Mission erfüllt! So lautet nicht die morgige Schlagzeile der Neuen Presse Hannover, sondern…
Grüne segeln nach „Jamaika“
Und im nebenstehenden Leitkommentar von Claus Lingenauber heißt die Überschrift hoffnungsfroh…
Die Republik wird bunter
Nur mal zum Vergleich. Als in Hessen der Landtag aufgelöst wurde und Neuwahlen ausgerufen, da titelte die Neue Presse Hannover mit dem Satz „Die Wähler haben eine Chance verdient“. Als Andrea Ypsilanti bei ihren Bemühungen, die Republik bunter werden zu lassen, scheiterte, titelte Claus Lingenauber mit der Schlagzeile „Blind ins Verderben“. Das war am 4. November 2008. Lingenauber sprach damals vom politschen Autismus. Diesem schrägen Kommentar von Lingenauber in der Neuen Presse Hannover widmete ich meinen zweiten Eintrag in diesem Blog überhaupt. Lesen sie noch einmal, was dieser angebliche Journalist über Ypsilanti und ihre Absicht, ein Dreierbündnis in einem Fünfparteienparlament zu Stande zu bringen, schrieb, und wie er den vier, mittlerweile des Betruges überführten, Abweichlern dankte (Siehe hier).
„Ihr Ziel, Roland Koch als Regierungschef abzulösen, hat sie unempfänglich gemacht gegenüber Stimmungen in der eigenen Fraktion und taub gegenüber Bedenken aus Berlin. Dabei war sie bereits einmal gescheitert, gelernt hatte sie aus dem Debakel aber nichts. Augen zu und vorwärts Politischer Autismus in Reinkultur.
Ypsilanti wäre wahrlich eine schlechte Wahl gewesen: machtbesessen, blauäugig, selbstbezogen, beratungsresistent. Sie dürfte ihre Zukunft hinter sich haben.“
Doch nun wird es das Menetekel Ypsilanti nicht geben. Den vier Rebellen sei Dank.
Vergleichen sie das mit der morgigen Tonlage, die sie in nahezu allen Medien vorfinden werden. Zitat Lingenauber 12.10.2009:
„An der Saar soll jetzt geschwampelt werden, soll es eine schwarze Ampel geben oder wie man auch so schön sagt, eine Jamaika-Koalition. Die Grünen schwimmen sich frei und eröffnen sich neue Bündnis- und Machtperspektiven.
Nach dieser Parteitagsentscheidung sind sie nicht mehr automatisch dem linken Lager zuzurechnen, sondern koalitionsfähig bis weit in die Mitte hinein. Besonders die unberechenbare Art von Linken-Chef Oskar Lafontaine mag mit dazu beigetragen haben, dass die Grünen jetzt sogar bereit sind, mit der FDP zusammenzugehen, einer Partei also, mit der sie bisher eine herzliche Abneigung verband.
Auch wenn landesspezifische Besonderheiten eine wesentliche Rolle gespielt haben mögen, kann die bundespolitische Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Indem die Grünen sich in beide Richtungen flexibel zeigen und die Rolle als Zünglein an der Waage annehmen, machen sie die Republik regierbarer.
Weil das politische Parteienspektrum bunter und breiter geworden ist, absolute Mehrheiten nicht mal mehr für die CSU selbstverständlich sind und selbst klassische Zweierkoalitionen seltener möglich werden, wird die koalitionspolitische Offenheit zur staatspolitischen Notwendigkeit.„
Und am Ende legt er nartürlich auch der FDP nahe, sich für’s „Ampeln“ bereit zu halten. Das versteht man dann wohl unter journalistischer Ausgewogenheit. Es darf aber nicht der Zusatz fehlen, dass eine Ampel eben nur dann möglich sei, wenn die SPD nicht so weit nach links abdrifte…
„Das wird die FDP hoffentlich auch noch lernen, denn wer schwampeln kann, muss irgendwann auch ampeln können. Dafür aber darf die SPD nicht allzu sehr nach links abdriften.“
Am Freitag konnten sie einen aufschlussreichen Beitrag von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten lesen, in dem darüber berichtet wird, dass Steinmeier in den Springer Medien eine öffentliche Plattform erhält, um sein politisches wie persönliches Versagen wettmachen zu können. Im Gegenzug erhalten die rechtskonservativen Blätter einen SPD-Fraktionschef, der auch weiterhin auf einen Ausgrenzungskurs zu den Linken setzt.
Es war natürlich zu erwarten, dass die Neue Presse Hannover mit ihrem Berliner PR-Agenten Christoph Slangen aus dem PR-Büro Slangen & Herholz am Samstag nachlegt und ebenfalls ein Interview mit Steinmeier abdruckt, in dem dieser noch einmal bekräftigen konnte, dass nicht die SPD, sondern die Linkspartei sich öffnen müsse, um eine künftige Zusammenarbeit zu ermöglichen. Steinmeier durfte wieder wahrheitswidrig behaupten, dass die Linke sich nicht zu den internationalen Verträgen bekenne und kein eigenes Programm hätte. Auffallend sind aber auch die Fragestellungen, die ganz bewusst formuliert sind und erneut belegen, dass mindestens die SPD-Fraktion auch künftig fremdgesteuert sein wird. Ferner liefert das Slangen-Interview auch einen neuerlichen Beweis für die Medien-Gleichschaltung. Denn das Büro Slangen & Herholz wird dieses Interview an die zahlreich angeschlossenen regionalen Tageszeitungen mitverteilt haben.
„Slangen: Welchen Umgang werden Sie in der Opposition mit der Linkspartei pflegen?
FWS: Es gibt keine Koalition in der Opposition. Die SPD wird Oppositionsführerin sein. Wir werden eine eigene Strategie verfolgen. Wir werden unverkrampft mit der Linkspartei umgehen. Nicht die SPD muss sich öffnen die Linkspartei muss ihre Positionen klären und verändern, wenn sie eines Tages für uns auch im Bund koalitionsfähig werden will. Sie bekennt sich nicht zu den internationalen Verträgen, die Deutschland eingegangen ist. Sie hat bis jetzt nicht einmal ein Programm vorgelegt.
