Im Regelbetrieb hat Aufklärung nicht mal Teststatus

Geschrieben von:

Der Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla ist ja bekannt für seine verbalen Ausraster. So soll er seinen Parteifreund (*lach) Wolfgang Bosbach im Anschluss an eine Sitzung der NRW-Landesgruppe vom 26. September 2011 mit den Worten angegriffen haben. “Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.” Damals ging es um die Zustimmung zum EFSF, also dem erweiterten europäischen Rettungsschirm, über dessen unbedeutende Details wie die Höhe des deutschen Anteils an den Kreditbürgschaften viele Abgeordnete wenig wussten, wie ein Panorama-Beitrag von damals zeigt.

Panorama, 30.09.2011

Wolfgang Bosbach hatte seine Ablehnung des Gesetzes mit der im Grundgesetz garantierten Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten begründet. Daraufhin soll Pofalla erwidert haben. „Ich kann den Scheiß nicht mehr hören.” Grundgesetz ist scheiße. Vielleicht erklärt ja das, warum Pofalla, der gleichzeitig Geheimdienstkoordinator ist, seit mehreren Wochen zum aufgedeckten Abhörskandal schweigt und sogar auf verbale Entgleisungen verzichtet. Immerhin soll es ja jetzt eine umfangreiche Prüfung geben, nachdem bekanntgeworden war, dass deutsche Geheimdienste eine US-Spähsoftware mit dem Namen “XKeyscore” verwenden.

Das ganze läuft dann auch noch unter dem absurden Label, zügige Aufklärung, die aber erneut dadurch gekennzeichnet ist, nur das auch zuzugeben, was bereits bekannt ist. So wie der neue Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der zu Beginn des Monats noch behauptete, das ihm und seiner Behörde keine Informationen über die Abhörpraktiken der USA vorliegen würden. Jetzt räumt er aber kleinlaut ein, dass die Spähsoftware der NSA “XKeyscore” zu Testzwecken (*doppellach) eingesetzt werde.

Im Regelbetrieb von Politik und Geheimdiensten hat Aufklärung nicht mal einen Teststatus. Dort wird die Wahrheit lieber geschreddert, wie es scheint. Und das Volk? Das interessiert sich für andere Dinge, wie die Geburt eines noch namenlosen Kindes auf der britischen Insel.

0

Die mächtigste Frau der Welt stellt sich weiter dumm

Geschrieben von:

Die Berliner Hauptstadtpresse ist mehr oder weniger entsetzt über das Verhalten ihrer Majestät, Angela Merkel, auf der diesjährigen Sommerpressekonferenz. Sie gab weiterhin die Ahnungslose, der wenig daran gelegen ist, sich intensiv mit Details des Ausspähprogramms Prism zu befassen. Das sei nicht ihre Aufgabe, gab sie zu Protokoll. Sie habe schließlich den Beruf gewechselt und erhole sich bei der Arbeit mit ihrem iPad, auf dem sie regelmäßig die Bild-Zeitung lese.

Darüber war der Chefredakteur des Politmagazins Cicero, Christoph Schwennicke, im Anschluss bei Phoenix so verwundert, dass er bei der Kanzlerin auf jeden Fall noch einmal nachfragen wolle, wie Merkel das mit dem Erholungsfaktor wohl gemeint habe. Wer noch keinen Grund zum Abschalten gefunden hatte. Das war er wohl nach knapp zwei Stunden Audienz bei der großen Staatsratsvorsitzenden.

Seltsamerweise blieb es friedlich auf der Konferenz, obwohl über 30 Fragen nicht mehr beantwortet werden konnten. Na ja, dann vielleicht beim nächsten Mal. Die Presse begnügte sich mit dem Merkel-Satz des Tages:

“Das ist vielleicht eine Antwort, die sie nicht zufriedenstellt, aber das ist meine Antwort.”

Zur Prism-Affäre und anderen Themen hat die Kanzlerin keine Stellung genommen. Sie verweigerte konsequent die Aussage, wie sie es eigentlich immer tut. Nur dieses Mal scheint das Sensorium des ein oder anderen Journalisten etwas empfindlicher eingestellt zu sein. Zu groß ist doch die Enthüllung und der Skandal, den Merkel zu vertuschen sucht. Dennoch hält sich die Empörung der Medien eher in Grenzen, Schuhe sind jedenfalls nicht geflogen, obwohl 250 Journalisten anwesend waren.

