Nachtrag zum abschwingenden Aufschwung

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Laut Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Aufschwung XL. Nun haben wir ja heute anhand statistischer Daten und Fakten festgestellt, das Herr Brüderle einmal mehr zu tief ins Glas geschaut hat. Jochen Hoff sagt es auf Duckhome so:

„Es ist noch nicht einmal einen Monat her, als der Wirtschaftsminister mit der roten Nase, die aber nicht vom übertriebenen Alkoholgenuss stammen soll, für Deutschland einen Aufschwung XL präsentierte. Er nahm eine Momentaufnahme, als die Lager wieder gefüllt werden mussten um dies als Aufschwung zu deuten, während überall auf der Welt die Wirtschaft in stärkste Probleme geriet.

Die Steigerung bei der Nachfrage nach den Vorleistungsgütern ist nichts anderes als das Auffüllen der Lager, nachdem man im Vormonat noch einiges an Aufträgen abgewickelt hat. Alles in allem wird die wirtschaftliche Lage weltweit schlechter.

Gekaufte und völlig verkommene Parteien wie die FDP, möchten nun dieses Geld, dass sie mit einem Lachen den Reichen gegeben haben, von den Arbeitenden, Armen und Kranken aufbringen lassen, damit die Reichen noch reicher werden. Um die, die von Brüderle und der gesamten Bundesregierung jetzt zugunsten der Reichen ausgeplündert werden, ruhig zu halten, belügt Brüderle die Menschen mit einem Aufschwung XL, während es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass es schnell abwärts geht.

In den USA spricht der Präsident schon von neuen Konjunkturprogrammen die er gerne über neue Schulden finanzieren möchte, während ihm der Markt für Wohn- und Gewerbeimmobilien mit steigender Geschwindigkeit zusammenbricht und die Industrie erschreckend schnell schrumpft.“

Nun kommt noch etwas anderes hinzu. Im Aufschwung XL ist es offenbar auch möglich, dass die deutschen Kommunen in diesem Jahr das größte Haushaltsloch aller Zeiten verzeichnen werden. Die dazugehörige Agenturmeldung, die im Radio zu hören und im Internet nachzulesen ist, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Denn die beginnt so…

Trotz der Konjunkturerholung steuern die Städte und Gemeinden dieses Jahr nach einem Pressebericht auf das größte Haushaltsloch aller Zeiten zu.

Quelle: Stern

Häh? Steckt in diesem Satz nicht ein großer Widerspruch? Könnte es nicht vielleicht sein, dass es überhaupt keine signifikante Konjunkturerholung gibt, wenn die Städte und Gemeinden mit einem Rekorddefizit in ihren Kassen rechnen müssen? Ist es wirklich zuviel verlangt, das Offensichtliche beim Namen zu nennen? Nämlich das wir von der schwarz-gelben Bundesregierung und den Mietmäulern der Wirtschaft schamlos belogen und betrogen werden? Nein, das ist nicht möglich. Die Sozialausgaben sind schuld. Der Sozialstaat ist einfach noch viel zu aufgebläht, lautet die Erklärung. Und damit sich der Kreis schließt, könnte man Sarrazins absurde Thesen über dumme gebährfreudige Ausländer, die der Allgemeinheit nur auf der Tasche liegen würden, doch prima mit den aktuellen Zahlen zur Haushaltslage verbinden und zur Hatz auf diese Menschen in den Kommunen aufrufen…

Denn am Aufschwung XL wird nicht gerüttelt.

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Im Aufschwung ist halt alles möglich, sogar ein Abschwung

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So könnte man die Meldung des Bundeswirtschaftsministeriums, das eigentlich Mysterium heißen müsste, zum völlig überraschenden Rückgang der Auftragseingänge in der deutschen Industrie von gestern in etwa beschreiben.

Quelle: BMWi

Die Auftragseingänge in der Industrie sind vorläufigen Angaben zufolge [1] im Juli preis- und saisonbereinigt [2] um 2,2 % zurückgegangen.

Im Zweimonatsvergleich Juni/Juli gegenüber April/Mai, der den grundlegenden Trend besser widerspiegelt, erhöhte sich das Auftragsvolumen in der Industrie saisonbereinigt um +2,4 % weiter deutlich.

Ihren Vorjahresstand überschritten die Industrieaufträge im Juni/Juli kalenderbereinigt um 21,2 %.

Die derzeit kräftigen Nachfrageschwankungen sind vor allem auf die Entwicklung der Großaufträge im Bereich der Investitionsgütersektoren zurückzuführen. In der Tendenz ist die Nachfrage nach industriellen Erzeugnissen dagegen weiter aufwärts gerichtet. Das Wachstum der Bestellungen schwächte sich nach der außergewöhnlich starken Bestelldynamik im Frühjahr dieses Jahres allerdings weiter ab.

Hier versucht das Bundeswirtschaftsministerium einmal mehr die Lage zu beschönigen. Besonders die Erwähnung der 21,2 % mehr Aufträge im Vergleich zum Juni/Juli des Vorjahres ist mehr als unseriös, wenn man nicht gleichzeitig ausführt, dass letztes Jahr der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht wurde. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise sackten die Auftragseingänge der deutschen Industrie nämlich um knapp 30 Prozent ab. Wer also nun die aktuelle Lage lediglich mit der vor einem Jahr vergleicht, wird zwangsläufig zu einer positiven Tendenz kommen. Gesamtwirtschaftlich betrachtet verläuft die Erholung aber auf einem nach wie vor unterirdischen Niveau. Vielleicht hilft dabei eine offizielle Grafik des statistischen Bundesamts, um den Sachverhalt zu verstehen.

Auftragseingänge

Die deutsche Wirtschaft befindet sich also noch immer in einem langsamen Aufholprozess, bei dem das Vorkrisenniveau längst noch nicht erreicht wurde. Im Gegenteil. Es geht bereits wieder nach unten. Denn nicht nur die Auftragseingänge gehen zurück, sondern auch die Exporte, wie das statistische Bundesamt heute mitteilt. Unter der wie immer irritierenden Überschrift „Deutsche Ausfuhren im Juli 2010: + 18,7% zum Juli 2009“ steht im Text:

Kalender- und saisonbereinigt nahmen die Ausfuhren gegenüber Juni 2010 um 1,5% und die Einfuhren um 2,2% ab.

