Statistische Holpereien (Teil 2)

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Teil 1 hier

Der private Konsum ist und bleibt das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland interpretiert die jüngsten Daten so:

Mit Blick auf das Gesamtjahr sagte Genth, dass es angesichts der Entwicklung des privaten Konsums und der weitgehend intakten Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern bescheidene Spielräume für den Einzelhandel geben könne. Allerdings gebe es wegen der Euro-Krise, steigender Energiepreise und Krankenkassenbeiträge auch Risiken für Verbraucherstimmung und Konsum. Daher halte der HDE an seiner Umsatzprognose von nominal plus 1,5 Prozent für das Gesamtjahr fest. Bei der momentanen Preissteigerung würde dies real ein leichtes Minus bedeuten. „Für das Herbst- und Weihnachtsgeschäft werden die Verbraucherstimmung aber auch die Entwicklung der Energiepreise entscheidend für den Konsum sein, der im bisherigen Jahresverlauf von der starken Entwicklung am Arbeitsmarkt profitiert hat“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Quelle: HDE

Bescheidene Spielräume für den Einzelhandel ergeben sich also aus der Tatsache eines zu erwartenden realen Umsatzrückgangs in diesem Jahr. Diese Logik ist beeindruckend, aber durchaus stringent. Denn das statistische Bundesamt hat letzte Woche nicht nur die Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht, sondern auch zu der Entwicklung der Tarifeinkommen folgende “neutrale” Stellungnahme abgegeben:

Die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind von April 2010 bis April 2011 insgesamt um 1,5 % gestiegen. Damit zeichnet sich nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) eine Trendwende bei den Tarifverdiensten ab. Seit Oktober 2009 (+ 3,0 %) war die Steigerungsrate beständig zurückgegangen und hatte im Januar 2011 nur noch + 0,9 % betragen.   

Quelle: destatis

Das statistische Bundesamt spricht von einer Trendwende und ignoriert die Verbraucherpreisentwicklung. Die nominale Steigerungsrate bei den Tarifeinkommen von 1,5 Prozent wird als solche nicht gekennzeichnet. Der Hinweis auf die reale Veränderung der Tarifeinkommen, d.h. in der Fachsprache “preisbereinigt”, wird gar nicht erst angeführt. Aber das können sie sich selbst ausrechnen.

Verbraucherpreisindex bis Juni 2011

Quelle: destatis

Im Schnitt gab es im Jahr 2011 einen Anstieg der Verbraucherpreise von über zwei Prozent. D.h., dass Arbeitnehmer mit Tarifeinkommen erneut reale Einkommensverluste hinnehmen mussten. Dazu kommt, dass die Tarifbindung in Deutschland weiter rückläufig ist.

Das deutsche System der Flächentarifverträge erlebt seit Mitte der 1990er Jahre einen sichtlichen Erosionsprozess, der in einem anhaltenden Rückgang der Tarifbindung zum Ausdruck kommt. In Zahlen: Im Jahr 2010 wurden in ganz Deutschland gerade noch 33 Prozent der Betriebe und 60 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag erfasst. Im Kernbereich der Flächentarifverträge ist die Tarifbindung noch ein paar Prozentpunkte niedriger: Die bundesweiten oder regionalen Branchentarifverträge gelten noch für die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) und für weniger als ein Drittel der Betriebe (30 Prozent).

Quelle: Magazin Mitbestimmung (Hans-Böckler-Stiftung)

Die Zunahme bei den Tariflöhnen ist daher im wesentlichen von der Entwicklung der übrigen Bruttoeinkommen abgeschnitten. Die Ausbreitung von atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit oder Minijobs sowie der politisch betriebene Ausbau des Niedriglohnsektors haben in Wirklichkeit zu einem dramatischen Verfall der Arbeitnehmereinkommen geführt. Zuletzt wurde das durch eine Studie des DIW untermauert.

Die Löhne von Geringverdienern sind seit der Jahrtausendwende rapide gesunken. Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen hatten im vorigen Jahr 16 bis 22 Prozent weniger in der Tasche als im Jahr 2000. Auch Menschen mit mittlerem Gehalt mussten deutliche Einbußen hinnehmen. Bei Besserverdienenden sind die realen Nettoeinkommen dagegen minimal gestiegen. Das zeigen bisher unveröffentlichte Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Quelle: Berliner Zeitung

Es stellt sich also noch immer die Frage, woher die “binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte” kommen sollen, die der Bundeswirtschaftsminister Rösler als Stütze des deutschen Aufschwungs erkannt haben will.

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Konjunkturdaten: Statistische Stolpereien

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Arbeitsmarkt

Wenn selbst die fingierte Statistik einen Anstieg der Arbeitslosigkeit ausspuckt, sind natürlich immer jahreszeitliche Effekte verantwortlich. Im Winter ist es das schlechte Wetter und im Sommer die Urlaubszeit. Inzwischen muss man aber davon ausgehen, dass nicht nur das Sinken der offiziellen Arbeitslosenzahl, sondern auch ihr Steigen etwas mit der amtlichen Definition von Arbeitslosigkeit zu tun hat.

Denn wie sie inzwischen wissen dürften, werden längst nicht alle Bezieher von Arbeitslosengeld I und II auch als arbeitslos gezählt.

Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juli 688.000 oder 88 Prozent arbeitslos gemeldet. 90.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maß-nahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.

Quelle: Monatsbericht Juli 2011

Im letzten Monatsbericht hieß es hingegen noch:

Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juni 640.000 oder 87 Prozent arbeitslos gemeldet. 98.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.

Quelle: Monatsbericht Juni 2011

Das heißt, der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Juli ist auch auf den besseren Gesundheitszustand der Erwerbslosen zurückzuführen, die im Juni zwar auch schon arbeitslos waren, aber nicht gezählt wurden, weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren. 

Das soll nur ein Beispiel unter vielen sein, für die absurden Zählmethoden der Bundesagentur, die auch nicht wirklich zählt, sondern immer mehr schätzt.

Fakt ist, dass sich der Anteil der Langzeitarbeitslosen wieder erhöht hat (um 1 auf 34 Prozent) und die Zahl der Unter­be­schäf­ti­gung bei über 4 Mil­lionen (4.091.291) verharrt. Das entspricht einer Quote von 9,6 %.

Die Beschäftigungssituation wird nach wie vor unter einem quantitativen Gesichtspunkt betrachtet. Egal welche Arbeit zu welchen Konditionen auch angeboten und verteilt wird, sie fließt ungefiltert als positive Erscheinung in die Statistik ein. Das größte Plus mit über 20 Prozent Zuwachs verzeichnet immer noch die Leiharbeitsbranche. Insgesamt gebe es knapp 41 Millionen Beschäftigte, davon aber nur rund 28 Millionen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Wie hoch der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist, erfährt man aber nicht.

Einzelhandel

Die Verkündung der Einzelhandelszahlen ist diesmal etwas lustiger ausgefallen. Das statistische Bundesamt traut nämlich der eigenen Statistik nicht mehr so recht über den Weg.

Methodische Hinweise:
Methodische Änderung ab Berichtsmonat Juni 2011

Die Ergebnisse basieren ab dem Berichtsmonat Juni 2011 auf einem neuen Berichtskreis, da ein Teil der Unternehmen in der Erhebung ausgetauscht wurde. Der Berichtskreis ist damit aktueller und repräsentativer, wodurch die Konjunkturbeobachtung am aktuellen Rand verbessert wird.[…]

Erfahrungsgemäß stellt ein Teil der neuen Stichprobenunternehmen seine Angaben zunächst nicht zeitgerecht zur Verfügung. Die Umsätze für den Juni weisen darum etwas größere Schätzanteile (27,2 %) auf als im Durchschnitt der ersten Monate diesen Jahres (26,0 %).

Quelle: destatis

Im Ergebnis für Juni heißt es dann:

Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Juni 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 0,5 % mehr und real 1,0 % weniger um als im Juni 2010. Der Juni 2011 hatte mit 24 Verkaufstagen zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, da Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag in diesem Jahr in den Juni fielen. Im Vorjahr lagen diese Feiertage im Mai. Im Vergleich zum Mai 2011 ist der Umsatz im Juni 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 6,1 % und real um 6,3 % gestiegen.

