Europa in der Dauerkrise

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Nach den Personalentscheidungen in Brüssel dürfte die Wirtschaftspolitik in der kommenden Woche wieder eine Rolle spielen. Das neoliberale Weltbild ist erschüttert, denn die versuchte Sparsamkeit ist teuer. Neue Schulden wären billiger.

Am Donnerstag tagt der Rat der EZB. Thema ist die Dauerkrise in der EU. Denn deren Wirtschaftsleistung stagniert im zweiten Quartal, was am Mittwoch durch die offizielle Schätzung der Statistiker noch einmal deutlich werden dürfte. Deutschlands BIP ist im zweiten Quartal sogar geschrumpft. Die selbsternannte Wachstumslokomotive hat den Rückwärtsgang längst eingelegt.

Allein die Lokführerin Angela Merkel will es nicht wahrhaben und stellte vergangene Woche den EZB-Präsidenten Draghi am Telefon zur Rede. Der hatte nämlich auf einer Konferenz der Notenbanker vorsichtig angedeutet, dass Investitionsprogramme helfen könnten, die lahmende Konjunktur in der Eurozone wieder anzukurbeln.

Ordnungsruf für die Wirklichkeit

Solche spalterischen Gedanken ärgern die Berliner Eisenbahngesellschaft, die trotz Irrtums an ihren Sparversuchen festhalten will. Dazu gebe es keine Alternative, heißt es (t)rotzig. Und obwohl die Arbeitslosenquote in der Eurozone im Juli bei 11,5 Prozent verharrt und die Inflationsrate inzwischen nur noch 0,3 Prozent beträgt, lautet die einfache Formel durchhalten statt umdenken.

Wer auch nur in die Nähe eines vernünftigen Gedankens wankt, erhält sofort einen Ordnungsruf. In Frankreich wird gar eine ganze Regierung ausgetauscht. Minister mit eigener Meinung werden durch Minister mit der Meinung des Regierungschefs ersetzt. In Deutschland empfiehlt ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Schaffung eines lukrativen Fonds, der private Gelder für öffentliche Investitionen einsammeln soll.

Die schwarze wie heilige Haushaltsnull darf nicht umfallen und die Schuldenbremse nicht reißen. Wer genau hinschaut, stellt aber fest, dass das Ziel der Sparversuche krachend gescheitert ist. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Schulden, die mit strikter Austerität ja reduziert werden sollten, in der Eurozone neue Rekordstände erreicht. Gebremst wurde hingegen nur das Wachstum und damit jene Einnahmequelle, die Staaten in die Lage versetzt, ihre Schulden überhaupt zu bedienen.

Schulden so billig wie nie

Im August meldete das statistische Bundesamt, dass die öffentlichen Schulden der Bundesrepublik das erste Mal seit 64 Jahren gesunken sind. Die Medien erweckten daraufhin den Eindruck, dass Deutschland erstmals Schulden zurückbezahle oder tilge.

Das ist natürlich grober Unfug, da ein Land ständig seine Schulden zurückzahlt und zwar immer dann, wenn die Laufzeit von Anleihen abgelaufen ist, der Gläubiger also seine Kohle zum vereinbarten Termin nach ein paar Monaten oder zehn Jahren wiedersehen will. Woher nimmt der Staat das Geld? Er leiht es sich. In letzter Zeit geht das zu sehr günstigen Konditionen, weil die EZB mit Draghi an der Spitze notfalls für alle Anleihen bürgt.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Refinanzierung dieser Schulden deutlich billiger ist, als vor der Krise. Die laufenden Kreditkosten, also Zinsen, die aus dem Haushalt bezahlt werden müssen, sinken. Im Fall Deutschlands ist das der Grund für die schwarze Null. Schäuble hat nicht gut gewirtschaftet, sondern profitiert vielmehr vom Zinsvorteil, den ihm die EZB gewährt. Er tilgt alte Schulden mit günstigeren neuen Schulden. Mehr nicht.

Gewollte Sparsamkeit kann teuer werden

Gleichzeitig maulen er und Merkel aber herum, dass die lockere Geldpolitik der Zentralbank die Sparabsicht aller konterkariere und zum Schuldenmachen einlade. Nur, wer seine alten Schulden zurückzahlen will, muss neue Schulden machen. Wer darüber hinaus investieren will, muss noch mehr neue Schulden machen, bekommt im Gegenzug aber eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage insgesamt erhöht. Das heißt, der Schuldenstand sinkt in Relation zum BIP. Eine expansive Fiskalpolitik wie von Draghi sachte empfohlen, wäre die günstigste und eine nachhaltige Alternative.

Berlin lehnt das aber ab, weil es dem eigenen Weltbild widerspricht. Nur wer gar keine neuen Schulden machen und auch gar nicht investieren will, hat den Kapitalismus nicht verstanden und muss am Ende noch viel mehr neue Schulden machen, nur um die Substanz zu erhalten. Wirklich sparen kann also nur der, der Schulden regelmäßig macht und das Geld sinnvoll investiert. Stattdessen wollen Teile der Politik lieber der Finanzindustrie mit der absurden Idee höherer Zinsversprechen im Rahmen eines Fonds zu einem Geschäft verhelfen, nur um den Anschein zu vermeiden, eigene Schulden aufnehmen zu müssen.

Der Vorteil beim Weg über einen Fonds liegt natürlich auf der Hand. Seine vergleichsweise hohen Kosten taugen als Begründung für kommende Kürzungsrunden, die dem Mantra der Sparsamkeit und damit dem zerbröselten Weltbild wieder entsprechen. Dass dafür Ressourcen sinnlos verplempert bzw. Geld von unten nach oben umverteilt werden müssen, geschenkt. Wer übrigens Schulden abbauen will, muss das Vermögen reduzieren. Steuern zu erhöhen, wäre da ein probates Mittel, das aber seit der letzten Wahl quasi ausgeschlossen ist. Über Steuererhöhungen redet man nicht mehr. Damit ist an dieser Stelle eines sicher: Die Krise bleibt von Dauer.

