Jahresrückblick: Unbegreifliche Schönschreiberei

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Da ich heute noch einmal arbeiten musste, lief am Morgen alles wie gehabt. Gegen fünf raus aus den Federn und das Radio eingeschaltet. Neuerdings höre ich am Morgen immer den Deutschlandfunk, weil die zu dieser Uhrzeit schon aktuelles Programm machen. Unter anderem mit einer Presseschau. Zahlreiche Zeitungen beschäftigten sich heute mit einem Jahresrückblick. Der Kommentar der Welt ist mir dann besonders aufgefallen, weil darin eine schönfärberische Perspektive eingenommen wird, wonach das abgelaufene Jahr nicht so schlimm gewesen sei, wie zu Beginn noch befürchtet. Auf einen Satz gebracht, heißt es dann:

Deutschland hat das Krisenjahr glimpflich – und gelassen – überstanden.

Da kann man sich nur an den Kopf fassen. Ich habe es an anderer Stelle bereits geschrieben. Wer einen Einbruch der wirtschaftlichen Leistung um fünf Prozent nicht als das begreift, was es ist, nämlich eine Katastrophe, der hat schlicht nicht mehr alle Tassen im Schrank. Für den Welt-Kommentator ist die Tatsache, dass es zu keinen Massenentlassungen gekommen sei – ich frage mich, was die Quelle-Insolvenz mit knapp 4000 Beschäftigten, die ihren Job verloren haben, anderes war – Grund genug, die Welt positiv zu malen. Auf Spiegel-Online lese ich zudem, dass die deutschen DAX-Konzerne allein im Jahr 2009 mehr als 45.000 Jobs abgebaut haben. Entscheidender Satz:

Tausende Jobs gingen in diesem Jahr verloren, ohne dass darüber berichtet wurde.

Das hat das Springerblatt Welt anscheinend nicht mitbekommen oder man verlässt sich auf die amtliche Statistik der Bundesagentur. Doch die Dummheiten im Welt-Kommentar sind noch viel offensichtlicher. Nehmen sie zum Beispiel die Aussage über den zu erwartenden Exportanstieg im nächsten Jahr:

Die Industrie hat sich behauptet, im nächsten Jahr springt der Export wieder an. Ein Plus von zehn Prozent sagt der Außenhandelsverband voraus.

Da kann man mal wieder sehen, wie mit Zahlen ohne Bezug in manipulativer Weise hantiert wird und der Eindruck erweckt werden soll, als ginge es der Wirtschaft bald wieder gut. Der Welt-Kommentator nennt nämlich nicht den Absturz des Außenhandels und das tiefe Niveau, auf dem er gelandet war. Mit über 23 Prozent ging es im Januar und auch im Februar 2009 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten nach unten. Auf der Seite des Statistischen Bundesamts können sie die Vergleichswerte bis einschl. Oktober 2009 in der Pressemitteilung Nr.474 vom 09.12.2009 nachlesen. In Grafiken aufbereitet, sieht das dann so aus:

Im Schnitt haben wir also beim Außenhandel rund 21 Prozent verloren und nun kommt Springers Welt und will uns ein mögliches Plus von 10 Prozent im nächsten Jahr als solide Wirtschaftsentwicklung verkaufen. Wirkliche Wirtschaftsfachleute mit Ahnung würden sich angesichts dieser Zahlen aber nicht auf die Schulter klopfen und Gelassenheit predigen, sondern alarmiert fragen, was denn nun aus den nach wie vor bestehenden Überkapazitäten wird. Denn der Welt-Kommentator hat ja schon Recht wenn er schreibt, dass ein dramatischer Anstieg bei der Arbeitslosigkeit nicht zu verzeichnen war. Doch die Leute, die mittels Kurzarbeit in ihren Jobs vorerst bleiben konnten, sind der betriebswirtschaftlichen Logik nach, immer noch überflüssig. Wenn der Außenhandel tatsächlich nur um 10 Prozent wachsen sollte und sich gleichzeitig auf dem Binnenmarkt die Dauertalfahrt fortsetzt, werden große Unternehmen mit Exportbezug wie Daimler, Siemens, ThyssenKrupp weiter still und heimlich Jobs abbauen. Dazu braucht man kein Prophet zu sein, sondern einfach nur zur Kenntnis nehmen, dass diese Unternehmen im Jahr 2009 damit schon längst begonnen haben.

Doch Springers Welt blickt nicht auf die personelle Entwicklung oder die volkswirtschaftlichen Daten, sondern auf den Aktienkurs:

Die Börse feiert das Comeback der großen Mittelständler und Konzerne schon jetzt. Der Leitindex Dax legte im Jahresverlauf um knapp 24 Prozent zu. Ein Krisenjahr sieht anders aus.

Auch das ist ein Beleg für Dummheit und Lernunfähigkeit. Es wird weiter so argumentiert wie vor der Krise und behauptet, wenn es den Kursen gut geht, geht es auch der Wirtschaft und den Menschen gut. Dabei ist die aktuelle Kursrally eben zunächst mal wieder eine Rally an der Börse, bei der Spekulanten, Banken und Ratingagenturen das Tempo bestimmen und nicht die Realwirtschaft.

