Nach dem angekündigten Rückzug von Georg Schramm aus der Anstalt wird inzwischen munter über die Motive spekuliert. Da kann es ja nicht mit rechten Dingen zugegangen sein beim ZDF. Es kann natürlich sein, dass Schramm aufhört, weil der Sender mosert. Ich kann mir das im Augenblick nicht vorstellen, zumal Neues aus der Anstalt ein Quotenhit ist und öffentlich kaum ein kritisches Wort gegen die Sendung zu vernehmen war.
Vielleicht sollte man zunächst einmal akzeptieren, dass Schramm genau aus den Gründen aufhört, die er angegeben hat. Weil er sein Soloprogramm und die Anstalt zugleich nicht unter einen Hut bringen kann. Es lohnt sich, einen Moment darüber nachzudenken. Die Sendung Neues aus der Anstalt ist ja nicht bloß ein originäres Kabarettprogramm mit lustigem Moderator, einzelnen festen Programmteilen und Gästen, die nacheinander auftreten. Neues aus der Anstalt ist eine Live-Inszenierung mit grandioser Interaktion, die nicht mal eben über Nacht aus dem Ärmel geschüttelt werden kann.
Erinnern sie sich nur an das Dreigestirn Malmsheimer, Priol und Schramm in der Sendung über die Spätrömische Dekadenz. Wenn die drei zusammen auf der Bühne spielen, gehört da mit Sicherheit akribische Vorbereitung und Abstimmungsarbeit dazu. Monat für Monat müssen sich also die beiden Kabarettisten Priol und Schramm ein Storyboard überlegen und die Umsetzung detailgenau planen. Da wird nichts dem Zufall überlassen und die eingeladenen Kollegen müssen zum Teil aktiv eine Rolle übernehmen. Das ist eine große Aufgabe. Insofern ist das Argument von einem zu hohen Zeit- und Kraftaufwand, den Georg Schramm neben seiner Soloarbeit nicht mehr leisten möchte und könne absolut nachzuvollziehen.
Vielleicht aber gibt es auch andere Beweggründe. Wenn das so sein sollte, wird er sie selbst mitteilen bzw. in seine künftigen Programmen einfließen lassen.
Auf der anderen Seite geht das ZDF natürlich gegen unliebsame Kollegen vor, wie der Fall Martin Sonneborn zeigt, der für die heute show loszog, um einen Pharmalobbyisten zu interviewen, sich aber nicht als Komiker zu erkennen gab, sondern sich als Mitarbeiter der heute-Redaktion vorstellte. Dabei demonstrierte Sonneborn auf amüsante Weise, wie dem Zuschauer wahrscheinlich regelmäßig wichtige Informationen vorenthalten werden, weil Journalisten und Lobbyisten gemeinsame Absprachen treffen, was vor der Kamera gesagt wird und was nicht.
Quelle: Telepolis
Sonneborn hatte Peter Schmidt, einen Lobbyisten der Pharmaindustrie, nämlich mit einer durchaus wahrheitsgemäßen aber missverständlichen Aussage für ein Interview geködert und damit eines der typischen Täuschungsmittel verwendet, die auch PR, Werbung und Politik gegenüber der Öffentlichkeit einsetzen. Konkret hatte der Ex-Titanic-Chefredakteur „um ein Interview für das ZDF“ gebeten, das er „nach Möglichkeit in einer der ‚heute‘-Sendungen, bevorzugt im ‚heute-journal‘ platzieren“ wolle.
Und hier der Beitrag:
Nachdem sich Peter Schmidt beim ZDF beschwert hatte, ging der Sender umgehend gegen Sonneborn und die heute show vor.
Mit Erfolg: Denn der ZDF-Programmchef Thomas Bellut ordnete nicht etwa wie man erwarten könnte eine Überprüfung und Säuberung jener Nachrichtenproduktionsteams an, die bei Schmidt und Konsorten den Eindruck erweckt haben könnten, dass die Anstalt alles für die Pharmaindustrie negative ganz selbstverständlich verschweigt, sondern verbot Sonneborn und anderen Autoren der heute show, bei ihrer Arbeit die geschützten Marken „heute“ und „heute-journal“ zu verwenden.
Bellut hat wahrscheinlich gedacht, dass die Seriosität des öffentlich rechtlichen Rundfunks Schaden nehmen könnte, wenn die Marken „heute“ und „heute-journal“ bei künftigen Interviewpartnern beschmutzt rüberkämen. Wer wollte sich dann noch mit dem ZDF unterhalten? Eine wahrlich fürchterliche Vorstellung. Dann lieber ein Wechselspiel aus Stichwortgebern und Phrasendreschern. Da ist der Zuschauer zufrieden und ruhiggestellt.
MAI