Das verstehe bitte wer will. Der Juni 2011 hatte zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, dafür aber Feiertage und trotzdem wurde im aktuellen Zeitraum real 1,0 Prozent weniger umgesetzt. In diesem Jahr fielen die Feiertage in den Juni, deshalb ein schlechteres Geschäft, so die Statistiker. Was heißt das nun? Ich dachte immer, Feiertage sorgen gerade für verstärkte Umsätze oder spielt die Tatsache, dass man sich an Himmelfahrt und Pfingsten nichts schenkt so eine große Rolle? Traditionell sind der Mai und der Juni aber sehr umsatzstarke Monate. Das weiß jeder, der im Einzelhandel tätig ist oder war.

In diesem Jahr gab es im Mai aber überhaupt nix zu feiern, selbst der Tag der Arbeit fiel auf einen Sonntag. Die deutliche Zunahme der Umsätze im Juni gemessen an den Ergebnissen vom Mai scheinen daher diesem Umstand Rechnung zu tragen. Aus Sicht der Statistiker wäre es nun aber blöd gewesen, die Zunahme der Umsätze im Juni nun auch noch mit den Feiertagen zu erklären, nachdem diese schon für einen Rückgang der Umsätze im Jahresvergleich herhalten mussten.

Einzelhandel bis Juni 2011

Jedenfalls ist der Bierabsatz im ersten Halbjahr 2011 um 1,0 Prozent gestiegen. Das nun wiederum ist keine Statistikstolperei, sondern sehr wohl nachvollziehbar. 

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EDIT: Focus Online schreibt übrigens unter der Jubelüberschrift: „Stärkstes Umsatzplus seit 1994“

„Die Daten könnten allerdings statistisch verzerrt sein, hieß es in der Behörde. Denn der Mai habe drei Verkaufstage mehr gehabt als vor einem Jahr, der Juni hingegen zwei Tage weniger. „Diese Konstellation hat es noch nie gegeben“, sagte ein Statistiker zu Reuters. Das sogenannte Saisonbereinigungsverfahren, das jahreszeitliche Schwankungen ausgleichen soll, habe dies möglicherweise nicht völlig widerspiegeln können.“

Teil 2 hier

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Eurokrise: Wenn Journalisten nicht verstehen, worum es geht

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Im Deutschlandradio gab es heute ein Interview mit dem Grünen-Politiker Sven Giegold über die Eurokrise und seine Vorstellung von einer echten Wirtschaftsunion. Der Moderator Dirk Müller, nicht zu verwechseln mit „Dirk of the DAX“, hat einfach nicht begriffen, worum es Giegold eigentlich ging und was die Ursachen der Krise sind. Prinzipiell ist aggressives Nachfragen gut und erwünscht, allerdings wirkt es in diesem Fall so, als würde der Moderator die Haltung der gängigen Irrlehre unbedingt verteidigen wollen. Deshalb gebe ich hier die Fragen des Moderators wieder und streife nur am Rande die Antworten Giegolds:

Müller: “Herr Giegold, da kann einem ja Angst und Bange werden. Dann haben wir demnächst einen portugiesischen Finanzminister und einen italienischen Wirtschaftsminister. Dann können wir in Deutschland auch gleich einpacken.” 

Was will Müller damit zum Ausdruck bringen? Jetzt haben wir mit Schäuble einen Finanzminister, der nachweislich in die Spendenaffäre der Union verwickelt war und mit Philipp Rösler einen Wirtschaftsminister, der das nur ist, um seine Position als FDP-Vorsitzender zu festigen, ansonsten qualifiziert ihn nichts. Mit diesem armseligen Personal können wir doch heute schon einpacken.

Herr Müller hätte zum Beispiel ein Interview mit Wolfgang Schäuble, das sein Sender ebenfalls heute geführt hat, noch einmal nachlesen können und sich folgende Falschaussage des Finanzministers etwas genauer ansehen sollen:

Schäuble: “Die Euro-Zone ist in einer schwierigen Situation, weil die zu hohen Schulden in einigen Mitgliedsländern das Vertrauen in die Euro-Zone als ganzes gefährden, und deswegen müssen wir gemeinsam handeln und deswegen müssen die Ursachen dieser Vertrauenskrise beseitigt werden. Das sind die zu hohen Defizite in einzelnen Mitgliedsländern.”

Die Ursachen sind eben nicht die zu hohen Defizite. Sie sind bloß Symptome. Die Ursachen sind die fortwährenden Handelsungleichgewichte innerhalb des Währungsraums, die zu beseitigen vor allem eine Aufgabe der Deutschen sein müsste, die mit ihren Exportüberschüssen die anderen Volkswirtschaften erst dazu zwingen, sich permanent zu verschulden. Der Zusammenhang, ohne Verschuldung, kein Exportüberschuss, wird einfach nicht verstanden. Auch von Moderator Dirk Müller nicht, der Sven Giegold in ätzender Weise Vorhaltungen macht, statt kompetente Fragen zu stellen.

Müller: “Herr Giegold, das wird in Deutschland aber nicht so gut ankommen, denn die Deutschen haben alles einigermaßen im Griff. Wir setzen das in Anführungszeichen: Auch wir haben unsere Schuldenkrise, unsere Schuldenprobleme, im Vergleich zu vielen anderen ist das aber politisch produktiv und zu lösen, wie es im Moment der Fall scheint. Die europäischen Interessen lagen, auch die europäischen Auffassungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik gehen doch so weit auseinander, dass Ihr Vorschlag – das sagen die Kritiker – sehr naiv klingt.”[…]

“Haben Sie schon mit den Vorstandschefs von BMW und Daimler gesprochen, dass die Produkte zu gut sind, weil sie dann Exportüberschüsse erzielen?”

Zunächst einmal hat es überhaupt nichts damit zu tun, dass deutsche Produkte zu gut für die Welt sind. Das ist ein beliebtes Argument der Exportfetischisten, um einer unangenehmen Diskussion über Lohnentwicklung und Kostensenkungen aus dem Weg zu gehen. Mal abgesehen von der dramatisch auseinanderklaffenden Lohnstückkostenentwicklung innerhalb der EU, erklärt die Beliebtheit deutscher Produkte im Ausland eben nicht, warum die deutschen Verbraucher eine so krasse Kaufzurückhaltung üben. Sven Giegold weißt darauf hin, dass die deutsche Kaufkraft gestärkt werden müsse, damit andere Volkswirtschaften davon profitieren können, so wie Deutschland umgekehrt davon profitiert hat, dass sich die Schwachländer den Konsum deutscher Waren und Dienstleistungen auf Kredit geleistet haben.

Sven Giegold weist ebenfalls darauf hin, dass ein Kreditgeschäft immer zwei Parteien braucht, Schuldner und Gläubiger. Die Rolle der Gläubiger wird aber immer vernachlässigt. Dabei finanzieren die Exportüberschüsse, für die die deutschen Arbeitnehmer den Gürtel haben enger schnallen müssen, Stichwort Wettbewerbsfähigkeit, den Konsum der Defizitländer. Das heißt, während deutsche Arbeitnehmer auf ihren Anteil am Gewinn durch Lohnmoderation verzichten mussten, wurden erst die Mittel frei für den kreditfinanzierten Konsum der Defizitländer.

Am Ende haben die deutschen Arbeitnehmer dann umsonst verzichtet, weil die Forderungen nicht mehr bedient werden können. Aber selbst das kapiert Moderator Dirk Müller nicht, wenn er einen rigorosen Schuldenschnitt fordert und meint, damit das Fass ohne Boden irgendwie abdichten zu können.

Müller: “Herr Giegold, wir haben vor einigen Monaten bereits begonnen mit der Euro-Krise. Im Grunde ist das ja schon seit über einem Jahr so. Da haben wir begonnen mit Irland, dann kam Portugal dazu, kommt Griechenland dazu. Dann hat man irgendwann gesagt, wir müssen das jetzt machen, wir brauchen den Rettungsschirm, 750 Milliarden Euro, gestern tauchten andere Zahlen auf, bis 1,5 Billionen wurde da gefordert, offenbar von Seiten der Europäischen Zentralbank. Es ist ein Fass ohne Boden, so stellt sich das im Moment dar, und es gibt offenbar keine politische Lösung. Wann wird ein klarer Schnitt gemacht?”[…]

“Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Wie oft sollen wir das denn machen? Wir können das doch nicht demnächst für 15 Länder machen. Wir haben das schon für drei getan.”

