Ein kleines Jobwunder?

Geschrieben von:

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle befindet sich im Dauerrausch. Bei der Vorstellung seiner Prognose für die deutsche Wirtschaft sagte er:

Quelle: Süddeutsche

„Deutschlands Wirtschaft wächst wieder, wir erleben so etwas wie ein kleines Jobwunder.“

Ein kleines Jobwunder? Der Mann hat ein ernsthaftes Problem. Zu den Arbeitsmarktstatistiken ist das Nötige bereits wiederholt gesagt worden. Richtig verantwortungslos und kriminiell wird es aber, wenn Brüderle meint, auf der Grundlage nachweislich falscher Annahmen zur Arbeitsmarktsituation, weiterhin das liberale Mantra von den Steuersenkungen verteidigen zu können:

Die positive Lage am Arbeitsmarkt schafft nach den Worten von Brüderle Spielräume für Steuersenkungen. In seiner Rechnung unterstellt der Minister, dass 100.000 Arbeitslose weniger rund zwei Milliarden Euro Staatsausgaben weniger bedeuten.

Das ist schlicht gelogen, weil die Kosten für die Kurzarbeit, die in Wahrheit eine verdeckte Subvention für die Unternehmen ist, sehr viel höher liegen, als die Kosten tatsächlicher Arbeitslosigkeit infolge eines Krisenverlaufs. Egon W. Kreutzer hat das in seinem jüngsten Paukenschlag einmal ausgerechnet und schreibt dazu:

„Kurzarbeit ist die Subvention, die es der Wirtschaft erlaubt, sich kostenlos ein „stehendes Heer“ von Mitarbeitern zu halten, die bei Bedarf jederzeit, von einem Tag auf den anderen reaktiviert und in den Produktionsprozess eingebunden werden können.“

Dazu später mehr. Die dreiste Täuschungsabsicht der Bundesregierung, den Menschen weißmachen zu wollen, dass es bergauf gehe, ist kaum noch auszuhalten. Brüderle meint weiter:

„Die erfreuliche Belebung der deutschen Wirtschaft wird von der Erholung der Weltwirtschaft, aber zunehmend auch von der Binnennachfrage getragen.“

Auch das ist gelogen. Wenn es richtig ist, wie Egon W. Kreutzer schreibt, dass durch die Kurzarbeit die Unternehmen in diesem Land um etwa 7,3 Mrd. Euro entlastet werden, weil die Bundesagentur für Arbeit Entgelte und Sozialversicherung übernimmt, so muss diese Summe auf der anderen Seite durch Beschäftigte und Konsumenten aufgebracht werden. D.h., dass die Kaufkraft der Menschen in diesem Land gerade um diese 7,3 Mrd. Euro gemindert wird. Denn einer muss die Leistungen der Bundesagentur bezahlen. Es kann also keinesfalls richtig sein, zu behaupten, dass die Binnennachfrage zunehme bzw. einen größeren Anteil an einer wirtschaftlichen Erholung trage.

Das ist grobe Irreführung und dummes Zeug. Es gibt ja nicht mal eine wirtschaftliche Erholung, die die Bezeichnung verdienen würde. Da wird von Wachstum gefasselt, obwohl der Absturz und dessen Folgen noch gar nicht richtig verstanden wurden. Laut Schätzung der OECD vom 7. April soll Deutschland im Vergleich der G7 im ersten Quartal 2010 mit -0,4 Prozent einen erneuten Rückfall in den Schrumpfungsprozess erlebt haben und damit Schlusslicht bei der wirtschaftlichen Entwicklung sein (siehe Jahnkes Infoportal). Nach den Zahlen von Eurostat, so Jahnke weiter, habe Deutschland im vierten Quartal 2009 auf Platz 12 von 18 Vergleichsländern abgeschnitten.