Noch ein Lesetipp: Heiner Flassbeck fasst die Lage sehr viel besser zusammen.

http://www.flassbeck-economics.de/was-im-august-wichtig-war/


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Wer mehr Zinsen will, muss mehr Schuldner akzeptieren

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Sparkassenkleinhirne kritisieren die Zinspolitik der Zentralbank und jammern über niedrige Zinsen, die keinen Anreiz zum Sparen böten. Dabei sind Sparer das Letzte, was die Welt jetzt braucht.

Morgen entscheidet die EZB über weitere Schritte in Sachen Zinspolitik. Beobachter halten eine erneute Senkung des Leitzinses für möglich. Da schrillen die Alarmglocken, vor allem beim Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Fahrenschon. Er spricht von falschen Signalen, verlorenen Zinseinnahmen für Sparer und deren Enteignung, insbesondere mit Blick auf die so schön ausgedachten Altersvorsorge-Konzepte auf Kapitalmarktbasis. Niedrige Zinsen gäben keinen Anreiz mehr zum Sparen, ruft er in die Welt hinaus. Dabei sind Sparer das Letzte, was die Welt jetzt braucht.

Sparer hat die Welt genug, was fehlt, sind die Schuldner. Und genau deshalb arbeiten sich die Währungshüter seit Bestehen der Krise, welche von deutschen Kleinsparhirnen wie Fahrenschon offenbar kaum zur Kenntnis genommen wird, an der Frage ab, wie es zu höheren Investitionen in die Realwirtschaft kommen kann. Denn nur wenn die Investitionstätigkeit anspringt und mehr Kredite nachgefragt würden, gäbe es auch mehr Schuldner und damit höhere Zinsen für Sparer.

Allerdings plagt sich Europa mit einer eklatanten Nachfrageschwäche herum. Es lahmt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und es lahmt die Nachfrage nach Krediten. Alle Sektoren der Volkswirtschaft sparen oder verfolgen die Absicht weniger Geld auszugeben. Staat, Unternehmen und private Haushalte wollen ihre Bilanzen bereinigen. Die Folgen sind fatal, aber nicht unbekannt. Japan hat das in den 1990er Jahren durchgemacht. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Koo analysierte die Epoche und fand den Begriff „Bilanzrezession“ (Unter anderem nachzulesen in „Handelt Jetzt!„). Auf die steuert auch Europa zu.

Der brutale Austeritätskurs, den die Bundesregierung zum tugendhaften Leitbild einer höchst seltsamen Wirtschaftspolitik erklärt hat, trägt Früchte, die den Sparern nicht schmecken können. Nur wird dies als Ursache schlichtweg übersehen. Auch Fahrenschon wie viele Sparkassen-Banker unter ihm verweigern eine Analyse der Krise und begnügen sich damit, die Zentralbank für ihr Handeln zu kritisieren. Sie jammern nur herum: Wegen der laschen Regulierungen, die auch sie betreffen und wegen der niedrigen Zinsen, die ihre Kunden betreffen. Gleichzeitig besitzen sie aber die Chuzpe, für die Kontoüberziehung mehr als zehn Prozent vom Schuldner zu verlangen, der bei ihnen in der Regel Gläubiger ist.

Vielen ist das ja gar nicht bewusst. Ein Guthaben bei der Bank heißt nichts anderes, als dass sich die Bank in der Höhe des Guthabens beim Kontoinhaber verschuldet. Verschuldet der sich aber umgekehrt bei der Bank, weil sein Konto ins Minus rutscht, sind unerhörte Zinsen fällig. Hier wäre der erste Ansatz für eine Korrektur. Zum zweiten richtet sich die Kritik der Banker an die falsche Adresse. Die Zentralbank reagiert mit ihrer Zinspolitik (ja fast hilflos) auf eine Gefahr. Und die heißt Deflation. Für einige ist das nur überhaupt nicht dramatisch. Sie finden, wenn die Preise um lediglich 0,7 Prozent steigen, stärke das die Einkommen insgesamt. Ein fataler Irrtum.

Denn die Wirtschaft wird geschwächt. Die Wachstumsrate der Eurozone liegt nur noch bei 0,2 Prozent. Vor allem im Süden Europas brechen die Ökonomien unter der Last des Spardiktats zusammen. Und jetzt kommt die spannende Frage.

„Warum sollten die Unternehmen in den Euro-Krisenländern Kredite aufnehmen, wenn sie weiterhin flaue Umsätze erwarten? Unternehmen fragen nur dann Kredite für Investitionen nach, wenn sie davon ausgehen, dass die von ihnen produzierten Konsum- oder Kapitalgüter von privaten Haushalten und anderen Unternehmen gekauft werden. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass sie aus einer Situation der Unterauslastung der Kapazitäten heraus ihre Investitionen erhöhen, wenn der vorhandene Kapitalstock vollständig ausreicht, die aktuelle (rückläufige) Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zu befriedigen.“

(siehe Günther Grunert, via NachDenkSeiten)

Die Kritik der Sparkassen sollte sich daher weniger an die Adresse der Zentralbank richten, als vielmehr an die Adresse der Kanzlerin, die zusammen mit ihrem Finanzminister und einer zum bloßen Schoßhund degradierten SPD den gescheiterten Austeritätskurs in Europa weiter fortsetzen will. Die Kanzlerin, die einst in lächerlicher Weise eine Garantie auf alle Spareinlagen abgab, sorgt mit ihrer Politik für jene Enteignung, die Banker und Sparer jammernd beklagen. Gleichzeitig singen alle brav das hohe Lied der privaten Altersvorsorge weiter, die nicht erst jetzt, im Angesicht niedriger Zinsen, sondern schon viel früher als fataler Irrweg hätte identifiziert werden müssen.