Selbst darauf angesprochen, dass der Chef der NSA, Keith Alexander, noch während der Merkel-PK über die Agenturen den Satz verbreiten ließ,

“Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen und wie wir es machen, aber jetzt wissen sie Bescheid.” 

ließ die Kanzlerin und einige Medienvertreter kalt. Darauf angesprochen deutete sie das in der ihr eigenen Dialektik sogar um und fühlte sich in ihrer Haltung zu dem ganzen Thema bestätigt. Abgehakt, nächste Frage. Dabei scheint für die USA die Aufklärung schon abgeschlossen zu sein, während Merkel noch das Gegenteil behauptet und die Öffentlichkeit auf die Beantwortung eines Fragenkatalogs vertröstet, der wohl nicht vor dem 22. September eintreffen wird.

Sie wiederholte immer wieder, dass auf deutschem Boden, deutsches Recht zu gelten habe. Wie dieses Recht aber genau aussieht, weiß die Kanzlerin offenbar selbst nicht. Ob es ein Abkommen oder einer rechtliche Grundlage neben einer bereits existierenden Verbalnote aus dem Jahr 1968 gebe, die es den Amerikanern erlaube, auf deutschem Boden zu spionieren, entziehe sich der Merkelschen Kenntnis. Klar sei jedoch, dass die Bundesregierung persönliche Daten nur dann schützen könne, sofern sie deutschen Boden nicht verlassen, was übersetzt bedeutet, dass sie nichts wirklich zu schützen vermag, da sich kein Datenstrom im Netz an staatliche Grenzen hält.

Auf Zuruf von Steinbrück zitierte Merkel einen Satz von Gerhard Schröder, wonach in Deutschland nicht das Recht des Stärkeren gelte, sondern die Stärke des Rechts, um gleichzeitig dessen Äußerung nach den Anschlägen von New York über die uneingeschränkte Solidarität zu relativieren. “Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gut”, sagte sie. Steinmeier kam auch namentlich vor, der ja die Nützlichkeit von Geheimdienstinformationen nicht leugnen könne. Er war selbst Chef des Kanzleramtes unter Schröder wie auch Außenminister unter Merkel und schweigt sehr laut zum Thema oder gibt ebenfalls den Ahnungslosen. Möglicherweise hat ja die SPD Prism erfunden, was nicht schlecht für Merkels Wahlkampf wäre.

Unfähig zu regieren und unfähig Kritik zu üben

Die Deutschen (~70 Prozent) sind laut einer aktuellen Umfrage von infratest dimap zwar unzufrieden mit der Aufklärungsarbeit der Bundesregierung, würden sie aber glatt noch einmal ins Amt wählen, weil ihnen das Thema schnurzpiepegal ist oder weil sie offenbar die Haltung der Kanzlerin teilen und dem Satz von ihr zustimmen würden:

“Ich kann zu dem Sachverhalt nichts sagen.”

Dennoch hinterlässt die Kanzlerin den Eindruck, offenkundig nicht aufklären, nicht informieren und auch von nichts wissen zu wollen. Sie demonstriert aber nicht Unwissenheit, sondern offenbart Handlungsschwäche und ihre schon immer dagewesene Unfähigkeit zu regieren. Sie sollte deshalb auch nicht Kanzlerin sein und sich auch nicht mehr zur Wahl stellen. Solche klaren Reaktionen bleiben aber aus. Ebenso wenig liest man etwas über die mächtigste Frau der Welt, die Merkel ja angeblich sei. Ein Gewicht, das die Bundeskanzlerin offenkundig bei der Eurokrise in die Waagschale werfe. Auf ihren Schultern laste das Schicksal des Euros und gerade die deutsche Journaille reagiert gereizt, wenn Kritik am Europakurs der Kanzlerin geäußert wird.

Doch mit Blick auf einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland demonstriert Merkel dasselbe Schema, wie bei ihren Antworten zu Prism. “Ich habe erst mal gesagt, ich sehe das nicht.” Eine klare Antwort sieht anders aus.

Doch wer überdenkt da jetzt angesichts der vorgespielten Ahnungslosigkeit und Unentschlossenheit seine Haltung zur Kanzlerin? Warum sollte ihre Politik, die sie den europäischen Freunden aufzwingt, richtig sein? Warum sollten sich Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien an deutschen Reformen orientieren und Teile ihre Souveränität aufgeben?

