Es wird Zeit für die Anstalt

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Die SPD will sich nach den Worten von Parteichef Gabriel im anstehenden Europawahlkampf klar vom Koalitionspartner Union abgrenzen. Denn gerade in den Bereichen Arbeit und soziale Gerechtigkeit gebe es unterschiedliche Vorstellungen, so der SPD-Chef zum Abschluss einer zweitägigen Klausurtagung in Potsdam. Gabriel nahm auch Stellung zu einer umstrittenen Bürgschaft seines Wirtschaftsministeriums für ein Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Die rund 100 bestellten Patrouillenboote dienten zum Schutz von Erdölplattformen und nicht zur Unterdrückung der Bevölkerung, betonte er.

Das muss man wohl so verstehen: Im Wahlkampf gibt es Unterschiede, in der Regierung nicht. Denn selbstverständlich trete der SPD-Chef nach wie vor für eine Begrenzung von Rüstungsexporten ein und bleibe damit seiner Meinung nach auch glaubwürdig. Als Bundeswirtschaftsminister muss er hingegen umsetzen, was lange vor seiner Amtsübernahme beschlossen worden sei. Eine Abgrenzung zur alten Regierung ist in der neuen Regierung also leider nicht möglich. Glücklicherweise sind es ja nur Patrouillenschiffe und keine Panzer, die man einem despotischen Regime samt Bürgschaft zur Verfügung stellen will.

Das Ansinnen der saudischen Machthaber sei legitim, so Gabriel weiter. Ob diese unter demokratischen Gesichtspunkten selbst Legitimität besitzen, interessiert den Minister eher weniger. Er sei ja auch nicht als SPD-Chef eingestellt worden, sondern als Vorsteher eines Superressorts, in dem staatspolitische Verantwortung unter Beweis gestellt werden müsse. Diese Haltung würde der SPD-Chef im Wahlkampf sicherlich kritisieren, so Gabriel in Gedanken weiter, ihr im Amt aber nicht widersprechen.

Das wäre doch ein Fall für die Anstalt. Mal gucken, was die beiden Neuen von Wagner und Uthoff am Dienstag, 4. Februar, um 22:15 Uhr im Zweiten daraus machen. Bei Lanz gab es am vergangenen Donnerstag, 30. Januar, einen kleinen Vorgeschmack.

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Mit dem Firmenjet in die Freiheit

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Es ist schon erstaunlich, was alles außerhalb des Protokolls für einen verurteilten Kriminellen möglich ist. Ein schnelles Visum, ein Privatjet und offenbar eine gesicherte Eskorte vom Flughafen Schönefeld nach nirgendwo. Chodorkowski, der hierzulande von den Medien als politisch Verfolgter betrachtet wird, dem die Menschenrechte aberkannt worden seien, hat deutschen Boden betreten. Gleich nach seiner Entlassung hat ihn ein von Hans-Dietrich Genscher organisierter Privatjet nach Berlin geflogen, angeblich, so vermuteten es die Medien, damit er seine kranke Mutter besuchen könne. Die befindet sich aber gar nicht mehr in Deutschland, sondern in Moskau. Aus der rührseligen Story wird also erst einmal nix.

Wieso denke ich jetzt bloß an Edward Snowden, der ja wirklich ein politisch Verfolgter ist und, so irre das auch klingen mag, ausgerechnet beim Putin Asyl bekommen hat? Nicht in Deutschland. Da ließ das Außenministerium nach Rücksprache mit dem Innenministerium vermelden, dass Snowden kein politisch Verfolgter sei, damit die Voraussetzungen für eine Aufnahme fehlen würden und wenn überhaupt, er nur Asyl beantragen könne, wenn er sich im Land befände.