Dem Moderator Müller wird angesichts der Zahlen und der Horrorvorstellung einer Transferunion ganz schwindelig, und er übersieht dabei das eigene Wohnzimmer. Wie viel hat denn wohl die deutsche Einheit gekostet, die ähnlich katastrophal gemacht wurde wie die europäische Währungsunion? Der teuerste Sonderfonds, umgangssprachlich Sondervermögen oder Schattenhaushalt genannt, war der zur deutschen Einheit mit umgerechnet über 82 Mrd. Euro. Insgesamt flossen seit der Einigung etwa 1,2 Billionen Euro aus Gesamtdeutschland, den Soli zahlen auch die Ossis, in den Osten.

Wer innerhalb eines Währungsraums unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften zusammenfasst, bekommt immer eine Transferunion, weil die schwächere Wirtschaft keine eigene Währung mehr hat, die sie abwerten könnte, um den Wettbewerbsvorteil der anderen auszugleichen. Wer also eine Währungsunion begründet, muss auch eine Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik betreiben, die der Union als Ganzes und nicht nur den wirtschaftlichen Partikularinteressen des einzelnen Teilstaats nützt. Praktisch hieße das, dass sich die Union einem gemeinsamen Inflationsziel verpflichtet und dass die Zentralbank nicht nur auf eine Abweichung von dieser Marke nach oben sondern auch nach unten reagiert.

Denn während die Südländer das gemeinsame Inflationsziel deutlich überschritten haben, hat es Deutschland bis zum Ausbruch der Krise permanent unterschritten. Wenn die Zentralbank nun im Falle einer geringfügig höheren Inflationsrate aus Gründen der Preisstabilität ständig eingreift und mit Anhebung der Zinsen die Konjunktur bremst, vor allem in Ländern wie Deutschland, die ohnehin eine niedrige Teuerungsrate aufweisen, dann müsste sie gleichfalls beschäftigungspolitisch aktiv werden, wenn das Inflationsziel unterschritten wird. Konkret hätte die EZB viel früher die Ungleichgewichte innerhalb des Währungsraums erkennen und entsprechend handeln müssen. Auf die schwache Entwicklung der deutschen Lohnstückkosten (Arbeitskosten korrigiert um Produktivitätszuwächse) hätte frühzeitig reagiert werden müssen.

Quelle: Hans Böckler Stiftung 

Diese Entwicklung ist ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil für Deutschland, den man sinnvoller Weise nur dann wieder ausgleichen kann, wenn die deutschen Löhne mittelfristig stärker steigen und die der Schwachländer deutlich schwächer. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass dieser Anpassungsvorgang zwischen Ländern mit unterschiedlicher Währung ständig passiert und zwar durch Auf- oder Abwertung der jeweiligen Zahlungseinheit, ablesbar am Wechselkurs. Diesen gibt es innerhalb eines Währungsraums wie der Eurozone aber nicht, weshalb die Anpassung über die Entwicklung der Löhne erfolgt. Der Vorgang ist aber derselbe, weil letztlich in dem einen wie in dem anderen Fall die Kaufkraft entweder stärker oder schwächer wird.

Es ist also völlig deplatziert, wenn so getan wird, als würde man den Deutschen etwas wegnehmen wollen. Besonders albern wird es aber, wenn von den Schuldnerländern eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gefordert wird, man aber gleichzeitig daran festhält von seiner eigenen Position nichts abgeben zu wollen. Da irrt letztlich auch Sven Giegold:

Giegold: “Das Problem ist nicht, dass die Produkte zu gut sind, sondern das Problem ist, dass die Menschen nicht mehr die Erträge dafür bekommen. Das heißt, es geht nicht, dass ist ein völlig falscher Diskurs zu behaupten, wir müssten weniger wettbewerbsfähig werden. Im Gegenteil: es ist gut, dass Deutschland wettbewerbsfähig ist. Was aber nicht gut ist, ist, dass die Arbeitnehmer in Deutschland 25 Prozent inzwischen im Niedriglohnsektor arbeiten. Würden die ordentlich bezahlt, hätten wir einen gesetzlichen Mindestlohn und würden in die Bildung investieren. Dann würden wir auch wieder mehr importieren und die anderen Länder würden nicht darunter leiden, dass wir gut sind, sondern hätten eben auch was davon.”

Das ist ein Widerspruch. Wenn wir mehr importieren, verlieren wir automatisch Wettbewerbsanteile, es sei denn, wir steigern die Ausfuhren um die Zunahme der Einfuhren. Dann wäre aber nichts gewonnen, sondern das Problem von Überschüssen und Defiziten besteht fort.

In der jetzigen Situation muss Deutschland eine Zeit lang selber Defizite in der Handelsbilanz zulassen, damit die Schuldnerstaaten durch eigene Überschüsse aus der wirtschaftlichen Krise hinauswachsen können. Das bedarf der Steuerung und vor allem der Vernunft. Letztlich ist es die Frage, wem wir mehr vertrauen. Den Finanzmärkten, die ein Land nach dem anderen gegen die Wand spielen oder dem Staat, der zwar von unfähigem Personal gesteuert wird, über das man aber als Souverän wenigstens noch ein Stück weit selbst entscheiden kann.

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Zeugnisse

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Bei uns in Niedersachsen hat es heute Zeugnisse gegeben. Morgen beginnen hier die Sommerferien. Ob das nun der Grund für die Bundesregierung war, eine schwarz-gelbe Zwischenbilanz vorzulegen, sei einmal dahingestellt. Dastehen tut sie jedenfalls und zwar auf einer neuen Seite der CDU/CSU Fraktion mit der seltsamen Internetadresse

www.dem-land-geht-es-gut.de

Auf Feynsinn gibt es eine sehr gute Analyse dazu.

Wie zum vierzigsten Jahrestag der DDR wird reichlich geflaggt, die Erfolgsmeldungen strömen nur so aus dem Partei- und Regierungsapparat.[…] Man muss der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag dankbar sein für diese akribische Dokumentation eines Realitätsverlusts. 

Die Erfolgsmeldung, wonach sich Deutschland in einem Aufschwung befände, wird dennoch gut kommuniziert, selbst wenn die Regierung vordergründig kritisiert wird. Es ist das beliebte PR-Spiel, bestimmte Botschaften durch andere Botschaften transportieren zu lassen. Zuletzt wurde das bei der Diskussion um Steuersenkungen deutlich.

Die Bundesregierung wird zum Beispiel von wissenschaftlicher Seite dafür kritisiert, Steuersenkungen überhaupt in Erwägung zu ziehen. Begründung: Mitten im Aufschwung bedürfe es keiner zusätzlichen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur. Der “Finanzexperte” der Universität Oxford, Clemens Fuest, hat zu Beginn der Woche via Radio und Zeitung das Wort ergriffen und folgende Bemerkung gestreut.

“Wir sind in einem Boom. Dass wir die Binnenkonjunktur ankurbeln müssen, ist ein schrecklicher Unsinn.”

Quelle: Süddeutsche

Mit seiner ablehnenden Haltung Steuersenkungen gegenüber kritisiert Fuest nun aber nicht wirklich die Regierung, sondern unterstreicht, dass die Wirtschaft bestens läuft und keiner Korrektur bedarf. Er springt eigentlich Schäuble bei, der gerade zum Muster-Haushälter hochgeschrieben wird. 

Nun muss man wissen, aus welcher Ecke Herr Fuest, der hier als Ökonom und Steuerexperte eingeführt wird, eigentlich kommt. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums und einer jener 250 Professoren, die im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 den sog. Hamburger Apell (siehe auch weissgarnix) unterzeichnet haben. Zudem arbeitet er mit Bernd Raffelhüschen (Berater INSM) in der neoliberalen Denkfabrik Stiftung Marktwirtschaft zusammen.  

