G20: Zum Vorwurf der Planwirtschaft

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Die Debatte um globale Handelsungleichgewichte wird immer absurder. Inzwischen ist man in Deutschland schon auf dem geistigen Niveau der amerikanischen tea party Bewegung angekommen. Eine Begrenzung der Exporte bzw. ein erzwungener Abbau von Überschüssen wie die Amerikaner das fordern, wird hierzulande als planwirtschaftlich bezeichnet. Dabei spielt es doch überhaupt keine Rolle, wie man Überschüsse abbaut. Es ist nur entscheidend, dass sie abgebaut werden, weil sonst die Defizite auf der anderen Seite nicht verringert werden können. Manchmal hat man den Eindruck, dass unsere schwarz-gelben Kommunistenfresser und deren mediale Mietmäuler den Kapitalismus nicht verstanden haben.

Handelsüberschüsse sind doch nur möglich, wenn die Bereitschaft zur Verschuldung besteht UND: das ist jetzt ganz WICHTIG, auch die Bereitschaft besteht, verfügbares Kapital zu verleihen!!!

D.h. wo es Schuldner gibt, gibt es auch Gläubiger. Doch Deutschland tut gerade so, als hätte es nichts mit den Defiziten der anderen zu tun. Das stimmt einfach nicht. Wer rettet denn Griechenland? Deutschland und China haben sehr hohe Exportüberschüsse. Exportüberschüsse bedeuten zwangsläufig Liquidität. Was kann man nun mit diesem Kapital machen? Man könnte es nehmen und in die eigene Realwirtschaft stecken, in dem man in Bildung, Infrastruktur und Kaufkraft investiert. Das würde im Endeffekt die Nachfrage erhöhen und damit auch die Absatzmöglichkeiten für andere Volkswirtschaften, die auf diesem Wege selber Geld verdienen könnten, um die Verbindlichkeiten zu bedienen, die sie bei ihren Importen eingehen.

Oder man nimmt das Kapital und verleiht es an jene Länder zurück, die einen hohen Binnenkonsum haben, wie die USA z.B., damit die weiter deutsche Waren und Dienstleistungen kaufen können. Im Gegenzug bekommen die Gläubiger Schuldverschreibungen, die man natürlich nicht essen kann. Auf diesem Weg erhöhen sich Überschüsse in demselben Ausmaß wie die Defizite auf der anderen Seite. Das System scheitert zwangsläufig.

In einem freien Markt gibt es also einen Zusammenhang zwischen Ländern, die mehr exportieren und Staaten, die mehr importieren. Beide sind Teile derselben Bilanz. Rechnet man Überschüsse und Defizite zusammen, steht am Ende immer eine Null. Deshalb spricht man ja auch von Ungleichgewichten. Der springende Punkt ist nun, dass sich Überschüsse und Defizite nicht beliebig steigern lassen. Defizitländer müssen sich nämlich permanent refinanzieren. Sie sind also abhängig von unregulierten Kapitalmärkten, die darüber entscheiden, wie viel Zinsen ein Staat für Kredite zu zahlen hat, welche Bonität er besitzt. Die Erfahrung hat nun gezeigt, dass man mit der Bonität prächtig spekulieren kann.

Das Spiel mit dem Zusammenbruch ist ein einträgliches Geschäft. Hierauf sollten sich die Kommentatoren einmal konzentrieren. Dahinter steckt schließlich auch ein Plan. In Europa gibt es zum Beispiel einen dreistelligen Milliardenbetrag abzugreifen, der zur Verfügung gestellt wurde, um eine gesamte Währungszone zu retten. Das ist doch nach wie vor verrückt. Vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass die deutsche Bundesregierung zunächst durch zögern die Lage für die Realwirtschaften verschlimmert hat und für Spekulanten verbessert. Jetzt hat man auch noch ohne Not festgeschrieben, dass der beschlossene Krisenmechanismus, also Milliardenhilfen, von Dauer sein soll. Die Spekulanten freuen sich erneut, weil jetzt nicht nur deren Gewinne gesichert bleiben, sondern sie auch keinen Verlust ihrer Einsätze mehr zu fürchten brauchen.

Aber zurück zu den Ungleichgewichten. Den USA wirft man nun vor, dass sie Geld drucken. Europas Zentralbank druckt übrigens auch Geld, aber das nur nebenbei. Die Deutschen beschweren sich nun, dass die Amerikaner auf diesem Wege Währungsmanipulation betreiben und den Dollar absichtlich abwerten. Natürlich müssen sich die Deutschen darüber beschweren, weil deutsche Waren und Dienstleistungen in Amerika somit verteuert werden. Das ist schlecht für’s Wachstum. Im dritten Quartal gibt’s auf der Überholspur bereits ein Tempolimit. Gerade einmal 0,7 Prozent hat das Plus noch betragen, wie das statistische Bundesamt heute mitteilte. In Q2/2010 waren es noch +2,3 Prozent. Wenn man sich also vorstellt, dass neben schwacher Nachfrageentwicklung auch noch Währungsabwertungen hinzukommen, wird es eng für die deutsche Exportwirtschaft.

Was die Bundesregierung aber nun beklagt, ist genau das, was sie von Defizitländern einfordert. Sie werden nämlich wettbewerbsfähiger. Es ist doch völlig wurscht, ob Löhne gesenkt werden oder die Währung abgewertet. In beiden Fällen wird Kaufkraft gekappt. Gleichzeitig erhöhen sich die Chancen für den Außenhandel des Defizitlandes. Denn wenn deutsche Exporte nach Amerika teurer werden, werden im Gegenzug Importe aus den USA billiger. Die USA können also Marktanteile zurückgewinnen und somit Geld verdienen, das sie brauchen, um die Forderungen aus Deutschland wieder bedienen bzw. ihr Bilanzdefizit ausgleichen zu können.