Auch hier wird also eine Beschönigung der Lage vorgenommen, in dem man den zweistelligen Zugewinn der Exporte (+ 18,7 Prozent) im Vergleich zum Krisentiefpunkt des letzten Jahres plakativ in den Vordergrund rückt. Es fehlt auch hier der Hinweis auf den deutlich höheren Einbruch der Ausfuhren im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum 2008. Wenn sie sich die in der Meldung beigelegte Tabelle anschauen, werden sie die schwache Basis sofort erkennen.

Ausfuhren

Tja, so sieht es aus. Doch was wollen uns die Politiker weismachen, wenn sie ihre auf gemessenen Stimmungslagen beruhenden Monatsberichte vorlegen?

Quelle: Aus dem Monatsbericht August 2010 des Bundesfinanzministeriums vom 20.08.2010

Die monatlichen Konjunkturindikatoren signalisieren einen günstigen Einstieg der deutschen Wirtschaft in das 3. Quartal. So ist eine Vielzahl von Stimmungsindikatoren klar aufwärtsgerichtet. Zugleich wird die industrielle Produktion weiterhin von einer deutlich verbesserten Auftragslage profitieren.

Statt den Fakten folgen wir doch lieber den offensichtlich sehr genauen Stimmungen. Na dann gute Nacht.

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Zur wirtschaftlichen Lage (Einzelhandel und Arbeitsmarkt)

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Vor einer Woche jubelten die Medien wieder über das gestiegene Verbraucherklima und den ifo-Geschäftsklimaindex. Die Erholung der Wirtschaft schreite mit großem Tempo voran, hieß es. Die Wirklichkeit sieht indes anders aus. Das statistische Bundesamt hat kürzlich seine Methode zur Messung der Einzelhandelsumsätze geändert und prompt eine nachträgliche Verbesserung der Lage gemeldet. Dennoch kann auch die neue Messmethode nicht darüber hinwegtäuschen, dass der private Konsum weiter im Keller bleibt. Für den Monat Juli melden die Statistiker heute einen Anstieg der Umsätze im Einzelhandel im Vergleich zum Vorjahreskrisenmonat Juli um schlappe 0,8 Prozent (Quelle: destatis). Im Vergleich zum Vormonat Juni allerdings gingen die Umsätze schon wieder zurück. Und das zu einem Zeitpunkt, von dem die Wahrsager der GfK meinten, dass die Kauflaune der Deutschen in realen Konsum umgesetzt werden würde.

Pustekuchen. Wie immer eigentlich. Besonders auffällig ist mal wieder der Rückgang beim Handel mit Lebensmitteln. Das kann auch den statistischen Laien nicht verwundern. Denn wer mit wachen Augen durch die Discounter dieser Republik seinen Einkaufswagen schiebt, wird sicherlich bemerkt haben, dass eine Angebotswoche mit neuen Tiefstpreisen der nächsten folgt. Inzwischen werden Lebensmittel regelrecht verramscht. Ob XXL-Wochen oder Kampfpreise im Cent-Bereich. Der Kunde braucht schon gar nicht mehr auf Aktionsware zu warten, weil die entsprechenden Produkte bereits dauerrabattiert sind, immer im Wechsel zwischen den großen Handelsketten. Ich frage mich an dieser Stelle, ob dieser Prozess überhaupt noch umkehrbar ist.

Am Arbeitsmarkt sieht es ähnlich trübe aus. Unreflektiert feiert man eine angeblich positive Entwicklung. Der Einzelhandelsverband entblödet sich auch nicht zu behaupten, dass gerade wegen der guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt die Umsätze im Einzelhandel ansteigen würden.

„Die sinkende Arbeitslosigkeit und der kräftige Aufschwung heben die Kauflaune“, sagte der Sprecher des Handelsverbandes HDE, Kai Falk. „Die hochsommerlichen Temperaturen führten außerdem dazu, dass den Händlern Bade- und Sommerbekleidung geradezu aus den Händen gerissen wurde.“

Quelle: ZDF

Dabei hat sich auf dem Arbeitsmarkt im August gar nichts verändert (-0,1 Prozent im Vergleich zum Juli 2010, Quote unverändert bei 7,6 Prozent). Über das Jahr betrachtet entpuppt sich die angebliche Erholung als ein reiner statistischer Effekt. Im Vergleich zum letzten Jahr sind nämlich hunderttausend Personen aus der Statistik verschwunden, weil diese in Rente gegangen sind und weitere Zehntausende, die einfach nicht mehr mitgezählt werden, wie Arbeitssuchende z.B., die durch private Vermittler betreut werden (siehe Spiegel Online). Der Anteil der Langzeitarbeitslosen hat im Vergleich zum Vorjahr sogar um zwei Prozent auf rund eine Million zugenommen.

„Mehr als zwei Drittel (69,0 %) des Abbaus von Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich geht allein auf das Konto der Zunahme an unsicherer und schlechter bezahlter Leiharbeit.

Nur noch knapp 55 % der Arbeitslosengeldempfänger werden ehrlich als arbeitslos ausgewiesen.“

Quelle: Jahnkes Infoportal

Angesichts dieser Fakten muss jede Aufschwungseuphorie als pures Fantasiegehabe betrachtet werden. Die Menschen werden nicht mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Dagegen spricht gerade die Entwicklung des Arbeitsmarkts. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse führen eben nicht zu einem Mehr an Sicherheit oder höheren Konjunktur- und Einkommenserwartungen, wie die Wahrsager von GfK, ifo und andere immer wieder behaupten, sondern gerade zum Gegenteil. Die Menschen müssen sich immer öfter mit der Situation arrangieren, dass nichts mehr sicher ist. Viele hochintelligente Turboleister geben das auch ganz unverhohlen zu, wenn sie von der Notwendigkeit der Flexiblilisierung des Arbeitsmarktes faseln, dabei aber nur die Flexibilität der Arbeitnehmer meinen.