Doch das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge ist inzwischen auch zum Geschäft der Sparkassen geworden, weshalb gerade sie bei der anhaltenden Niedrigzinsphase um einen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit fürchten. Nur hilft das alles nichts: Wer höhere Zinsen will, braucht mehr Schuldner und diese Schuldner brauchen wiederum eine funktionierende Wirtschaft, in der die Nachfrageentwicklung ernst genommen wird. Aber das kann es nur geben, wenn eine Regierung auch etwas von Ökonomie versteht. Die Zentralbank allein wird das Ruder nicht herumreißen können. Soviel ist schon jetzt klar.

Im Übrigen: Wer sparen und Verschuldung abbauen will, kann das nur, wenn spiegelbildlich auch das Vermögen schrumpft. Denn das Vermögen des einen sind die Schulden der anderen. Insofern ist die beklagte Enteignung nur die logische Konsequenz einer verordneten Entschuldungspolitik in allen Sektoren.


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Frühjahrsprognose: Teuer bezahlte Falschmeldungen

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Statt wissenschaftlicher Beratung mit Substanz liefern die Wirtschaftsforschungsinstitute billige politische Propaganda ab, die der Steuerzahler teuer bezahlen muss.

Seit Jahren liefern die Ökonomen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Gutachten zur künftigen Entwicklung ab. Dabei gehen die Experten wahlweise von einem kräftigen Wachstum oder einem stabilen Aufschwung für das jeweils laufende Jahr aus. Mit ihrer Prognose liegen sie regelmäßig daneben. Sie wissen also kaum etwas. Dennoch maßen sich diese Experten an, auch etwas über das darauf folgende Jahr aussagen zu können, das, wie sollte es auch anders sein, immer noch besser erwartet wird, als das laufende. In diesem Jahr rechnen die Forscher mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,9 Prozent und für 2015 sollen es 2,0 Prozent sein.

Die Presse fällt darauf mal wieder herein und verbreitet die frohe Kunde vom steten Aufschwung, der sich aber meist aus nach unten korrigierten Prognosen speist. Doch statt danach zu fragen, warum sich die Experten ständig irren und selbst korrigieren müssen, hängen die Journalisten an deren Lippen und der Aussicht auf goldene Zeiten. Vor genau einem Jahr rechneten dieselben Ökonomen mit einem Wachstum von 0,8 Prozent für 2013. Tatsächlich herausgekommen ist die Hälfte von 0,4 Prozent. Es ist halt schwierig, alle Faktoren einer Ökonomie treffsicher vorherzusagen.

Was aber regelmäßig in die überflüssigen Gemeinschaftsgutachten hineingehört, ist eine neoliberale Botschaft. Widersprüche stören dabei nicht weiter, weil auch Journalisten sie nicht erkennen wollen. Da behaupten die Forscher zum Beispiel, der Aufschwung werde von der guten Binnenkonjunktur, also von steigenden Löhnen und Gehältern getragen. Gleichzeitig halten die Ökonomen eine abschlagsfreie Rente, die, wie der Name schon sagt, prinzipiell ein höheres Einkommen verspricht als eine Rente, die durch Dämpfungsfaktoren gekürzt wird sowie einen Mindestlohn, der auch ein höheres Einkommen für Menschen darstellt, die ansonsten für 1,54 Euro bei einem Anwalt legal beschäftigt werden dürfen für konjunkturelles Gift. Wie kann das sein?

Die Botschaft ist klar. Es geht gar nicht um einen seriösen Ausblick, sondern darum, die Politik unter Druck zu setzen und eine Abweichung vom neoliberalen Glaubensdogma zu unterbinden. Lobbyarbeit nennt man das für gewöhnlich. Der seriöse Anstrich der Institute verdeckt das nur. “Deutsche Konjunktur im Aufschwung – Gegenwind von der Wirtschaftspolitik”, so nennen die Forscher ihr Gutachten. Sie überzeugen aber nicht mit Sachverstand, sondern blamieren sich mit Lächerlichkeiten. So warnen die Experten zum Beispiel vor steigenden Preisen (Inflation), falls der Mindestlohn beschlossen würde. Dabei sind steigende Preise dringend nötig in einer Zeit der Deflation.  

Die Verbraucherpreise steigen nur noch minimal und bei den Erzeugerpreisen ist der Rückwärtsgang längst eingelegt. Die Warnung vor steigenden Preisen ist also völlig unangebracht. Überteuert ist nur das Gutachten, das die Bundesregierung zweimal im Jahr in Auftrag gibt. Sie liebe Leserinnen und Leser zahlen mit ihren Steuergeldern die Glaskugelweisheiten von sogenannten Experten, die sich ständig korrigieren müssen und statt Wissenschaft abzuliefern, politische Propaganda betreiben, die ganz im Sinne so mancher Arbeitgeberverbände ist. Klaus Ernst hat schon Recht, wenn er sagt: Da werde „Steuergeld für Ideologie verpulvert“.