Das Problem an dieser Lösung ist nur, dass hier eine Abwärtsspirale bewusst in Kauf genommen wird. Was passiert denn, wenn Deutschlands Exportwirtschaft heiß geliebte Marktanteile verliert? Dann kommen die neroliberalen Dummschwätzer wie Hüther, Hundt und Sinn lautstark aus ihren Ecken gekrochen und fordern weitere Sparpakete und Lohnzurückhaltung. Auch diese spezielle Form der Planwirtschaft ist uns doch bekannt und wurde bereits vor dem Ende des Ostblocks von den sog. Marktliberalen eingeführt und in guten wie in schlechten Zeiten als Dogma vor sich hingepredigt.

Ich sehe nur einen Plan. Und dieser Plan zeigt einen Weg von Abgrund zu Abgrund auf. Alternativen werden nicht diskutiert und zugelassen. Das Schlagwort „Alternativlosigkeit“ ist in diesem Zusammenhang nur eine nette Umschreibung für die Diktatur der Finanzmärkte.

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Zur Lage der Wirtschaft und Volker Pispers über die geschätzte Erwartung

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Die Politiker und Haushaltsexperten der FDP könne man auch als Fachmmänner für Luftbuchungen ohne Bodenhaftungsrückkehrversicherung bezeichnen, da die jetzt schon wieder fordern, die erwarteten Steuermehreinnahmen für Steuersenkungen zu verwenden. Volker Pispers befasst sich in seiner heutigen Dienstags-Botschaft auf WDR2 mit der jüngsten Steuerschätzung, in der ja bekanntlich die Erwartungen auf Mehreinnahmen des Staates formuliert wurden.

„D.h., in einer Situation, in der der Staat auf jeden Fall deutlich weniger einnehmen wird, als er ausgibt, wollen sie mögliche Mehreinnahmen für noch höhere Ausgaben nutzen, wohl um das Einnahmen-Ausgaben Abstandsgebot nicht zu verletzen.“

Das Problem sei halt, dass bei Erwartungen nicht abgewartet werde, ob sie sich denn auch erfüllen, sondern bereits jetzt darüber gestritten wird, wie man die erwarteten Mehreinnahmen wieder ausgeben kann. Andere Ereignisse, wie etwa das Zusammenbrechen von Banken und ganzen Finanzmärkten konnte man nie erwarten und schon gar nicht schätzen, wie Pispers anhand eines Beispiels über die Erwartungen des Super-Krisen-Managers Peer Steinbrück verdeutlicht. Dieser hatte bekanntlich zu Beginn des Jahres 2008 aufgrund einer günstigen Steuerschätzung erwartet, dass er am Ende des Jahres einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren könne. Es kam unerwartet anders.

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Einzelhandelsumsätze fallen weiter

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So wie es aussieht, ist der Aufschwung XL noch immer nicht bei den Menschen angekommen. Das statistische Bundesamt meldet heute erneut ernüchternde Daten für den Monat September. Seit einigen Monaten nehmen die Umsätze wieder ab. Zwar versuchen die Statistiker mal wieder den Eindruck zu erwecken, als gäbe es einen Aufwärtstrend. Die Ausgangsbasis dafür ist aber noch immer das bisher schlimmste Krisenjahr 2009.

In der heutigen Mitteilung heißt es:

Von Januar bis September 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 2,1% und real 1,1% mehr um als in den ersten neun Monaten des Jahres 2009.

Das klingt positiv ist es aber nicht, wenn man die Entwicklung des gleichen Zeitraums im Jahr 2009 darunter legt. Die Aufschwungsfanatiker und Konsumklimamesser unterlassen das, weil man sofort erkennen würde, dass die Erholung der Umsatzdaten im Jahresvergleich nichts weiter ist, als ein Normalisierungsprozess, der die Verluste des letzten Jahres aber noch längst nicht ausgleichen konnte. Hier die entsprechende Meldung des statistischen Bundesamts aus dem letzten Jahr. Darin heißt es:

Von Januar bis September 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,6% und real 2,2% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze zeigt ganz deutlich, dass es für die Menschen in diesem Land nicht aufwärts geht. Die Schnellstraße, auf der Rainer Brüderle glaubt zu fahren, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Vor allem der Handel mit Lebensmitteln zeigt das einmal mehr sehr deutlich.

Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im September 2010 nominal 1,8% und real 3,5% weniger um als im September 2009.

Es wird weniger für Lebensmittel ausgegeben. Daher könne man auch nicht einfach annehmen, dass die Menschen viel Geld übrig hätten, um andere Dinge zu kaufen, die man nicht essen kann. Die deutsche Wirtschaft wird also weiterhin allein vom Export und damit von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abhängig bleiben. Und angesichts der europäischen Spar-Irrfahrt, die vor allem von Deutschland aus betrieben wird, ist es Gewissheit, dass sich die Nachfrage aus dem Ausland deutlich abschwächen wird. Dies wird Deutschland erneut hart treffen. Das kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen.

Und weil man das genau weiß und das Gerede von Vollbeschäftigung und Aufschwung XL totaler quatsch ist, wird der geistige Musterschüler dieser Ideologie Rainer Brüderle innerhalb der FDP bereits als neuer Hoffnungsträger gehandelt.