Selbst der neulich wieder gefeierte Exportanstieg, der ebenfalls die Behauptung Brüderles widerlegt, wonach die Binnennachfrage einen höheren Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung einnähme, liegt aktuell immer noch um rund 16 Prozent unter dem Stand von vor zwei Jahren. Bezüglich der Exporte konnte gerade einmal der Einbruch aus dem Januar wieder ausgeglichen werden. Von Erholung also keine Spur. Joachim Jahnke schreibt dazu ganz klar:

„Die Produktion läuft bereits seit September vergangen Jahres wieder nach unten oder stagniert (gegenüber September 2009 -1,7 %, ohne Energie und Bau – 1,3 %). Im Februar stagnierte die Produktion auch ohne das Bau- und das Energiegewerbe; am kalten Winter kann es also nicht gelegen haben, wie der Bundeswirtschaftminister in seiner Kommentierung meint. Besonders negativ ist zuletzt die Entwicklung der Konsumgüterproduktion verlaufen, was vor allem mit der schlechten deutschen Binnenkonjunktur zusammenhängen dürfte.

Was wiederum auch am koalitionären Dauerbrenner „Kurzarbeitergeld“ liegen dürfte. Die Verlängerung dieser Maßnahme, die nur den Interessen der Wirtschaft diene und nicht den Interessen der Arbeitnehmer (siehe Kreutzer), kann nie und nimmer dazu beitragen, die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisieren. Im Gegenteil. Sie wirkt krisenverschärfend, weil sie das unsinnige deutsche Exportmodell stützt und erlaubt, deutsche Produkte auf den Weltmärkten auch weiterhin konkurrenzlos günstig anzubieten. Kreutzer schreibt dazu:

„Unternehmen in einer Volkswirtschaft mit Kurzarbeitsregelung sind gegenüber Unternehmen in Volkswirtschaften ohne Kurzarbeitsregelung klar im Vorteil, weil sie die Kosten und das Risiko schwankender Auftragseingänge sozialisieren, also auf die Beschäftigten und den Staat abwälzen.
Dieser Kostenvorteil wird, so weit erforderlich, in der Akquisition in Form von Dumpingpreisen an den Weltmarkt weitergegeben, während der verbleibende Überschuss den Eignern zufließt.“

Und so etwas dürfen sie mit Fug und Recht als kriminell bezeichnen, weil diese Politik nicht nur Deutschland schadet, sondern auch den europäischen Partnern, denen man gerade aufträgt, dass sie ihre Finanzen in Ordnung zu bringen hätten, während man selber dafür sorgt, den Versuch der Konsolidierung in diesen Ländern durch die oben beschriebene Politik im eigenen Land zu unterminieren. Erstaunlich robust ist also nicht etwa der von Brüderle angeführte Arbeitsmarkt, sondern seine eigene Borniertheit und die seiner „Experten“, die den Menschen selbst dann noch Sachverstand vorgaukeln, wenn dieser bereits zigmal widerlegt worden ist und diese Leute eigentlich vor Scham tief im Boden versunken sein müssten. Sie kommen jedoch immer wieder. Weil die Medien sie lassen, statt sie endlich anzuklagen und solche Dummschwätzer wie den Professor (Un)Sinn auch als solche zu brandmarken.

1

Erneut gesunkene Einzelhandelsumsätze: Kein Aprilscherz

Geschrieben von:

Wie bereits heute morgen getwittert, sanken die Einzelhandelsumsätze auch im Februar 2010. Falls das noch jemand mit dem Adjektiv „überraschend“ charakterisiert, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Februar 2010 nominal 0,5% und real 0,9% niedriger als im Februar 2009. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. Das Ergebnis für den Februar 2010 wurde aus Daten von sieben Bundesländern berechnet, in denen circa 76% des Gesamtumsatzes im deutschen Einzelhandel getätigt werden. Im Vergleich zum Januar blieb der Umsatz im Februar 2010 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal unverändert und sank real um 0,4%.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 2,1% und real 2,5% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Der letzte Satz ist interessant. Inzwischen bewegen wir uns ja innerhalb eines statistischen Bereichs, in dem Krisenmonate mit Krisenmonaten verglichen werden. D.h., dass Jahr 2009 war schon komplett von der Krise gekennzeichnet. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurden dann auch im Vergleich zum selben Zeitraum 2008 deutlich niedrigere Umsätze im Einzelhandel gemessen. Lesen sie die Meldung von vor einem Jahr:

Quelle: destatis (2009)

In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal und real jeweils 3,3% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.