Bei der Steuersenkungsdiskussion geht es im Prinzip gar nicht um Entlastungen, sondern darum, die Botschaft vom Aufschwung oder frei nach Kauder “dem-land-geht-es-gut” zu verbreiten.

In nahezu jeder journalistischen Anmoderation zum Thema Wirtschaft, Schulden, Steuerpolitik wird inzwischen vorangestellt, dass wir einen Boom hätten, den zu hinterfragen keiner Notwendigkeit mehr bedarf. Was aber passiert, wenn die immer noch vom Export abhängige deutsche Wirtschaft ihre Absatzmärkte verliert, konnte man im Jahr 2009 erleben.

Ich weiß ja nicht, wie viele Panzer wir nach Saudi-Arabien verkaufen müssen, um einen Einbruch der deutschen Wirtschaft um knapp fünf Prozent wieder ausgleichen zu können.

Die Binnenkonjunktur lahmt jedenfalls weiterhin. Das belegen die jüngsten Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel beispielhaft. Und nachdem Griechenland durch die schützenswerten Finanzmärkte erledigt wurde,

Wir zwingen die griechische Politik mit deren Einverständnis zu einer totalen Kurskorrektur.

Quelle: Egon W. Kreutzer 

…richten sich die gierigen Augen der Finanzmafia auch prompt auf Portugal. Auch dieses Land wird Schäuble, weil ihm die Sicherheit des Euro am Herzen liegt, retten wollen. Und das wird so weiter gehen, bis man aus Geldmangel den Ankauf von Zeit einstellen wird. Nur eines wird bleiben und zwar der Aufschwung, denn

dem-land-geht-es-gut

(Ihr Volker Kauder)

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Konjunkturdaten: Ein eindeutiger Aufschwung?

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Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Kauflaune steigt, die Konjunktur brummt. So lauten regelmäßig die Schlagzeilen zum Monatsende. Nacheinander verkünden Gesellschaft für Konsumforschung, das statistische Bundesamt und die Bundesagentur für Arbeit ihre nach eigener Sicht positiven Zahlen. Die GfK machte am Dienstag den Anfang und gab an, herausgefunden zu haben, dass die Anschaffungsneigung der Deutschen wieder deutlich zugenommen habe.

Die ungebrochene Dynamik der deutschen Wirtschaft sowie die weitere Belebung auf dem Arbeitsmarkt haben die Konjunkturaussichten moderat und die Einkommenserwartungen der Bundesbürger stark ansteigen lassen. Auch die Anschaffungsneigung hat ihre Verluste aus dem Vormonat mehr als kompensiert. Damit gewinnen die guten Rahmendaten wie die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und das gute Wirtschaftswachstum wieder die Oberhand über die „Störfaktoren“ Fukushima sowie die Situation im Nahen Osten und Griechenland.

Quelle: GfK

Nun ist klar, dass eine Neigung, die von Aussichten bestimmt wird, nicht wirklich einen substanziellen Kern aufweist. Eine Neigung hat grundsätzlich einen fiktiven Charakter. Und zwar solange, bis sie selbst in die Tat umgesetzt wird. Dann spricht man logischerweise auch von einer Tatsache. Wenn die Deutschen also der GfK gegenüber angeben, demnächst häufiger einkaufen gehen zu wollen, dann heißt das eben nicht, dass sie es auch tun, sondern höchstens, dass sie es gerne tun würden. Demzufolge ist die Feststellung, dass jene Anschaffungsneigung ihre Verluste aus dem Vormonat kompensiert habe einfach nur statistischer Unsinn, weil durch mehr oder weniger Anschaffungsneigung überhaupt keine Gewinne oder Verluste entstehen können. Oder fließt die Anschaffungsneigung etwa in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit ein?

Nein. Dort findet nur der tatsächliche private Konsum Beachtung und natürlich bilden die Umsätze im Einzelhandel einen wesentlichen Teil davon. Nun hat heute das statistische Bundesamt Zahlen veröffentlicht, die alles andere, aber nicht das bestätigen, was die GfK mit ihrer Kauflaune gemessen haben und die Menschen glauben machen will. Zwar  führen die amtlichen Statistiker mit der Überschrift “Einzelhandelsumsatz im Mai 2011 real um 2,2% höher als im Mai 2010” die Öffentlichkeit einmal mehr in die Irre, doch im Text liest man dann die tatsächlichen Zahlen zu den Umsätzen.

Allerdings hatte der Mai 2011 mit 26 Verkaufstagen auch drei Verkaufstage mehr als der Mai 2010. Im Vergleich zum April 2011 ist der Umsatz im Mai 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 3,0% und real um 2,8% gesunken.

Quelle: destatis

In der Langzeitprojektion gleicht das Minus von fast drei Prozent zum Vormonat einem weiteren Absturz. Nachdem es im Mai noch so aussah, als ginge es wieder aufwärts, bestätigt sich nach Korrekturen bei den zurückliegenden Werten und den aktuellen Daten zum Mai 2011 die anhaltende Kaufzurückhaltung der Deutschen, die doch angeblich so gut kaufgelaunt sein sollen wie selten.

Einzelhandel bis Mai 2011

Den zuständigen Minister Rösler schenke ich mir an dieser Stelle, da seine Einschätzung der Lage wie immer dem Bereich der Fiktion zuzuordnen ist und nichts mit der Realität zu tun hat.

Fehlt eigentlich nur noch der Arbeitsmarkt, der vom Oberbefehlshaber der Nürnberger Arbeitslosenzählbehörde wie immer als sehr robust beschrieben wurde.

Der Arbeitsmarkt profitiert weiter vom stabilen Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit ist im Juni im Zuge der auslaufenden Frühjahrsbelebung um 67.000 auf 2.893.000 gesunken. Das Saisonbereinigungsverfahren errechnet für den Juni ein Minus von 8.000.

Quelle: Arbeitsagentur

Wenn ich mich an den letzten Bericht zurückerinnere, dann scheint der Arbeitsmarkt doch vor allem dadurch zu profitieren, dass die Zählbehörde nicht wirklich zählt, sondern immer mehr schätzt und dazu einen sehr eigenen Begriff von Arbeitslosigkeit definiert. Wie sie inzwischen wissen, gilt nicht jeder Erwerbslose auch als arbeitslos. Durch die Klassifizierung der Betroffenen nach der Art ihres Leistungsbezugs ergeben sich Unterschiede zwischen der offiziellen Arbeitslosenzahl und der Zahl aller Leistungsbezieher, deren Gemeinsamkeit doch nach wie vor die Arbeitslosigkeit ist. Selbst auf Personen die ihre niedrigen Löhne aufstocken müssen oder sich in Arbeitsgelegenheiten befinden trifft das zu.

Insgesamt sollen laut Statistik 2.893.341 Personen im Juni erwerbslos gewesen sein. Gleichzeitig sollen laut Statistik 1.262.470 Per­sonen im Sinne arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen beschäf­tigt gewesen sein. Im Bericht werden diese “ausgewählten Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik”, die man auch unter dem Begriff “stille Reserve” kennt wie folgt unterteilt:

  • Qualifizierung
  • Berufsberatung u. Förderung d. Berufsausbildung
  • Beschäftigungsbegleitende Leistungen
  • Beschäftigung schaffende Maßnahmen

Das ist natürlich keine Beschäftigung im Sinne einer Beschäftigung wie man sich das so vorstellt, aber es ist durchaus Absicht, dass die Öffentlichkeit das so missverstehen soll. Rechnet man diese Scheinbeschäftigten, aber im Grunde arbeitslosen Menschen, zur offiziellen Zahl hinzu, landet man bei 4.155.811. Das Amt selber weist eine Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit in Höhe von 4.079.599 (Quote: 9,6%) Personen aus.

D.h, dass Behörde und Bundesregierung allein durch das Weglassen der “stillen Reserve” zu einer Arbeitslosenzahl kommen, die im internationalen Vergleich zu einem der vorderen Plätze reicht. Würde man aber die ausgeklammerte Gruppe von defacto Erwerbslosen hinzuzählen, sähe es schon nicht mehr so rosig aus. Von einem Jobwunder einerseits oder einer Wirtschaftslokomotive andererseits würde dann wahrscheinlich niemand ernsthaft sprechen können.