Slangen: Oskar Lafontaine will sich von der Führung der Bundestagsfraktion zurückziehen. Erleichtert das die Zusammenarbeit mit der Linken?
FWS: Entscheidend sind für mich nicht Personen, sondern die politischen Aussagen. Aber die SPD wird nicht in erster Linie auf die Linkspartei schauen. Unser Gegner sind nicht die anderen Oppositionsparteien unser Gegner ist die Regierung.
Slangen: Die Linkspartei fordert den schnellen Abzug aus Afghanistan. Wann ist er möglich?
FWS: Ich habe vor der Wahl ein Konzept vorgelegt, wie wir schneller an den Punkt kommen, dass Afghanistan selbst für seine Sicherheit sorgen und dann die Bundeswehr abziehen kann. Bis zum Jahr 2013 sollen die Voraussetzungen geschaffen sein. Dieses Konzept gilt auch nach der Wahl.“
Die Kampagne wird in der Neuen Presse Hannover zusätzlich mit einem Kommentar von Horst Schmuda aus der internen Redaktion des Blattes unterstützt. Er befasst sich mit dem Thema Lafontaine. Dieser hatte ja erklärt, auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag verzichten zu wollen. Daraufhin schrieben wiederum zahlreiche Medien, Lafontaine schmeiße erneut hin. So auch Horst Schmuda, dessen Beitrag man so gesehen als eingekaufte Meinung interpretieren muss.
„Leute erschrecken, das kann er: Kaum hatte Oskar bei den Vorstandswahlen der linken Bundestagsfraktion den Oskar gemacht, herrschte an der Saar Oskar-Alarm. Lafontaine ante portas ein Schreckensruf, der im grünen Lager Irritationen auslöste, wo die Angst umgeht, der unberechenbare Linksparteichef plane womöglich, sich bei einem rot-rot-grünen Bündnis als Neben-Ministerpräsident zu installieren. Eine eher diffuse Vorstellung, weil Lafontaine dergleichen nie öffentlich erklärt hat. Aber wer traut schon Oskar, und vor allem: Was will er wirklich? Fest steht bisher nur: Oskar ist wieder auf der Flucht.„
Pikant ist die Meinung deshalb, weil Schmuda sofort darauf abzielt, dass nun die Grünen im Saarland verschreckt reagieren müssten und die bereits sicher geglaubte rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf dem heutigen Parteitag zu Gunsten einer schwarz-gelb-grünen Koalition verwerfen müssten. Und in der Tat läuft die Meinungsmache gezielt darauf hinaus. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Heute morgen hörte ich in den NDR2-Nachrichten, dass es inhaltlich zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot im Saarland keine Unterschiede mehr geben würde. Die Entscheidung der Grünen sei also nur noch daran zu bemessen, ob sie Lafontaine als angeblichen „Neben-Ministerpräsidenten“ akzeptieren könnten.
Unglaublich, fällt mir dazu nur ein. Aber merkwürdig ist das alles nicht. Lesen sie den Schlussabsatz von Horst Schmuda.
„Dass es den ehemaligen Sonnenkönig von der Saar zurücktreibt, um an der Macht teilzuhaben, würde seinem Selbstverständnis durchaus entsprechen. Ob es Sinn macht, ist derzeit eine ganz andere Frage. Denn die Gerüchte um das landespolitische Comeback Lafontaines treffen die Saar-Grünen in einer Art politischen Schwebezustands: Rot-Rot-Grün oder Jamaika. Die Vorstellung, den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben, könnte die Öko-Partei Schwarz-Gelb in die Arme treiben. Weshalb der Polit-Stratege Lafontaine es mal wieder spannend macht und seine wahren Absichten erstmal im Dunkeln hält. Den armen Grünen steht womöglich eine ziemliche Zerreißprobe bevor: die Kröte Oskar schlucken oder nicht.„
Obwohl es keine Äußerung von Lafontaine gibt, wie Schmuda oben ja selbst schreibt, die bestätigen würde, dass er in die saarländische Regierung eintreten wolle, schürt die gleichgeschaltete rechte Presse diffuse Ängste. Um eine linke Mehrheit zu verhindern, scheint jedes Mittel recht. Wir akzeptieren lieber schwarz-gelbe Wortbrüche, als den egomanischen Grünen-Fresser am Hals zu haben. So müsste die Schlagzeile eigentlich lauten. Doch wo sind die Moralappostel von Hessen, die Wortbrüche gegenüber dem Wähler in einer Weise skandalisierten, dass man annehmen konnte, die freiheitlich demokratische Grundordnung hinge davon ab? Artikel wurden geschrieben und Sendungen produziert, in denen der Wortbruch thematisiert wurde. Und nun? Ich zitiere mal einen Bericht auf der Seite von NDR-Info:
Großzügige Offerten der CDU
Eine klare Tendenz für eine der beiden Koalitionsmöglichkeiten gibt es nicht. „Ich bin selbst noch nicht hundertprozentig entschlossen“, sagte der ehemalige Grünen-Landesvorsitzende Gerold Fischer am Donnerstag. Vor allem die Zugeständnisse von CDU und FDP hatten viele Parteimitglieder verblüfft.
So soll die Union nach Informationen des Saarländischen Rundfunks den Grünen im Falle einer Regierungszusammenarbeit zwei Ministerien angeboten haben. Auch bei den Streitthemen wie der Abschaffung der Studiengebühren, einer grundlegenden Schulreform oder der Abschaffung des Finanzvorbehalts bei Volksbegehren sollen die Christdemokraten Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben.
Die Machtgeilheit und der Wortbruch von Union und FDP sind maximal ein übliches Entgegenkommen in Bündnsifragen und das Angebot zweier Ministerposten kein korruptes Verhalten, sondern normale Verhandlungssache. Werten sie die Vorgänge bitte selbst.
