgreifendes Wirtschafts- und Wachstumsproblem, wie Rodolf Hickel, Professor für Finanzwirtschaft und Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) an der Universität Bremen, hier schreibt.

Künftige Generationen werden also nicht darunter leiden, wenn der Staat jetzt kreditfinanziert massiv in die wirtschaftliche Entwicklung eingreift, sondern darunter, dass es unterlassen, hinausgezögert oder unzureichend durchgeführt wird. Und wer zahlt eigentlich die Milliarden für die Banken? Es ist mehr als seltsam, dass diese Maßnahme nicht als Generationenbelastung empfunden wird. Denn wenn man solchen Idioten wie Fricke folgt, dürfen künftige Generationen in Form von weiteren Einsparungen diese Maßnahmen teuer bezahlen.

Gestern hörte ich bei Freunden folgenden Satz:

„Der Gürtel muss wieder enger geschnallt werden, die Politik stanzt gern weitere Ösen für sie!“

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