Allenfalls der Herdentrieb bei den Managern in den großen DAX-Unternehmen, die Kosten unbedingt drücken zu müssen und Löhne zu kürzen, wirkt dort hinein. Das tut nämlich dem Aktienkurs gut, nicht aber der Volkswirtschaft. Zum volkswirtschaftlichen Nutzen eines solchen Vorgehens noch einmal sehr anschaulich Heiner Flassbeck am Beispiel Daimler:

„Nehmen wir den mittlerweile klassischen Fall. Der Autokonzern Daimler macht Verluste. Er kürzt daher die Arbeitszeit der Mitarbeiter, die nicht in Kurzarbeit sind, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften um zehn Prozent. Im Gegenzug verzichtet das Unternehmen auf Kündigungen. Folglich sinkt die Lohnsumme der betroffenen 90.000 Arbeitnehmer um zehn Prozent. Dies ergibt bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 4000 Euro eine Kostensenkung für das Unternehmen von etwa 400 Millionen Euro. Immerhin werden dadurch die erwarteten Verluste von Daimler erheblich reduziert.

Die gesamtwirtschaftliche Rechnung sieht dagegen anders aus: Die 400 Millionen Euro verringern die Kaufkraft der Daimler-Mitarbeiter. Wenn die Beschäftigten den Gürtel enger schnallen, wirkt sich das auf die Nachfrage nach Gütern anderer Unternehmen aus. Die zu erwartenden Verluste dieser Firmen steigen also genau in dem Ausmaß, wie sich die von Daimler erwarteten Verluste vermindern. Für die Volkswirtschaft als Ganzes bringt die Sparmaßnahme des Autokonzerns und seiner Gewerkschaften folglich schon im ersten Zug keine Verbesserung. Wenn nun andere Firmen wegen der erwarteten Verluste dem Daimler-Beispiel folgen und die Löhne kürzen, dann führt das direkt in die Katastrophe.“

Quelle: Süddeutsche

Folglich sinken nicht nur Kaufkraft, sondern auch Preise. Das nennt man dann Deflation und die gibt der Wirtschaft und der Gesellschaft den Rest. Dass die Preise nicht mehr gestiegen sind, konnten sie im Jahr 2009 auch beobachten. Mindestens zweimal fielen die Verbraucherpreise im abgelaufenen Jahr. Im September um 0,3 und im Juli um 0,5 Prozent (niedrigster Stand seit 1987, siehe abermals destatis). Für das Jahr 2009 rechnet das Statistische Bundesamt mit einer Teuerungsrate von +0,4 Prozent. In der Pressemitteilung Nr.512 vom 29.12.2009 heißt es dann auch:

Aufgrund starker Preisrückgänge bei Kraftstoffen und leichtem Heizöl sowie bei Nahrungsmitteln und einer überwiegend moderaten Preisentwicklung bei anderen Waren und Dienstleistungen wurden für die einzelnen Monate des Jahres 2009 sehr niedrige Inflationsraten gemessen; im Juli 2009 erreichte die Inflationsrate mit – 0,5% den niedrigsten Stand seit 1987.

In dem kurzen Welt-Kommentar über das Jahr 2009, der mir, wie sie sicherlich merken, tierisch auf die Nüsse geht, wird es zum Ende hin geradezu albern.

Der befürchtete starke Anstieg der Arbeitslosigkeit blieb aus. Im internationalen Vergleich steht Deutschland hervorragend da. Der Sozialstaat funktioniert und hat die Krise abgefedert. Auch deshalb haben die Deutschen so ruhig weiter konsumiert. Die Beruhigung an der Preisfront dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Ich habe das Datum schon, an dem das Statistische Bundesamt die Zahlen für den privaten Konsum veröffentlichen wird. Am Freitag, den 8. Januar um 8:00 Uhr, gibt’s die Einzelhandelsumsätze für den Monat November 2009 und die Zahl der Insolvenzen für den Monat Oktober. Ich zitiere noch einmal aus der letzten Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts zu den Umsätzen im Einzelhandel vom 01.12.2009 (Nr.461):

Von Januar bis Oktober 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,5% und real 1,8% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Die Deutschen haben nicht ruhig weiter konsumiert, sondern weiterhin deutlich weniger konsumiert. Seit ich die Aufzeichnungen bewusst verfolge, habe ich noch kein Jahr gesehen, in dem mehr konsumiert bzw. umgesetzt wurde, als im Jahr davor. Mit dem privaten Konsum geht es seit Jahren abwärts. Wer da immer noch davon spricht, dass es sich hierbei um eine Stütze der Volkswirtschaft handelt, hat wiederum einen an der Waffel. Den privaten Konsum zu stützen, wäre eine dringende Aufgabe, die es anzugehen gilt. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Regierung zählt eindeutig nicht dazu.

Doch der allergrößte Mist im Welt-Kommentar ist die Schlussformel, die der Autor aus seiner vorangegangenen Traumdeutung zu ziehen versucht.

Was heißt das für 2010? Die Deutschen sollten nicht nur gelassen bleiben, sondern wieder mehr Mut fassen. Schon allein statistische Basiseffekte werden dafür sorgen, dass die Wirtschaft stärker wächst als von vielen angenommen. Weitere positive Überraschungen sind programmiert. Wenn das kein Grund für gute Laune ist!

Dass die Wirtschaft stärker wachsen werde, ist wahrscheinlich unbestritten. Aber auch hier greift der Autor wieder zu dem bereits oben erwähnten manipulativen Trick. Er lässt die Bezugsgröße einfach weg. Selbst wenn die Wirtschaft im Jahr 2010 um zwei Prozent wachsen sollte, so muss man den Absturz im Jahr 2009 von mindestens minus fünf Prozent dazunehmen, um eine qualitative Aussage treffen zu können. Täte man das, könnte man nie zu der Überzeugung gelangen, dass gute Laune und Gelassenheit angesagt wäre. Ganz im Gegenteil!