Darüber hinaus ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen wieder um einen Punkt auf 34 Prozent gestiegen. Damit dürfte Deutschland immer noch Spitzenreiter in Europa sein. Daneben entfiel rund ein Viertel der Beschäftigungszunahme einmal mehr auf die Arbeitnehmerüberlassung (+146.000 oder +23,3 Prozent), also einem Wirtschaftszweig, in dem prekäre Beschäftigungsverhältnisse und moderner Menschenhandel zum Geschäftsmodell geworden sind.

All das beschreiben die Aufschwungsge- und verblendeten natürlich nicht. Denn dann müssten sie sich eingestehen, was einige Wirtschaftsexperten und der Bundesfinanzminister bereits ahnen und zum Teil warnend vorwegnehmen. Demnach werde sich der Aufschwung im zweiten Quartal merklich eintrüben. Das DIW spricht sogar von einer Wachstumsdelle. Und das mitten im Aufschwung.

Gegenüber dem starken ersten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft zwischen April und Juni allenfalls um 0,4 Prozent zugelegt haben. Denn auch wenn die Stimmung in den Unternehmen weiter positiv bleibt: Die letzten „harten“ Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland deuten auf eine spürbare Abschwächung des Wachstums hin.

Quelle: DIW

Allerdings wagen auch die Forscher wieder einen Schuss ins Blaue und hoffen, dass sich durch Zuwächse bei Beschäftigung und Einkommen auch der Konsumbeitrag bessern werde.

„Die anziehende Beschäftigung und steigende Löhne werden den Konsum in den nächsten Quartalen voraussichtlich mehr und mehr anschieben.“ 

Da wären wir dann wieder bei den Neigungen und Launen, die bei der Kaffeesatzleserei der GfK herausgekommen sind. Denn es gibt schon einen qualitativen Unterschied zwischen Beschäftigungszuwächsen und der Art der Beschäftigung. Ein weiterhin von der Politik geförderter Niedriglohnbereich wird kaum zu einer Steigerung des Konsums beitragen und nominell unterhalb der Teuerungsrate steigende Löhne auch nicht. Denn das bedeutet noch immer reale Lohnkürzung.

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Die Linke und ihr mehr Netto vom Brutto

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In seinem Newsletter schreibt Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion Die Linke, über die Steuersenkungskampagne der Bundesregierung und bezeichnet die Pläne als Rettungsprogramm für die FDP. Dagegen stellt er die Position der Linken und meint:

Wir wollen wirklich mehr Netto vom Brutto für die Menschen, die hart für ihr Einkommen arbeiten. Und diejenigen, die hohe Einkommen beziehen, sollen wieder so zur Kasse gebeten werden, wie das zu Kohls Zeiten üblich war! Dies bedeutet, dass der Spitzensteuersatz von 42 wieder auf 53 Prozent ansteigt.

Quelle: Michael Schlecht

Was mich daran stört, habe ich unterstrichen. Was soll dieser Griff in die FDP-Mottenkiste? Warum beschäftigt sich die Linke überhaupt mit der Steuersenkungsnebelkerze der Bundesregierung, die zum wiederholten Mal von Finanzminister Schäuble einfach einkassiert wurde?

Klar, man kann sich mit der Anhebung von Spitzensteuersätzen beschäftigen und auch über die kalte Progression sprechen, wie sie von allen Seiten nach eigener Interpretation diskutiert wird, doch man kann sich von den PR-Strategen der Bundesregierung nicht ernsthaft eine Debatte über Steuersenkungen aufschwatzen lassen und darüber hinaus vergessen, dass nicht mehr Netto vom Brutto die Lösung der sozialen Frage darstellt, sondern wohl eher mehr Brutto für die Beschäftigten, die seit Jahren Reallohnverluste hinzunehmen hatten.

Immer mehr Menschen, die durch die politisch gewollte Expansion des Niedriglohnsektors von ihren Einkünften nicht mehr leben können, obwohl sie Vollzeit hart arbeiten, in prekären Beschäftigungsverhältnissen verharren, in der Leiharbeit, in Teilzeit oder aber in die Arbeitslosigkeit ausgelagert wurden, können gar kein Interesse an niedrigeren Einkommenssteuern haben, sondern allenfalls daran, dass ihnen die indirekte Steuerlast (Mehrwertsteuer), denn die muss jeder zahlen, egal wie viel oder woher er seine Einkünfte bezieht, abgenommen wird.

Komischerweise spricht der Chefvolkswirt der Linken die in der Vergangenheit betriebene Verschiebepraxis von den direkten zu den indirekten Steuern überhaupt nicht an. Dabei wäre hier ein Angriffspunkt, um das taktische Manöver der Bundesregierung für jeden Laien sichtbar zu machen. Denn immer wenn es heißt, der Staat braucht Geld, wird an der Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Ökosteuer, Tabaksteuer usw. gedreht. Eine Erhöhung garantiert Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Wenn es aber heißt, der Staat habe wegen unerwartet hoher Einnahmen soviel Spielraum, dass er über eine Steuerentlastung etwas an die Bürger zurückgeben könne, wird ständig eine Reform der Einkommenssteuern in Betracht gezogen. Warum?

Quelle: Monatsbericht (Juni 2011) des BMF

Derzeit haben die indirekten Steuern, die keinerlei Progression unterliegen immer noch einen deutlich höheren Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Geringverdiener werden gemessen an ihrem Einkommen, das sie nahezu komplett verkonsumieren müssen, deutlich höher mit diesen indirekten Abgaben belastet, als jene mit hohen Einkommen, die jede Verschiebung in Richtung Flat Tax nur begrüßen können, weil sie dadurch noch mehr Steuern sparen. Die Zusammensetzung des Steueraufkommens und die darin enthaltene ungerechte Verteilung ist viel wichtiger, als sich an einer sinnlosen Diskussion um Einkommenssteuersenkungen zu beteiligen.

Noch besser wäre allerdings, die Einkommensentwicklung nicht völlig aus dem Blick zu verlieren. Denn unser Problem sind doch nicht zu hohe Einkommenssteuern bei Geringverdienern, sondern viel zu niedrige Löhne und unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

Es ist schade, dass sich die Linke auf dieses alberne Spiel, die FDP irgendwie in den Schlagzeilen zu halten, eingelassen hat.

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Das Statistische Bundesamt zum Handelssaldo mit Griechenland

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In einer aktuellen Meldung des statistischen Bundesamts heißt es:

Ausfuhren nach Griechenland im Jahr 2010 weiterhin rückläufig

Im Jahr 2010 wurden Waren im Wert von rund 5,9 Milliarden Euro von Deutschland nach Griechenland ausgeführt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, sind damit die deutschen Exporte nach Griechenland gegenüber 2009 deutlich zurückgegangen (– 10,2%), während gleichzeitig die Ausfuhren in die EU insgesamt um 15,5% gestiegen sind.

Die Einfuhren aus Griechenland haben sich im Jahr 2010 hingegen deutlich erholt und lagen mit rund 2,0 Milliarden Euro um 13,4% über den Vorjahresimporten.

Deutschland hat in den letzten Jahren jeweils sehr viel mehr Waren nach Griechenland ausgeführt als von dort bezogen – der Handelsbilanzsaldo fiel somit durchweg positiv aus. Im Jahr 2010 belief er sich auf rund 4,0 Milliarden Euro.

Quelle: destatis

Ich würde dazu sagen, für Griechenland fiel der Handelsbilanzsaldo somit durchweg negativ aus!

Im Ergebnis haben die Griechen ihr Leistungsbilanzdefizit behalten, während die Deutschen, trotz des Rückgangs der Ausfuhren ihren Überschuss behaupten und sogar weiter ausbauen konnten, weil andere Handelspartner mehr deutschen Waren abgenommen haben als zuvor. Was ist daran nun toll? Mit Blick auf die europäische Finanzkrise heißt das doch, dass sich an den bestehenden Ungleichgewichten nichts geändert hat.