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Mal wieder ein Tag der guten Stimmung

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Es ist erst ein paar Tage her, da meldete das Statistische Bundesamt lauter Umsatzeinbrüche. Im verarbeitenden Gewerbe wie auch im Einzelhandel will die Realität  einfach nicht zu den Erwartungen passen. Deutschland ging es im Dezember offenbar so gut, dass die Leute doch glatt das Einkaufen an Weihnachten vergessen hatten. Die Umsätze rauschten regelrecht in den Keller, ein reales Minus von 2,5 Prozent mussten die Einzelhändler hinnehmen. Den Medien war das kaum eine Meldung wert.

Heute war wieder der Tag der guten Stimmung. Und wie erwartet, hat es die Meldung der GfK zur “stabilen” Konsumlaune wieder in die Nachrichten geschafft. Hier ein Screenshot mit den Headlines zum Schlagwort “Kauflaune” bei Google News:

Kauflaune

Auch die Bundesregierung legte ihren Jahreswirtschaftsbericht vor. Nun freuen sich die Medien auf ein angeblich “kräftiges” oder wahlweise “robustes” Wachstum von 1,8 Prozent. Denn laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe die deutsche Wirtschaft auf einen stabilen und breit angelegten Erholungskurs eingeschwenkt. Das Bruttoinlandsprodukt, so Gabriel weiter, dürfte vor allem zulegen, weil es von der Binnenwirtschaft gestützt werde.

Die Botschaft ist also klar. Die Deutschen haben an Weihnachten nur für das BIP-Wachstum 2014 gespart. Doch warum jubeln alle über ein angeblich robustes/kräftiges Wachstum? Die Zahlen haben sich nicht geändert. Es sind jene Werte, auf die die optimistischen Prognosen, die bis zum vergangenen Herbst galten, nach unten korrigiert werden mussten. Damals jubelte aber keiner, weil die Experten die schwächeren Zahlen mit sinkenden Exporten und rückläufigen Investitionen begründeten. Daran hat sich also nichts geändert. Somit gebührt es erneut dem ökonomischen Analphabetismus und der Vergesslichkeit der Medien, dass heute wieder gejubelt werden darf.

Diesen propagandistischen Mist muss man eigentlich nicht mehr kommentieren, wäre da nicht die Aussage von Gabriel, die ungeprüft und unwidersprochen blieb. Er behauptete, dass die Dynamik der deutschen Binnenwirtschaft auch gut für die europäischen Partner wäre. “Wir kommen damit unserem Ziel, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum abzubauen, ein Stück näher.” Dieses Ziel liegt ferner denn je. Die deutschen Ausfuhren sanken 2013 um 0,2 Prozent. Die Importe gingen mit 1,2 Prozent allerdings noch stärker zurück, was den Handelsbilanz-Überschuss auf 198,9 Mrd. Euro anschwellen ließ.

Das heißt, insgesamt reicht die Binnennachfrage eben nicht aus, um die Ungleichgewichte abzubauen. Sie werden sogar noch vergrößert. Aber Gabriel meinte ja die Eurozone. “In die Länder der Eurozone wurden im Jahr 2013 Waren im Wert von 401,9 Milliarden  Euro (– 1,2 Prozent) geliefert und Waren im Wert von 401,2 Milliarden  Euro (– 0,2 Prozent) aus diesen Ländern bezogen.” Beinahe ausgeglichen, möchte man meinen. Doch diese Zahlen sind geschönt, wie Stephan Kaufmann in der Frankfurter Rundschau feststellt. Er schreibt:

“Doch so rosig ist die Lage nicht. Denn die aktuelle Statistik beruht auf dem Versendungsland-Prinzip. Das bedeutet: Eine chinesische Ware, die über die Niederlande nach Deutschland geliefert wird, zählt als niederländischer Export. Aussagekräftiger ist das so genannte Ursprungsland-Prinzip, in dem diese Ware als chinesische Lieferung gezählt wird.

Nach dieser Statistik – die erst für die ersten elf Monate 2013 vorliegt – sieht es so aus: Deutlich mehr nach Deutschland exportieren konnten 2013 nur die Niederlande, Portugal und Belgien. Spanien gelang ein moderates Plus. Aus Frankreich, Griechenland, Irland und Italien bezog Deutschland weniger Importe. Das Defizit dieser Länder im Handel mit Deutschland schrumpfte nur, weil ihre Einfuhren aus Deutschland noch stärker sanken. Gegenüber Griechenland konnte Deutschland seinen Überschuss im vergangenen Jahr sogar ausweiten.

Fazit: Trotz einigen Verbesserungen erzielt Deutschland gegenüber den EU-Krisen- und  Wackelstaaten weiter hohe Handelsüberschüsse. Berechnet nach dem Ursprungsland-Prinzip lag der Überschuss mit der Euro-Zone 2013 bei 56 Milliarden Euro.”

Also, auch hier tut sich nichts. Um die Ungleichgewichte tatsächlich innerhalb der Eurozone abbauen zu können, müsste Deutschland deutlich mehr Importe aus den Defizitländern zulassen als es selbst Waren dorthin ausführt. Da das aber nicht so ist, haben die Staaten im Süden auch keine Chance wirtschaftlich aus der Krise herauszuwachsen. Die von Gabriel erhoffte Wirkung wird also ausbleiben, spätestens dann, wenn sich das Gerede von einer Zunahme der Binnennachfrage wieder als Luftnummer herausstellen wird, da eine dringend notwendige Anpassung der Kaufkraft an die ständig kolportierte Kauflaune auch in diesem Jahr wohl wieder ausbleiben wird. Darauf deuten übrigens auch schon die ersten mageren Tarifabschlüsse des Jahres hin.