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Regierungserklärung zur Europapolitik und G20

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Angela Merkel hielt heute Mittag eine Regierungserklärung. Morgen reist sie ja bekanntlich zu einem neuerlichen EU-Gipfel nach Brüssel. Ich will gar nicht so sehr auf die Blamage eingehen, die sich die Bundeskanzlerin eingehandelt hat, als sie mit dem Franzosen-Wicht in Deauville einen Deal schloss, in dem sie erklärte, auf den automatischen Sanktionsmechanismus für Defizitsünder, den sie zuvor vehement gefordert hat, einfach zu verzichten.

Natürlich war klar, dass die Position Merkels und in ihrem Gefolge der europäischen Union, die sich jetzt durch Merkel düpiert fühlt, nie und nimmer hätte umgesetzt werden können, weil damit offen Verfassungsbruch begangen worden wäre. Nicht so klar ersichtlich war aber, wie sich Merkel aus dieser Sackgasse befreien würde. Dass sie nun einfach gesagt hat, machen wir nicht mehr, ist schon ein starkes Stück. Als Erklärung für ihre 180 Grad Wende bot sie heute nur einen Satz:

„Eine deutsch-französische Einigung ist noch nicht alles in Europa. Aber: Ohne eine deutsch-französische Einigung wird vieles nichts.“

Ich würde sagen, bei Frau Merkel ist alles nichts!

Das Zugeständnis der Franzosen, die Deutschen bei dem Bestreben einer EU-Vertragsänderung zu unterstützen, darf dabei getrost als Nebelkerze bezeichnet werden. Denn Merkel selber war es doch, die den Lissabon-Vertrag wasserdicht geredet und als unabänderbar bezeichnet hatte, nachdem die Iren und Tschechen diesem neoliberalen Machwerk doch noch zugestimmt hatten. Die kleinen EU-Staaten werden zudem wohl kaum einer Änderung zustimmen, die besagt, dass sie weitere Kompetenzen abgeben sollen und im Zweifelsfall gar nicht mehr mitreden dürfen.

Aber das nur am Rande. In ihrer Rede ging sie unter anderem auch auf die Ursachen von Defiziten ein und wehrte sich einmal mehr gegen den Vorwurf, Deutschlands Exportüberschuss sei verantwortlich dafür. Sie sagte, dass die Handelsbilanzen den Marktgesetzen des Wettbewerbs unterliegen würden und ein künstlicher Eingriff durch den Staat unter allen Umständen zu vermeiden sei. Sie empfahl einmal mehr, dass andere Länder vom deutschen Beispiel lernen und ihre Wettbewerbsposition verbessern sollten. Damit unterstrich sie erneut ihre geistige Borniertheit.

Merkel hätte nämlich auch sagen können, dass die anderen Länder endlich kapieren sollen, dass wir Deutschen keine Massenkaufkraft brauchen. Die Unternehmen machen alles, konsumieren, investieren und exportieren. Wenn man sich das Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute anschaut, kann man zu keinem anderen Ergebnis kommen. Demnach wird nämlich erwartet, dass die Einkommen im nächsten Jahr um 1,4 Prozent steigen werden. Die Preise aber auch um 1,4 Prozent. Nun soll aber bei unterstellter gleichbleibender Sparquote der Konsum ebenfalls um 1,4 Prozent steigen. Diesen Zaubertrick versteht man nur, wenn man fest daran glaubt, dass die Zuwächse bei Unternehmen und Vermögen, die sich in diesem Jahr auf unverschämte 14 Prozent und im nächsten Jahr auf noch einmal satte 3,6 Prozent belaufen sollen, in privaten Konsum umsetzen werden.

Heiner Flassbeck meinte dazu kürzlich auf den NachDenkSeiten:

„Wenn das in Europa die anderen Länder auch noch kapieren, müssen wir nur noch die Wesen vom Mars davon überzeugen, dass wir von nun an alles produzieren, was sie brauchen, und schon ist die Sache geritzt.“

So gesehen brauchen wir auch keine steigenden Löhne und schon gar nicht einen staatlichen Eingriff in die Handelsbilanzen, der dem freien, zügellosen und perversen Marktgeschehen zuwider läuft. Warum nur verteidigt Frau Dr. Merkel dann ihre zurückliegenden Konjunkturpakete als richtig und notwendig?

In gewisser Weise hatte Frank-Walter Steinmeier mit seiner Feststellung recht, dass der Widerspruch zum Markenkern der schwarz-gelben Regierung gehöre, weil das tatsächliche Handeln immer genau dem Gegenteil von dem entspricht, was vollmundig angekündigt wurde. Aber das ist ja nur die banalste aller Erkenntnisse. Viel treffender wäre ja die Zuspitzung, die Georg Schramm bei seinem Referat am Montag in Stuttgart vortrug. Die Regierung betreibe einen vorsätzlichen Missbrauch der Sprache und niemand hindere sie daran.

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Brüderle auf der Überholspur

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Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gibt mal wieder Gas. Mit Tempo 200 im Blindflug durch die Baustelle.

„Nach einer Zeit auf der Beschleunigungsspur fährt unsere Wirtschaft jetzt auf der Überholspur. Ein Wachstum wie dieses Jahr hat es seit dem Wiedervereinigungsboom bisher nur einmal gegeben. Der Aufschwung steht inzwischen solide auf zwei Beinen:“

Quelle: BMWi

Wenn nur Rainer Brüderle einmal solide und vor allem nüchtern auf zwei Beinen stehen würde. Ohne dauerhaften Alkoholkonsum würde Brüderle vielleicht erkennen, dass er zwar auf der Überholspur fährt, aber als Geisterfahrer auf der falschen Fahrbahnseite. Die Bundesregierung schätzt sich mal wieder durch die Gegend.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Fakt ist, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund des wieder ansteigenden Außenhandelsbeitrags wächst. Aber selbst die Kaffeesatzleser gehen davon aus, dass diese Prosperität eine vorübergehende sein wird. Die Anzeichen für ein Abkühlen der Weltwirtschaft wurden bereits gesichtet. Nur braucht man dazu nicht in die Ferne blicken, sondern einfach in die aktuellen Lageberichte. Zum Beispiel in den Monatsbericht des Finanzministers vom Oktober 2010. Darin steht nun zu lesen:

Der Aufschwung in Deutschland setzte sich in den Sommermonaten fort, allerdings mit erheblich geringerem Wachstumstempo. Angesichts niedrigerer Zuwachsraten bei der industriellen Produktion ist für das 3. Quartal mit einem deutlich geringeren saisonbereinigten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu rechnen als im vorangegangenen Vierteljahr.