Hätten wir also den alten Kämpfer für Freiheit, Genscher, fragen sollen? Wohl kaum, denn der deutsche Oberliberale Christian Lindner meinte damals: “Die Gewährung von Asyl wäre das Kündigungsschreiben für die transatlantische Partnerschaft mit den USA.” Und die SPD, im November noch nicht in der Regierung, sondern in Verhandlung mit der Union, lieferte einen typischen Merkelsatz nach dem Muster: “Wir müssen auf europäischer Ebene eine gemeinsame Lösung finden.”

Ein Whistleblower ist eben etwas anderes als ein Kreml-Kritiker. Gregor Gysi hatte in seiner – inzwischen vom Seminar für Allgemeine Rhetorik der Eberhard Karls Universität Tübingen ausgezeichneten – Rede vor dem Deutschen Bundestag am 18. November wohl Recht, als er Christa Wolf zitierte:

“Und dass wir lieber den bestrafen, der die Tat benennt, als den, der sie begeht.”

Gregor Gysi, Deutscher Bundestag, 18. November 2013

Letzteren, einen verurteilten Straftäter, empfangen wir sogleich mit offenen Armen, weil er besser zu unserer Vorstellung einer marktkonformen Demokratie passt und zu unseren Interessen an Rohstoffen, die uns nicht gehören, die wir aber gerne hätten. Das kann der andere nicht bieten. Der hat nur brisante Informationen, unangenehme Informationen, mit denen er sich auch in Russland strafbar machen könnte, wenn er sie denn weiter preisgebe. Aber da haben wir ja kein Problem mit der zweifelhaften Menschenrechtslage in Putins Land, die wir im Fall Chodorkowskis so beklagen.

In den Tagesthemen wird Genscher nachher sagen, dass er zwar kein russisch verstehe, aber die Telefongespräche von Chodorkowski mit seinen Angehörigen ihm eine anrührende Szene im Auto bot. Er habe den Anwälten Chodorkowskis geholfen, weil es um eine humanitäre Maßnahme ging, die man immer und überall unterstützen müsse.

Jens Berger weist auf den NachDenkSeiten darauf hin, dass Chodorkowski nicht ausschließlich wegen Steuerhinterziehung, sondern wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Unterschlagung und Geldwäsche eine lange Haftstrafe zu verbüßen hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah übrigens keine politische Motivation im Fall Chodorkowski und wies dessen Klage ab. Das russische Vorgehen gegen ihn sei allenfalls ungerecht gewesen, was auch bedeuten kann, dass gegen andere Oligarchen, die auf ähnliche Weise wie Chodorkowski zu Schürfrechten, Geld und Macht gekommen sind, keine Anklage erhoben wurde.

Unser neuer Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) scheint das alles nicht zu wissen oder öffentlichkeitswirksam auszublenden. Er sagte in Berlin zur Entlassung des Oligarchen: „Das ist eine gute Nachricht. Das ist aber auch eine Nachricht, die uns darauf hinweist, dass wir die Gespräche mit Russland über Rechtsstaat und Menschenrechte auch in den nächsten Jahren mit Engagement weiterführen müssen.“

Sehr interessant. Was will Steinmeier damit erreichen? Eine Haftverschonung für Leute, die nach unseren Gesetzen genauso hart bestraft worden wären, wie Chodorkowski für seine Vergehen in Russland? Steinmeier reklamiert Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Das sagt der Außenminister, der auch schon mal Kanzleramtschef war und eine zumindest zweifelhafte Rolle im Fall Murat Kurnaz spielte. Vielleicht sind wir auch nur, wie Albrecht Müller schreibt, auf den Weg zurück in den Kalten Krieg. Dann müsste man die Freilassung des Oligarchen als Art Agententausch verstehen. Jetzt müssen die USA nur noch sagen, den Snowden dürft ihr behalten.