Über alledem schwebt natürlich auch die beabsichtigte Kürzungs- und Sparpolitik der Bundesregierung, die bereits jetzt Kommunen und Städte trifft. Die Menschen bekommen dort ganz konkret zu spüren, was es heißt, wenn die öffentliche Hand Subventionen und Aufgaben aus Sparzwängen heraus einstellen muss. Die offenen Beträge zahlt der Bürger. Diese simple Rechnung ist jedem klar vor Augen und gar nicht so schwer zu kapieren, nur die Medienverteter tun sich dabei schwer, weil sie sich so gern an den Schnittchenbuffets von Politik und Wirtschaft satt fressen und lieber das Hirn ausschalten, als ordentliche Arbeit zu verrichten…

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Destatis ändert Messmethode zu Einzelhandelsumsätzen

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Quelle: destatis

Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat mit dem Berichtsmonat Juni 2010 bei der monatlichen Handelsstatistik eine jährliche Rotation der befragten Unternehmen eingeführt. In den vorläufigen Ergebnissen der Einzelhandelsstatistik, die mit der Pressemitteilung 270/2010 vom 30. Juli 2010 bekannt gegeben wurden, war der neue Berichtskreis nur für den Monat Juni 2010 berücksichtigt. Nunmehr liegen Einzelhandelsergebnisse aus diesem neuen Kreis der befragten Unternehmen rückwirkend bis Januar 2009 vor. Daraus ergeben sich Änderungen in den bisher veröffentlichten Daten.

Danach lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Juni 2010 nominal um 5,3% und real um 4,7% höher als im Juni 2009. Die vorläufigen Ergebnisse in der Pressemeldung vom 30. Juli 2010 wiesen ein Plus von 3,8% nominal und 3,1% real gegenüber dem Vorjahresmonat nach. Im Vergleich zum Mai 2010 sank der Umsatz im Juni 2010 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,5% und real um 0,3%.

Im ersten Halbjahr 2010 wurde nach den neuen Ergebnissen im Einzelhandel nominal 1,8% und real 0,9% mehr als im ersten Halbjahr 2009 umgesetzt. Laut vorläufigem Ergebnis vom 30. Juli 2010 waren es nominal + 0,5% und real – 0,4%.

Sehr seltsam. Dank neuer Messmethode steigen die Einzelhandelsumsätze. Damit ist auch klar, warum das statistische Bundesamt in der Vorabmeldung zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2010 davon spricht, dass auch die privaten und staatlichen Konsumausgaben zum Wachstum des BIP beitrugen. Wenn man die Messmethode entsprechend ändert, kann das natürlich hinkommen. Aber mit der Messmethode ändert sich auch der Schätzanteil von durchschnittlich 17,3 Prozent auf 25,1 Prozent für den Monat Juni. Also wurde geschätzt mehr umgesetzt. Tolle Sache.

Am 24. August wissen wir jedenfalls mehr über die Zusammensetzung des gefeierten „Rekordzuwachses“ beim Bruttoinlandsprodukt. Dann will das statistische Bundesamt ausführliche Ergebnisse für das zweite Quartal bekanntgeben.

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Neue Wirtschaftsdaten: Manipulationen und Dummheiten wohin man schaut

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Heute meldete das statistische Bundesamt in manipulativer Weise:

Bruttoinlandsprodukt im 2.Quartal 2010 mit Rekordzuwachs

Die deutsche Wirtschaft holt rasant auf: Im zweiten Vierteljahr 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – preis-, saison- und kalenderbe­reinigt – um 2,2% höher als im ersten Vierteljahr, teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Ein solches Wachstum zum Vorquartal gab es noch nie im vereinigten Deutschland. Zudem wurde auch das Ergebnis für das erste Quartal 2010 deutlich nach oben korrigiert auf nun + 0,5%. Der zum Jahreswechsel 2009/2010 ins Stocken geratene Aufschwung der deutschen Wirtschaft hat sich damit eindrucksvoll zurückgemeldet.

Und Springers Märchen-Welt macht daraus:

Was wurde Deutschland beschimpft. „Dumm“ sei die Bundesregierung, wetterte Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman. Die größte Wirtschaft der Eurozone müsse ihr Modell umstellen, mehr auf Pump konsumieren, weniger exportieren.

Die heute veröffentlichten Wachstumszahlen sagen daher vor allem eines: Das deutsche Geschäftsmodell ist richtig. Furios hat sich die Bundesrepublik an die Spitze des Wachstums in den Industrieländern gestellt. Sie erholt sich schneller als alle anderen von der Finanzkrise. Der Grund liegt vor allem im Export in die Schwellenländer, die wieder boomen. Deutsche Unternehmen haben frühzeitig darauf gesetzt, das kommt ihnen jetzt zugute.

Die deutsche Bundesregierung ist immer noch „dumm“ und ich füge hinzu, zahlreiche Journalisten auch, die der Jubelmeldung des statistischen Bundesamts auf den Leim gehen. Vergessen ist noch immer der tiefe Einbruch im Jahr 2009, den man doch als Basis des aktuellen Konjunkturpluses im Blick behalten muss. Natürlich erholt sich Deutschland schneller als alle anderen. Herr Gott noch mal, das ist kein Zauber. Deutschland ist doch auch am deutlichsten in den Abgrund gerauscht. Vergleicht man die Zahlen, wird man feststellen, dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresquartal zwar deutlich gestiegen ist, aber zum Vorkrisenquartal Q2/2008 immer noch im Minus liegt – mit 2 Prozent (siehe Joachim Jahnke). Das verschweigt das statistische Bundesamt im Text. Dagegen kann sich jeder anhand der beigefügten Tabelle selbst ein Bild machen.

Im Augenblick geht es rasant nach oben, aber nicht so rasant, wie es im Jahr 2009 nach unten ging. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn es stellt sich die Frage, was passiert, wenn die schönen weltweiten Wachstumsmotoren, von denen Deutschland schon wieder brutal abhängig ist, abermals ihre Kraft verlieren, weil der Sprit ausgeht? Nach gegenwärtigem Stand müsste Deutschland genauso schnell wieder nach unten rutschen, vielleicht sogar noch tiefer als 2009. Warum? Weil es außer dem Export nichts weiter gibt, das die deutsche Wirtschaft tragen könnte. Zwar deuten die Statistiker an, dass Investitionen sowie privater und staatlicher Konsum zum Wachstum beigetragen hätten, es ist aber klar, dass vor allem der Außenhandelsbeitrag für das Wachstum entscheidend war und damit die Tatsache, dass Deutschlands Wirtschaft von der Verschuldung anderer Staaten abhängig ist.