Nach verhaltenem Einstieg in das 3. Quartal hat sich die Wirtschaftstätigkeit in der Industrie zuletzt wieder deutlich erhöht. Die Dynamik ist aber viel niedriger als im Frühjahr. Die vorlaufenden Indikatoren wie beispielsweise das industrielle Bestellvolumen und die Stimmung in den Unternehmen signalisieren eine Fortsetzung des gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs. Die voraussichtlich geringere Dynamik dürfte dabei auch auf die spürbare Verlangsamung des Wachstumstempos der Weltwirtschaft zurückzuführen sein.

Und auf das Wachstumstempo der Weltwirtschaft hat Deutschland bekanntlich keinen Einfluss. Obwohl unsere Regierung kräftig an dem Ast sägt, auf dem ihr Wachstum gerade hockt. Die Konjunkturprogramme. Brüderle verkündet den Ausstieg aus den Konjunkturmaßnahmen. Gleichzeitig übt die Bundesregierung in Brüssel Druck aus, dass auch andere Volkswirtschaften einen harten Konsolidierungskurs fahren. Da will der Geisterfahrer sein falsches Verhalten zur Regel machen und den Gegenverkehr zwingen, es ihm gleich zu tun.

Der Export geht also flöten. Das wissen alle, auch die Konjunkturforscher. Daher kömmt es einmal mehr auf die nicht vorhandene Binnennachfrage an. Sie entscheidet über Wohl und Wehe der Brüderleschen Weissagung. Laut Prognose der Bundesregierung soll die Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr um 300.000 sinken. D.h. im günstigsten Fall glaubt die Bundesregierung an 300.000 neue Stellen, ob Vollzeit oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber von den damit verbundenen zusätzlichen Einkommen, sofern vorhanden, und von den unterstellten üppigen Lohnerhöhungen bei den übrigen Beschäftigten sowie von den fünf Euro Aufschlag für Hartz-IV-Empfänger erwartet man, dass die Konjunktur nun richtig angekurbelt wird. Klar, und es bleibt sogar noch etwas übrig, damit die Bürger ihren Anteil zum Sparpaket leisten können.

Rechnen sie noch oder fahren sie bereits hinter Brüderle?

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Leih- und Zeitarbeit nimmt zu

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Seit Wochen und Monaten verkündet der Bundeswirtschaftsminister den Aufschwung XL. Gerade gestern wieder, als die Wirtschafts“waisen“ ihr Herbstgutachten vorstellten. Vor allem der private Konsum sei zur Stütze der Konjunktur geworden bzw. soll zur Stütze im nächsten Jahr werden, wenn die erkannten Risiken in den Volkswirtschaften China und USA Realität werden sollten.

Dabei müssen wir gar nicht bis zum nächsten Jahr warten, um uns bestätigen zu lassen, dass der XL-Aufschwung doch nicht so toll war. Jeder kann sich ausrechnen, dass die Summe aus dem XXXXL-Einbruch im letzten Jahr (-4,7 %) und dem nun erwarteten Plus aus diesem Jahr (+3,5 %) immer noch ein negatives Vorzeichen trägt. Brüderle und die halbe Bundesrepublik freuen sich also über einen Anschlusstreffer kurz vor Schluss so, als hätten sie das Spiel haushoch gewonnen.

In Wahrheit aber gibt es nach wie vor einen Kapazitätsüberhang und damit auch einen Überhang an Beschäftigten. Dies bestätigt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die immer wieder als positives Signal für den Aufschwung XL herangezogen wird. Was ich bei den Futurologen der Neuzeit immer wieder vermisse, ist doch ein nüchterner Blick auf die Gegenwart. In der Wirtschaftswoche liest man nun heute, einen Tag nach dem Gutachen, das besser den Namen „Versuch der Anwendung von Präkognition in der Konjunkturforschung“ heißen sollte, dass die Zahl der Leih- und Zeitarbeiter im August einen neuen Rekordstand erreicht habe.

Quelle: Wiwo

Im August beschäftigte die Branche 893.000 Mitarbeiter und eilt damit der Millionengrenze entgegen, die noch in diesem Jahr erreicht werden könnte. Dies geht aus dem aktuellen IW-Zeitarbeitsindex hervor, der wiwo.de vorliegt. Der Vorkrisenrekord von 823.000 Beschäftigten Mitte 2008 ist damit inzwischen um 70.000 Kräfte deutlich übertroffen. Von Juli zu August 2010 wuchs das Beschäftigungsvolumen um 4,8 Prozent.

Das, den Aufschwung XL begleitende, Jobwunder setzt sich also, nun auch statistisch nachgewiesen, vornehmlich aus einem starken Aufbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse zusammen. Damit boomt mit der Leiharbeit eine Branche, der die FDP und allen voran Bundeswirtschaftsminister Brüderle einen gesetzlichen Mindestlohn verweigert. Und das, obwohl die Leiharbeit die Stütze von Brüderles Aufschwung XL darstellt und er jüngst für höhere Löhne geworben hat.