Das wird aber nicht passieren. Wenn überhaupt sind wir in einem klimagewandelten Krieg, in dem sogar der Pilot der Maschine, die Chodorkowski ausflog, in den Online-Medien dieser Republik für sich und sein Unternehmen werben darf. Mit dem Firmenjet in die Freiheit, wenn man erstens die richtige Einstellung und zweitens die richtigen Kontakte hat. So etwas fehlt eben Leuten wie Snowden und Kurnaz.

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Perverse Weltbilder

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Die EU hält an ihrer Flüchtlingspolitik fest. Dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel:

“Wir müssen angesichts solcher tragischen Ereignisse trotzdem schauen, dass wir nicht jedes Mal alle die Arbeit, die wir gerade jahrelang in die ganzen Fragen gesteckt haben wieder infrage stellen.”

Dass die Menschen an unseren Grenzen jämmerlich ersaufen, ist tragisch, aber tragischer wäre es, wenn die EU die Ergebnisse einer Politik korrigieren müsste, die sie nach einem mühsamen Prozess auf zahlreichen Gipfeln und in endlosen Sitzungen zusammengetragen hat. Also, ein paar tote Afrikaner sind schlimm, aber noch viel schlimmer wäre es, wenn die EU zugeben müsste, eine in allen Punkten gescheiterte Flüchtlingspolitik betrieben zu haben.

Das erinnert mich irgendwie an das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang “Opfer”-Schäuble, der mal über den Irak-Krieg sagte. Dieser Krieg sei eine schlechte Lösung, aber eine noch schlechtere Lösung wäre eine gedemütigte Weltmacht USA. Ein paar tausend Tote Iraker sind schlimm, aber noch schlimmer wäre es, wenn die Regierung Bush zugeben müsste, dass sie gelogen hat, interpretierte damals Volker Pispers die Aussagen Schäubles.

Das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang Schäuble

Mit Blick auf Merkel muss man die Amerikaner aber echt mal loben. Denn trotz der unsäglichen Äußerungen, die öffentlich zugänglich sind, machen sie sich die Mühe, auch noch das Mobiltelefon der Kanzlerin heimlichen abzuhören. Soviel Leidensfähigkeit ist bewundernswert.

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Taktische Spielchen gehen nach hinten los

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Der Linken wirft man vor, kein verlässlicher Partner in der Außenpolitik zu sein. Daher sei eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene stets abzulehnen. In den letzten Tagen vor der Bundestagswahl bekräftigen vor allem Sozialdemokraten ihre Absage an ein rot-rot-grünes Bündnis.

Hannelore Kraft: „Im Bund brauchen wir insbesondere mit Blick auf die Außenpolitik verlässliche Mehrheiten im Parlament. Ich kann mir das auch rein technisch im Bundestag nicht vorstellen.“

Quelle: Spiegel Online

Wer sich allerdings die Chronologie des G20-Treffens und die anschließende Konferenz der EU-Außenminister vom vergangenen Wochenende anschaut, dazu die Reaktionen von SPD und Grünen, muss sich fragen, worin die verlässliche Außenpolitik Deutschlands eigentlich besteht oder nach dem Willen eines Teils der Opposition bestehen soll.

Taktische Spielchen um Erklärungen, die sich inhaltlich nicht unterscheiden und dennoch offen lassen, was die Bundesregierung eigentlich will, sind das Ergebnis der Verhandlungen. Deutschland wolle sich nicht an einem Militärschlag gegen Syrien beteiligen, heißt es vermeintlich klar. Im nächsten Satz fordert die Bundesregierung aber eine starke internationale Antwort. Wie die aussehen soll, darüber schweigt man sich aus.

Merkel verteidigt ihr Vorgehen, da sie eine gemeinsame europäische Position schmieden wollte. Die Opposition, die im Vorfeld genau das von der Regierungschefin verlangte, jammert nun über den Zickzackkurs der Kanzlerin. Statt in der Sache zu kritisieren, monieren die Sozialdemokraten einmal mehr den Stil der Kanzlerin, die sich düpieren ließ oder besser gesagt, bei taktischen Spielchen den kürzeren zog.