Zur Erläuterung noch einmal die sehr schöne Grafik von Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Partei die Linke im Bundestag, über die Verwendung des BIP im ersten Quartal 2010:

Wachstumsbeiträge
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Sollte der schöne blaue Balken „Außenhandel“ wie im Jahr 2009 plötzlich ins Minus drehen, wäre nichts mehr da, dass einen Absturz aufhalten könnte. Das zeigt die Grafik im Vergleich zum Vorjahr sehr schön. Im Übrigen wird der gelbe Balken „staatlicher Konsum“ in diesem Jahr einfach weg- oder deutlich kleiner ausfallen, weil die Konjunkturmaßnahmen auslaufen. Deutschland verlässt sich also nur auf den Export und damit auf die Konjunkturprogramme anderer Länder, denen es aber gleichzeitig einen Konsolidierungskurs empfielt und aufzwingt.

Deutschland verlässt sich aber auch darauf, dass der alte Weltwachstumsmotor USA wieder kräftig brummen wird. Immerhin hängt die amerikanische Wirtschaft zu 70 Prozent vom Konsum der eigenen Leute ab. Aber hat einer der jubelnden Journalisten einmal auf die aktuellen Arbeitsmarktdaten geschaut? Die gab es doch gestern und haben den DAX nach unten gedrückt. Das ist aber dann auch alles was Journalisten bedrückt, wenn der DAX einen Knicks nach unten macht. Was nun aber die amerikanischen Arbeitsmarktdaten konkret für unser deutsches „Geschäftsmodell“ bedeuten, bleibt unerklärt.

Quelle: Reuters

Nach enttäuschenden Daten vom Arbeitsmarkt haben die US-Börsen ihre Talfahrt am Donnerstag fortgesetzt.
Ein überraschender Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe schürte die Sorgen, dass die US-Wirtschaft in die Rezession zurückfallen könnte.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt verschlechterte sich weiter: In der Woche bis 7. August meldeten sich dem Arbeitsministerium zufolge so viele Bürger arbeitslos wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Ihre Zahl stieg auf 484.000. Analysten hatten lediglich 465.000 erwartet. In den zurückliegenden vier Wochen lag der Schnitt bei 473.500. Auch das ist der höchste Wert seit Februar. „Die Regierungshilfen sollten eigentlich jetzt richtig greifen. Die Erstanträge entwickeln sich aber in die falsche Richtung. Sie bestätigen, wie schlecht die Dinge geworden sind“, sagte Marktexperte John Brady von MF Global.

Und was hat die deutsche Exportwirtschaft nun davon, wenn die amerikanische Arbeitslosenquote steigt? Richtig. Nichts oder zumindest weniger. Sollten die USA erneut einbrechen, ist Deutschlands erfolgreiches „Geschäftsmodell“, wie es oben in der Märchen-Welt schon wieder gefeiert wird, abermals am Ende. Ob es dann zu einem Umdenken reichen wird, hängt maßgeblich von der Absturztiefe ab… Ich fürchte aber, dass auch dieses drohende Szenario kaum etwas an dem vorherrschenden Dogma ändern wird.

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Im Einzelhandel kommt der "Aufschwung" nicht an

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Vor ein paar Tagen meldete sich die Gesellschaft für Konsumforschung über alle Medien mit der Kracherbotschaft, dass die Verbraucherstimmung wieder zugenommen habe. Die GfK verkündete, dass die Menschen in die Geschäfte strömen werden, um einzukaufen, weil sie so einen Spaß am Fußball und dem tollen Sommerwetter hatten, sowie die freudige Erwartung hegen, bald wieder höhere Einkommen zu erhalten. Es sei ja schließlich Aufschwung.

Heute nun, meldete das statistische Bundesamt harte Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel im Monat Juni 2010. Und? Keine Sau interessierts. Zwar lagen die Umsätze real um 3,1 Prozent höher als im Krisenmonat Juni 2009, jedoch waren die Umsätze im ersten Halbjahr 2009 bereits um real 2,1 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2008 eingebrochen (siehe destatis vom 03.08.2009).

Im ersten Habljahr 2010, das angeblich ein „Jobwunder“ erlebte und beste Kauflaune verzeichnet, melden die Statistiker nun, ich zitiere:

Im ersten Halbjahr 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 0,5% mehr, real aber 0,4% weniger um als im ersten Halbjahr 2009.

Es ist also noch einmal schlechter als im offiziellen Krisenjahr 2009. Aber wir haben ja noch ein Halbjahr, um das Ruder herumzureißen. Da müssen sie dem Herrn Brüderle von der FDP schon vertrauen. Der ist ja als Bundeswirtschaftsminister quasi der oberste Fachökonom in diesem Land. Der hat noch eine eigene Meinung. Was andere Ökonomen sagen, schert ihn nicht. Besonders seine Botschaft an die Rentner war grandios. Mit seiner Forderung, die Rentengarantie wieder abzuschaffen, werden jetzt bestimmt alle älteren Mitbürger losstürmen und die Regale in den Geschäften plündern, weil es im nächsten Jahr vielleicht weniger Geld gibt. Brüderle-Logik, FDP-Logik.

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Die Expansion des Niedriglohnsektors

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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle meint ja, dass es in diesem Jahr wieder bergauf gehen werde. Vor allem die von der GfK gemessene Konsumlaune sei ursächlich dafür. Die Menschen werden wieder mehr einkaufen und somit das Wachstum stützen, so die These Einbildung des Ministers. In Wahrheit hat der private Konsum im ersten Quartal dieses Jahres zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,7 Prozent einen Anteil von -0,7 Prozent beigesteuert. Grafisch sieht das in etwa so aus.

Wachstumsbeiträge
Quelle: Michael Schlecht, MdB

Laut Rainer Brüderle soll sich das nun schlagartig ändern, weil alle Deutschen vom erfolgreichen Auftritt der Fußaballnationalmannschaft in Südafrika hypnotisiert worden sind und nun bei sommerlichen Temperaturen in die Geschäfte strömen werden, um ihr nichtvorhandenes Geld auszugeben. Ist der deutsche Wein inzwischen schon so schlecht oder kauft Brüderle auch bei Aldi ein? Egal. Brüderle meint ja, dass sich alles irgendwie von selbst stimuliert und die florierende Wirtschaft die Aussicht auf höhere Löhne eröffne und deshalb die Menschen in die Läden strömen werden, um ihr im Augenblick nichtvorhandes Geld auszugeben.

Selbst im Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute steht, dass sich der private Konsum im Jahr 2010 um -0,4 Prozent im Vergeleich zum Vorjahr entwickeln werde. Die Löhne würden weiter unter Druck stehen, so die Gutachter. Aber auch das ignoriert Rainer Brüderle.