Während Deutschland weiter Exporterfolge feiert – und die Statistiker feiern, wie es scheint, erleichtert mit – laufen bei den europäischen Partnern weiter Defizite auf, die unterm Strich die Krise weiter verschärfen. Auf Dauer wird sich Deutschland auf Transferzahlungen in Milliardenhöhe einstellen müssen, wenn es die anderen Volkswirtschaften, die mit dem Euro die gleiche Währung nutzen, daran hindert, sich zu entwickeln. Wenn Deutschland nicht bereit ist, etwas von seinen Marktanteilen abzugeben, wird die Eurozone nur mit Hilfe von Transferleistungen deutscher Steuerzahler weiterexistieren können.

Die Forderungen, die der Gläubiger Deutschland gegen Griechenland und all jene Euro-Staaten mit einem Mittelmeerstrand angehäuft hat und immer noch anhäuft, und für die die deutschen Arbeitnehmer den Gürtel stets enger schnallen mussten, erweisen sich gerade mit Blick auf Griechenland als halt- und wertlos. Von einer guten Wettbewerbsposition können sich die deutschen Arbeitnehmer nichts kaufen. Das geht nur mit höheren Einkommen. Die werden aber weiterhin verweigert.

So ist es dann auch kein Wunder, wenn Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsfachleute bereits eine Abkühlung der Konjunktur registrieren.

Die aktuellen Konjunkturdaten zeigen einen verhaltenen Start der deutschen Wirtschaft in das 2. Quartal. Damit setzt sich der Aufschwung mit geringerem Wachstumstempo als zu Jahresbeginn fort.

Quelle: BMF

Erstmals seit 2009 verlangsamt sich in vielen Ländern der Euro-Zone das Wachstum – und zwar deutlich. An Warnsignalen für eine bedrohliche Entwicklung mangelt es nicht. Doch die Notenbank schläft.

Quelle: FTD

Die deutsche XXL-Lokomotive fährt eben nicht von allein oder mit deutschem Wein aus der Pfalz, sondern nur so lange, wie die anderen sich verschulden und die Kohle zum Verheizen liefern.

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Nachtrag zum Sterbezwang für Griechenland

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Zunächst einmal möchte ich auf Jens Bergers Beitrag Staatsfinanzierung als Subvention des Finanzsektors auf den NachDenkSeiten hinweisen. Darin zeigt er anhand der Unterschiede zwischen Zentralbankleitzins und Marktzins die glänzenden Verdienstmöglichkeiten von privaten Banken und deren Eigentümern. Der Niedergang Griechenlands sei ein prächtiges Geschäft für die privat organisierte Finanzmarktbranche.

Für die Banken ist dies nicht nur ein relativ sicheres, sondern vor allem sehr lukratives Geschäft. Das Geld für die Staatsanleihen leihen sie sich bei der EZB zum Leitzins von 1,25%. Die gekauften Anleihen können sie dann bei der EZB als Sicherheit hinterlegen, um sich für andere Finanzmarktgeschäfte frisches Geld zum Leitzins zu leihen. Ohne nennenswerte Eigenleistung kassieren die Banken bei diesem Geschäft somit die Differenz zwischen dem Leitzins und dem Nominalzins der Staatsanleihe.

Das ist die Geschichte mit dem Dieb, der vor dem Haus, in das er eingebrochen ist, einen Stand aufbaut und ganz legal die gestohlenen Gegenstände an den Eigentümer verkauft. Die Tatsache, dass der Staat sich noch immer über die Finanzmärkte refinanziert, anstatt sich das Geld, das schließlich ihm gehört (auf den Banknoten war noch nie das Konterfei von Josef Ackermann zu sehen) bei seiner Zentralbank selbst zu besorgen, ist ein systemisches Problem, das die Frage aufwirft, ob eine Volkswirtschaft überhaupt einen privaten Bankensektor braucht.

Die Frage steht deshalb auf der Tagesordnung, weil die Banken ihre Aufgabe, ein Diener der Wirtschaft zu sein nicht erfüllen, sondern dem Zwang des freien Marktes unterliegen, sogar in den größten Finanzkrisen sich ausschließlich den Bedürfnissen ihrer Eigentümer zuzuwenden, die traumhafte Renditen für ihre Anteilsscheine einfordern. Dafür braucht es kriminelle Energie und die nötige Größe, um über die demokratisch gewählten Abgeordneten des Souveräns verfügen zu können.

Interessant ist natürlich der Gedanke, dass der Finanzmarkt im Grunde genommen auch nur eine Privatisierung einer an sich öffentlichen Aufgabe darstellt, durch die vor allem einige Wenige ständig profitieren und die große Mehrheit immer weiter verliert.

Man kann diesen Zustand vielleicht mit der Privatisierung der Altersvorsorge vergleichen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist unter dem Dach der Sozialversicherung organisiert und beinhaltet ein Umlagesystem, das, wenn man alle versicherungsfremden Leistungen abzieht, zu jedem Zeitpunkt funktioniert. Es werden Beiträge eingenommen und Renten ausgezahlt. Der ganze Vorgang kostet den Versicherten gerade einmal 0,5 Prozent seines Beitrags.

Nun wurde durch eine Reihe von Lügen behauptet, die gesetzliche Rente sei unsicher und müsse durch private Altersvorsorgeprodukte zum Teil ersetzt werden. Nur hat sich am Vorgang selbst überhaupt nichts geändert. Es gibt Menschen, die Beiträge einzahlen und Menschen, die eine Rente erhalten. Das verfügbare Geld wird also genauso umgelegt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es gibt nur einen Unterschied. Für die privaten Finanzdienstleister ist dieses Geschäft mit umgeleiteten Beiträgen eine – wie hatte sich Carsten Maschmeyer so schön ausgedrückt? – Ölquelle, die man nur anbohren müsse.

Der Grund sind die Provisionen und Kosten, die für solch ein privates Produkt vom Versicherten bezahlt werden müssen. Für den nunmehr Kunden bedeutet das im Klartext, dass er statt die 0,5 Prozent, die ihm die gesetzliche Rentenversicherung von seinem Beitrag zur Deckung ihrer Verwaltungskosten abzweigt, bei der privaten Assekuranz einen deutlich höheren Anteil zu tragen hat. Wenn man die Riesterförderung herausrechnet, die ja letztlich vom Steuerzahler aufgebracht werden muss, belaufen sich die Kosten privater Versicherer zwischen 10 und 40 Prozent des Beitrags. Den günstigsten Anbieter finden sie dann unter großem Tamtam bei der Stiftung Warentest und ihrem Ableger Finanztest.

Leider vergessen die Warentester und Verteidiger des Wettbewerbs immer wieder, darauf hinzuweisen und aufzuführen, dass die gesetzliche Rentenversicherung als günstigster Anbieter von allen, die sicherste Rendite verspricht, weil sie weder in riskante Aktien und Fonds noch in bisher als sicher geltende Anlagen wie Staatsanleihen investiert, sondern einfach immer nur umlegt, was an Beiträgen hereinkommt, die wiederum durch das Wachstum des Volkseinkommens (BIP) und der Beschäftigungssituation insgesamt bestimmt werden.

Wächst die Volkswirtschaft, wachsen auch die Renten. Die Altersbezüge können aber nie über das Maß hinaussteigen, das private Finanzdienstleister vorgaukeln müssen, um die Rentenlücken wieder auffüllen zu können, die eine auf bewusste Zerstörung der Sozialsysteme ausgerichtete Politik mit mutwillig herbeigeführten Rentenkürzungen erst gerissen hat.

Banken können mit ihren Erträgen nun auch nicht einfach so über das Maß hinaussteigen, als es das Wachstum des Volkseinkommens zulässt. Wer das Gegenteil behauptet und in unverschämter Weise Traumrenditen von beispielsweise 25 Prozent für seine Eigentümer verspricht und tatsächlich auch erreicht, agiert kriminell. Nicht ohne Grund sitzt die Deutsche Bank in den USA, ihrem Hauptspielfeld, was Investmentbanking angeht, auf der Anklagebank. Warum nicht hier?