Unterm Strich hat sich aber nichts an der Merkel geändert, die als Oppositionsführerin im Jahr 2003 in einem Gastbeitrag für die Washington Post ihre bedingungslose Solidarität mit den USA bekundete, die zu diesem Zeitpunkt mit einer Lüge als Begründung den Waffengang gegen Saddam Hussein vorbereiteten. Damals hat ihr Bild in der deutschen Öffentlichkeit gelitten. Daran im Wahlkampf 2013 noch einmal erinnert zu werden, will sie vermeiden.

Der Wähler soll nicht merken, wo Angela Merkel als Kanzlerin steht oder besser gesagt, er soll denken, ihre Position sei mit seiner irgendwie vereinbar. Dass den USA die Erklärung von St. Petersburg, die Merkel nachträglich unterschrieb, reichen dürfte, um notfalls allein in den Krieg zu ziehen, ist nebensächlich, solange es dem Ansehen der Kanzlerin nicht schadet. Für alle Seiten geht es wie immer nach solchen Gipfeln nur darum, dass Gesicht vor der eigenen Bevölkerung zu wahren.

Um die Menschen in Syrien geht es deshalb schon lange nicht mehr. Das Versagen der westlichen Außenpolitik spielt zudem Putin in die Hände, der auf Vorlage der Strategen in Washington und Berlin und in Absprache mit Assad nun einen diplomatischen Erfolg präsentieren kann. Das gefällt wiederum den deutschen Medien nicht, die dem lupenreinen Demokraten nur all zu gern böse Absichten und Methoden nicht nur unterstellen, sondern auch beweisen wollen. Auf die Idee zu kommen, dass mit der Außenpolitik der Bundesregierung und von Teilen der Opposition sowie des Westens insgesamt etwas nicht stimmt, kommen die wenigsten.

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Verlogene Haltung

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Die Kommentatoren beschäftigen sich heute morgen mit Syrien und einem bevorstehenden Militärschlag aus humanitären Gründen. Das mit den humanitären Gründen hat der britische Außenminister William Hague erfunden, wahrscheinlich weil ihm genauso wenig Beweise für einen vom Assad-Regime aus gesteuerten Chemiewaffeneinsatz vorliegen wie den USA. In den Medien wird bagatellisiert, um die erneut nicht vorhandene Haltung der Bundesregierung zu stützen.  

Die Süddeutsche unterstellt der Linken gar “Moralische Großmannssucht”, weil die klar von einem militärischen Eingreifen in Syrien abrät und Luftschläge für Wahnsinn hält. Daniel Brössler schreibt an die Adresse der anderen beiden Merkel-Flügel im Parlament: 

“SPD und Grüne sollten sich hüten, dem Beispiel der Linkspartei zu folgen. Der Antikriegswahlkampf 2002 lebte von der Überzeugung, Deutschland habe sich richtig, also gegen Bush, positioniert. Auf diese einfache Formel lässt sich der Fall Syrien nicht reduzieren. Das verbieten die Fakten – und die Bilder aus Damaskus

Nur welche Formel greift im Fall Syrien? Hilft eine Bombardierung, die ja offenbar nur kurz und als Bestrafung gedacht sein soll, den Menschen in Syrien, die ja nicht erst seit dem mutmaßlichen C-Waffen-Einsatz zu leiden haben. In Neues aus der Anstalt brachte Kabarettist Christian Springer die Lage im Nahen Osten und die Rolle des vor Humanität triefenden Westens auf den Punkt.

Die syrischen Flüchtlinge sagen: ‘Wir beten jeden Tag zu Gott, dass er uns ein Erdbeben schickt. Dann hätten wir morgen Hilfe. Aber wir haben nur einen Krieg.’