So titelt die Neue Presse Hannover heute auf Seite 1. Es dürften zahlreiche Medien die Auftragsstudie des Bundes der Steuerzahler als skandalösen Aufmacher verwendet haben. Bezeichnend ist, dass natürlich nur scheidende SPD-Minister genannt werden. Udo Harms schreibt dazu einen von Neid zerfressenen Leitkommentar, in dem er sich über eine angebliche Luxus-Versorgung aufregt, die keinem Arbeitnehmer plausibel vermittelt werden könne. Schön wäre da allerdings gewesen, wenn Herr Harms zunächst den Versuch unternommen hätte, seinen Lesern die Luxus-Bezüge des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler Karl Heinz Däke plausibel zu machen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum dieser Typ gleich drei Gehälter kassiert und insgesamt 185.000 Euro pro Jahr verdient.
Vielleicht hätte Herr Harms den keifenden Herrn Däke mal kritisch zurückfragen sollen, weshalb er sich so aufregt und worin genau die Mehrleistung des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler besteht, die gleich mehrere Gehälter und enorm hohe Einkünfte rechtfertigt. Die Verlesung des Standes der Schuldenuhr am Steuerzahlergedenktag oder die immergleichen Hetzkampagnen gegen Steuern und Sozialabgaben können es doch nicht allein sein? Na ja, jedenfalls schreibt Harms in seinem Kommentar folgenden bescheuerten und unlogischen Absatz:
„Sicher haben manche Minister ihrem Land in verschiedenen Funktionen jahrzehntelang gedient, sie wurden für knochenharte Jobs keineswegs fürstlich entlohnt. Mancher hat auf eine besser bezahlte Stelle in der Wirtschaft verzichtet. Dennoch kann es nicht sein, dass Politiker schon mit wenigen Dienstjahren hohe Pensionsansprüche erwerben.“
Ist es denn nicht eher so, dass der Politiker, wenn er denn deutlich weniger verdient, auch schneller in die Abhängigkeit wirtschaftlicher Partikularinteressen geraten kann, durch die er dann belohnt wird, wenn das politische Abstimmungsverhalten passend ist? Wie kann man in einer Redaktion nur so dumm sein und in der Bezahlung von Politikern nur ein wiederkehrendes Ärgernis entdecken und sonst nichts? An Karl Heinz Däke kann man sehr schön studieren, wie gut Lobbyarbeit vergütet wird. Soll das etwa dann der Maßstab werden? Bisher schwingen bereits die Drehtüren für politische Spitzenkräfte wie Steinbrück z.B., die den Hals nicht voll genug kriegen können. Sollte dieser bedauerliche Zustand der Korruption noch weiter ausgedehnt werden? Die Frage müssen sich all diejenigen doch gefallen lassen, die sich ständig über die Höhe der Diäten und Vorsorgeleistungen echauffieren.
All diese Dinge haben doch nichts mit Luxus zu tun, wenn man sich anschaut, was Leute wie Utz Claassen zum Beispiel in der freien Wirtschaft abziehen und für normal halten. Diese selbst ernannten Leistungsträger schreiben Bücher, in denen sie sich darüber beklagen, dass die Deutschen über ihre Verhältnisse leben würden, selbst aber mit 44 Jahren bereits in Rente gehen, weil sie bis zum 63. Lebensjahr rund sieben Millionen Euro Übergangsgeld von ihrem Ex-Arbeitgeber gezahlt bekommen. Utz Claassen hat auch noch die Dreistigkeit, vor Gericht für die in seinen Augen legitimen Ansprüche zu streiten, nachdem er in der Zeit von 2003 bis 2007 als Vorstand bei EnBW schon rund 12 Millionen Euro eingestrichen hat. Nach der Übergangszeit 2026 würden die Rentenzahlungen von EnBW dann noch weiter gehen. Immerhin 400.000 Euro pro Jahr.
Wieso regt sich da kein Däke und kein Harms auf und beklagt sich darüber, dass sinkende Strombörsenpreise nicht automatisch zu sinkenden Strompreisen bei den Endverbrauchern führen, weil die Kosten für gefräßige Manager offenbar keinen Spielraum zulassen? Der Frage könnte man doch mal nachgehen…;)
Nach der Bundestagswahl deutet sich in der Branche eine neuerliche Welle von Börsengängen an. Vor allem bei Unternehmen, die von Hedgefonds aufgekauft wurden, wie der Badarmaturenhersteller Grohe, sei der Börsengang als Exit-Strategie eine gute Lösung. Die hohe Liquidität an der Börse könne den angeschlagenen Private-Equity-Fonds helfen, die Schulden der übernommenen Firmen abzubauen und Gelder für die Ausschüttung an die Fonds abzuzweigen. Sie können das im heutigen Tagesspiegel hier nachlesen.
Die Story ist deshalb so interessant, weil sie daran sehen können, wie die Finanzwirtschaft auf die Bildung einer neuen Bundesregierung reagiert. Bis zur Bundestagswahl wurden Börsengänge nahezu ausgeschlossen, da sich in der Krise jeder zu recht fragte, woher das Geld und die Rendite für ein Investment kommen soll. Nun ist alles anders. In dem Artikel begegnet uns deshalb auch ein alter Bekannter, Dr. Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley. Seine Aussagen sind besonders pikant.
Die Aktienmärkte sind aktuell in besserer Verfassung als der Markt für Fusionen und Übernahmen, ergänzt Dirk Notheis, Deutschlandchef von Morgan Stanley. Viele Private-Equity-Häuser bereiteten daher Börsengänge ihrer Gesellschaften vor. Angesichts der hohen Liquidität an der Börse seien dort mitunter bessere Preise zu erzielen, als das bei einem klassischen Verkauf an einen strategischen Käufer oder an andere Finanzinvestoren möglich sei, sagte Notheis dem Handelsblatt.
Dirk Notheis war Wahlkampfhelfer von Angela Merkel im Jahr 2005 und Vorsitzender der Jungen Union von Baden-Württemberg. Zudem hat er für den damaligen Generalsekretär der CDU Volker Kauder gearbeitet und vor allem den angepeilten Börsengang der Deutschen Bahn AG vorangetrieben, bei dem sein Hauptarbeitgeber Morgan Stanley durch Beraterverträge bereits jetzt schon profitiert. Und wie sie wissen, spielt der Börsengang der Bahn in den Koalitionsverhandlungen wieder eine zentrale Rolle. Zwar strebe man keinen Börsengang in dieser Wahlperiode an, aber man strebt ihn wieder an, was weitere Vorbereitungen und Beratungen erfordern wird. Das ist die entscheidende Botschaft (siehe unter anderem Focus Online von heute).