Protest und Widerstand ist angesagt! Vor allem gegen eine Regierung, die es sich weiterhin erlaubt, teure Klientelpolitik zu betreiben und die Kosten der von ihr mitverursachten Krise auf die Schultern der Allgemeinheit fast schon still und heimlich abzuladen. Es ist wie Freimut Kahrs in einem Gastbeitrag bei Egon W. Kreutzer schreibt:

„Das Jahr 2010 kann zum Wendepunkt der Geschichte werden, wenn wir uns nicht länger als Verfügungsmasse der Politiker und Wirtschaftsführer, sondern als denkende und handelnde Menschen begreifen.“

In diesem Sinne, einen guten Rutsch und als Vorsatz für’s neue Jahr:

Packen wir’s an!

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Weihnachtsbraten schon verdaut?

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Ach war das ein schönes Fest. Ich habe mich richtig amüsiert. Okay, es war klar, dass einige ihren Sabbel nicht halten können würden. Wie unser Bundeshorst zum Beispiel. Aber egal. Großartiger Auftritt. Haben sie das mitbekommen? Köhlers Ansprache wurde zur Sicherheit bereits vorab in allen Medien zitiert und eingängig analysiert, so dass man sich den gewohnt gruseligen Auftritt am späteren Abend nicht mehr anschauen brauchte. Das Lustige an der gewohnt belanglosen Ansprache war ja, dass Köhler das Volk aufrief, achtsamer zu sein. Das muss ja vor allem bei unseren Nachbarn sehr einschläfernd gewirkt haben. Denn genau einen Tag später setzt sich doch so ein Wohlstandssproß aus feinem Hause in Amsterdam, an allen Nacktscannern vorbei, in ein Flugzeug nach Amerika, mit der Absicht, seinen edlen Gucci-Schlüpfer bei der Landung in die Luft zu sprengen.

Terror in der Unterhose, da flog mir doch glatt die Keule aus der Hand. Köhlers Ansprache war danach ganz schnell vergessen. Tolles Timing. Sonst hat das ja immer bis zum Neujahrsgebrabbel der Kanzlerin gedauert. Nun wird aber wieder heftig über die innere Sicherheit durch mehr Erotik an Flughäfen diskutiert und dabei beiläufig verdrängt, dass der Bundestagspräsident Lammert das gerade erst durch seine Partei mitbeschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz heftig kritisert hat. „Lammert attackiert Koalition„, schallte es durch den bereits nadelnden Weihnachtsbaum. Das Gesetz sei…

„mit einem vielleicht aus der Euphorie des Wahlergebnisses entstandenen Energieüberschuss ein bisschen sehr schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden.“

Das Gesetz sei darüber hinaus teilweise „misslungen“ und mit „nicht vertretbaren Regeleungen“ versehen, wie die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers zum Beispiel. Dieser Regelung habe Lammert auch nicht zugestimmt, gibt er zu verstehen. Da habe ich aber gestaunt. Denn das Gesetz wurde im Bundestag am 4.12. als Ganzes beschlossen und nicht in Teilen. Trotzdem hob Lammert seinen „rechten Arm“ (könnte auch der linke gewesen sein), wie sich das in der deutschen Demokratie gehört, um dem Gesetz zuzustimmen. Das geht traditionell immer schön nach dem Führerprinzip. Der Fraktionschef gibt die Linie vor. Mit Josef Göppel von der CSU hat nur ein einziger von Schwarz-Gelb gegen das Gesetz gestimmt. Dafür ist die Jammerei, die man jetzt vor allem aus Unionskreisen hört, schlicht erbärmlich.

Da ich aber noch in Feierlaune bin, lasse ich mir selbige durch unsere Politiker nicht verderben und komme zu einem weiteren lustigen Thema. Der Einzelhandel. Sie werden es nicht glauben, aber man klopft sich wieder und weiter auf die Schulter und ist zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft. So langsam trudeln nämlich die Bewertungen der einzelnen Landesverbände ein, bevor das statistische Bundesamt im Januar resp. Februar die niederschmetternden Zahlen bekanntgeben wird. Bevor ich ihnen zur Kenntnis gebe, wie der Einzelhandelsverband Berlin-Brandenburg das Weihnachtsgeschäft einschätzt, will ich sie nochmal darauf hinweisen, dass das letzte Jahr für die Branche richtig Scheiße lief.

Die Branche habe weitaus besser abgeschnitten als erwartet und liege nur knapp unter Vorjahresniveau, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, im rbb-Inforadio. Das sei in einem so schwierigen Jahr wie 2009 ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Insgesamt ging 2009 der Einzelhandelsumsatz in Berlin und Brandenburg um zwei Prozent zurück.

Quelle: rbb

Sie möchten bestimmt auch wissen, warum das Geschäft besser als erwartet lief?

Ein Grund für die geringen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Einzelhandel seien die stabilen Arbeitsmarktzahlen in der Region, erklärte Busch-Petersen.

Da haben sie es doch. Alles stabil, alles gut, Unterhose sitzt und der Bundeshorst würde sagen:

Es geht darum, mit Ideen, Vernunft und Einsatz den Weg für eine gute Zukunft zu finden. Trauen wir uns etwas zu! Es geht um eine Politik, die über den Tag hinaus denkt und handelt. Es geht um eine Kultur der Achtsamkeit und Anerkennung, überall.

Das schafft Vertrauen. Und jeder von uns kann dazu beitragen.