Und in diesem Krieg sei eine rote Linie überschritten worden. Von wem, wissen offenbar nicht einmal die Geheimdienste, die ihren globalen Bruch von Grundrechten ja immer damit begründen, böse Menschen mit bösen Absichten rechtzeitig zu erkennen. Ein Militärschlag ohne oder mit konstruierten Beweisen, das kommt nicht nur bekannt vor, es ist dieselbe Strategie, genauso wie die Heuchelei über einen “Zivilisationsbruch”, einen Begriff, den neuerdings der deutsche Außenminister in den Mund nimmt. Wo bleibt der Aufschrei der Intellektuellen? Westerwelle setzt den Einsatz von C-Waffen in Syrien mit Auschwitz gleich.

Die Humanität der westlichen Demokratien, die ihre Werte inzwischen nur noch mit Mitteln der Diktatur verteidigen können, ist kaum noch zu ertragen. Erwin Pelzig stellte gestern in der Anstalt der Sorge der Bundesregierung um die Menschen in Syrien jene Flüchtlinge gegenüber, die zu Tausenden im Mittelmeer ersaufen, bei dem Versuch die Grenzen der durch und durch verlogenen europäischen Wertegemeinschaft zu erreichen.

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Merkels Allzweckwaffe streut mal wieder

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Thomas de Maizière ist Merkels Allzweckwaffe. Er war Innenminister, Kanzleramtsminister und Minister für Besondere Aufgaben. Er erledigte seine Jobs immer unauffällig. Doch als Verteidigungsminister haut er einen Brüller nach dem anderen raus. Erst rückte er das moderne Bild des deutschen Soldaten zurecht, wonach das Sterben inzwischen wieder zum Job gehöre. Dann überraschte de Maizière mit der Einschätzung, dass die Bundeswehr sehr viel häufiger und länger in Krisengebieten und selbstverständlich auch für wirtschaftliche Interessen kämpfen würde. Und nun bezeichnet er seine Soldaten als Jammerlappen, die bloß nach Anerkennung gieren.

Und dann waren da noch die Rüstungslieferungen, über die nach Ansicht von de Maizière aus sicherheitspolitischen Interessen entschieden werde. Menschenrechtsüberlegungen spielen zwar eine Rolle, doch müssten die zurücktreten. Und jetzt stehen Patriots an der türkisch-syrischen Grenze, damit Zitat: „Niemand auf dumme Gedanken kommt“. Wer solche Minister hat, braucht sich vor der Regierungschefin nicht fürchten. Wo ist die eigentlich? Ach ja, an der türkisch-syrischen Grenze. Die Reise sei unabhängig von der des Bundesverteidigungsministers geplant worden. Und so erlebten die Soldaten vor Ort ein Déjà-vu. Denn sowohl de Maizière als auch Merkel warnten die Konfliktparteien in Syrien vor einer Ausweitung des Bürgerkrieges auf den Nachbarstaat.

Doch ist die Türkei durch den innersyrischen Konflikt überhaupt bedroht? Gibt es Raketen, die von syrischer Seite auf die Türkei abgefeuert werden könnten? Minister de Maizière meint ja, weil er über dieselben Hinweise aus sicheren Geheimdienstquellen verfügt wie einst Colin Powell. Militärisch machen die deutschen Patriots keinen Sinn. Es sei denn man nimmt die gesamte Nahost-Region zum Gegenstand strategischer Überlegungen. Schließlich rüstet Deutschland die Golfregion weiter südlich massiv auf. Da könnten noch ganz andere Konflikte entstehen, die eine Präsenz der deutschen Patriots in der Türkei rechtfertigen. Bleibt die Frage, wer hier welche dumme Gedankenspiele verfolgt.