Der zunehmende Aufbau prekärer Beschäftigung bedeutet nun aber eine Verschiebung des Konjunkturrisikos auf die Arbeitnehmer, die ja nach Brüderles und der Auffassung der Propheten, mit ihrem Einkommen für mehr Konsum sorgen würden. Dabei ist doch selbst in der bornierten Nutzenmaximierer-Modellwissenschaft der Homo-Oeconomisten klar, dass ein Individuum, auf dem das Risiko des Marktes abgeladen wird, keine Zukunftsinvestitionen tätigt, sondern sein Eigeninteresse gerade darin sieht, für den nicht unwahrscheinlichen Fall einer Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Mit anderen Worten: Es wird SPAREN!!!

Vielleicht meinen die sog. Forscher und der Wirtschaftsminister mit einer Zunahme des Konsums aber auch Leute wie Herrn Georg Funke, Ex-Vorstand der HRE. Der klagt ja erfolgreich gegen seine Kündigung und darf sich nun berechtigte Hoffnungen auf mindestens zwei zusätzliche Monatsgehälter machen.

Quelle: Stern

In einem Zivilprozess gab ihm das Landgericht München I am Freitag bei seiner Forderung nach zwei Monatsgehältern Recht und sprach ihm einen Anspruch auf zusammen gut 150.000 Euro zu. Ob Funke auch Anspruch auf das Wiederinkrafttreten seines ursprünglich bis 2013 laufenden Vertrages und damit eine Millionensumme hat, soll ab dem kommenden Jahr geklärt werden.

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Die Krise dauert an, keine Erholung in Sicht

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Die US-Notenbank FED erwägt offenbar eine weitere Lockerung der Geldpolitik, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Quelle: ARD

Viele Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses hätten sich auf der Sitzung am 21. September dafür ausgesprochen – falls das Wachstum zu gering sei, um die Arbeitslosigkeit zu senken oder falls die Inflation weiter fallen sollte. Im Fed-Jargon heißt das: „Eine weitere Lockerung der Geldpolitik könnte in nächster Zeit angemessen sein.“

Die Frage ist halt nur, wie locker die Geldpolitik eigentlich noch betrieben werden kann. Wenn man sich die Entwicklung der Leitzinsen anschaut, wird man unweigerlich feststellen, dass da nach unten überhaupt kein Spielraum mehr besteht. Die Notenbank hat also geldpolitisch ihr Pulver schon längst verschossen. Sie kann eigentlich nur noch zuschauen, wie die Wirtschaft weiter in den Keller rauscht. Vor allem auch deshalb, weil Deutschland und die EU prozyklische Sparpolitik betreiben, anstatt ihre Konjunktur mit einer Ausweitung staatlicher Programme zu stützen.

Leitzinsen_USA
Quelle: www.leitzinsen.info

Es ist doch arg zweifelhaft, dass die us-amerikanische Wirtschaft es schafft, sich selbst zu stabilisieren. Schätzungsweise seit zwei Jahren betreibt die FED eine Nullzinspolitik ohne Erfolg. Die Arbeitslosenquote bleibt bei 10 Prozent und die Wachstumsraten hinter den Erwartungen zurück. Darüber freuen sich ja besonders deutsche Medien, weil die heimische Wirtschaft höhere Wachstumsraten aufweise als die amerikanische und die Arbeitslosenzahlen hierzulande auch geringer seien.

Dabei ist die von infantiler Sandkastenüberheblichkeit gekennzeichnete Freude deutscher Journalisten ein Ausdruck von Ahnungslosigkeit und Dummheit zugleich. Denn fallen die Amerikaner als globaler Nachfrager aus, wäre das auch das Ende für das deutsche Exportmodell. Die Weltwirtschaft kühlt sich bereits wieder ab, während der Bundeswirtschaftsminister vom Aufschwung XL schwadroniert.

Über der amerikanischen Wirtschaft schwebt noch immer die Gefahr eines double dips, einem Rückfall in die Rezession. Dies und die Gefahr einer Deflation sind dann mit Geldpolitik nicht mehr zu kontrollieren. Das Japan-Szenario wäre somit für viele Volkswirtschaften bittere Realität. Davor verschließt der, von der Bundesregierung für die Nachfolge des EZB-Chefs Trichet, erwählte Kandidat und amtierende Bundesbankpräsident Axel Weber die Augen. Er fordert für die europäische Geldpolitik ein restriktiveres Vorgehen, obwohl die Inflationsrate innerhalb der EU immer noch deutlich unter der Zielrate von zwei Prozent liegt, wie übrigens in den USA auch.

Den Börsen ist das aber total egal. Dort werden schon wieder Rekordboni gezahlt und auf dem Frankfurter Parkett freut man sich sogar darüber, dass die Zahlen eines Chipherstellers den DAX zu neuen Höhenflügen verhelfen. Mit realer Wirtschaft hat das alles nichts zu tun und mit einer realistischen Einschätzung der Lage auch nicht.

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Konjunkturdaten: Mal wieder zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Ich habe natürlich auch deshalb zwei Tage lang nix geschrieben, weil ich die offizielle Verlautbarung des statistischen Bundesamts zu den Einzelhandelsumsätzen von heute abwarten wollte und die neuesten Arbeitsmarktdaten von der Arbeitsagentur. Beide Meldungen widerlegen einmal mehr die auch diesmal wieder vorausgegangenen Jubelschreie über eine boomende Wirtschaft und angeblich brummenden Konsum.