Quelle: Bundespräsident

Ob der Horst mit Vernunft und gute Zukunft die Verdummung durch immer blödere PR-Ideen gemeint haben mag, weiß ich nicht. Achtsam sollten wir jedenfalls sein, besonders dann, wenn uns auch im nächsten Jahr wieder so ein Müll vorgesetzt wird, wie in diesem. Das sollten wir dann aber nicht anerkennen, sondern bekämpfen. Das Jahr 2010 sollte endlich ein Jahr des Protests werden! In diesem Sinne, ein schönes Rest-2009. :>>

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Das Lustigste vom Tage

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Um Kirchenaustritte zu vermeiden, will der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, eine Ethiksteuer einführen (siehe u.a. Reuters):

Der Satz für diese Steuer könnte sieben Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer betragen. Damit könnte die Zahl der Kirchenaustritte möglicherweise gebremst und Trittbrettfahrerverhalten unterbunden werden. „Schließlich nehmen auch Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder Seelsorger in Anspruch.“

Toll. Wenn als Seelsorger immer gleich ein Kirchenvertreter an der Unglücksstelle auftaucht, ist das ja auch kein Wunder. Nur ich frage mich, wieso es eine politische Aufgabe sein soll, die Mitgliederstärke der christlichen Kirchen zu stabilisieren. Der Glaube ist gottverdammt nochmal Privatsache und kein öffentliches Gut. Die Finanzierung hat demenstprechend auch überwiegend nicht-öffentlich zu erfolgen. In meinen Augen spricht es schon gegen die Aufklärung respektive einer modernen auf den Prozess der Säkularisierung gründenden Staatsverfassung, dass der Staat Kirchensteuern eintreibt. Wo ist da die Trennung zwischen Staat und Religion?

Mal abgesehen davon: Wenn Herr Blum meint, dass kirchlich angebotene soziale Dienste von Leuten zu Unrecht in Anspruch genommen werden, die gar keine Kirchensteuern bezahlen, würde ich mal danach fragen, warum der Staat soziale Dienste dann nicht selbst anbietet. Aber vielleicht liegt es ja auch einfach nur daran, dass es in diesem Land ein Subsidiaritätsprinzip gibt, das nun einmal Eigenverantwortung vor übergeordnetes staatliches Handels setzt. Städte, Gemeinden und Kommunen sind vor Ort für die Umsetzung von sozialen Diensten verantwortlich. Und wo sitzen nunmal Kirchen, Verbände usw.?

Die reine Finanzierung der Kirchen darf doch nicht mit der Finanzierung des Gemeinwesens durch Steuern in einen Topf geschmissen werden.
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Eigentlich wollte ich jetzt noch was zum Einzelhandelsverband schreiben, der sich im Zuge des Weihnachtsgeschäfts über den stabilen privaten Konsum der letzten Jahre freute und das damit begründete, dass die Verluste im Einzelhandel nicht so gravierend seien wie in anderen Branchen. Man rechne dennoch mit einem Minus von 2 Prozent in diesem Jahr. Da habe ich mich geschüttelt vor Lachen. So etwas können sie aber getrost ignorieren. Die neuen niederschmetternden Zahlen des statistischen Bundesamts werden uns weiterhin über den anhaltenden Verfall der Kaufkraft in diesem Land Aufschluss geben.

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Kredit ohne Zinsen: Um die Krise zu begreifen…

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…braucht man nicht unbedingt Monat für Monat den amtlichen Statistiken zu folgen, wie zum Beispiel beim Einzelhandelsumsatz oder der gerade wieder eingebrochenen Industrieproduktion. (siehe z.B. Jahnkes Infoportal) Es reicht oftmals auch, einfach nur die Augen aufzumachen und sich anzuschauen, wie die eigene Umwelt auf die Rezession reagiert.

Gucken sie doch mal bei ihrem Media-Markt des Vertrauens vorbei. Dort können sie noch bis Weihnachten das unglaubliche „0 Prozent auf Alles“ – Angebot wahrnehmen, wenn sie etwas im Wert von mindestens 240 Euro kaufen, aber nicht genug Geld haben. Einfach Finanzierung über 24 Monate abschließen und schon können ihre Weihnachtswünsche doch noch wahr werden. Sie glauben ja nicht, wie voll die Märkte sind und wie groß der Ansturm auf dieses Angebot ist. Ein Kredit ohne Zinsen klingt für viele nach einem guten Geschäft.

„Die Aktion wird von den Kunden sehr gut angenommen“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Quelle: Hamburger Abendblatt

Und auch andere Händler wollen nachziehen oder sind schon längst dabei, mit Nullprozent Krediten den Kaufanreiz zu steigern. Diese Entwicklung muss bedenklich stimmen, weil gerade dieses Konsummodell in Amerika krachend gescheitert ist. Denn es verschulden sich ja nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Unternehmen bzw. die den Kaufpreis absichernden Assekuranzen gehen ein ziemlich hohes Risiko ein, dass sie durch Kreditausfälle, die gerade in einer Rezession mehr als wahrscheinlich sind, in arge Bedrängnis kommen. Man nennt so etwas auch „Kreditblase“ und das platzen einer solchen liegt noch gar nicht so lange zurück.

Man kann eine schwache Kaufkraft, die infolge sinkender Löhne und der Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse sowie faktischer Arbeitslosigkeit immanent geworden ist, auf Dauer nicht durch Schulden ersetzen. Das hat die Krise in Amerika überdeutlich gezeigt. Auch diese für jeden Menschen leicht nachprüfbare Erfahrung müsste eigentlich zu einer politischen Initiative führen. Doch die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Im Gegenteil. Sollte der private Konsum tatsächlich steigen, wird man das als großen Erfolg feiern und sagen, dass das Wirtschaftswachstum durch steigende Binnennachfrage gestützt werde.

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Und wieder sinkt der Einzelhandelsumsatz, im Oktober 2009 real um 1,7% gegenüber dem Vorjahr

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Vor einer Woche lasen wir auf Welt Online noch die Schlagzeile „Weihnachten kennt keine Krise„, genährt aus den Ergebnissen der GfK-Klimaforscher. Damit sollte der Eindruck vermittelt werden, als brächen mal wieder gute Zeiten für Einzelhändler an. Und wieder nix. Zumindest für den Oktober 2009. Wie das statistische Bundesamt heute mitteilt, gehen die Einzelhandelsumsätze weiter zurück.