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Don’t rent a drone, just buy it rather with extra

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Der Knaller in dieser Woche war zweifelsfrei die bekanntgewordene Absicht der Bundesregierung, Kampfdrohnen anschaffen zu wollen. Warum? Weil die bisher im Einsatz befindlichen Aufklärer ohne Waffen nur geleast sind und die Verträge auslaufen. Wo kann man die denn leasen? Bei Sixt oder Europcar? Statt die Dinger bloß zu leihen, mache ein Kauf aus strategischen Gründen mehr Sinn. Erstens gibt es Extras, wie intelligente Waffensysteme dazu und zweitens, so die Begründung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière:

„Unbemannte, bewaffnete Luftfahrzeuge unterscheiden sich in der Wirkung nicht von bemannten. Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen.“

Quelle: Bild-Zeitung

Es wird ja längst nicht mehr über das “ob” bei Kriegseinsätzen der Bundeswehr diskutiert, sondern nur noch über das “wie”. Der Vorteil bei eigenen Drohnen liegt wohl dann auch darin, dass deutsche Befehlshaber im Gefechtsstand nicht mehr auf die Luftunterstützung der Amerikaner angewiesen sein müssen, wenn sie die chirurgisch genaue Bombardierung von, sagen wir mal, Tanklastzügen in Afghanistan anordnen.

Das offensive Drohnenprogramm passt auch genau zur beabsichtigten Politik unserer Bienenkönigin Angela Merkel, die in dieser Woche ihren Pakt des Schreckens der versammelten Elite des Kapitals in Davos vorstellte. Die politische Erfahrung zeige, so die Kanzlerin, dass für Strukturreformen Druck gebraucht werde. Warum nicht auch von oben? Beschwingt vom netten Plausch in den Schweizer Bergen flatterte das Arbeitsbienchen Merkel am Wochenende noch nach Chile. Dort sonderte sie folgendes ab.

“Die dynamische Entwicklung der ganzen Region hier zeigt uns in Europa, dass wir uns beeilen müssen, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit immer wieder verbessern müssen und dass wir unsere Schulden abbauen müssen. Der wirtschaftliche Aufschwung Chiles zum Beispiel beruht darauf, dass man keine Schulden macht. Das sollte uns auch in Europa Ansporn sein”, sagte Merkel. “Aber wir können das”, fügte sie noch schmunzelnd an.

Europa ist so gut wie erledigt, nun gilt es neue Märkte zu erschließen. Das “Aber wir können das” klingt fast so, wie der Wahlkampfspruch von Merkels “Mäc” David McAllister, “So machen wir das”. Die Frage ist nur, wenn alle ihre Wettbewerbsfähigkeit schnell schnell verbessern und niemand mehr Schulden macht, wer zahlt dann die Exportüberschüsse oder einfacher ausgedrückt, die Zeche? Möglicherweise könnten Drohnen bei der Beantwortung der Frage helfen.

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Eine Katastrophe nach der anderen

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Es gibt Formulierungen, da fasst man sich an den Kopf. Eigentlich braucht man die Hände von dort gar nicht mehr wegzunehmen. 

Im Grundgesetz steht unter Artikel 87a, Abs. 2, Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Und da steht nicht, dass in “Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes” militärische Mittel eingesetzt werden dürfen, sondern eine Mobilisierung der Streitkräfte im Rahmen der Amtshilfe nur bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen erlaubt sei. Mit der schönen Formulierung “Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes” stehen den neoliberalen Hohlköpfen nun sämtliche Interpretationsebenen offen. Deshalb begrüßten de Maizière und Friedrich die Entscheidung umgehend.

Denn plötzlich erscheint es ja auch im Bereich des Möglichen, eine Bombe präventiv auf ein Haus im Sauerland zu schmeißen, weil dort nach geheimdienstlichen Erkenntnissen eine vermeintliche Gruppe von Terroristen einen Anschlag geplant haben soll, dessen geglückte Durchführung zu einer “Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes” geführt hätte. Möglicherweise werden aber auch die im Zusammenhang mit der Eurokrise immer wieder bemühten “unabsehbaren Folgen” künftig als “Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes” bezeichnet. Demzufolge könnte die Bundesregierung jetzt schon Panzer nach Karlsruhe schicken, da die Entscheidung der Verfassungsrichter zum ESM und Fiskalpakt negativ auszufallen droht.