Im aktuellen Jahr liegen wir also mit den Einzelhandelsumsätzen noch einmal deutlich unter dem Vorkrisenzeitraum im Jahr 2008. Wer angesichts dieser niederschmetternden Entwicklung immer noch von „überraschenden“ Ergebnissen spricht oder gar von einer stabilen Lage, wie die Commerzbankspinner hier zum Beispiel, verfolgt nur das eine Ziel, die Menschen absichtlich zu täuschen.

Das Ganze passt natürlich auch überhaupt nicht zu den gestrigen Jubelmeldungen über das neuerliche „Jobwunder“. Zufällig hielt ich vorhin beim „Einkaufen“ :>> die aktuelle Ausgabe der Neuen Presse Hannover in der Hand. Urlaub eben. Aber ich habe sie mir nicht gekauft, sondern nur den Leitartikel von Udo Harms gelesen und das Papier daraufhin angewidert in den Zeitungsständer zurückgesteckt. Offensichtlich bleibt die NP-Redaktion ihrer manipulierenden Linie treu. Von erstaunlicher Stabilität war in Bezug auf den Arbeitsmarkt die Rede und vom Job-Frühling in Hannover. Einfach nur lachhaft, diese bornierten NP-Spinner.

Der ganze Laden fliegt auseinander, die europäische Währungsunsion ist so gut wie Geschichte und die Neue Presse Hannover ruft den stabilen Job-Frühling aus. Gestern lief ja ein Film über Scientology im Ersten. Ich frage mich, warum man sich mit solchen Randgruppen abgibt und nicht einmal die viel schlimmere Meinungsmanipulation durch Medien wie die Neue Presse Hannover zur besten Sendezeit filmisch unter die Lupe nimmt. In diesem Sinne, einen schönen Karfreitag und lassen sie sich nicht ans Kreuz nageln. :D

2

Haushalt II: Die Generaldebatte

Geschrieben von:

Ich hatte ja gehofft, in Neues aus der Anstalt etwas zum Thema Griechenland hören zu dürfen, doch die Schwerpunkte lagen eher woanders. Deshalb muss ich in der politischen Anstalt nach Antworten suchen. Es ist ja Haushaltswoche. Und da wird traditionell ausgeteilt bzw. schöngeredet. Bundesfinanzminister Schäuble hat ja bereits gestern wahrheitswidrig verkündet, dass es zum Thema nichts Neues zu sagen gäbe. Nach wie vor werde es keine finanzielle Hilfe für Griechenland geben und es sei auch nichts in dieser Richtung in Brüssel entschieden worden.

Heute nun die Kanzlerin mit ihrem großen Auftritt. Na ja, vor allem wieder große Sprechblasen, die schon so nach abgestandener Luft stinken, dass einem wirklich schlecht werden konnte. Zum Beispiel verharrt die Regierungschefin in ihrem alten Muster des gemeinsamen Lösungsfindens. Ich kann diese Scheiße einfach nicht mehr hören. Zu Griechenland hieß es dann wieder:

„Wir haben gesehen, dass wir in dieser Krise nicht nur Banken retten müssen, sondern dass jetzt auch im Euroraum eine schwierige Situation eingetreten ist, was Griechenland anbelangt. Es war richtig, dass sowohl Nicolas Sarkozy als auch der Ministerpräsident Papandreou, Jean-Claude Juncker und ich die Kommission aufgefordert haben – das geht nur europaweit -, die Finanzrichtlinie so zu ändern, dass die sogenannten nackten Credit Default Swaps, bei denen man Wetten auf etwas abschließen kann, das man nicht besitzt, verboten werden. Wolfgang Schäuble hat gestern zu den Leerverkäufen gesprochen. Das können wir aber nicht alleine machen. Wir sind in der Europäischen Union, und das fällt in deren Kompetenz. Ich denke, die Signale aus der Kommission, dass dort etwas gemacht wird, sind richtig.“