Frühjahrsgutachten

Aber mal abgesehen von der irrigen Annahme, dass der private Konsum jetzt zum Konjunkturmotor werden würde, stimmt denn überhaupt die zweite Annahme Brüderles, dass die Arbeitnehmer infolge des Wachstums höhere Löhne erwarten können? Ein ganz klares Nein. Denn alle relevanten Tarifvereinbarungen sind bereits im Frühjahr geschlossen worden. Im Text der Gutachter heißt es dann auch (via NachDenkSeiten).

In den meisten Branchen liegen für dieses Jahr bereits Tarifabschlüsse vor. Diese lassen einen verlangsamten Anstieg der tariflichen Stundenlöhne um 1,5%erwarten. So stand der kürzlich im Metallbereich erzielte Abschluss im Zeichen der Beschäftigungssicherung und enthielt für dieses Jahr keine Tariferhöhung, sondern nur zwei Einmalzahlungen. Hinzu kommt, dass Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen es den Arbeitgebern ermöglichen, Leistungen in Krisenzeiten einzuschränken oder vereinbarte Erhöhungen zu verschieben. Da der Spielraum zur vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit in den meisten Arbeitszeitkonten inzwischen ausgeschöpft sein dürfte, die gesamtwirtschaftliche Erholung nur schleppend verläuft und zudem mit einem weiteren Rückgang der Kurzarbeit zu rechnen ist, dürfte die Lohndrift stark negativ sein; die Institute rechnen mit einem Wert von –1,5 % womit sich insgesamt eine Stagnation der Stundenverdienste ergibt. Angesichts der prognostizierten geringen Preissteigerungen sinken die realen Lohnkosten je Stunde im Jahr 2010 somit um 0,7%und die Lohnstückkosten auf Stundenbasis um 0,9 % gegenüber dem Vorjahr.

Dazu kommt nun eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, aus der hervor geht, dass rund 20,7 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2008 einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle der Industrienationen erhalten haben (siehe Tagesspiegel).

Insgesamt seien 6,55 Millionen Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor tätig. Innerhalb von zehn Jahren sei die Zahl der Niedriglohnempfänger um 2,3 Millionen Menschen gewachsen. Besonders stark betroffen seien Minijobber, Beschäftigte unter 25 Jahren, Ausländer, Frauen, gering Qualifizierte und befristet Beschäftigte. Im Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2008 habe sich der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland von 14,7 Prozent auf 20,7 Prozent erhöht, teilte das IAQ mit. „Kein anderes Land“ habe ein derartiges Wachstum des Niedriglohnsektors erlebt.

Deutschland sei international also das Land, in dem die Löhne am meisten zurückgegangen seien und der Niedriglohnsektor am deutlichsten zugenommen habe. Will Rainer Brüderle diesen Prozess etwa umkehren und zum Beispiel einen flächendeckenden Mindestlohn einführen, wie es das IAQ abschließend fordert? Wie soll man sich denn sonst die Zuversicht auf Seiten des Wirtschaftsministers erklären, der davon ausgeht, dass der private Konsum in diesem Jahr noch signifikant zunehmen werde?

Also entweder ist Rainer Brüderle ein Linker im Schafspelz oder aber er ist und bleibt die größte Regierungströte -vuvuzela, die Deutschland je gesehen hat. Ich will das abschließend noch nicht beantworten. :>>

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Es ist wieder Zeit für Sommerinterviews

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Und das ZDF folgt seiner alten Linie. Zwar führt nicht mehr Peter Frey die Gespräche, sondern Thomas Walde, aber an der Strategie hat sich nichts geändert. Offensichtlich glaubt das ZDF noch immer, die Zuschauer mit billigen Tricks der Meinungsmache manipulieren zu können. Sie können das Interview mit dem Parteichef der Linken Klaus Ernst auf der Seite des ZDF nachschauen und nachlesen.

Wenn sie das tun, sollten sie auf die Fragen von Thomas Walde achten. Im letzten Jahr wurde Oskar Lafontaine von Peter Frey, dem neuen Chefredakteur des ZDF, immer wieder mit dem Hinschmeißen und Weglaufen konfrontiert. Ein sachliches Gespräch war nicht möglich, wie letztlich auch der geniale Youtube-Zusammenschnitt der journalistischen Nichtleistung Freys zeigt.

Ähnlich lief es auch bei Klaus Ernst. Ein mit ernster Miene dreinschauender Thomas Walde, der wahrscheinlich beim ZDF noch was werden will, hakte immer wieder mit Unterstellungen und dreisten Lügen nach, um den Anschein eines kritisch fragenden Journalisten zu wahren. Besonders lächerlich war dabei, die Schutzbedürftigkeit von Kleinanlegern besonders zu betonen, die Aktien von Banken gezeichnet hätten.

Wie soll diese Art der Verstaatlichung oder Vergesellschaftung ganz praktisch ablaufen? Gehen Sie dann zu Kleinaktionären und sagen: ‚Oma gib mir mal deine Deutsche-Bank-Aktien‘?

Wie werden Sie Kleinaktionären sagen, dass die ihre Bankaktien rauszurücken haben?

Da habe ich gelacht, denn offensichtlich kennt Herr Walde die Aktionärsstrukturen in diesem Lande schlecht. Da steht er sprichwörtlich allein im Walde. Es ist auch überhaupt nicht zu verstehen, weshalb Herr Walde es offensichtlich für den größeren Skandal hält, Anteilseignern von Pleitebanken die Aktien wegzunehmen, als den Steuerzahlern Milliardenschulden durch die Rettung maroder Kreditinstitute aufzubürden. Das ist ein journalistisches Armutszeugnis.

Als zweiter Punkt fiel auf, dass das ZDF es nun mit Radikalisierungsvorwürfen versucht, um die Linke zu stigmatisieren. Bei Lafontaine hat es bekanntlich noch ausgereicht, ihn mit dem eigenen Weglaufen zu konfrontieren und dem Vorwurf, dabei eine Chance hingeschmissen zu haben, all die schönen Dinge, die die Linke so fordert als SPD-Chef und Finanzminister umzusetzen.

Ihre politische Heimat war lange Zeit die SPD. Heute hat Ihre Partei einen Programmentwurf, in dem die Verstaatlichung aller Banken gefordert wird, in dem von demokratischer Vergesellschaftung vieler Politikbereiche die Rede ist. Was hat Sie so radikalisiert?

