Oh Schreck: Griechenland hat keine Verwaltung mehr

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Das Geheule der deutschen Wirtschaft und der Presse über die plötzlich entdeckten Defizite in der griechischen Verwaltung ist skandalös und zynisch zugleich. Keine Woche ist es her, da haben alle noch auf die Durchsetzung des Sparpaketes bestanden, in dem klar vorgesehen ist, 15.000 Staatsangestellte sofort zu entlassen. Bis 2015 soll die Zahl der Entlassungen im öffentlichen Dienst auf 150.000 steigen.

Heute Morgen beklagte sich BDI-Präsident Keitel im Deutschlandfunk über mangelnde Verwaltungsstrukturen. Deutsche Unternehmen würden gern in Griechenland investieren, fänden aber mit Blick auf Steuerverwaltung und Katasterwesen kein funktionstüchtiges Staatswesen mehr vor. Deutsche Unternehmer bräuchten aber Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, so Keitel weiter.

Zum bisherigen Rettungsverfahren sagte der BDI-Präsident aber, dass die Voraussetzungen für eine Sanierung geschaffen worden sein. Da fragt man sich doch entsetzt, wer hier wen für dumm verkaufen will. Von außen müsse sichergestellt werden, dass Griechenland die versprochenen Anstrengungen auch tatsächlich unternehme. Die ganze Hilfe nütze dann ja nichts, hält der BDI-Präsident fest.

Und da hat er Recht, denn die 130 Mrd. Euro nützen den Griechen und ihrer Wirtschaft auch nichts, weil sie ohne Umweg zur Schuldentilgung eingesetzt werden müssen. Dafür soll zudem ein Sperrkonto sorgen, auf dessen Einrichtung bei den Verhandlungen vor allem der deutsche Finanzminister bestanden hat.

Um eine funktionierende Verwaltung wiederherstellen zu können, die nach Keitels Aussage auch in der Vergangenheit schon nicht bestanden habe,

“Nur das ganze ist unter der Staatsverkrustung irgendwo aus unserem Blick verschwunden.”  

braucht es Personal, dass sich durch die vielen Aktenberge wühlt und für die sprichwörtliche Ordnung sorgt, auf die vor allem die Deutschen so erpicht sind. Das ändert nur nichts an der Tatsache, dass mit den Sparpaketen das Gegenteil bewirkt wird. Dennoch versuchen Schäuble und Co. der deutschen Öffentlichkeit weiszumachen, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die beliebten Strukturreformen durchführen zu können.

Absurderweise wurde vor dem Bekanntwerden der Missstände, die angeblich unter einer “Staatsverkrustung” verborgen lagen, immer behauptet, die griechische Staatsverwaltung sei viel zu überdimensioniert. In feinstem neoliberalen Neusprech sollte der Eindruck vermittelt werden, der öffentliche Dienst in Griechenland stünde beispielhaft für ein Leben über den Verhältnissen. Nun stellt Keitel selbstkritisch fest, dass man die Begebenheiten in Griechenland wohl eher als charmantes Mittelmeerproblem betrachtet habe. Dennoch bleibt er dabei, dass sich ein Land keine Verwaltung leisten könne, die sich nur mit sich selbst beschäftige.

Das ist auch richtig. Allerdings bedarf es mit Sicherheit einer Verwaltung, in der auch Menschen beschäftigt sind.

EDIT: Das Interview kann hier nachgelesen werden:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1683495/

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