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im deutschen Einzelhandel im Oktober 2009 nominal 2,4% und real 1,7% niedriger als im Oktober 2008. Beide Monate hatten jeweils 26 Verkaufstage.
Im Vergleich zum September 2009 stieg der Umsatz im Oktober 2009 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 0,6% und real um 0,5%.

Es könnte natürlich jetzt wieder sein, dass einige die Steigerung im Vergleich zum Vormonat zum Anlass nehmen, Jubelmeldungen zu verbreiten. Und in der Tat, Focus titelt irreführend „Deutscher Einzelhandelsumsatz steigt im Oktober“ und Welt Online schreibt ebenfalls ihre Kampagne rechtfertigend „Einzelhandel im Oktober mit leichtem Umsatzplus„. Beide Texte weisen aber darauf hin, dass es im Vergleich zum relevanten Vorjahresmonat ein Minus gibt. Hier können sie sehen, wie die Botschaften einfach vertauscht werden.

In diesem Zusammenhang ist ganz wichtig auf die ebenfalls vom statistischen Bundesamt ausgewiesene Jahresentwicklung hinzuweisen. Die ist nämlich weiterhin sehr schlecht.

Von Januar bis Oktober 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,5% und real 1,8% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Von einer Erholung des privaten Konsums kann nach wie vor und überhaupt keine Rede sein. Vor allem die anhaltenden Rückgänge beim Einzelhandel mit Lebensmitteln müssen nachdenklich stimmen.

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Die Vorbereitungen zur neuen Kaufrauschkampagne laufen an

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Es wird langsam weihnachtlich, finden jedenfalls die Klimaforscher der GfK und haben mal wieder rumgefragt, wie viel Geld die Deutschen für Geschenke dieses Jahr ausgeben wollen. Also ich kann mich da jetzt noch zurückhalten, aber nicht die Medien, die dringend wieder eine positive Schlagzeile gegen die Krise setzen wollen.

Die Welt am Sonntag titelt mal wieder:

Weihnachten kennt keine Krise

GfK-Umfrage für die „Welt am Sonntag“: Die meisten Deutschen wollen nicht an den Geschenken sparen.

Unter dem Christbaum wird in zwei von drei Haushalten von der Wirtschaftskrise nichts zu spüren sein: Fast 60 Prozent der Deutschen wollen für Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr ebenso viel Geld ausgeben wie 2008. Dies ergab eine exklusive Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK für die „Welt am Sonntag“. Sieben Prozent planen sogar, trotz der Krise tiefer in die Tasche zu greifen, während 26 Prozent der Geschenkekäufer diesmal sparen wollen. Insgesamt zeigen sich die Männer spendabler als die Frauen.

Dass zwei Drittel der Befragten trotz der Serie von Negativschlagzeilen aus der Wirtschaft und Sorgen um den Arbeitsplatz zumindest nicht weniger in die Päckchen unterm Weihnachtsbaum investieren wollen, dürfte den krisengeschüttelten Händlern wie Glockengeläut in den Ohren klingen.

Diese Jubelmeldung ist in doppelter Hinsicht schwachsinnig. Erstens kann man auf die Messungen der GfK getrost verzichten, weil die nur Absichten feststellen und keine real verwertbaren Daten messen und zweitens könnte man die Jubelaussage, dass die Menschen mindestens so viel ausgeben wollen, wie letztes Jahr, mal mit den realen Zahlen vom letzten Weihnachtsgeschäft vergleichen.

Das statistische Bundesamt ermittelte für den Dezember 2008 folgende Daten:

Im Dezember 2008 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nominal 0,6% mehr und real 0,3% weniger Umsatz als im Dezember 2007.

Insgesamt sanken die Umsätze im Jahr 2008 real um 0,4 Prozent gegenüber 2007. Damals titelte die Welt zum Weihnachtsgeschäft ähnlich euphorisch, Grund war ebenfalls eine wirklichkeitsfremde Klimamessung der GfK:

Die Deutschen sind immun gegen Rezessionsangst

Ich berichtete in diesem Blog letztes Jahr unter anderem hier.

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Die Umsätze im Einzelhandel sinken auch im September 2009 deutlich um real 3,9%

Geschrieben von:

Von Januar bis September 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal 2,6% und real 2,2% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Quelle: destatis

Die Binnennachfrage geht immer weiter zurück. Dramatisch könnte man sagen. Doch das sehen nicht alle so. Die GfK zum Beispiel. Am Montag kommt sie für den September zu folgendem Ergebnis:

Konsumklima erhält nur leichten Dämpfer

Das Konsumklima hat im Herbst einen leichten Dämpfer erhalten. Sowohl die Einkommenserwartung als auch die Anschaffungsneigung müssen Einbußen hinnehmen. Die Konjunkturerwartung dagegen kann ihren Aufwärtstrend auch im Oktober fortsetzen.

Im Zuge sinkender Einkommenserwartungen muss auch die Anschaffungsneigung Einbußen hinnehmen. Ein Grund dafür ist sicher auch die Ende September ausgelaufene Abwrackprämie

Der von mir unterstrichene Satz lässt ja beinahe auf wissenschaftliches Fachwissen schließen. Doch gemach, gemach. Alles nur ein leichter Dämpfer. Die Neue Presse Hannover druckte am Dienstag, 27.10.2009 dazu folgenden Kasten ab.