D.h. die letzte und auch die neue Bundesregierung und insbesondere Frau Merkel sind mit der Finanzwirtschaft eng verflochten. Die Einschätzung Notheis‘ zur Lage an den Kapitalmärkten muss deshalb auch immer unter den aktuellen politischen Machtverhältnissen verstanden werden. Mit anderen Worten: Die Kasino-Branche ist sich bei ihren Aktivitäten absolut sicher, dass die neue Bundesregierung ihnen keine Steine in den Weg legen wird. Deshalb die Begeisterung von Notheis und der Branche. Bitte bedenken sie, dass auch unter der neuen Bundesregierung Veräußerungsgewinne steuerfrei sein werden.
Von wegen einfacher Abgeordneter. Neue Posten außerhalb der Politik werden dem größten Politiker-Versager der Nachkriegszeit bereits angetragen. Wie auf Bestellung erfüllt sich das, was Bundeskanzlerin Merkel dem Noch-Finanzminister vor einem Monat versprach, falls es nicht mehr zur Großen Koalition reichen sollte (siehe Spiegel Online vom 5.9.2009):
Angela Merkel will Peer Steinbrück nicht fallenlassen. Falls Union und FDP nach der Bundestagswahl die nächste Regierung stellen sollten, will sie sich für ihn einsetzen. „Für Steinbrück wird sie was tun“, sagte ein führender Unionspolitiker dem SPIEGEL. In der Finanzkrise habe die Kanzlerin hervorragend mit dem Sozialdemokraten zusammengearbeitet, sie schätze seine Kompetenz und Verlässlichkeit.
Das Märchen über Kompetenz und Verlässlichkeit ist bereits als zur Wahrheit gewordene Lüge in die Geschichte eingegangen. Nun soll der Mann, der im Wahlkampf 2005 erst gegen die Mehrwertsteuererhöhung mit der Wortschöpfung „Merkel-Steuer“ wetterte, um sie dann als zuständiger Finanzminister in der Großen Koalition noch höher zu gestalten, möglicherweise Chef der Europäischen Zentralbank werden (siehe RP-Online). Das wäre unglaublich und logisch zugleich.
Aus Sicht der neuen Bundesregierung wäre Steinbrück die ideale Besetzung. Einen besseren Vertreter schwarz-gelber Finanzpolitik gäbe es in den eigenen Reihen kaum zu finden, schreibt Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten. Schließlich hat Steinbrück bereits vorgearbeitet. Sein Ministerium hielt vor der Wahl ein brisantes Papier zurück, aus dem hervor geht, dass Streichungen kleinerer Steuervergünstigungen für Schicht- und Nachtarbeit künftig angegangen werden sollten (siehe Spiegel Online vom 5.9.2009). Steinbrück trat auch immer für die Deregulierung des Finanzmarktes ein. Bereits als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen brachte er den unter Wolfgang Clement begonnenen Umbau der reinen Förderbank WestLB zu einer Geschäftsbank nach privatwirtschaftlichen Vorbild voran, um im Investmentbanking der Großen mitmachen zu können. Im Jahr 2003 geriet Steinbrück gar unter Druck, weil im Kreditausschuss der Bank windige Risikogeschäfte mit Wissen der politischen Führung verabschiedet worden waren (siehe Handelsblatt vom 23.7.2003).
Die WestLB ist ein Milliardengrab. Zum Nachteil der Steuerzahler, aber zum Vorteil der privaten Banken, wie der Deutschen Bank, deren Schrottpapiere kurz vorm Platzen der Blase bei den Landesbanken, der IKB und der HRE landeten. Heute würde man so etwas ganz offen Bad Bank nennen. Warum ist Steinbrück also so begehrt in der Finanzbranche? Weil er bewiesen hat, wie man zum Nutzen der Branche und zum Schaden des Staates und seiner Bürger eine korrupte Finanzpolitik betreibt. Korrupt deshalb, weil sich Steinbrück im Falle, dass er nicht Chef der EZB wird, auf einen Posten bei der Schweizer Großbank UBS sowie bei der Internationalen Bank für Zahlungsausgleich in Basel freuen könnte. Kein Wunder also, wenn ein nicht namentlich genannter Bankenchef sagt, Steinbrücks Krisenmanagement habe ihm hohe Anerkennung eingebracht. Zum Verständnis müssen sie einfach die Perspektiven wechseln.
Bis zum Amtsantritt der neuen Regierung hat der alte Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD noch Gültigkeit. Lesen sie bitte den Absatz über Finanzmarktpolitik auf Seite 86 f.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum ist ein international wettbewerbsfähiger „Finanzplatz Deutschland“. Er ist die Grundlage für effiziente Finanzdienstleistungen für den Verbraucher und eine gute sowie kostengünstige Kapitalversorgung der Wirtschaft. Der deutsche Finanzmarkt besitzt ein großes Potential, das unter Beachtung der ständigen Fortentwicklung der globalen Finanzmärkte in der kommenden Legislaturperiode weiter ausgebaut werden soll. Dazu wollen wir:
[…] Überflüssige Regulierungen abbauen. Dazu werden wir eine interministerielle Arbeitsgruppe einrichten, die im Dialog mit Markteilnehmern ein „Möglichkeitspapier“ zum Bürokratieabbau im Finanzsektor vorlegen soll. Bestehende Gesetze, Verordnungen und sonstige Regulierungen sind darauf zu überprüfen, ob sie ihr Ziel kostengünstig erreichen oder noch erforderlich sind. Als Startprojekt bietet sich die anstehende Novelle des Investmentgesetzes an.