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Das sonderbare Coming-Out von Wolfgang Schäuble

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Eine der am wenigsten zur Kenntnis genommenen Nachrichten am gestrigen Mittwoch war das Coming-Out von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der im Anschluss an eine Unterredung mit seinem amerikanischen Amtskollegen Jack Lew einmal mehr offenbarte, dass er von Finanzen und Wirtschaftspolitik keine Ahnung hat. Schäuble wies die Kritik von Lew an den hohen deutschen Handelsüberschüssen, die im November laut statistischem Bundesamt noch einmal zulegten, erwartungsgemäß zurück. Die Begründung bleibt abenteuerlich.

Schäuble machte gar nicht erst den Versuch, die nachweislich nur so vor sich hin dümpelnde Binnenkonjunktur als wesentliche Stütze der Wirtschaft und damit als Gegenargument groß aufzublähen (ich komme weiter unten darauf zurück), er meinte vielmehr in einem Akt der Hilflosigkeit, dass das amerikanische Defizit nicht dadurch geheilt werden könne, wenn Deutschland auf seine Überschüsse verzichten und die Eurozone als Ganzes ebenfalls ein Defizit ausweisen würde. Dem deutschen Finanzminister scheint immer noch nicht klar zu sein, dass alle weder Überschüsse noch Defizite zur gleichen Zeit in ihren Handelsbilanzen haben können.

Die simple Logik, dass der Defizitsünder solange existieren muss, wie sich der Exportsünder an seine Überschüsse klammert, braucht nicht länger wiederholt zu werden, sondern dürfte inzwischen jedem klar sein. Ein Abbau der deutschen Überschüsse hätte entgegen der Behauptung Schäubles direkte Auswirkungen auf die Leistungsbilanz anderer Staaten, die dann erst in die Lage kämen, die über Jahre angehäuften Forderungen der Deutschen, nichts anderes sind die erzielten Überschüsse ja, Schritt für Schritt zurückzuzahlen.

Für Schäuble ist das allerdings keine Alternative. Er zündet lieber Nebelkerzen und behauptet, dass das Modell der Haushaltskonsolidierung erfolgreich und auch nachhaltig sei. Die mickrigen Wachstumsraten von 0,7 Prozent in 2012, erwarteten 0,4 Prozent für 2013 und völlig unrealistischen 1,8 Prozent für 2014 sprechen aber eine andere Sprache. Der Sparkurs der Bundesregierung wird scheitern, während sich die expansive Geldpolitik der Amerikaner mit durchschnittlichen Wachstumsraten um die zwei Prozent in den Jahren 2010 bis 2013 weiterhin auszahlen wird.

Amerika steht deutlich besser da als Deutschland. Hiesige Medien sprechen dennoch von einem Duell der Meister, bei dem eisernes Sparen auf der einen Seite und die Geldflut auf der anderen Seite gleichermaßen zur Überwindung der Finanzkrise beigetragen hätte. Der volkswirtschaftliche Analphabetismus hierzulande verstellt dabei den Blick auf die Realitäten. Wenn der Außenbeitrag infolge des Spardogmas innerhalb Europas schrumpft, laut Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute wird der Saldo aus Ex- und Importen mit –0,3 Prozent auf das Wachstum drücken, wirkt natürlich der im Vergleich zu 2012 nahezu gleich gebliebene Wachstumsbeitrag des privaten Konsums von 0,5 Prozent wie eine starke Stütze der Konjunktur.

Um aber dem negativen Effekt des Außenbeitrages etwas entgegensetzen zu können, ist eine sehr viel höhere Binnennachfrage notwendig. Eine Steigerung von Konsum und Investitionen ist aber nur dann realistisch, wenn auch die Löhne deutlich zulegen. 2013 stiegen die Nettolöhne laut Herbstgutachten um 2,9 Prozent mit dem Ergebnis, dass der private Konsum mit 0,5 Prozent zur Wirtschaftsentwicklung beitragen soll. Für 2014 gehen die Experten nun von einem Anstieg der Nettolöhne um 3,1 Prozent aus und verknüpfen damit gleichzeitig einen fantastischen Sprung des privaten Konsum-Beitrages auf 0,8 Prozent. Kombiniert mit einer erwarteten Zunahme der Investitionen in Anlagen um 0,9 Prozent (-0,1 Prozent in 2013) ergibt sich dann ein prognostiziertes Gesamtwachstum von 1,8 Prozent.

Die kaum hinterfragten Schätzungen der amtlich bestellten Konjunkturexperten, die nicht nur widersprüchlich argumentieren, sondern in beständiger Regelmäßigkeit daneben liegen, haben dennoch dazu geführt, dass alle wieder von einem bevorstehenden Aufschwung reden und etwas anderes unmöglich erscheint. Die Amerikaner bezweifeln das und finden, dass die Bundesregierung mehr für eine Stärkung der Binnennachfrage tun müsse, um auch Impulsgeber für die in der Rezession verharrende europäische Wirtschaft aber auch die Weltkonjunktur zu sein. Dabei mutet es schon komisch an, wenn Schäuble auf den Mindestlohn und Investitionen in die Infrastruktur verweist, die noch lange nicht beschlossen sind und über deren Ausgestaltung gerade ein Kampf quer durch die Koalitionsfraktionen tobt.

“Wir führen unsere Gespräche nicht, um uns gegenseitig Zensuren zu verteilen, sondern um uns besser zu verstehen”, sagte Schäuble schließlich. Diese Worte dürften den Südeuropäern einschließlich Frankreich als sonderbares Coming Out erscheinen. War es doch bisher gerade die Politik der Deutschen, einseitig Zensuren, Empfehlungen und Auflagen zu verteilen, nicht um Verständigung zu erzielen, das haben die Rechthaber in Berlin ja nicht nötig, sondern um den anderen zu verstehen zu geben, wer in Europa 100 Jahre nach Ausbruch des ersten Weltkrieges wieder etwas zu Sagen haben will.