Das statistische Bundesamt führt dabei mal wieder komplett in die Irre. Einzelhandelsumsatz im August 2010 real um 2,2% gestiegen heißt es in der Meldung von heute. Gemeint ist der Vergleich zum Vorjahresmonat August 2009. Dieser Monat war bekanntlich ein Krisenmonat, der schlimmste wenn ich mich nicht irre, in dem viele Menschen entweder keinen Job hatten oder in der Kurzarbeit zu entsprechend weniger Bezügen verharrten. Ein Vergleich ist daher nur zulässig, wenn man das Vorkrisenjahr 2008 miteinbezöge. Das tun die Statistiker natürlich nicht, weil man sonst sofort erkennen würde, dass es sich aktuell nicht um einen neuerlichen Kaufrausch handeln kann, sondern lediglich um eine Anpassung der Umsätze im Vergleich zum Einbruch im Krisenjahr 2009.

Ich habe die Meldung von damals natürlich wieder für sie herausgesucht und am 1. Oktober 2009 hieß es entsprechend verkartert:

Einzelhandelsumsatz im August 2009 real um 2,6% gesunken

Hier wird also keine Krise weggekauft, wie man Anfang der Woche in nahezu allen Medien unter der Schlagzeile „Kaufrausch“ nachlesen konnte, sondern lediglich ein katatrophal tiefes Niveau beim privaten Konsum beibehalten und noch nicht einmal egalisiert. In der heutigen Nachricht ist auch wieder zu lesen, dass die Umsätze im Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren abermals rückläufig waren. Das liegt zum einen an der nach wie vor bestehenden Kaufzurückhaltung, aber auch an dem ruinösen Preiswettbewerb der Handelsketten, die inzwischen nicht mehr darum kämpfen, mehr Marktanteile bei höheren Gewinnen zu erzielen, sondern bei weniger Verlusten im Vergleich zu den Konkurrenten. Wirtschaftlich gesund ist das nicht.

Für Wirtschaftsminister Brüderle ist das natürlich kein Argument. Eine Pulle Wein in den Rachen geschüttet – er kann es sich ja leisten, da er schließlich Diäten und nicht Hartz-IV aus Steuermitteln kassiert – und schon sieht die Welt im Taumel des Rausches wieder positiv aus. Die Wirtschaft boome nach Auffassung des Ministers. Eine Herbstbelebung sei angesagt, da die Arbeitsmarktdaten blendend aussehen würden. Nüchtern betrachtet muss man klar festhalten, dass die Beschäftigungsentwicklung seit Monaten stagniert. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sogar zurückgegangen. Zum scheinbar positiven Ergebnis beigetragen, haben neue Jobs in der Leiharbeit und vor allem der Rückgang an Arbeitskräften durch demografische Effekte. Joachim Jahnke bringt es in seinem Infoportal auf den einfachen wie wahren Satz:

Ohne die demographische Entwicklung und ohne die minderwertige Leiharbeit wäre die Arbeitslosigkeit also gestiegen.

Zur Leiharbeit fällt mir noch etwas ein, was ich heute morgen im Deutschlandfunk gehört habe. In der morgendlichen Presseschau um kurz nach halb sechs wurden Kommentare zum Tarifabschluss in der Metallbranche verlesen. Nahezu alle ausgewählten Zeitungen geißelten die zwischen den Tarifparteien vereinbarte Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Springers Märchen-Welt mal wieder vorne weg mit diesem unsäglichen Schwachsinn:

Besorgt stimmt eher, wie unbekümmert dabei zugleich einem der wesentlichen Motoren für den Jobaufschwung, der Zeitarbeit, neue Fesseln angelegt werden. So richtig es ist, Dumpinglöhne zu unterbinden – die Leiharbeit jeglichen Kostenvorteils zu berauben bedeutet, langfristig auf wirtschaftliche Dynamik und damit auch auf neue Beschäftigungschancen für Arbeitslose zu verzichten. Hier werden nicht die Früchte des Geleisteten geerntet – es handelt sich schlicht um einen Fall von Übermut.

Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung und weite Teile von SPD und Grünen ganz genauso borniert denken und in der Leiharbeit noch immer einen Motor für den kostengünstigen „Jobaufschwung“ sehen, der die Arbeitslosenzahlen zu schönen vermag, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass reguläre Arbeitsplätze unwiederbringlich verdrängt werden. Zu etwas anderem taugt die deutsche Leiharbeit, die Wolfgang Clement reformiert und deformiert hat, nämlich auch nicht. Und wer heute die Debatte um die Rente mit 67 aufmerksam im deutschen Bundestag verfolgt hat, konnte schnell begreifen, worum es der Regierung auf allen Feldern ihres asozialen Tuns geht. Um Planungssicherheit für die Wirtschaft und die Unternehmen. Das ist primäres Ziel. An die Planungssicherheit von Arbeitnehmern, Rentnern und Sozialleistungsbeziehern, die der Definition nach eigentlich auch Teil des Volkes sind, wurde hingegen kaum ein Gedanke verschwendet.

Rückblickend auf 20 Jahre Deutsche Einheit lässt sich daher feststellen, dass das mit der Planwirtschaft im Osten anscheinend besser funktioniert hat. Da hätte man sich durchaus etwas abgucken können.