Der Unglücksverlauf muss aber bereits begonnen haben und der Eintritt eines katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehen.

Quelle: BverfG

Dieser Satz trifft doch exakt Schäubles Warnungen vor den “unabsehbaren Folgen” und der Bestrafung durch die Finanzmärkte. Über die beinahe sichere Wahrscheinlichkeit werden sich dann, wenn es mal soweit ist, wieder Juristen das Hirn zermartern müssen. Wichtig ist, die Tür steht offen, man braucht sie nur noch aufzustoßen und einen entsprechenden Einsatz im Innern als alternativlos zu erklären. 

Der Einsatz der Streitkräfte wie der Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel ist zudem auch in einer solchen Gefahrenlage nur als ultima ratio zulässig.

Viele begnügen sich ja damit, dass auch in Zukunft keine “Ferienflieger” abgeschossen werden dürfen. Puh, da atmet der Michel wieder auf. Doch kaum einer, Heribert Prantl und Wolfgang Lieb einmal ausgenommen, beschäftigt sich mit dem Sondervotum des Richters Gaier, der in dem Plenarbeschluss des Gerichts eine Verfassungsänderung erkennt, die Spielraum für subjektive Einschätzungen, wenn nicht gar voreilige Prognosen zulasse.

Fakt ist aber auch, dass die Bundeswehr im Innern bereits verfassungswidrig eingesetzt wurde, etwa als dutzende Tornados zu Aufklärungszwecken über Demonstranten in Heiligendamm hinwegdonnerten. Das solle in Zukunft nicht mehr passieren, hielten die Verfassungsrichter fest, doch was oder wer sollte eine Bundesregierung daran hindern, die mit Blick auf das Grundgesetz nach dem Motto verfährt, Gesetze erst einmal zu beschließen und abzuwarten, ob jemand dagegen klagt?

Pausenlos wird durch die Bundesregierung gegen die Verfassung verstoßen. Hartz-IV-Regelsätze und das Wahlrecht sind nur einige Beispiele von vielen. Mich wundert ehrlichgesagt die Haltung der Verfassungsrichter. Bei Bundeswehreinsätzen wird mal eben eine neue Rechtslage geschaffen, wohingegen bei existenziellen Entscheidungen wie über die Höhe des Regelsatzes oder einem gültigen Wahlrecht regelmäßig der Schwanz eingezogen und auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verwiesen wird. Gleichzeitig gelten großzügige Fristen, die dennoch tatenlos verstreichen. Und dann? Nichts. Eine Kodifikation wie jetzt im Falle der Bundeswehr im Innern findet nicht statt.

Dafür wird sich der Gesetzgeber jetzt daran machen, die neu geschaffene Rechtlage mit Leben zu füllen und die “Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes” für ihre Zwecke zu definieren.

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Über Zumutungen

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Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) kommentiert die Ergebnisse des Nato Gipfels und spricht von einer französischen Zumutung:

Bravo, wie François Hollande mit wehenden Fahnen mutig ins Feld zieht. Der einzige Schönheitsfehler besteht nur darin, dass sich Frankreichs neuer Präsident nicht mit Gebrüll auf die Taliban stürzt, sondern auf die eigenen NATO-Partner.

Na klar. Ein sozialistischer Präsident kann oder muss durch ein politisches Gebrüll auffallen. So ist eben das Weltbild konservativer Hohlköpfe, die schon wieder vergessen haben, wer sich ein paar Tage zuvor auf dem G8-Gipfel in Camp David von der Presse dabei ablichten ließ, wie man einem Fußballspiel im fernen Deutschland folgte. Da saß Hollande übrigens still am Tisch und wartete anscheinend darauf, dass sich die Führungselite der Welt endlich mit irgendeinem Sachthema beschäftige.