Bis heute haben sich die amtierenden Regierungsverantwortlichen Merkel und Steinbrück nicht zu ihrer Schuld bekannt und eingestanden, Verbriefungen und andere so genannte innovative Finanzprodukte, die nachweislich in die Krise führten, mit ihrer Politik massiv gefördert zu haben. Bis heute wird die Privatisierungspolitik nicht hinterfragt. Warum zum Beispiel nahm es der Bund als Hauptaktionär der Deutschen Post AG hin, dass die Postbank von der Deutschen Bank mitten in der Krise übernommen werden konnte? Die Kurse lagen zu diesem Zeitpunkt im Keller und die Postbank hatte Rettungsgelder vom SoFFin beantragt. Sollte die mit öffentlichem Geld sanierte Postbank der privaten Deutschen Bank als Stabilisator dienen? Wir wissen doch nur zu gut, dass Deutsche Bank Chef Ackermann sich schämen würde, wenn sein Geldhaus Staatsgeld annehmen müsste. Dann also auf diesem Weg? Wie steht der verantwortliche und somit verantwortungslos handelnde Minister Steinbrück dazu?
Wie stellt sich seine Rolle bei all den anderen Milliardendeals dar? Was ist mit der Geschichte um das Dreigestirn Dresdner Bank, Allianz und Commerzbank? Nicht weniger als 18,2 Mrd. Euro Steuergeld flossen direkt an die Commerzbank AG, die zu diesem Zeitpunkt nur noch rund drei Mrd. Euro wert war. Der Bund begnügte sich aber nur mit einem stillen Anteil in Höhe von 25 Prozent plus einer Aktie. Wurde hier öffentliches Geld nicht einfach durch Steinbrück veruntreut? Oder wollte der Finanzminister die politische Schnappsidee private Altersvorsorge vor dem Untergang retten? Die wäre nämlich baden gegangen, wenn der größte deutsche Versicherer Allianz AG nicht seine marode Tochter Dresdner Bank an die Commerzbank zu einem guten Preis hätte verkaufen können.
Das müssen sie sich jetzt mal klar machen. Bei der privaten Altersvorsorge zahlen sie dreifach drauf. Einmal bei der Mehrwertsteuer, die in Subventionen umgewandelt an die Versicherungsbranche fließt. Sie kennen einen Teil dieser staatlichen Zuschüsse sicherlich unter dem Begriff Riesterförderung. Eine Mogelpackung, weil sie es doch eh selbst bezahlen. Zum anderen zahlen sie durch ihre direkten Beiträge an die private Versicherung die fetten Renditen der Gesellschaften, denn nur ein Teil des Beitrags wird ja nur angelegt. Mindestens 10 Prozent von ihrem Beitrag wird als Kostenposten abgezogen. Doch jetzt kommt der Gipfel. Durch ihr Steuergeld, mit dem sie die Commerzbank gerettet haben, haben sie auch ihre mickrigen Renditen gesichert, mit denen die Politik und die Finanzdienstleister bald wieder werbend durch die Lande ziehen werden, um die bereits rückläufigen Zahlen bei privaten Altersvorsorgeverträgen wieder umzukehren. Ein tolles System der Manipulation, finden sie nicht auch?
Die Liste der bewussten Fehlleistungen von Steinbrück und Merkel ließe sich noch weiter fortsetzen. Eine Aufarbeitung in den Medien findet derweil nicht statt. Dort glänzen Steinbrück und Merkel nach wie vor als kompetente Krisenmanager. Dabei gäben die Meldungen aus Italien Anlass, sich mit dem Thema Mediengleichschaltung und Manipulationen auch bei uns näher zu beschäftigen. Vorhin hörte ich zu der Aufhebung der Immunität Berlusconis eine Abgeordnete der italienischen Opposition im Interview bei NDR-Info. Darin sagte sie, dass die Medienmacht Berlusconis, ihm weiterhin ein positives Bild in der Bevölkerung zusichern würde. Zum besseren Verständnis stellte sie dann einen Vergleich an und sagte, wenn Frau Merkel in Deutschland ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und alle Zeitungen besitzen würde, dann hätte sie einen ähnlich hohen Rückhalt in der Bevölkerung, wie das bei Berlusconi in Italien der Fall ist.
Leider, muss man sagen, trifft dieser Zustand längst zu. In Deutschland muss die Regierungschefin nicht einmal Medien besitzen, um sich des bedingungslosen Rückhalts sicher sein zu können. Die Verflechtungen sind gut versteckt und unter einem Gewandt aus scheindemokratischen Organisationen verborgen. Gerade nach dem Tod von Reinhard Mohn sollte man sich beispielsweise die abgeblich gemeinnützig arbeitende Stiftung Bertelsmann genauer anschauen, deren Vorschläge und Ergebnisse regelmäßig in praktische Politik umgesetzt werden, ohne dass dieser Buchclub je durch den Souverän dazu legitimiert worden wäre. Zeit wäre es, den politischen PR-Gesichtern endlich die Masken vom Gesicht zu reißen und für Aufklärung zu sorgen.
Dann würde ein Verbrecher wie Steinbrück auch da landen, wo er hingehört. Im Gefängnis!
Gestern habe ich nicht schlecht geguckt, als ich meine Tageszeitung, die Neue Presse Hannover, aufschlug. Darin ein Kommentar von Dirk Busche zur vollendeten Verstaatlichung der Hypo Real Estate. Herr Busche sieht in dem Vorgang nicht etwa die logische Konsequenz einer durch und durch außer Kontrolle geratenen Minibank, bei der am Ende der Keller mit den dort lagernden unzähligen Leichen noch tiefer zu sein scheint, als die hübsche Fassade an der Oberfläche hoch ist. Ein kontinentaler Eisberg sozusagen. Herr Busche will aber auch nicht erkennen, dass am 5. Oktober 2009 die Aktionäre einer Bank nicht einfach nur schroff enteignet worden sind, sondern für ihre fast wertlosen Anteilsscheine, wobei sich das fast auf Steuergelder stützt, noch einmal Geld vom Staat bekamen.