Aber die SPD hat nie gefordert, alle Banken zu verstaatlichen. Sie tun das aber heute. Insofern haben Sie sich sehr wohl radikalisiert.

Man läuft also entweder davon oder man ist ein Radikaler, der Dinge fordert, die eine Art “Heilserwartung” wecken.

Es gibt andere Punkte in Ihrem Programmentwurf, in denen Sie sehr wohl eine Heilserwartung erwecken. Ich sprach es eben an: Mindestlohn beispielsweise. Wie soll das eigentlich gehen? Deutschland steht derzeit im internationalen Wettbewerb recht gut da. Unter anderem hat die bisherige Lohnzurückhaltung dazu beigetragen. Wenn das jetzt durch ihre Mindestlohnforderungen quasi auf staatlichem Wege ausgehebelt würde, birgt das doch die Gefahr in sich, dass dieser zarte Aufschwung kaputtgeht. Warum wollen Sie dieses Risiko eingehen?

In dieser Frage gehen nun falsche Behauptungen, Unterstellungen und schlicht asoziales Verhalten Hand in Hand. Herr Walde behauptet einfach, dass es einen Aufschwung gäbe, der nachhaltig sei, weil Deutschland Lohnzurückhaltung übe. So als ob es keine Weltwirtschaftskrise geben würde, deren Ursache gerade im Lohndumping Deutschlands begründet liegt. Und wer noch immer die Auffassung vertritt, dass ein Mindestlohn etwas Utopisches sei, weil er wirtschaftliche Prosperität verhindern würde, der ist, Volker Pispers folgend, schlicht ein Arschloch. Denn wer es richtig findet, dass ein Mensch von seiner Arbeit nicht leben können soll oder zumindest der Auffassung ist, dass man dabei Kompromisse machen sollte, beweist nur seine asoziale Grundhaltung – mehr nicht.

Das machte auch Klaus Ernst etwas umständlich dem neuen Sommerlochfrager des ZDF deutlich. Der wusste sich aber zu wehren und behauptete weiter:

Aber Deutschland steht im internationalen Vergleich sehr gut da und die Arbeitslosigkeit ist gesunken. Warum wollen Sie das riskieren?

Da hätte Klaus Ernst nun richtig schalten müssen und erwidern, dass wir kein Risiko eingehen würden, wenn wir es fertigbrächten, unsere Statistiken einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Denn wenn laut Statistik rund ein Viertel aller Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen steckt, also in Zeit-, Leiharbeit oder Teilzeit und damit die Form atypischer Beschäftigung innerhalb von zehn Jahren um 25 Prozent zugenommen hat, dann sollte man das durch Herrn Walde angedeutete Jobwunder, dass auch Frau Merkel und die Bundesregierung ständig ins Feld führt, schleunigst unter dem Stichwort “utopischer Irrglaube” beiseite legen.

Den Rest schenke ich ihnen.

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Professor (Un)Sinn in "Partylaune"

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Der Ifo-Geschäftsklimaindex bricht alle Rekorde. Seit 20 Jahren hätte es nicht mehr so einen tollen Stimmungsaufschwung unter den befragten Unternehmern gegeben. Da hat das Chef-Orakel vom Ifo-Institut natürlich allen Grund, Partylaune zu verkünden.

Quelle: Spiegel Online 

Quelle: Ifo-Institut

Die akademischen Kaffesatzleser haben bei der Befragung der Glaskugelbesitzer nach deren Geschäftserwartungen einen Index errechnet, der auf eine Stelle nach dem Komma genau sein soll. Ich will die „Partylaune“ ja nicht verderben, aber das ist und bleibt noch immer „Volksverarschung im Quadrat“. Das Gefühl der befragten Unternehmen ändert zunächst einmal überhaupt nichts an den volkswirtschaftlichen Realitäten. Das Tolle ist aber, dass der Party-Professor diese Realitäten als Bestätigung für seine Weissagung nimmt.

Die deutsche Konjunktur hat sich in den vergangenen Monaten nach ersten Angaben nicht nur erholt, sondern unerwartet deutlich zugelegt. Die meisten Prognosen tendieren zwischen 1,5 und 2 Prozent – die Bundesrepublik befindet sich in einem überraschend starken Aufschwung, nach der tiefsten Rezession seit 1945. Dieser Trend schlägt sich nun auch in dem Stimmungswert des Ifo-Index nieder.

Eine Konjunkturprognose von gerade einmal 1,5 bis 2 Prozent ist also schon ein starker Aufschwung, wenn die Prognose denn auch zutreffend sein sollte? Denn richtige Prognosen abzugeben, haben die Institute in letzter Zeit kaum noch hinbekommen. Wahrscheinlich weil sie fest den Stimmungsbarometern vom Ifo-Institut und der GfK vertrauen. Aber nehmen wir einmal an, dass es tatsächlich zu einem Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent kommen sollte, so wäre das mitnichten ein Aufschwung, den man als stark oder deutlich bezeichnen könnte. An der verordneten Euphorie merkt man nur, wie gewöhnt, man könnte auch manipuliert sagen, die deutsche Öffentlichkeit an mickrige Wachstumsraten bereits ist.

Vergleicht man einmal die durchschnittlichen deutschen Wachstumsraten aus der Vergangenheit, so wird man feststellen, dass die schon höher lagen. In den 70er Jahren gab es im Schnitt ein Wachstum um 2,8 Prozent (Periode 1970-1980) und in den 80er Jahren immerhin einen Schnitt von 2,6 Prozent (Periode 1980-1991). In den 90ern waren es nur noch 1,7 Prozent (Periode 1991-2000) und seit dem Jahr 2001 gab es im Schnitt Wachstumsraten von 0,6 Prozent. Würde man für das Jahr 2010 nun ein Wachstum von 2 Prozent annehmen, dann würde für die erste Dekade des neuen Jahrtausends eine Wachstumsrate von sage und schreibe 0,7 Prozent herauskommen. Da sollte man die Sektkorken natürlich knallen lassen. 

Wachstum

Das es auf der Welt auch noch realistischere Einschätzungen zur wirtschaftlichen Entwicklung gibt, zeigen die USA. Dort erwartet man zum Beispiel ein Wachstum von 3 bis 3,5 Prozent für dieses Jahr und 3,5 bis 4,5 Prozent in den nächsten beiden Jahren. Diese recht positiven Zahlen führen nun aber weder zu einer Partylaune noch zu der Einschätzung, die Finanz- und Wirtschaftskrise überwunden zu haben.