Stattdessen prangert die NOZ bei Hollande fehlende Bündnistreue und Verlässlichkeit an, weil er seine Truppen nicht wie versprochen (der Nato versprochen) erst Ende 2014, sondern schon in ein paar Monaten (weil er es dem Souverän versprach) aus Afghanistan abziehen will. “Kein Wunder, dass Angela Merkel sauer ist”, stellt die NOZ trotzig fest. Ja, es ist schade, dass die marktkonforme Demokratie, die sich dadurch kennzeichnet, Wählervoten als Belastung zu betrachten, in Frankreich nicht zur Entfaltung kommt.  

Richtig ist sicherlich, dass Hollande im Wahlkampf den schnellen Truppenrückzug versprochen hat. Doch eine Zumutung wird nicht dadurch gemildert, dass man sie ankündigt. 

Diese Logik findet man auch in anderen Presseauswürfen des Tages. Darin ist durchgängig der Vorwurf zu lesen, dass der Präsident doch nicht ein Versprechen einlösen könne, welches er im Wahlkampf abgegeben hat. Hier geht es um die Verkürzung eines von Anfang an gescheiterten militärischen Einsatzes, den als Krieg zu bezeichnen sich niemand zu trauen wagt. Doch jeder Tag länger dort ist und bleibt eine Zumutung wie auch Teile der deutschen Presselandschaft, die nun darauf hoffen, dass ihre Bundeskanzlerin nach der Parlamentswahl in Frankreich auf einen in ihrem Sinne zugänglicheren Hollande treffen wird.

Hoffentlich nicht. Denn auch das wäre für Europa eine weitere Zumutung.

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"Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch."

Geschrieben von:

Eigentlich wollte ich mit der Überschrift „Grass macht den Möllemann“ zum Ausdruck bringen, dass sich Grass auf die Stufe eines Möllemanns begibt und nicht umgekehrt, wie das in einem Kommentar geäußert wurde. Grass wusste um die Wirkung seines Gedichtes. Er hat es ja selbst dort hinein geschrieben. Insofern hat Reich-Ranicki in der FAZ vollkommen Recht wenn er sagt, dass es Grass nur um die Wirkung, die Diskussion und die Aufmerksamkeit zu einem zudem problematischen Zeitpunkt ging und nicht um den Inhalt, wie Grass im anschließenden Interview mit dem NDR beteuerte.

Ich frage noch einmal, warum kritisiert Grass nicht die „out of area“ Politik zur Sicherung von Ressourcen und Nachschubwegen, an der sich auch die deutsche Bundesregierung beteiligt und der das iranische Regime einfach im Wege steht? Die Anfeindungen, die Grass aus den Mainstreammedien entgegenschlagen, ist nicht verwunderlich und wirkt wie bestellt. Jetzt kann man nämlich die neue Wirtschaftspolitik mit militärischer Option prima verteidigen. Eine Kritik daran hat nun den Ruch antisemitisch zu sein. Eigentlich müsste die Linke, der Grass mit seinem Gedicht einen Bärendienst erwies, ihn dafür verurteilen.

Stattdessen stolpert die Linke sichtlich irritiert durch ihre eigenen Artikel und findet jemanden toll, dem auch die Rechten Beifall klatschen, was dem Verfasser des Gedichtes von Anfang an klar sein musste. Und obwohl die schlechte Qualität seiner Arbeit von niemanden bestritten wird, nimmt man ihn in Schutz, weil eine Kritik an Israel geäußert wurde, die in diesem Land nun einmal nicht so einfach formuliert werden darf. Doch wenn es einer tut, führt das zu einer seltsamen Verbindung zwischen links und rechts und zu einer Diskussion um Antisemitismus, an der sich alle abarbeiten und ihren Blick von den wirklichen Problemen wenden.

„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“
Zitat: Theodor W. Adorno.

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