Nein, der Journalist Dirk Busche macht sich Sorgen um die Aktionärsdemokratie. 8| Ja, sie lesen richtig. Hier das Zitat aus seinem Kommentar mit dem Titel „Staat heizt Flucht aus Aktienmarkt an“
„Durch die Verstaatlichung wird die HRE-Rettung zwar einfacher, doch für die Aktienkultur, sprich Aktionärsdemokratie, ist es ein schwerer Rückschlag.“
Busche beklagt sich über das schwindende Vertrauen der Bürger in die Aktienmärkte. Jedes Jahr, so Busche, zögen sich etwa eine Million Menschen aus Enttäuschung von der Börse zurück. Das läge aber auch am Staat, wie Busche mit der HRE-Verstaatlichung dümmlich zu begründen versucht.
„Deutschlands Bürger sind auf der Flucht. Sie nehmen Reißaus von der Börse. Jedes Jahr sind es etwa eine Million Menschen, die sich aus Enttäuschung über Kursverluste als Anleger vom Markt für Aktien zurückziehen. Und es werden noch mehr werden. Das liegt nicht allein an der weltweiten Finanzkrise, durch die Abermillionen von Kleinverdienern große Teile ihrer Altersvorsorge verloren haben. Es liegt auch am Staat. Der hat gestern endgültig zahlreiche Aktionäre enttäuscht, die Geld in die Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) investiert hatten.“
Wenn wir mal für einen Moment die gequirlte Scheiße von Dirk Busche ernst nehmen, bedeutet sein Argument ja, dass der Staat sich besser hätte raushalten sollen, um die „Demokratie am Aktienmarkt“ nicht zu gefährden. Was wird dann aber aus der immer wieder betonten „systemischen Frage“? Bedeutet „systemisch“ in dem Zusammenhang also nur, dass der Steuerzahler für den Ausgleich einer Schieflage tauglich und gern gesehen ist, aber auf Ansprüche, die sich unweigerlich auch demokratisch aus seinem finanziellen Großgagement ergeben, verzichten sollte? Und wieso ist es überhaupt Aufgabe des Steuerzahlers ein rein privates Investment, das wertlos geworden ist, erstens zu retten, zweitens dem Pleitier abzukaufen und drittens sich dafür auch noch vom so Begünstigten beschimpfen zu lassen? Für welches Demokratieverständnis ist das eigentlich ein größerer Rückschlag, Herr Busche?
Es bleibt ein Rätsel, warum sich Dirk Busche und viele seiner Kollegen für die Börse und die dortigen Investoren einsetzen. Es liest wahrscheinlich kaum ein Aktionär die grüne Bild aus Hannover. Nur rund fünf Prozent der Deutschen sind überhaupt Aktienbesitzer. Für den Großteil der Leserschaft dürfte der Aktienmarkt demnach total uninteressant sein. Ein Zustand, den man Blick auf die Krise in der privaten Altersvorsorge, seitens der Redakteure vielleicht gern ändern möchte? Das Vertrauen in die Finanzmärkte schwindet doch nicht wegen der HRE-Verstaatlichung, bei der keine Sau mehr durchblickt, sondern wegen der massiven Verarsche bei der Riester-Rente. Und da liegt meines Erachtens auch das Motiv von Dirk Busche für seinen Kommentar. Es soll ein Bewusstsein für die angeblichen Vorzüge des Kapitalmarktes wieder entwickelt werden.
Der Finanzmarkt an sich wäre auch ohne Anleger vorstellbar, die ihre Investments an Spekulationen ausrichten. Was sagen uns denn die täglichen Börsenmeldungen vom Auf und Ab der Indizes? Soll etwa nur Stimmung gemacht werden, um den Eindruck einer Notwendigkeit einer unproduktiven Industrie zu verfestigen, von der viele Börsianer, Banker und Journalisten finanziell gut leben können? Man muss sich doch fragen, warum Dirk Busche es wichtiger findet, etwas über Aktionärsdemokratie zu faseln, anstatt sich mit der Erschütterung der wirklichen Demokratie auseinanderzusetzen, die nun unter der Last der „systemischen Milliardengeschenke“ zu zerbrechen droht. Da reicht doch ein Blick in die Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarz und Gelb. Das Wort „Kürzen“ zum Beispiel finden sie in jeder zweiten Meldung.
Wenn also Busche titelt, der Staat heizt Flucht aus Aktienmarkt an, könnte man nach der Lektüre seines Textes über den Autor sagen, er heize den Ofen für eine weitere Runde bei der systematischen Volksverdummung an, um vielleicht auch seine eigenen Schäfchen im Trocknen zu behalten. Die so proklamierte Meinung sollte man dann vielleicht unter die Rubrik korruptes Verhalten subsumieren. Das muss dann aber schlussendlich der Leser entscheiden.
Wenn sie wissen wollen, warum die Deutsche Vermögensberatung AG in der Vergangenheit immer wieder große Spenden an Union und FDP geleistet hat, schauen sie sich doch einmal die folgende Danksagung der DVAG nach der Bundestagswahl an. Darin gratuliert das Unternehmen seinem Beiratsmitglied Guido Westerwelle! Die unten abgebildete Seite ist ein google shot des DVAG-Unternehmensblog vom 28. Sept. 2009 07:17:07 GMT. Inzwischen sieht die Seite anders aus… :roll:
Wenn sie vielleicht noch ein Wahlplakat der Union oder FDP sehen sollten, denken sie sich einfach folgenden Spruch dazu…
Gestern staunte ich nicht schlecht, als der Chefredakteur von ARD-Aktuell Kai Gniffke seine Meinung in den Tagesthemen ausbreiten durfte. Thema war die SPD und im Einzelnen das Verhalten von Christoph Matschie in Thüringen, welches der Chefredakteur verteidigte. Matschie hätte recht mit seiner Entscheidung, nicht den einfacheren Weg zu rot-rot zu gehen. Matschie tue es für das Land, weil nicht die SPD ihr Verhältnis zur Linkspartei, sondern umgekehrt die Linke ihr Verhältnis zur SPD ändern müsse. Und jetzt kommt’s. Die Linke müssse sich entscheiden, ob sie an der Seite einer selbstbewussten SPD verantwortliche Politik machen will oder weiter dem Populismus frönen möchte. Da habe ich das erste Mal gelacht und gleichzeitig mit dem Kopf geschüttelt, da dem Chefredakteur offensichtlich die realen Kräfteverhältnisse in Thüringen aus dem Hirn gefallen sind.