Zwar sei die Erholung der US-Wirtschaft insgesamt auf einem guten Weg, weil unter anderem der private Konsum, Exporte und Investitionen der Unternehmen zugenommen hätten. So sei für 2010 mit einem Plus zwischen 3,0 und 3,5 Prozent zu rechnen und in den beiden Jahren danach mit 3,5 bis 4,5 Prozent. Doch gebe es derzeit große Abwärtsrisiken für das Wachstum, sagte der Fed-Chef.

Sorgen bereite insbesondere die zögerliche Erholung des Arbeitsmarkts. Im ersten Halbjahr dieses Jahres seien weniger neue Jobs geschaffen worden, als für eine nachhaltige Erholung notwendig gewesen wäre. „Sehr wahrscheinlich wird es viel Zeit brauchen, die fast 8,5 Millionen Arbeitsplätze wieder aufzubauen, die 2008 und 2009 verloren gingen“, sagte der Notenbankchef. Die zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit könne dem privaten Konsum schaden und zu einem Verlust qualifizierter Fachkräfte führen.

Quelle: Spiegel Online

Eine kritischere Betrachtung des deutschen Arbeitsmarkts und des privaten Konsums durch Herrn Sinn würde vielleicht dabei helfen, die Lage etwas nüchterner zu sehen. In einer der jüngsten Meldungen des statistischen Bundesamts zur Entwicklung atypischer Beschäftigung, stand versteckt folgender Absatz.

Quelle: destatis

Trotz des Rückgangs im Krisenjahr 2009 ist die Anzahl der Personen in atypischen Beschäftigungsformen in den letzten zehn Jahren gestiegen. 1999 waren 19,7% aller Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsformen beschäftigt. Bis 2009 ist ihre Anzahl um 1,8 Millionen Personen auf 7,6 Millionen angestiegen. Der Anteil hat sich damit im Jahr 2009 auf 24,8% aller abhängig Beschäftigten erhöht, was die gewachsene Bedeutung dieser Beschäftigungsformen unterstreicht.

Rund ein Viertel aller Beschäftigten befinden sich also in befristeten Arbeitsverträgen oder in der Leih- bzw. Zeitarbeit, kurz in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Laut statistischem Bundesamt hat diese Beschäftigungsform eine wachsende Bedeutung, die dann auch der Prof. (Un)Sinn aus München hätte zur Kenntnis nehmen müssen.

Welcher Wirtschaftsteil darf denn dann nach Prof. Sinn in Partylaune verfallen? Die gesamte deutsche Wirtschaft? Das ergäbe doch keinen Sinn. Die Exportwirtschaft dürfte sich auch nicht lange freuen, da es äußerst dumm wäre, auf die alten Schuldner zu setzen.   

Die Welt insgesamt hat nichts davon, wenn ein Land durch Außenhandelsüberschüsse wächst, weil das automatisch zu Lasten der restlichen Länder geht.

Doch was für eine „Stärke“ ist das? Jede Milliarde Außenhandelsüberschuss der Deutschen, die beim hiesigen Wachstum positiv zu Buche schlägt, stellt im Rest der Welt ein Minus beim Wachstum dar.

Das deutsche Wirtschaftsmodell setzt . klar auf Exportüberschüsse und trägt damit entscheidend zur Entstehung neuer Krisen bei, weil hohe Handelsüberschüsse die Weltwirtschaft destabilisieren. Das liegt daran, dass Handelsungleichgewichte zwingend den Aufbau von Schuldenpositionen der Defizit-Länder bedeuten. Gibt es hier keine Umkehr, gewinnt ein Land also immer, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Abtragen der Schulden nur noch durch ihre abrupte Entwertung möglich ist.

Wie die europäische Krise zeigt, sind die Folgen solcher Eruptionen für beide, Gläubiger wie Schuldner, gewaltig.

Im Lichte dessen ist die Vermutung, Deutschland sei gestärkt aus der Krise gekommen, weil es wieder Schuldner gefunden hat, abenteuerlich.

Quelle: Zeit Online (Gastbeitrag von Heiner Flassbeck)

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Wirtschaftsdaten: Es ist einfach zu heiß für einige

Geschrieben von:

Gestern konnte ich mich leider nicht zu den gerade wieder gefeierten Aufschwungsdaten der Statistiker aus Wiesbaden äußern. Bei dem schönen Wetter und nach dem enttäuschenden WM-Halbfinale mussten wir mal raus. Lustig dabei war, dass uns der Weg ausgerechnet nach Hannover in den Stadtpark führte, in dem regelmäßig das berühmte „NP-Rendevouz“ stattfindet. Ein Familienfest, welches von der Neuen Presse Hannover ausgerichtet wird und über das die Lokalredakteure dann seitenlang recht günstig berichten können.

Aber lassen wir das. Jetzt geht es um die Wirtschaft. Haben sie gestern auch die Jubelschreie vernommen, wonach die deutschen Exporte so stark gestiegen seien wie seit zehn Jahren nicht mehr. Wow, habe ich da gedacht. Wenn man dann nur noch dazu gesagt hätte, dass die deutschen Exporte im gleichen Zeitraum des letzten Jahres so stark eingebrochen waren, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, hätte das eine runde Sache werden können. Aber so bleibt die Leistung zahlreicher Medien in Bezug auf die Einordnung des Exportanstiegs im Mai 2010 einmal mehr hinter der Bedeutung des Begriffs Qualitätsjournalismuns meilenweit zurück.

Im Februar 2010 meldete das statistische Bundesamt „Ausfuhr im Jahr 2009 insgesamt um 18,4% niedriger als 2008“ (siehe destatis). Im Text hieß es dann.

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Jahr 2009 um 18,4% und die Einfuhren um 17,2% niedriger als im Jahr 2008. Sowohl einfuhr- als auch ausfuhrseitig war das der höchste Rückgang eines Jahresergebnisses der Außenhandelsstatistik seit 1950.

Gestern dann folgende Meldung (siehe destatis).

Die deutschen Ausfuhren waren damit im Mai 2010 um 28,8% und die Einfuhren um 34,3% höher als im Mai 2009. Ausfuhrseitig war das der höchste Anstieg eines Monats gegenüber dem Vorjahresmonat seit Mai 2000 (+ 30,7%), einfuhrseitig seit Januar 1989 (+ 38,9%).