Konsumklima_NP_27.10.2009

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Starve the beast! – Die Rückkehr des Schlachtrufs der Marktradikalen mitten in der Krise

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In einem Kommentar auf Welt-Online fragt Andrea Seibel „Wollen wir umverteilen bis zum Umfallen?“ und geißelt den angeblichen Wohlfahrtsstaat. Da scheint eine Sypathisantin des Tigerentenclubs unzufrieden über die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu sein und ferner enttäuscht darüber, dass sich angesichts der desolaten Haushaltslage so manches tolle Wahlversprechen in Luft auflösen könnte. Deshalb braucht es einen tönernen Weckruf in Form einer Abrechnung mit einem Staat, der nach Frau Seibel…

„…immer nur nimmt, um umzuverteilen, ein Staat, der klammert, der den Bürger nicht in Ruhe lassen will, sondern beschützen, lenken und bevormunden bis in die kleinsten Facetten des Alltags hinein.“

Die Gier des Staates sei nun Schuld an einer in die Höhe geschossenen Staatsquote von 50 Prozent.

„Der Druck des Wohlfahrtsstaates hat aus Menschen Steuerbürger gemacht, die sich allzu fatalistisch in die Maschine fügen, so als sei der Staat Naturgesetz.

Und so sieht dessen Bilanz aus: Bei einer Staatsquote von mittlerweile 50 Prozent sind Bildung, Pflege, Gesundheit, Rente allesamt in prekärem Zustand. Wollen wir nur für den Staat arbeiten? Wollen wir umverteilen bis zum Umfallen?“

Finanzkrise, Wirtschaftskrise und verdeckte wie offene Arbeitslosigkeit spielen keine Rolle bei der Seibelschen Betrachtung. Die Frage danach, warum der Staat so viel Geld in die Hand nehmen muss, wird reduziert auf den simplen Tatbestand eines öffentlichen Diebstahls am Besitz des freien Bürgers. Volkswirtschaftlichen Sachverstand sucht man vergebens, genauso wie die Einsicht, dass nicht die sozialstaatlichen Verteilungsmechanismen einer Skandalisierung bedürfen, sondern die politische Ausgabenfreude im Hinblick auf Banken und die weiter zockende Finanzindustrie. Und dann kommt die wohl unverschämteste Stelle des ganzen Machwerks.

„Der Bürger gibt Geld und damit auch Freiheit in die Hände des Staates, damit der Gutes und Notwendiges tue. Steuern zu zahlen ist immer ein Akt des freiwilligen Freiheitsverzichts. Der Bürger gibt dem Staat, was eigentlich ihm selbst gehört. Stattdessen glaubt der Staat heute eine generelle Einzugsermächtigung für unsere Konten zu haben.“

Das werden die Liechtensteiner Steuerflüchtlinge aber gern zur Kenntnis nehmen. Ihr strafrechtlicher Verstoß gegen die Abgabenordnung ist in Wirklichkeit keiner, schließlich könne man ihnen nicht vorwerfen, von ihrem Recht auf Freiheit und Freiwilligkeit Gebrauch gemacht zu haben. :crazy: Auch der Satz mit der Einzugsermächtigung ist lustig. Gerade diejenigen, die ihr Vermögen am Fiskus vorbei ins steuergünstigere Ausland transferieren, sind wesentlich selbst dafür verantwortlich, die Höhe ihrer Einkünfte so wahrheitsgetreu anzugeben, damit der Staat die korrekte Steuerschuld berechnen kann. Und während bei Arbeitnehmern die Lohnsteuer durchaus automatisch mit Hilfe der Arbeitgeber vorab vom Lohn abgezogen und abgeführt wird, egal ob berechtigt oder nicht, kann der vermögende Steuerflüchtling darauf vertrauen, dass seinen falschen Angaben kaum Beachtung geschenkt werden wird.

Schließlich fehlen rund 3000 Betriebsprüfer und 1000 Steuerfahnder in deutschen Finanzbehörden. Und obwohl jeder zusätzliche Prüfer im Jahr etwa 1,5 Millionen Euro eintreiben könnte, verzichtet die Politik auf deren Dienste und lässt es zu, dass Steuererklärungen ungeprüft passieren können. Ein Vorteil für Vermögende und Selbständige. Arbeitnehmer müssen hingegen mit dem überlasteten Apparat zurecht kommen, um etwaig zuviel bezahlte Steuern nach einem Jahr zurückzubekommen.

Das alles interessiert die vor sich hin träumende Autorin nicht, wenn sie einen Paul Kirchhof mit seiner Vorstellung einer flat tax aus der Mottekiste holt. Es fehlt nur noch der Godfather of Bierdeckel Friedrich Merz, um das völlig idiotische Weltbild zu komplettieren.

„Paul Kirchhof spricht von einer Flatrate von 25, also einem Viertel des Einkommens eines jeden Bundesbürgers. Keine Ausnahmeregelungen mehr, keine Privilegien, keine Schlupflöcher, keine Progression. Ein Traum? Naiv?“

Na wenn Frau Seibel schon so blöd fragt, kann man ihr auch antworten. Die flache Steuer ist pure Ideologie. Da wird nix einfacher. Denn nicht die Höhe des Steuersatzes verkompliziert die Angelegenheit. Es ist doch die Frage, welches tatsächliche Einkommen ein Mensch hat, das man zur steuerlichen Berechnung heranziehen kann. Heiner Flassbeck hat das schon im Jahr 2005 in dem Magazin Wirtschaft & Markt beschrieben, abrufbar auf den NachDenkSeiten:

„Welche Kosten darf er geltend machen, bevor sein Gewinn ermittelt ist, welche Einkommen werden überhaupt zur Besteuerung herangezogen, wo und wie werden Einkommen besteuert, deren Herkunft in verschiedenen Ländern oder verschiedenen Zeitphasen zu suchen ist? Diese und die meisten andere der zentralen Fragen, um die es geht, haben mit dem Steuertarif als solchem überhaupt nichts zu tun.