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Dummdreiste Deutschtümelei in den Tagesthemen

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In Brüssel bei der EU, in Berlin bei den künftigen Koalitionären wie auch in Hamburg bei den Tagesthemen ist man sich einig. Es müsse in Europa mehr Deutschländer geben. Die Kritik an den hohen Exportüberschüssen sei absurd und allenfalls von Neid geprägt. Der Kommentar von Sigmund Gottlieb aus München setzte dem ganzen dann noch einmal die Krone auf. Gustav A. Horn schreibt angesichts dieser intellektuellen Minderleistung auf facebook über ein Meisterwerk der Ignoranz geprägt von dummdreister Deutschtümelei.

Wirtschaftspolitik wird nach wie vor als Schlachtfeld begriffen, auf dem es ausschließlich um die Verteidigung von Wettbewerbspositionen geht. Man habe nichts zu verschenken. Die anderen müssten einfach nur besser werden und ihre Hausaufgaben nach deutschem Vorbild machen. Dass Deutschland selbst noch einmal die Hefte herausholen müsste und beispielsweise über höhere Löhne und höhere Investitionen nachdenken müsse, geißeln die Ahnungslosen, die so tun, als verstünden sie etwas, als abwegig.

Die Wischiwaschi-Kritik der EU-Kommission macht es ihnen aber auch leicht. Von dort schwappt eine Mischung aus Bewunderung für die deutsche Wirtschaftskraft und sanfter Kritik an dem dadurch ausgelösten Ungleichgewicht herüber, die in Berlin entsprechende Reaktionen auslösen musste. Europa könne man nicht stärken, indem man Deutschland schwächt, säuselt etwa Alexander Dobrindt von der CSU in die Mikrofone und Andrea Nahles von der SPD sieht sogar keinen Handlungsbedarf, weil ihr nicht klar ist, was die Kritik an den Überschüssen konkret zu bedeuten habe.

Beide hätten auch sagen können, dass ihre Kenntnisse über volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht ausreichen, um die Kritik erstens verstehen und zweitens die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können. Aber auch die Medien versagen auf ganzer Linie. Der Mann der ARD in Brüssel mit Doppel-Null-Status, Rolf-Dieter Krause, hätte ja den Zuschauern mal erklären können, warum die Kommission Verfahren gegen EU-Staaten eröffnet, die Handelsbilanzdefizite ab vier Prozent des BIPs ausweisen und Länder wie Deutschland allenfalls prüfen will, deren Überschüsse sechs Prozent des BIPs überschreiten.

Da die Überschüsse der einen immer auch die Defizite der anderen sind, was inzwischen auch bei der ARD angekommen ist, stellt sich doch die Frage, warum beides ungleich behandelt wird. Es stellt sich aber noch eine weitere Frage. Die oben beschriebene Sixpack-Regelung ist auf Betreiben von Deutschland und namentlich Finanzminister Wolfgang Schäuble erlassen worden. Die gesamte deutsche Öffentlichkeit sowie die Politik beklagen sich also über ein lasches Prüfverfahren, dass sie selbst und zu ihrem Vorteil verändert, aber immer noch unter der Maßgabe, makroökonomische Ungleichgewichte zu verringern, mitbeschlossen haben.

Volkswirtschaftlich betrachtet, gibt es eben überhaupt keinen Zweifel an den schädlichen Auswirkungen der deutschen Exportfixiertheit. Nur wollen oder können Frau Nahles, Herr Dobrindt oder Herr Gottlieb nicht begreifen, dass eine Wirtschaft aus mehr als nur dem Export besteht. Es geht eben nicht um die Drosselung der Wirtschaft oder darum, Wachstum einzubremsen – dafür sorgen die Deutschen mit ihrer Verbohrtheit übrigens schon selber, die Freude über minimale Wachstumsraten inmitten der Rezession unterstreichen das – sondern darum, die Binnenwirtschaft zu stärken, mehr Konsum und folglich mehr Importe zu ermöglichen.

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SPD und Grüne legen schwaches Mindestlohnkonzept vor

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Grüne und SPD haben ein gemeinsames Konzept zur Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes vorgelegt. Bei einem Wahlsieg, zu dem es nicht kommen wird, wollen die beiden Parteien eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro einführen. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt erklärte, Deutschland sei eines der letzten EU-Länder, das noch keinen Mindestlohn habe. Es sei unwürdig, wenn Arbeitnehmer von einer Vollzeitbeschäftigung nicht leben könnten.

Aha. Wir hätten allerdings schon längst einen Mindestlohn haben können, wenn die SPD eine vorhandene Mehrheit zusammen mit den Grünen und den Linken genutzt und ihrem eigenen Antrag im Jahr 2007 auch zugestimmt hätte. Damals brachte die Fraktion die Linke eine Gesetzesinitiative der SPD, die sich damals in einer “fruchtbaren” Ehe mit der Union befand, in den Bundestag ein. Bis auf Wolfgang Gunkel, Detlef Müller (Chemnitz), Ottmar Schreiner („Von mir kann niemand verlangen, dass ich im Bundestag gegen meinen eigenen Text stimme – Mätzchen hin oder her“) und Dr. Marlies Volkmer lehnte die gesamte SPD-Fraktion den Antrag in namentlicher Abstimmung ab.

Klaus Brandner sagte im Bundestag zur Begründung:

“Wir stimmen heute nicht gegen den Inhalt des Antrags der Linksfraktion, sondern gegen die politische Show. Wir wollen eine schnelle und verbindliche Lösung für die Menschen in diesem Land. Wir wollen unser Ziel mit unserem Koalitionspartner erreichen.”