Aber es ging noch weiter. Auch die Bundes-SPD solle nicht einfach nach links rücken, weil es dann angeblich zu einem Überbietungswettbewerb populistischer Forderungen käme. Irgendwie habe ich das Gefühl, solche Journalisten bräuchten einen Arschtritt oder zumindest einen Zwangsaufenthalt in ihrem eigenen Archiv. Herrn Gniffke sollte man die Elefantenrunde vom Sonntag noch einmal in Dauerschleife vorführen. Vielleicht erkennt der Chefredakteur dann, dass die Linkspartei nicht an einem Überbietungswettkampf und einer weiteren Zerstörung der SPD interessiert ist, sondern das Gegenteil der Fall war. Lafontaine war entsetzt über das Abschneiden der SPD. Er sagte wortwörtlich:
„Wir wollten eine linke Mehrheit und keine Schwächung der SPD
Und genau das ist der Punkt, den Gniffke, seine korrupten Medienhanseln und weite Teile der Führungs-SPD selbst nicht begreifen wollen. Die SPD ist selbst verantwortlich für ihr Scheitern, gerade weil sie eine Politik zu verantworten haben, die die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt. Doch dann kommt Schützenhilfe vom Chefredakteur von ARD-Aktuell. Der dämlichste Satz des Tages:
„Warum um alles in der Welt schämt sich die SPD dafür, dass sie mit der Agenda 2010 Millionen Menschen aus der Arbeitslosigkeit geholt hat?“
WEIL ES NICHT STIMMT, HERR GNIFFKE!!!
Wie kann man nur so dumm und ignorant sein und die gescheiterte Agendapolitik noch immer zum Aushängeschild der SPD machen wollen. Steht die SPD noch nicht tief genug, Herr Gniffke? Aber dann kommt Herr Gniffke mit seiner Schlussformel. Die neue Führungscrew muss Vertrauen zurückgewinnen. Es muss den Menschen das Gefühl gegeben werden, die tun was für uns und nicht für sich. Da habe ich dann zum vorletzten Mal gelacht und mit dem Kopf geschüttelt. Christoph Matschie macht in Thüringen doch genau das. Er hat nicht für die Menschen entschieden und seinen im Wahlkampf propagierten Politikwechsel vollzogen, sondern nach den durchaus lukrativen Posten in einer neuen Regierung gegriffen.
Für Gniffke ist indes klar, die Luftbuchungen von FDP und Linken müssten entzaubert werden. Dafür hätte es einen wie Peer Steinbrück gebraucht, der sich als kompetenter Krisenmanager bewährt habe. Dessen Fehlen beklagt der Chefredakteur von ARD-Aktuell. Wissen sie, ich beklage mich nicht über das Fehlen von Peer Steinbrück und würde mich auch nicht darüber beschweren, wenn der Chefredakteur von ARD-Aktuell nach dieser Propaganda-Nummer gestern in den Tagesthemen seinen Hut nehmen würde. Unmöglich so etwas.
Man durfte sich ja schon zu Recht darüber wundern, was die Bundes-SPD unter einem Neuanfang versteht. Doch nun wird all das getoppt durch Herrn Matschie in Thüringen. Er und sein Parteivorstand haben gestern beschlossen, aus Gründen politischer Stabilität, Steigbügelhalter für die abgestrafte CDU zu sein. Vier Ministerposten stünden der SPD in einer Großen Koalition zu. Und jetzt raten sie mal, welche vier SPD-Vertreter auf den freien Ministersesseln Platz nehmen werden. Genau. Es werden wohl jene vier sein, die die Sondierungsgespräche auch mit Linken und Grünen führten. Schon wieder vier, möchte man meinen. Doch mal ganz abgesehen von den ausgelebten widerlichen persönlichen Interessen, muss man doch die Frage stellen, welches Signal von dieser Entscheidung ausgehen mag.
Aktuell haben wir es ja mit einer Kampagne zu tun, in der man die SPD davor warnt, sich den Positionen der Linkspartei unterzuordnen und gleichzeitig das bisher Erreichte, Stichwort Agenda 2010, zu verleugnen oder zu kritisieren. Dennoch unterstützt man im Grunde eine Öffnung nach links. Unter dieser Prämisse und unter dem Eindruck der Bundestagswahl hatte Matschie zuerst noch erklärt, dass eine Große Koalition in Thüringen nun nicht mehr vorstellbar sei. Und nun verteidigt er sie. Für mich sieht das mal wieder nach Korruption aus. Dass Matschie nun sogar behauptet, mit der CDU sei ein Politikwechsel möglich, ist gerade zu absurd. Doch was bedeutet dieses irre Spiel eigentlich konkret? Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glatt annehmen, dass die SPD sich auch im Bund noch einmal als Koalitionspartner für Frau Merkel ins Spiel bringen möchte.
Schaut man sich die mediale Begleitmusik zu den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP an, könnte man durchaus zu dem Eindruck gelangen, dass hier bewusst von einer explosiven Mischung geredet wird, um das Ganze im Zweifel noch platzen zu lassen. Angela Merkel wird immer noch als Sozialdemokratin dargestellt und ihre angeblichen Verdienste bei der Bewältigung der Krise herausgestrichen. Nehmen sie die Arbeitsmarktdaten, die überall schon wieder für Jubelstimmung sorgen. In der Neuen Presse Hannover schreibt heute Inken Hägermann unter dem Titel „Erfolgreich mit Augenmaß“ die scheinbar positive Entwicklung nachträglich der Großen Koalition zu.