So erweist sich die flache Steuer als platte Ideologie. Worum es geht, ist nicht die Vereinfachung und sind auch nicht die Leistungsanreize. Es geht einzig und allein um das Zurückdrängen des Staates und um die Weigerung der Bezieher höherer Einkommen, mehr als proportional zur Finanzierung des Gemeinwesens beizutragen.“

Oh, da würden Westerwelle und Springer-Seibel jetzt aber großmäulig protestieren. Die Besserverdienenden zahlen doch die meisten Steuern in diesem Land, würde da jetzt trotzig erwidert. Fünfzig Prozent der Bevölkerung würden 94 Prozent der Steuerlast tragen, rechnet Finanz-Westerwelle doch immer wieder vor. Gemeint ist aber a) die Einkommenssteuer und b) jener Bevölkerungsteil, der auch über 82 Prozent des Gesamteinkommens verfügt. Das sagt Westerwelle nicht. Er sagt auch nicht, dass der Anteil der Lohn- und der veranlagten Einkommensteuer am Gesamtsteueraufkommen nur 30 Prozent beträgt und der Anteil der indirekten Steuern, wie der Mehrwertsteuer, bereits bei 31,5 Prozent des Gesamtsteueraufkommens liegt.

Durchschnitts- und Geringverdiener müssen ihr Einkommen fast oder ganz verkonsumieren, während Besserverdiener das logischerweise nicht tun müssen. Die Belastung geringerer Einkommen durch indirekte Besteuerung ist im Vergleich also erheblich höher als es Westerwelle mit seiner reinen Einkommenssteuerbetrachtung weißmachen will. Die Logik aus dieser Erkenntnis kann dann also nie lauten, Einkommensteuer bei allen runter und hin zum Stufen- oder Einheitstarif. Das Gegenteil ist richtig. Eine gerechte Einkommensteuerprogression mit einem deutlich höheren Spitzensteuersatz sorgt für Steuergerechtigkeit. Die seit Jahren betriebene Verlagerung des Steueraufkommens von direkten auf indirekte Einheitssteuern, wie der Mehrwertsteuer, muss aufhören.

Doch der Tigerentenclub setzt weiter auf Volksverdummung und Klientelpolitik. Da man sich verboten hat, an der Mehrwertsteuer zu drehen, sucht man sich halt andere Wege. Einer davon, neben der Radikalkürzung im sozialen Bereich, ist die Gebührendiskussion. Der Bürger soll für staatliche Leistungen, wie die Vorhaltung von Infrastruktur (siehe Autobahnen, Universitäten etc.), zahlen und Gebühren entrichten. Dem Besserverdienenden ist das durchaus recht, er muss ja sein Einkommen, welches im Modell von CDU und FDP erneut von direkten Steuern entlastet werden soll, nicht komplett verkonsumieren. Er hat nicht nur freie Mittel für Konsum, sondern auch für Kapitalanlagen, für private Vorsorge, für Gebühren und er kann sich Gedanken darüber machen, ob er sein wahres Einkommen überhaupt angibt oder nicht vielleicht einen Finanzberater aus Liechtenstein zu Rate zieht.

Schließlich kann er sich auch einen überdurchschnittlich guten Anwalt leisten, der ihn im Falle einer Anklage wegen Steuerhinterziehung zur Seite steht und ihm rät, an der Aufklärung seiner Verbrechen mitzuwirken, um der, auf Grundlage weggebrochener Steuereinnahmen, chronisch unterfinanzierten Justiz entgegenzukommen. Als Gegenleistung erhält man dann eine vergleichsweise milde Geldstrafe sowie Straffreiheit und die Gewissheit, im Häuschen am Gardasee seinen Lebensabend verbringen zu dürfen. Für diesen Traum, der schon längst Realität geworden ist, kämpfen Union, FDP und die Welt-Kommentatorin Andrea Seibel. Schämen sollten sie sich.

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Rekordrückgang bei gewerblicher Beschäftigung

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Das Statistische Bundesamt meldet:

4,4% weniger Beschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe im August 2009

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wirkt sich die aktuelle Schwäche der Gesamtwirtschaft immer deutlicher auf die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland aus: Ende August 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten gut fünf Millionen Personen tätig. Das waren rund 229 000 Personen oder 4,4% weniger als im August 2008. Seit Januar 1995 ist der prozentuale Rückgang der Beschäftigtenzahl im Vergleich zu einem Vorjahresmonat noch nie so stark gewesen wie in diesem Monat.

Mal wieder ein herber Dämpfer für alle Konjunkturoptimisten im Tigerentenclub. Auch die Arbeitsstunden und die Entgeltsummen nehmen dramatisch ab. In der Langzeitabbildung wird deutlich, dass Arbeitsstunden und Bruttolohnsummen seit Juli 2008 stark zurückgehen. Eigentlich hätte die Bundesregierung auf Grundlage dieser Daten bereits handeln und gegensteuern müssen. Die aktuellen Zahlen zeigen jedenfalls, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur nicht ausreichen. Trotzdem empfehlen die Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten bereits den Ausstieg aus der aktiven Konjunkturpolitik. Das ist unverantwortlich!