Wie erfolgreich und schnell das ging, hat man ja gesehen. Die Politshow hätte zumindest den unwürdigen Zustand verhindern können, über den sich die rot-grüne Opposition heute, sechs Jahre nach der Abstimmung, wieder beklagt. Die SPD hätte die Große Koalition platzen lassen und ein Stück von ihrem ramponierten Image zurückgewinnen können. Stattdessen hielten sie an der Ehe mit Angela Merkel fest und landeten folgerichtig bei 23 Prozent. Nun versuchen sie die fehlende Glaubwürdigkeit und fehlende Wähler mit einem Kanzlerkandidaten zurückzuerobern, der einen Mindestlohn als Finanzminister in der Großen Koalition selbst ablehnte, weil er neoliberal denkend den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtete.

Heute spricht Steinbrück von einem Konjunkturprogramm, das durch das Konzept von SPD und Grünen ausgelöst würde. Faktisch handelt es sich aber bei dem Vorstoß um eine Fortsetzung der Niedriglohnpolitik mit Hilfe einer Lohnuntergrenze. SPD und Grüne behaupten, ihr Mindestlohn, 1360 Euro bei einer Vollzeitstelle, reiche zum Leben. Mag ja vielleicht sein, doch für die Rente reicht er definitiv nicht. SPD Chef Gabriel meint aber, dass nur eine vernünftige Lohnpolitik Altersarmut vorbeuge. Wer will dem widersprechen, nur landet ein Betroffener mit dem Mindestlohn von SPD und Grünen nach gegenwärtiger Rentenformel unterhalb der Grundsicherung.

Das wiederum heißt, das staatliche Zuschüsse im Alter doch wieder fließen müssen, damit die Menschen von ihrer kümmerlichen Rente leben können. Wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Klaus Ernst am 23. Januar 2013 mitteilte, wäre rechnerisch schon jetzt ein Stundenlohn von rund 10 Euro erforderlich, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erzielen. Entweder können Steinbrück und Göring-Eckardt nicht rechnen oder sie sind weiterhin nicht ernsthaft an einer Verbesserung der ökonomischen Bedingungen interessiert. 

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Sozialversicherung nach Kassenlage

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Die Bundesagentur für Arbeit sorgt sich um ihre Finanzen, falls die Krise in mittlerer Stärke wieder zuschlagen sollte. Der Zeitpunkt des Aufschreis ist bemerkenswert, zeigt er doch, dass selbst die führenden Köpfe in der BA mit einer neuerlichen Zuspitzung rechnen, obwohl sie nach außen hin Gelassenheit demonstrieren und den Arbeitsmarkt wie auch das wirtschaftliche Umfeld gebetsmühlenartig als robust bezeichnen.

Bis zum Jahresende sollen die Rücklagen auf rund 1,7 Milliarden Euro sinken, heißt es. Damit wäre ein weiteres Programm zur Finanzierung von Kurzarbeit und ergänzender Maßnahmen, das zwischen acht und elf Milliarden kosten würde, nicht machbar, sagt Peter Clever, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender. Er verlangt daher ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur BA in Krisenzeiten. Doch kaum jemanden interessiert die Frage, warum es noch einmal zu einer Krise kommen sollte. Es interessiert sich von der schreibenden Zunft auch niemand für die Frage, warum die BA beim Bund eigentlich um Zuschüsse betteln muss. Sind etwa die Beiträge, die in den vergangenen Jahren permanent unter dem Vorwand des Überflusses gesenkt wurden, nicht ausreichend, um Krisenszenarien zu überstehen. Und warum ist die Finanzierung von Kurzarbeit das einzige Krisenrezept? Wo bleibt die Forderung nach einem Beschäftigungsprogramm oder einer antizyklischen Intervention des Staates mittels Konjunkturprogramm?

Wir haben keine Krise, sagt die Regierung. Merkel meint, das Land sei stärker aus der Krise herausgekommen als es hineingegangen ist. Der nächste Einbruch der Wirtschaft wird die politisch Handelnden, egal in welcher Farbkonstellation sie auch nach dem Wahltermin im September zusammenarbeiten werden, erneut wie ein Spring-ins-Feld-Teufel überraschen. Die Leugnung einer Rezession vor der Bundestagswahl ist praktische Übung und war nicht anders zu erwarten. Die Eingliederung der Arbeitslosenversicherung in das Bundesfinanzministerium ist allerdings ein Skandal, den die Versicherten, die zu Recht Leistungen im Krisenfall einfordern, nicht hinnehmen sollten. Dass der Ausgleich für die Senkung der Beiträge (160 Milliarden Verlust), von denen nur die Arbeitgeber wirklich profitieren, über Steuern laufen muss, macht die Bundesagentur für Arbeit zu einem bloßen Werkzeug der Bundesregierung. Sie bestimmt über den Haushalt und damit über Maßnahmen, die finanziert werden dürfen. Dass dabei immer mehr Versicherte mit Vermittlungshemmnissen auf der Strecke bleiben, ist politischer Wille, aber nicht mit dem Versicherungsprinzip vereinbar.

Wer darüber hinaus Krisen verhindern will, muss selbst aktiv werden, anstatt sich schmarotzend auf die Konjunkturprogramme anderer Staaten zu verlassen und bis dahin Kurzarbeit endlos zu finanzieren. Deutschland profitierte 2008/2009 weniger von der eigenen Wirtschaftspolitik als von der befreundeter Handelspartner. Wenn sich Ausspähen unter Freunden nicht gehört und inakzeptabel ist, dann aber auch das einseitige Nehmen auf Kosten anderer im volkswirtschaftlichen Sinne. Die Zinsen sind niedrig. Nie war es günstiger Schulden zu machen, um die Konjunktur zu stimulieren. Gerade Deutschland müsste fiskalpolitisch sehr viel mehr tun, um die Krise in Europa zu beenden und einer Verschärfung der Lage auch hierzulande vorzubeugen.