Genauso wenig wie man Banken braucht, die riskante Spekulationsgeschäfte betreiben und absichern, braucht man auch nicht deren Vertrauen, das die politischen Hampelmänner und Frauen, nachdem sie so viele Milliarden Euros zur Rettung der Finanzinstitute verschleudert haben, wieder zurückgewinnen wollen, damit sich Staaten wie Griechenland am Finanzmarkt, den es eben nicht braucht, wieder selbst refinanzieren können.

Gestern hatte ich mit Blick auf Schäubles Forderung nach freiwilliger Beteiligung der Gläubiger und deren Antwort, die Freiwilligkeit nur gegen Staatsgarantien eintauschen zu wollen, gefragt, ob die Aufführung zur Verdummung der Massen eigentlich noch lächerlicher werden könne. Und sie kann.

Angesichts des Misserfolgs von Sparpaket Nummer 1 und in gleichzeitiger Erwartung von Sparpaket Nummer 2, dessen Umsetzung nach dem gestrigen Vertrauensbeweis für Ministerpräsident Papandreou wahrscheinlicher geworden ist, schlagen nun dieselben EU-Finanzfachleute plus EU-Kommissionspräsident Barroso vor, der griechischen Wirtschaft mit einer Art Konjunkturprogramm unter die Arme zu greifen. Also absurder geht es ja nun wirklich nicht mehr. Erst macht man die Wirtschaft durch ein Sparprogramm kaputt, dann lässt man ein zweites vorbereiten und gleichzeitig verkündet man, die kaputte Wirtschaft mit EU-Geldern stützen zu wollen. An eine Milliarde hatte Barroso da übrigens gedacht.

Man muss sich das aber mal vorstellen. Die Rettung der Banken und eines kriminellen Systems, in dem einige wenige profitieren, das von falschen Preisen, Zinsen und noch falscheren Ratings bestimmt wird, in dem die Spekulation sämtliche Märkte erfasst zu haben scheint und gigantische Summen aus der realen Wirtschaft gepresst werden, sei es durch das Bezahlen von falschen Preisen oder durch das Begleichen der unvermeidlichen Verluste, diese Rettung der Interessen Weniger hat Vorrang vor einer Volkswirtschaft, in der Millionen von Menschen leben.

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Ahnungslose Finanzpolitiker: Ein Beispiel für die gefährliche Dogmengläubigkeit in Zeiten der Finanzkrise

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Griechenland steht am Abgrund. Was soll die Politik tun? Wenn man sich anschaut, was in den letzten Tagen alles passiert ist, könnte man vor Wut in den Sack hauen. Ein Krisengipfel ohne Ergebnis, Ratingagenturen mit Buchstabensuppe und eine offensichtlich geistig abgerüstete Elite im Staatspleitenfieber, die sich bereitwillig auf dem Altar der internationalen Finanzmärkte opfern will, weil sie glaubt, dann genau das Vertrauen jener Märkte zurückgewinnen zu können, die den ganzen Schlamassel im freien, durch Steuergelder abgesicherten, spekulativen Spiel der Kräfte erst angerichtet haben.

WARUM ZUM KUCKUCK?

Der Staat ist nicht mehr Herr im eigenen Haus und so treten dann auch Politiker auf, die, anstatt dafür zu sorgen, dass der Einbrecher gefasst wird und hinter Gitter wandert, ihm lieber dabei zusehen, wie er das gesamte Haus ausräumt und anschließend gegen eine Gebühr die zeitlich befristete Rückgabe der geklauten Gegenstände an den Besitzer geschäftlich legal betreiben darf.

Nichts anderes geschieht im Moment. Der Finanzmarkt, also private Geschäftsbanken, Hedgefonds, Spekulanten usw., im folgenden Diebe genannt, füllen ihre Kassen mit billigem Geld, das sie von den Notenbanken der Staaten erhalten. Damit sollen sie eigentlich Kredite an die Wirtschaft vergeben und die Konjunktur ankurbeln. Doch die Diebe denken nicht daran, in die Wirtschaft zu investieren, sondern nehmen das Geld und verleihen es gegen eine entsprechende Gebühr – deren Höhe sie selber festlegen und von der jeder glaubt, sie sei seriös, weil sie am Markt gebildet wurde – an genau jene Staaten zurück, von denen sie es erhalten haben. Dann spekulieren sie gegen diese Staaten und ziehen deren Kreditwürdigkeit in Zweifel. 

Ein tolles Geschäftsmodell, weil es satte Gewinne verspricht und keinen der gewählten Staatenlenker stört. Für sie zählt nur das Dogma vom Markt, von der Unantastbarkeit der Forderungen und von der Unabhängigkeit der Zentralbanken. Sie tun alles, um die Gewinne der Investoren abzusichern, und sie tun nichts gegen die reale Zerstörung von Volkswirtschaften und ganzen Gesellschaften.

Die Staaten ordnen sich dank unfähiger Politiker und peinliche Banker im öffentlichen Dienstverhältnis wie Jens Weidmann den Geschäftsbanken bloß unter, anstatt diese von ihrer einst politisch organisierten privilegierten Stellung innerhalb der Finanzarchitektur endlich zu entbinden. Wenn private Banken, große Fonds und Spekulanten bloß Spiele betreiben, anstatt ihrer dienenden Funktion der Volkswirtschaft gegenüber nachzukommen, ist das durch nichts zu rechtfertigen. Besonders dann nicht, wenn die Staaten selber für die Verluste in diesem Spiel bereitwillig einstehen und ihre volkswirtschaftliche Entwicklung nachhaltig gefährden. An dieser Stelle versagt die Politik vor einem ressourcenverschwendenden System, in dem kriminelle Energie belohnt wird, die nötig ist, um hohe Eigenkapitalrenditen zu erzielen.

Die Politik will aber nicht wahrhaben, dass sie noch immer einer Marktgläubigkeit folgt, deren scheinbare Gesetzmäßigkeiten von den Profiteuren der Finanzkrise selbst bestimmt und verbreitet werden.

Das eigentliche Geschäft der Banken kann der Staat auch selber machen. Das setzt aber voraus, dass zum Beispiel die Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht als Naturgesetz betrachtet wird. Besonders die EZB ist von der Konstruktion her nur darauf bedacht, die Stabilität des Geldes zu überwachen, nicht aber Beschäftigung und Wachstum innerhalb des Wirtschaftsraums. Sie hat demzufolge einen falschen Auftrag, der korrigiert werden muss, weil sie nur etwas vom Bremsen verstehen will, nicht aber von der Beschleunigung. Würde sie davon etwas verstehen wollen, wären die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone ein größeres Thema und die verordnete Sparpolitik der wiederauferstandenen Brüning’schen Deflationspolitiker wäre wahrscheinlich als großer und gefährlicher Blödsinn längst enttarnt.

Stattdessen wird das Versagen geleugnet und einer Erhöhung der Giftdosis das Wort geredet. Erkenntnisgewinn gleich null. Und hier das angekündigte Beispiel mit der ahnungslosen stelv. finanzpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Ingrid Arndt-Brauer:    

Zagatta: Jetzt drohen Rating-Agenturen, die ja eine gewaltige Macht haben, jetzt schon damit, eine Beteiligung privater Gläubiger wie einen Zahlungsausfall zu werten. Kann man das dann ernsthaft erwarten, denn das könnte ja auch zur Katastrophe führen?

Arndt-Brauer: Also ich bin von Rating-Agenturen mehrmals enttäuscht worden. Die haben uns im Finanzausschuss, kurz bevor die Finanzkrise ausbrach, überhaupt keine Hinweise auf die Finanzkrise dargelegt. Also ich bin immer der Meinung, man sollte die Macht von Rating-Agenturen dadurch brechen, dass man ihr was entgegensetzt. Also wenn man sagt, die EU steht zu Griechenland und die EU hilft Griechenland, dann müsste das eigentlich für die Märkte überzeugender sein, als wenn eine Rating-Agentur irgendwelche Buchstaben in die Welt posaunt. Und ich würde gerne ein starkes Europa, ein vereintes Europa im Ziel, Griechenland zu helfen, diesen Rating-Agenturen entgegensetzen.