Der gemessene Rückgang bei den Einkommen hat Signalwirkung auf die Binnenwirtschaft. Da im verarbeitenden Gewerbe die Tarifbindung im Vergleich zu anderen Branchen recht hoch ist und demnach auch bessere Löhne und Gehälter gezahlt werden, muss sich der Absturz zwangsläufig beim privaten Konsum bemerkbar machen. Eine weitere Belastung der ohnehin schwächelnden Binnenkonjunktur ist somit abzusehen. Doch die Institute und der Tigerentenclub in Berlin sehen plötzlich wieder Spielräume für ihre Steuersenkungsträume. Man müsse halt nur richtig an anderer Stelle sparen.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch macht das im NP-Interview mit der Überschrift „Wir müssen 50 Milliarden sparen“ heute noch einmal deutlich:

„Steuererhöhungen sind definitiv ausgeschlossen. Daher muss es Einsparungen geben, um die notwendigen Gestaltungsmittel zu erhalten. Unser Ziel ist es, die Leistungsträger durch Veränderungen im Steuerrecht zu motivieren.“

Konjunkturprogramme und damit eine Motivierung zum Konsum sind kein Thema mehr. Denn…

„Wir können und dürfen die Schuldenbremse nicht außer Acht lassen und keine Schulden über die verfassungsrechtliche Grenze hinaus machen.“

Und während der Tigerentenclub gezielt an den Problemen dieses Landes vorbei diskutiert, rutscht die Wirtschaft mangels Nachfrage immer tiefer in die Rezession. Ein Umstand, der auf breite Ignoranz trifft.

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Zur wirtschaftlichen Lage – und ein Ausblick

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„Wir können nicht mehr in die Ära zurückkehren, in der die Chinesen und Deutschen oder andere Staaten uns einfach nur alles verkaufen, wir dagegen einen Haufen Kreditkarten-Schulden oder Hypotheken aufnehmen, aber ihnen nichts verkaufen.“

Das sagt US-Präsident Barack Obama. Doch viel entscheidender wird sein, wie unsere neue Bundesregierung darauf reagieren wird. Auf dem letzten G20-Gipfel hat sich Frau Merkel ja verpflichtet, für Deutschland eine Stärkung der Binnennachfrage anzustreben. Damit kann sie vielleicht die internationale Gemeinschaft täuschen aber nicht uns. Denn wir wissen, was Frau Merkel unter einer Stärkung der Binnennachfrage versteht. Steuersenkungen nach dem Motto, mehr Netto vom Brutto. Und sonst der feste Glaube an die Wirkung solcher Schwachsinnsprogramme.

Begleitet wird die Frau Bundeskanzlerin von den positiven Meldungen der Wirtschaftsforschungsinstitute, die schon wieder Wachstumsprognosen verkünden. Man fragt sich nur, woher das Wachstum kommen soll, wenn alle Anzeichen weiterhin auf Absturz hindeuten. Der für Frau Merkel und Konsorten noch immer so wichtige Export lahmt weiterhin. Im August sanken die Ausfuhren im Vergleich zum Juli 2009 wieder um 1,8 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr klafft immer noch ein riesiges Minus von 20 Prozent. Von Aufschwung also keine Spur. Nicht einmal Schadensbegrenzung wäre hier als Formulierung angebracht.

Die Binnenkonjunktur lahmt ebenfalls und das nicht erst seit gestern. Die Umsätze im Einzelhandel gehen kontinuierlich zurück. In diesem Jahr gibt es bereits ein Minus von real 2 Prozent. Im August sanken die Umsätze deutlich um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat (siehe hier). Von Aufschwung also keine Spur. Der volkswirtschaftliche Schaden durch das Unterlassen einer vernünftigen Konjunkturpolitik vergrößert sich weiter. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Arbeitslosigkeit nach Auslaufen des Kurzarbeitergelds im nächsten Jahr steigen wird. Die Zahl der Überstunden ist um 27 Prozent bereits auf einen historischen Tiefstand gefallen (siehe hier).

In der für die Konjunkturmessung so wichtigen Branche Maschinenbau brechen die Umsätze auch im August 2009 weiter ein. Ein Minus von 33,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Auftragseingänge ebenfalls deutlich im Minus mit 43 Prozent. Entspannung also auch hier nicht in Sicht. Dafür steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen. Im Juli 2009 um 9,3 Prozent. Das bedeutet vor allem für die Banken wieder großes Zittern, wenn Kreditausfälle sich häufen. Ich möchte an dieser Stelle nicht wissen, ob da schon wieder fein geschnürte Pakete mit verbrieften Inhalten rund um den Globus sausen und die Taschen der Zocker füllen. Wussten sie, dass Banker in Amerika dieses Jahr Rekordgehälter kassieren, trotz Krise (siehe hier)?

Alles in allem trübe Aussichten, wenn nicht sogar katastrophale. So als ob uns das Schlimmste noch bevor steht. Vor allem bei dieser neuen Bundesregierung, die bereits jetzt mehr Wert auf PR-Auftritte legt, als Lösungsvorschläge ernsthaft zu dikutieren. Eben höre ich eine Meldung, in der über Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger gesprochen wird. Geht’s noch? Die Erhöhung des Schonvermögens ist schon seit Beginn der Koalitionsverhandlungen ausgemacht und erst jetzt hat die PR-Abteilung die passende Meldung für die Redaktionen geliefert? Dabei hat das Ganze überhaupt nichts mit einer Verbesserung zu tun, weil es erstens kaum einen betrifft und zweitens nur dazu dient, einen Vorwand zu erhalten, um weitere Leistungen mit Verweis auf das höhere Schonvermögen künftig einsparen zu können.

Offensichtlich trägt der Vorstoß auch der abzusehenden Lage auf dem Arbeitsmarkt Rechnung. Die Bundesregierung plant mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und reagiert präventiv anstatt aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Damit wird auch deutlich, dass Frau Merkel und Herr Westerwelle nicht die Absicht verfolgen, mit Konjunkturpolitik auf eine weitere Verschärfung der Wirtschaftskrise zu antworten. Man sitzt es einfach aus.

PS: Zahlen und Fakten entnommen aus dem Informationsportal von Dr. Jahnke.

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