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Tage des Irrsinns – Zwischen Aufschwung und Zonen für Massenvernichtungswaffen

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Es ist unglaublich. Kaum wird bekannt, dass die Bundesregierung eine über den Daumen gepeilte Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze um satte 10 bis 13 Euro plant (heute Abend wissen wir mehr) und schon steigen ifo-Geschäftsklimaindex und die Prognose des Einzelhandelsverbands HDE zum privaten Konsum. Alles super. Es geht aufwärts. Schließlich weiß der Gesundheitsminister Philipp Rösler, dass im nächsten Jahr noch keine Zusatzbeiträge durch die Krankenkassen in maximaler Höhe von nunmehr zwei Prozent des Einkommens erhoben werden (auch bei Hartz-IV-Empfängern). Insofern kann die Binnenkonjunkur aber mal so richtig angekurbelt werden. Wobei der Einzelhandelsverband in seiner Pressemitteilung von einer Rückkehr zur Normalität spricht. Wenn ich mir die Entwicklung der letzten Jahre anschaue, bestand die Normalität gerade darin, stetig Umatzrückgänge hinnehmen zu müssen. Der entscheidende, aber von nahezu allen Medien völlig ignorierte Satz, lautet dann auch:

„Wir korrigieren unsere Umsatzprognose auf nominal plus 1,5 Prozent. Am Ende des Jahres könnte der Einzelhandel also einen guten Teil des Umsatzverlustes aus dem Vorjahr (minus zwei Prozent) wieder aufgeholt haben. Dies ist aber nicht viel mehr als eine Rückkehr zur Normalität.“

Man könnte darüber lachen, wenn man sich die Meldungen der täglich erscheinenden Volksverdummungsorgane vor Augen führt. Dazu eine Karikatur von Klaus Stuttmann.

Karikatur: Klaus Stuttmann
Quelle: Klaus Stuttmann

Inzwischen wurde aus Koalitionskreisen bekannt, dass sich Finanzminister Schäuble weigert, die zusätzlich benötigten Mittel in Höhe von 700 bis 800 Millionen Euro, die eine Erhöhung der Regelsätze um 10 Euro kosten würde, bereitzustellen. Das solle die Arbeitsministerin von der Leyen in ihrem Etat schön selbst zusammenkürzen. Das wird sie auch tun, in dem sie sich das Geld beim Kürzen von Qualifizierungsmaßnahmen und Eingliederungsleistungen zurückholt. In Zukunft gilt dann nicht mehr das Prinzip „Fördern und Fordern“, sondern die Maßgabe „Fordern und Sanktionieren“. Es soll ja demnächst viel leichter möglich sein, Bezieher von Arbeitslosengeld II zu sanktionieren. Das macht auch Sinn, wenn man die Förderung komplett einstellt. Möglicherweise führt dann schon ein fehlendes Satzzeichen in Bewerbungsschreiben Nr. 1025 zu einer sofortigen Kürzung der Leistungen wegen grober Pflichtverletzung.

Dieses Szenario ist dann auch ganz im Sinne derer, die sich bereits jetzt wieder über einen Sozialstaat beschweren, der wegen 10 Euro mehr aus dem Ruder laufen würde. Besonders widerlich geriert sich dabei der Fraktionsvize der Union Michael Meister. Er gilt gemeinhin als Chefhaushaltssanierer und Kostensparer, der großen Wert auf saubere Staatsfinanzen legt. Er lehnte sich mit der Bemerkung aus dem Fenster, dass der- oder diejenige, die Vorschläge für Mehrausgaben einbringe, auch dafür sorgen müsse, wie diese zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollen. Es sei daher nur konsequent, wenn Frau von der Leyen bei sich im Haushalt die nötigen Mittel für eine Erhöhung der Regelsätze suchen würde. Neue Schulden aufzunehmen, käme jedenfalls nicht in Betracht. Das sei unverantwortlich.

Komisch nur, dass derselbe Michael Meister die neuen Garantien für die HRE in Höhe von 40 Mrd. Euro als notwendige Maßnahme zur Gründung einer Bad Bank rechtfertigte, bei der auch Marktrisiken abgesichert werden müssten. Wörtlich sprach der offenkundige „Meister seines Fachs“ davon, dass die beabsichtigte Bad Bank ein „Versuch Boden unter die Füsse“ zu bekommen, sei. Ein ziemlich teurer Versuch für einen selbsternannten Haushaltssanierer, der im Mai 2010 noch davon sprach, dass „…wirklich alles. Man kann nichts ausnehmen, auch nicht die sozialen Leistungen.“ herangezogen werden müsse, um den Haushalt zu konsolidieren.

Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu Guido Westerwelle. Dieser Mann toppt einfach alles. Vor der UN-Versammlung hielt der Vizekanz-Nicht seine erste Rede (Deutschland bewirbt sich bekanntlich um einen frei werdenden nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat) und sprach von einer geplanten Konferenz zur Einrichtung einer Zone von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten, die eine große Chance für Frieden und Sicherheit in dieser Region darstellen würde. Sehen sie selbst.

LOL. Ausgerechnet das Wörtchen „frei“ übersah die liberale und selbsternannte Freiheitsstatue der Nation beim Ablesen seiner Rede. Wie kann denn so etwas nur passieren? Dabei hatte Westerwelle einen Tag zuvor die Rede des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad verurteilt und eine Verirrung des Redners beklagt.

„Es ist bedauerlich, dass Präsident Ahmadinedschad sich so verirrt hat, denn die Anschuldigungen sind natürlich abwegig und sie sind zugleich verletzend.“

Quelle: Reuters

Offensichtlich sind beide Gestalten verirrte Brüder im Geiste, die bei jeder Gelegenheit über ihre eigene Eitelkeit und Dummheit stolpern. Dazu passt doch einmal mehr die Karikatur über Westerwelle aus den Mitternachtsspitzen.

Extremist-Westerwelle

Mitternachtsspitzen: Jürgen Becker über den Ahmadinedschad des Mittelstands Guido Westerwelle

Über beteiligte Zuhörer, die empört den Saal verlassen hätten, ist nichts bekannt. Ich habe aber das Programm gewechselt.