Das Senken von Beiträgen zur Sozialversicherung ist dabei ein Irrweg, da sich die angeblichen Entlastungen immer nur negativ auf den Leistungskatalog auswirken und nicht, wie behauptet, stimulierend auf die Konjunktur. Die Arbeitnehmer sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie ausreichend abgesichert sind und halten sich mit Konsum und Forderungen nach mehr Lohn eher zurück. Die Arbeitgeber sind dagegen glücklich über Lohnkosten, die sie nicht zu zahlen brauchen. Investiert wird unter diesen Voraussetzungen allenfalls am Kapitalmarkt, da die Nachfrage aus der realen Wirtschaft fehlt. Das führt am Ende zu jener Krise, die die Bundesagentur offenbar erwartet, auch wenn sie offiziell behauptet, alles sei robust.

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Zeichen stehen weiter auf Rezession

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Ende Juni jubelten die Medien über die gestiegenen Umsätze im Einzelhandel, die scheinbar zu den Weissagungen der GfK passen sollten. Ein Sonderfall, denn meistens bestätigen die Daten aus Wiesbaden die gemessene Kauflaune aus Nürnberg nicht und weisen eher Rückgänge und Stagnation aus. Dann interessieren sich aber auch die Medien nicht dafür. Sie orientieren sich streng an den Schönwetterzahlen des GfK-Konsumklimaindex. Nun gab es aber die Gelegenheit, im Angesicht eines leichten Aufwärtstrends beim privaten Verbrauch voller Inbrunst das Lied über die gute konjunkturelle Lage anzustimmen. Deutschlands Wirtschaft und den konsumierenden Menschen gehe es gut. Deutschland trotze der Krise usw. Dabei ist Deutschland nur dasjenige Land der EU, welches im Moment am wenigsten von der grassierenden Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa betroffen ist.

Der sogenannte Musterschüler ist von der Krise keineswegs ausgenommen. Das zeigt, wie heute das Statistische Bundesamt mitteilt, unter anderem ein starker Einbruch der Exporte im Monat Mai um 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor allem die Ausfuhren in die Länder der Eurozone gingen weiter zurück. Die volkswirtschaftliche Schwäche Frankreichs, des wichtigsten deutschen Handelspartners, schlägt voll durch und kann nicht mal eben so durch Exporte in Drittländer kompensiert werden. Das einseitig orientierte deutsche Wirtschaftsmodell wankt gewaltig, das belegen auch die weiter rückläufigen Auftragseingänge im Monat Mai, die vergangene Woche vom Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt werden mussten.

Politik und Medien wollen das aber nicht als Zeichen einer Rezession verstehen, sondern setzen weiterhin auf positive Stimmungsmache oder konstruieren absurde Kausalzusammenhänge. Rainer Brüderle meinte gar gestern im Sommerinterview der ARD, dass der amtlich gemessene Rückgang der Reallöhne nur deshalb zustande gekommen sei, weil SPD und Grüne die Steuerpolitik der Regierung im Bundesrat verhindert hätten. Dabei nimmt das Wachstumstempo bei den Löhnen seit dem vergangenen Jahr kontinuierlich ab und verhält sich damit analog zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und dem schwächelnden Arbeitsmarkt. Beides sind allerdings Größen, die weiterhin der Schönfärberei unterliegen.

Außerdem sind die Nominallöhne um 1,4 Prozent und die Verbraucherpreise um 1,5 Prozent gestiegen. Würde die Inflation normal, wie in der Eurozone vereinbart, bei zwei Prozent liegen, sehe es noch düsterer an der Lohnfront aus. Betrachtet man die Langzeitentwicklung bei den Löhnen kann von einer Stütze der Konjunktur durch privaten Verbrauch keine Rede sein. Die Indikatoren zeigen also ganz klar in Richtung Rezession, die es freilich vor dem Wahltermin im September nicht geben darf. Die Frage ist nur, ob die Medien endlich ihren Job erledigen und das Scheitern dieser Regierung beim Namen nennen oder ob es ihnen besser gefällt, in Seifenoper-Manier und losgelöst von politischen Inhalten lediglich über Koalitionskonstellationen zu fabulieren.

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Verbohrte Ideologie

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Peer Steinbrück und sein Schattenkabinett wollen im Falle eines Wahlsieges 80 Milliarden Euro jährlich für Investitionen zur Verfügung stellen. Der kühne Plan soll sowohl vom Staat als auch von der Privatwirtschaft finanziert werden, der Steinbrück ein Beteiligungsmodell über Fonds zu festen Renditen anbietet. Was für ein Quatsch, nur um den Eindruck zu vermeiden, die SPD wolle mehr Schulden machen („Unsere Zukunftsinvestitionen dürfen nicht durch neue Staatsverschuldung erkauft werden“).

Dabei wäre die Aufnahme von neuen Schulden für ein derartiges und dringend benötigtes Konjunkturprogramm im Augenblick, da Deutschland als der sicherste Hafen für Anleger gilt, sehr viel günstiger als weitere öffentlich-private Partnerschaften einzugehen und feste wie teure Renditen zu versprechen. SPD und Grüne sind ebenso Gefangene des von ihnen mitbeschlossenen Schuldenbremsenirrsinns wie eine Öffentlichkeit, die nicht wahrhaben will, das ohne Schulden nun mal nichts läuft in einer Volkswirtschaft.

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