Es ist schon äußerst merkwürdig, dass die deutsche Presse die Kanzlerin für eine bizarre und abgrundtief falsche “Rettungspolitik” immer wieder lobt, die einzig und allein auf einer absurden Wettbewerbslogik und damit auch auf einem Recht des Stärkeren beruht, auf der anderen Seite aber Anstoß daran nimmt, dass ein noch stärkeres Land es auf einer anderen Ebene ebenfalls tut und alles zum Einsatz bringt, was technisch möglich ist.

Das merkwürdige Amtsverständnis, das man im Fall Prism der Kanzlerin nun zum Vorwurf macht, ist deckungsgleich mit dem fehlenden Rückgrat der Medien, für eine angemessene und kritische Aufklärung zu sorgen. Alternativen zum System Merkel, und damit ist nicht Steinbrück gemeint, werden ebenso systematisch unterdrückt und als Gegenstand öffentlicher Diskussionen unmöglich gemacht. Am Ende bleibt Merkel eine Kanzlerin, die es sich einfach erlauben kann, nichts zu sagen oder heute so und morgen so nicht zu entscheiden.

4

Beeindruckender Vergleich

Geschrieben von:

Einfach mal wirken lassen.

Gehe zu Stasi versus NSA. Realisiert von OpenDataCity (CC-BY 3.0)

2

Merkel bekommt Wahlkampfhilfe

Geschrieben von:

„Wenn die Opposition Hans-Peter Friedrichs Reise in die USA als ‚Luftnummer‘ und ‚transatlantisches Duckmäusertum‘ bezeichnet, dann muss man fragen, was der Innenminister bei seiner Stippvisite hätte erreichen sollen“, meint ein Kommentator der Welt und zielt damit am Thema vorbei.

Die Frage stellt sich nämlich nicht, weil der Innenminister wegen mangelnder Kompetenz und Befugnis gar nicht erst hätte hinfliegen dürfen. Die Überwachung der Geheimdienste ist im Bundeskanzleramt angesiedelt. Dort laufen die Informationen zusammen. Nicht Friedrich, sondern Merkel hätte nach Washington reisen müssen. Doch sie duckt sich weg. Friedrichs Auftrag war hingegen, politische Aktivität lediglich zu simulieren.

Natürlich geht es bei den Angriffen der Opposition um Wahlkampf. Nur was hat diese Feststellung zu bedeuten? Dass die amtierende Bundeskanzlerin, die nur vorgibt, nichts zu wissen, am Ende besser den Skandal im Sinne des Grundgesetzes wird lösen können? Eine Regierung, die die Verfassung bricht, und das nicht nur einmal, gehört aus dem Amt gejagt. Wer hingegen die Auseinandersetzung um die gigantischen Abhöraktivitäten der NSA als Wahlkampfgeschrei abtut, betreibt selbst Wahlkampf und wirft sich schützend vor eine in allen Belangen versagende Regierung, die ihrerseits ums politische Überleben kämpft.

3

Le quatorze juillet – Écrasez l’infâme

Geschrieben von:

„Neues schaffen heißt, Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt, Neues schaffen.“ (Stéphane Hessel, Empört Euch!)

Dieser Satz gilt schon für viele Südeuropäer, die protestieren und ihrer Empörung täglich Ausdruck verleihen. Deutschland schläft derweil und bewundert sogar die gespielte Ahnungslosigkeit seiner Kanzlerin. Ihr würden immer noch über 60 Prozent ins Neuland folgen, obwohl knapp 80 Prozent davon überzeugt sind, dass Merkel lügt, wenn sie sagt, sie habe vom Abhörskandal und Prism erst aus den Medien erfahren.

Im Sommerinterview darf sie dann auch noch behaupten, die Vorratsdatenspeicherung sei eine europäische Richtlinie, die die Bundesregierung noch nicht umgesetzt habe. Dabei hatte das die Ahnungslose bereits mit ihrem Koalitionspartner SPD im Jahr 2007 getan. Allerdings erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz 2010, wie viele andere auch, für grundgesetzwidrig.

Steinbrück, damals Merkels Finanzminister, meint heute, wer hinter dem Steuer sitze, trage die Verantwortung – und zwar egal, ob er wach oder eingepennt ist. Na, damit kann sich der Kanzlerkandidat der Spezialdemokraten auch nur selbst gemeint haben.

Soviel Rotwein kann man gar nicht trinken, um diese Dekokratie (HG Butzko) zu ertragen.

Aujourd’hui, c’est le 14 juillet. Une fois de plus le temps pour une révolution.

0