Daraufhin drehte die halbe Medienmeute durch, vor allem die Börsen-Honks und Honkinen, die aus den Zahlen eine Bestätigung des wirtschaftlichen Aufschwungs herauslasen und eine freudige und rosige Zukunft vorhersagten. Schließlich durchbrach auch der DAX die „psychologisch“ wichtige Marke von 6000 Punkten und das sei ein gutes Zeichen, so die als seriöse Menschen verkleideten Kirmes-Wahrsager. Wenn sie an solchen Unfug glauben wollen, bitteschön. Aber es gibt auch harte Fakten, die man dringend zur Kenntnis nehmen sollte. Es hätte zum Beispiel schon ausgereicht die Überschriften der destatis-Meldungen von heute und von vor einem Jahr zu vergleichen, um klarer zu sehen.

Pressemitteilung Nr.237 vom 08.07.2010
Deutsche Ausfuhren im Mai 2010: + 28,8% zum Mai 2009

Pressemitteilung Nr.255 vom 09.07.2009
Deutsche Ausfuhren im Mai 2009: – 24,5% zum Mai 2008
Quelle: NachDenkSeiten

Dennoch wurde auch etwas Wahres gesagt. Nämlich, dass die Weltwirtschaft stärker wachse als die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft. Der deutsche Außenhandel profitiere somit von der guten weltwirtschaftlichen Entwicklung. Das ist in der Tat mal etwas neues in deutschen Medien. Denn bisher wurden Aufschwünge stets als Beleg für eine richtige Politik gedeutet, während man bei Abschwüngen automatisch auf weltwirtschaftliche Einflüsse verwies.

Mit dem Krisenverlauf und seit der intensiven Diskussion um Handelsbilanzdefizite bzw. -überschüsse ist immerhin klar geworden, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer existenziellen Abhängigkeit zur weltwirtschaftlichen Entwicklung befindet. Dann hätte man aber ganz klar sagen und schreiben müssen, dass der Anstieg der deutschen Ausfuhren im Mai nur möglich war, weil in anderen Volkswirtschaften noch immer schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme laufen. Nur zur Erinnerung, die Bundesregierung will mit ihrem Sparpaket bereits jetzt den Ausstieg aus den eigenen Programmen umsetzen und empfielt ferner, dass die europäischen Partner es ihr gleichtun. Dabei hat Deutschland mit seinen vergleichsweise mickrigen Konjunkturmaßnahmen überhaupt noch keinen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft geleistet. Das zeigt letztlich auch die Handelsbilanz. Der Exportüberschuss betrug im Mai schon wieder fast 10 Mrd. Euro.

D.h. der Export nimmt nach wie vor einen hohen Anteil am BIP ein, während der private Konsum stetig abnimmt und damit als Stabilisator bei weiteren Einbrüchen immer noch ausfällt. Man stelle sich nur einen weiteren weltweiten Nachfrageeinbruch vor. Deutschland würde es wieder am härtesten treffen und Schäuble, Merkel und Co. müssten ein neues Rekorddefizit verkünden und verwalten. Sparabsicht und Sparerfolg würden dann wieder ziemlich weit auseinander liegen. Aber das erkennen deutsche Journalisen nicht. Sie glauben, dass bereits die Sparabsicht zum Sparerfolg führen würde. Dabei ist das Gegenteil richtig.

Aber zurück zu den Fakten. Vielleicht helfen ein paar Grafiken. Ein wichtiger Konjunkturindikator sind die Auftragseingänge in den Unternehmen, hier im verarbeitenden Gewerbe. An diesem Kurvenverlauf können sie die Lage von vor und nach dem Crash 2009 sehr schön sehen und vergleichen. Nach einer leichten Erholung, nach dem dramatischen Einbruch im letzten Jahr, befinden sich die Auftragseingänge noch lange nicht auf dem Vorkrisenniveau. Es ist soger wieder ein Rückgang zu verzeichnen.

Auftragseingänge_KURVE

Das bedeutet, dass die Kapazitäten in der deutschen Wirtschaft weiterhin nicht ausgelastet sind. Hier findet also kein phantastisches Wachstum statt, sondern lediglich ein Aufholprozess, dessen Ursache in dem tiefen Absturz vom letzten Jahr zu finden ist.

Auftragseingänge_NEU

Der Rückgang der Auftragseingänge im Mai kommt bei der überwiegend positiven Beurteilung der wirtschaftlichen Lage überhaupt nicht vor. Dabei sollte man die Frage nach der Unterauslastung stellen, von der schließlich auch die Belastung der öffentlichen Hand durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit abhängt. Warum? Es wird schlicht weniger produziert. Auch das kann man grafisch darstellen bzw. auf der Seite des statistischen Bundesamts abrufen.

Verarbeitendes Gewerbe

Wenn mit der gleichen Kapazität, den gleichen Maschinen und dem gleichen Personal insgesamt weniger produziert wird, rechnet sich das für den Unternehmer nicht. Er wird Personal abbauen oder gegen billigere Lösungen (Kurzarbeiter, Leiharbeiter, Teilzeit, Befristungen) austauschen. Er wird auch nicht mehr investieren, weil er ja genug Kapazitäten hat, um entsprechende Auftragsspitzen bewältigen zu können. Auch das zeigen die Daten zu den Ausrüstungsinvestitionen ganz klar.

Ausrüstungsinvestitionen

Und all das deutet eben nicht auf einen Aufschwung hin, sondern eher auf einen vorübergehenden Aufholprozess im Zuge des tiefen Einbruchs. Heute werden auch wieder alle Inflationswarner Lügen gestraft. Die Verbraucherpreise bleiben nämlich im Keller. Die Teuerungsrate legt nur leicht um 0,9 Prozent gegenüber dem letzten Jahr zu (siehe destatis). D.h. die Zeichen stehen weiterhin auf Deflation. Und das ist auch klar, wenn man sich die oben angeführten Konjunkturindikatoren vor Augen hält sowie die Absicht der Bundesregierung und anderer Regierungen, radikal in ihren Haushalten sparen zu wollen. Das führt eben nicht zu einer höheren Nachfrage und folglich auch nicht zu mehr Konsum, der durch ein Vorhalten von großen wirtschaftlichen Kapazitäten befriedigt werden müsste.

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