Zagatta: Jetzt sagt aber selbst der Bundesbankpräsident Weidmann heute, dass die EZB, also die Europäische Zentralbank, keine weiteren Risiken eingehen darf, also griechische Staatsanleihen aufkauft, oder die Laufzeit verändert. Wenn das der Kurs ist, was kann man dann von privaten Banken noch erwarten?

Arndt-Brauer: Ja, ich bin weit davon entfernt, zu versuchen, Einfluss auf die EZB zu nehmen. Das ist eine unabhängige Institution, genau wie unsere Bundesbank auch, die müssen ihre Politik machen, wir machen unsere Politik. Und ich denke, wir haben die Möglichkeit, politisch zu entscheiden, ob wir Griechenland helfen, wie wir Griechenland helfen, welche Bedingungen wir setzen für Griechenland, und ob es Griechenland wirklich schafft, auch Kredite wieder zurückzuzahlen. Das liegt auch an der Inlandsnachfrage, das liegt an anderen Bedingungen, die man Griechenland auferlegt. Ich denke schon, dass die Privatbanken oder die Privatgläubiger – es sind ja auch Versicherungen dabei – ihre Entscheidung unabhängig von der EZB machen, wenn sie wissen, es steht Geld als Bürgschaft von Steuerzahlern zur Verfügung.

Zagatta: Aber damit übernimmt ja wieder der Steuerzahler das Risiko, nicht die Banken?

Arndt-Brauer: Es ist nicht mein Wunschdenken, dass der Steuerzahler das Risiko übernimmt, aber ich befürchte, dass er das teilweise machen muss. Ich wünsche mir natürlich, dass die Banken beteiligt sind, aber wie gesagt kann ich als Politiker nicht die EZB zwingen. Man kann appellieren, man kann sagen, Leute, IWF, EZB und der Steuerzahler sollten sich das Risiko teilen, aber wie gesagt, das sind teilweise doch sehr unabhängige Institutionen, die man da nicht verpflichten kann, wo man nur appellieren kann.

Quelle: dradio

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Konjunkturdaten: Deutschland hat Europa ruiniert, nun zieht die Exportwirtschaft weiter

Geschrieben von:

Das statistische Bundesamt hat diese Woche wieder eine Reihe Konjunkturdaten vorgelegt. Die Einzelhandelsumsätze sind im April gestiegen, die mit spezieller Methode gemessene Arbeitslosigkeit hat im Mai die 3 Millionenmarke wieder unterschritten. Die vorherrschende Meinung ist weiterhin vom Aufschwung überzeugt, obwohl die Zweifel an der Richtigkeit nach wie vor angebracht sind. Die Umsätze im Einzelhandel sind im April gestiegen. Wie das statistische Bundesamt in seiner Meldung selber formuliert, handelt es sich dabei um ein Abbild des Ostergeschäfts.

Bei diesem Ergebnis ist zu berücksichtigen, dass in diesem Jahr das Ostergeschäft zum größten Teil in den Monat April fiel, während im Vorjahr die Osterfeiertage schon Anfang April lagen und daher der Hauptteil der Ostereinkäufe bereits im März 2010 getätigt wurde. 

Quelle: destatis

Der Blick auf die Grafik zeigt, dass Euphorie über wachsenden privaten Konsum immer noch nicht angebracht ist. Im dunklen Konsumkeller ging es eine Treppenstufe nach oben, mehr nicht.

Einzelhandel bis April 2011

Zur Arbeitsmarktstatistik ist alles gesagt. Die Zahlen der Bundesagentur kommen auf höchst mysteriöse Art und Weise zu Stande. Die Behörde zählt bzw. schätzt nach einer ganz eigenen Methode und meint, dass nicht alle erwerbslosen Personen auch zwangsläufig als arbeitslos gelten müssen. Das ist hinlänglich bekannt. Auch dieses Mal habe ich mir den Monatsbericht der Bundesagentur angeschaut, und mir ist aufgefallen, dass die Bezugszahlen aus dem letzten Monat geändert wurden und zwar nach oben.

Laut Monatsbericht vom April 2011 wurden gezählt/geschätzt:

  • ALG I: 831.356 
  • ALG II: 4.751.306 
  • Sozialgeld: 1.763.503 

Im aktuellen Bericht (Seite 52) steht nun für den April:

  • ALG I: 841.280 (+10.000)
  • ALG II: 4.752.557 (+1251)
  • Sozialgeld: 1.764.330 (+827)

Das Problem mit dem Schätzen ist halt immer, dass man selten ins Schwarze trifft. Zudem besteht bei der Arbeitslosenzahl ein politisches Interesse, geschätzte Werte möglichst niedrig zu halten. Das hat den Vorteil, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit im nächsten Monat höher ausfällt, wenn man dann die tatsächlich gemessenen Zahlen als Basis nimmt. Wer schaut schon genauer in die Statistik und vergleicht geschätzte mit realen Werten. Die Unterschiede sind jetzt nicht groß, dennoch halte ich es für wichtig, darauf hinzuweisen, mit welcher Methode die Bundesagentur arbeitet. Es wird mehr hochgerechnet als tatsächlich gezählt.

Für den Mai (Seite 52) sehen die Daten im Augenblick wie folgt aus:

  • ALG I: 775.320 (-65.960)
  • ALG II: 4.725.140 (-27.417)
  • Sozialgeld: 1.755.370 (-8.960)

Insgesamt beziehen 7.255.830 ALG I,II oder Sozialgeld. Festzuhalten bleibt, dass die offizielle Arbeitslosenzahl offenbar schneller sinkt (-118.000 im Vergleich zum April), als die Zahl der realen Transferleistungsempfänger (-102.337). Offiziell als arbeitslos ausgewiesen, werden 2.960.112 Personen. Das sind 53,8 Prozent aller Arbeitslosengeldempfänger (5.500.460). Der Rest, 2.540.348 (46,2 Prozent), wird nicht als erwerbslos gezählt. Die Gründe sind bekannt.

Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist auf über 33 Prozent gestiegen. Das größte Plus bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verzeichnet noch immer die Arbeitnehmerüberlassung (+162.000 oder +27,2 Prozent). Seltsamerweise wird die Branche in der Grafik (Seite 8) nicht mehr aufgeführt.

Interessant ist nun die Entwicklung der deutschen Handelsbilanz. Wie das statistische Bundesamt mitteilte, ist der Güteraustausch mit den Krisenländern der Eurozone mehr oder weniger eingebrochen.

Griechenland nahm hingegen weniger deutsche Waren ab als im ersten Quartal 2010 (– 12,6% auf 1,3 Milliarden Euro). Die deutschen Warensendungen nach Spanien (+ 6,6% auf 9,1 Milliarden Euro), Belgien (+ 7,8% auf 12,4 Milliarden Euro), Irland (+ 14,0% auf 1,2 Milliarden Euro) und Portugal (+ 14,0% auf 1,9 Milliarden Euro) erhöhten sich wertmäßig weniger stark als im Durchschnitt der Euro­zone.

Quelle: destatis

Das macht aber nichts, weil die deutsche Exportwirtschaft einfach weiterzieht. Derzeit stehen die Türkei, Russland und China sehr weit oben auf der Liste. Seit dieser Woche auch Indien, die ja in Zukunft Kampfflugzeuge auf Kredit bei uns kaufen sollen. Das wurde uns schlagartig bewusst, als Angela Merkel in ihrem Regierungsflieger über der Türkei ein paar Extrarunden drehen musste.

Europa ist praktisch ruiniert, die Karawane zieht weiter. Der Unterschied zur Eurozone besteht nun aber darin, dass die soeben aufgezählten Länder eigene Währungen haben. Sollte Deutschland so weitermachen wie bisher, werden diese mit einer Anpassung der Wechselkurse reagieren müssen, um den absehbaren Defiziten in der Handelsbilanz entgegenzuwirken. Wer also daran glaubt, den deutschen Wettbewerbsvorteil dank hiesiger Lohnzurückhaltung dauerhaft aufrechterhalten zu können, dürfte sich spätestens dann eines besseren Belehren lassen.

Allerdings habe ich da so meine Zweifel. Für einige “Experten” scheinen noch genug Löcher auf dem Gürtel zu sein, den sich die Menschen Jahr für Jahr enger schnallen müssen.  

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