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Haushaltsdebatte als Farce – der Lobbyismus als Staatsprinzip

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Im letzten Jahr saß Frau Merkel bei Anne Will und beschrieb sich und ihre Amtsführung mit folgendem Satz:

„Ich bin mal liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ.“

Man könnte das für ein schönes Beispiel Merkelscher Beliebigkeit halten, und ich habe das anfangs auch gedacht, in Wirklichkeit aber folgt ihre Politik nur einem ganz konkreten Muster. Und zwar den Lobbyismus zum Staatsprinzip zu erklären. Quasi unter Ausschaltung des deutschen Bundestages dürfen Banken und Finanzwirtschaft darüber bestimmen, was sie zu zahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Ferner dürfen Pharmaunternehmen und private Krankenkassen bestimmen, was sie zu bezahlen haben und was sie vom Staat bekommen. Und nun ist auch klar, dass die Atomwirtschaft bestimmt, was sie zu bezahlen hat und was sie vom Staat bekommt.

Geheimabkommen machen es möglich. Das ist nicht neu. Wahrscheinlich erinnert sich noch jemand an den tollen Deal der SPD-Gesundheitministerin for ever Ulla Schmidt mit den Apothekern. Dafür, dass nämlich die Menschen dank Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung weniger Pillen konsumierten und damit für Einsparungen bei den Arzneimittelkosten sorgten, mussten die Apotheker natürlich aus den nunmehr entstandenen Einsparungen/Gewinnen entschädigt werden, weil die ja auf dem ganzen Pillendreck sitzen geblieben waren. Dieser Vertrag mit der rot-grünen Bundesregierung trug auch die Unterschriften von Union und FDP und regelte die Existenzsicherung der Apotheken auf deren Umsatzbasis aus dem Jahre 2002. Toll oder? Da hätte man die Pillen auch gleich weiterfressen können, meinte Georg Schramm in seinem damaligen Kabarettprogramm Thomas Bernhard hätte geschossen und fügt sehr scharf hinzu, dass das selbe Argument für Hartz IV-Empfänger freilich und bewusst nicht gegolten habe, weil die Existenzsicherung des Einzelnen in Zeiten der Globalisierung angeblich nicht mehr möglich sei.

Das wiederum gilt auch heute in Zeiten der scheinbaren Merkelschen Beliebigkeit. Wenn es um Kürzungen im Sozialetat geht, wird die Debatte sehr offen im Parlament und in der Bild-Zeitung geführt. Da gibt es keine geheimen Deals und Absprachen. Der Pöbel soll sich schließlich aufregen und seine Wut gegen jene richten, die noch weniger haben, als man selbst. Klassenkampf im Armenhaus lautet da das Motto. Mit dummen Argumenten und absurden Zusammenhängen wird demenstprechend die aktuelle Haushaltsdebatte geführt. Allein schon der Auftritt – es müsste viel eher das Aufrollen heißen – von Dr. Wolfgang Schubladen-Schäuble ist albern durch und durch. Gerade mal einen oder zwei Tage nach der erneuten 40-Mrd. Garantie an die HRE schwafelt der Finanzminister von der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.

Es gäbe halt keine Alternative, um die HRE langfristig zu sanieren. Das ist schon klar, wenn man sich vor Augen hält, dass die HRE bis dato jedesmal mit der Pleite drohte, um weitere Garantien vom Staat zu erpressen. Wer garantiert denn, dass die Banker in Staatsdiensten nicht noch einmal 40 Mrd. oder vielleicht ein bissel mehr fordern? Wonach richten sich überhaupt die Zusagen für weitere Staatsgarantien, die immer sehr zügig am Parlament vorbei gewährt werden? Dazu schweigt Schäuble bzw. heuchelt Verständnis für die vielleicht etwas verstörte Bevölkerung. Aber der Mann für Finanzen hat ja den Sozialbereich, der sich prima zum Vorführen öffentlicher Kürzungsorgien eignet. Da ist jeder mit dabei, kann mitreden und glaubt wahrscheinlich auch, gar nicht zu jenen zu gehören, die am Ende beim Tritt in die Wichteile betroffen sein werden.

Besonders widerwärtig war dann auch Schäubles Behauptung, mit dem Sparpaket der Bundesregierung würde sich die Politik vertärkt darauf konzentrieren, dass die Menschen wieder Arbeit aufnähmen. Konkret steht in dem Kürzungsprogramm aber drin, dass gerade die Eingliederungshilfen der Arbeitsagentur, die, wie der Name es schon sagt, für die Eingliederung Arbeitsloser/-suchender in den Arbeitsmarkt als Versicherungsleistung bisher vorgesehen waren, einfach ersatzlos gestrichen werden sollen. Was ist das nun?

Liberal? Christlich-Sozial? oder konservativ?

Oder einfach nur dummes Geschwätz? Es muss wohl an den Genen liegen, dass so viel Unsinn vor einer breiten Öffentlichkeit vorgetragen wird. Herr Sarrazin hat sich übrigens ebenfalls mit einem Deal von seinem Bundesbanker-Posten verabschiedet. Die aktive Rolle der Bundesregierung, wird dabei natürlich wieder dreist geleugnet. Rund 1000 Euro mehr Rente und der Rückzug war perfekt. Da fragt man sich, wie viele Dosen Ravioli und warme Pullover sich ein Herr Sarrazin eigentlich zulegen möchte, um über die Runden zu kommen. Das wird den Stammtisch aber wieder nicht interessieren. Was sind schon 1000 Euro mehr für einen Banker. Peanuts! Aber ein auf Steuerzahlerkosten finanzierter Rollkragenpullover für einen Hartz IV-Empfänger, das geht nicht. Auf diesem Niveau in etwa bewegen sich die Denk- und Hasshorizonte der von Sarrazin und auch Schäuble verseuchten Massenhirne.

Und nur der Gysi warnt…

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