„Dennoch muss man dem Bündnis zugestehen, dass Kanzlerin und Kabinett umsichtig, professionell und mit Augenmaß auf die Wirtschaftskrise reagiert haben. Ob eine Maßnahme wie die Verlängerung der Kurzarbeit, die bisher 1,4 Millionen Menschen ihren Job gesichert hat, mit der FDP überhaupt möglich gewesen wäre, darf bezweifelt werden.“
Das klingt ja nun nicht gerade zuversichtlich. Ein wenig hat man das Gefühl, als wünschte man sich die Große Koalition zurück. Mit der SPD und einem Minister Steinbrück zum Beispiel, der genauso entrückt von seiner Partei war, wie Angela Merkel von der ihrigen, würde doch das gewollte „Weiter So“ viel besser funktionieren, als mit einer FDP, der man den Wahlbetrug bereits jetzt schon nachweisen kann. Es scheint fast so, als fürchte man sich vor der öffentlichen Reaktion eines schwarz-gelben Durchmarsches, bei dem der Bürger noch auf dumme Gedanken kommt. Unter keinen Umständen darf nämlich der Eindruck entstehen, als würden die Kosten der Krise auf dem Rücken der einfachen Menschen abgeladen. Erst wenn dieser Eindruck transportiert und überall verankert ist, können die Kosten der Krise auch weiterhin auf dem Rücken der einfachen Menschen abgeladen werden, ohne dass die sich dann sonderlich dagegen wehren.
Das ist der Punkt. Mit wem kann man diese Strategie am Besten umsetzen? Die Liberalen werden deshalb auf Bundesebene derzeit eingebremst. Die Forderungen aus der Wirtschaft, wie die Lockerung des Kündigungsschutzes zum Beispiel kommen mal wieder auf den Tisch, um zu zeigen, wohin es gehen könnte, wenn man wollte. Jeder spielt dabei seine Rolle. Am Ende wird man sehen, wie offensichtlich radikal eine neue Regierung daherkommen wird. Merkels aufgesetztes „Sozial-Image“ dient dabei nur der Verschleierung einer ansonsten knallharten rechten Politik. Die FDP hat das noch nicht ganz begriffen. Merkel will die Kanzlerin aller Deutschen sein. Den Satz haben ihr bestimmt Friede Springer und Liz Mohn beim gemeinsamen Kaffeekränzchen an den Hosenanzug getackert.
Umso interessanter ist es, wie ausländische Medien auf die aktuelle Regierungsbildungsversuche reagieren. Die New York Times bringt das auf den Punkt, was unsere Medien nicht in der Lage und Willens sind, zu erfassen.
Her new coalition partner will be the Free Democrats, giving her a solid, politically coherent center-right majority. Mrs. Merkel should resist pressures to shift too far to the right, especially on economic policies. What the world economy needs most from Germany is another round of widely disbursed stimulus spending, not regressive supply-side tax cuts. Germany is Europes biggest economy, and it needs to become a faster-running motor of continental recovery.
Deutschland ist nach rechts gerrückt und es besteht die Gefahr der Fortführung einer falschen Wirtschaftspolitik. Nötig wären weitere Konjunkturprogramme statt Steuersenkungen. Die Amerikaner haben die politische Dimension dieser Wahl bereits erkannt, während hierzulande darüber gestritten wird, ob versprochene Steuersenkungen nun kommen oder nicht, egal wie volkswirtschaftlich unsinnig sie auch sein mögen.
Aber was hat das mit Matschie in Thüringen zu tun? Da muss ich jetzt noch schnell den Bogen kriegen. Matschie tut so, als sei seine SPD in einer kommenden Großen Koalition genau jenes stabilisierende soziale Korrektiv, dass den Eindruck vermitteln soll, die politischen Kräfteverhältnisse sorgten für eine gerechtere Politik. In der eben zu Ende gegangenen Pressekonferenz beklagte Matschie unter anderem, dass ihm von der Linkspartei Bundesratsinitiativen vorgelegt wurden, die z.B. auf die Abschaffung von Hartz IV zielten. So etwas hätte er keinesfalls mittragen wollen. Er begründete das Scheitern der Verhandlungen mit der Linken damit, dass er sich kein Prgramm aufzwingen lasse, sondern dafür eintrete, dass die SPD ihr eigenes Profil schärfen müsse.
Und genau da können sie sehen, wie die SPD, die man nun auch getrost CDU-light nennen darf, genau das tut, was sie im selben Satz ausschließt. Sie passt sich dem politischen Rechtsruck an und unterwirft sich selbst dann diesen politischen Kräften, wenn linke Mehrheiten möglich wären. Diese werden aber mit der Begründung abgelehnt, sich nicht einfach so vereinnahmen zu lassen. Dabei sollte die SPD endlich akzeptieren, dass sie ihren Status als Volkspartei verloren hat und nicht mehr in der Position ist, Bedingungen diktieren zu können, sondern Abstriche machen zu müssen, wie es bei kleineren Parteien nun einmal üblich ist. Angesichts dieser Entwicklungen müsste man mal abwarten, wie die Verhandlungen zwischen Union und FDP im Bund verlaufen. Vielleicht kommt ja mal irgend ein Journalist auf die Frage, warum die Union nicht einfach mit der SPD weitermacht.
EDIT: Zum Zustand der SPD ganz aktuell Volker Pispers auf WDR 2
Bei Arcandor sei nichts zu holen, so lautete bislang das Credo von Klaus Hubert Görg. Nun stellt sich nach Informationen von manager magazin heraus: Der Insolvenzverwalter könnte der große Gewinner der Pleite des Handels- und Touristikkonzerns sein. Gelingen ihm entscheidende Deals, winkt Görg ein zweistelliges Millionenhonorar.
Laut Insolvenzrechtsexperten fallen bei den Verkäufen erhebliche Gebühren an. Die fließen in die sogenannte Insolvenzmasse, nach deren Volumen sich Görgs Honorar bestimmt. Deshalb könnte Görg allein der Verkauf der Beteiligung am Reisekonzern Thomas Cook Fachleuten zufolge ein Honorar von 10 bis 15 Millionen Euro einbringen.
Ich denke, es wird nun immer klarer, was zu Guttenberg mit „Chancen“ meinte, als er von der „geordneten Insolvenz“ sprach. Zahlreiche Journalisten übernahmen diesen Chancen-Mist einfach und warben in ihren Zeitungskommentaren für Verständnis und Gefolgschaft bei ihrer Leserschaft. Widerlich.