Wieso können wir eigentlich nichts alleine machen? Wir haben Griechenland doch auch ganz alleine mit unserer einseitigen Wirtschaftspolitik an die Wand gefahren. Doch das will die Kanzlerin noch immer nicht wahrhaben und sagt:

„Das darf uns aber nicht vergessen lassen, dass die griechische Lage nicht durch die Spekulanten hervorgerufen wurde – sie wird durch die Spekulanten verstärkt -, sondern dass sie durch die langjährige Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts hervorgerufen wurde.“

Diese Ursachenforschung läuft ins Leere, weil Griechenland auch gezwungen war, gegen die Maastricht-Kriterien zu verstoßen, um Deutschland seine Exportweltmeisterschaften zu finanzieren. Was könnte der Pudding im Hosenanzug denn dagegen haben. Oder warum sagt sie an der Stelle nicht einfach, keine weiteren deutschen Waffen nach Griechenland? Denn offensichtlich sind die ein richtiger Exportschlager. Inzwischen ist Deutschland auf Platz 3 hinter den USA und Russland in der Rangliste derer angekommen, die die meisten Waffen in der Welt verkaufen. Und Griechenland war ein Großkunde und hat deutsche Waffen erworben, obwohl es sich diese eigentlich nach Merkel gar nicht leisten durfte – wegen der Stabilitätskriterien. Aber bei militärischem Gerät hört die Vernunft eben auf.

Zu Beginn ihres Griechenland-Exkurses sagte die Kanzlerin ja:

„Wir haben gesehen, dass wir in dieser Krise nicht nur Banken retten müssen, sondern dass jetzt auch im Euroraum eine schwierige Situation eingetreten ist, was Griechenland anbelangt.“

Da habe ich schon gedacht, sie vollendet den zweiten Satzteil mit den Worten, …sondern dass wir jetzt auch Staaten wie Griechenland retten müssen. Eigentlich sagt sie das auch, nur schiebt sie den schwarzen Peter wie immer einfach weiter und verweist darauf, dass die EU zuständig ist.

Und dann folgen wieder Sätze wie…

„Alles, was überhaupt gedacht wird, muss darauf ausgerichtet sein, dass wir nicht vorschnelle Hilfen leisten, sondern dass wir dafür Sorge tragen, dass das Ganze wieder in Ordnung kommt. Alles andere wäre fatal.“

Übersetzung: Wir müssen eine gemeinsame Lösung finden.

Auch nicht schlecht ist diese Passage hier…

„Wir denken auch für die Zukunft; denn Europa ist unsere eigene Zukunft. Deshalb hat Wolfgang Schäuble nicht für Griechenland Vorschläge gemacht, aber Wolfgang Schäuble hat Vorschläge gemacht, damit man eventuell den IWF nicht in allen Situationen rufen muss – was jetzt vielleicht der Ausweg sein müsste, wenn man etwas täte. Aber ich sage hier nichts darüber hinaus.“

Anstelle einer Übersetzung eine Verständnisfrage: Hinaus über was? Was hat die Kanzlerin hier eigentlich konkret ausgesagt, das den Zusatz erlauben würde, eine tiefergehende Analyse auszusparen?

Oder wollte sie nur verständlich machen, was sie weiter oben bereits zu dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts klarstellte:

„Wir werden natürlich auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Hartz-IV-Sätzen umsetzen. Darüber möchte ich heute aber nicht weiter sprechen.

Was für eine anmaßende Arroganz. Eine Regierungschefin, die sich im Prinzip weigert, Erklärungen abzugeben und stattdessen lieber auf heiße, pardon abgestandene, Luft setzt. Frischer Wind täte da gut. Und wieder einmal lag es an Gregor Gysi für eben diesen zu sorgen. Von seiner, wie ich finde, wirklich wichtigen Rede, ist in den Meldungen, die ich so gehört habe nur ein Satz überliefert. Der erste. Die Regierung befände sich in einem erbärmlichen Zustand. Das wars. Dabei hat er vielmehr gesagt und vor allem beim Thema Griechenland genau erklärt, wo das Problem liegt.

„Frau Bundeskanzlerin, Sie haben zu Griechenland gesprochen. Da wundert mich eines: Wir verlangen von Griechenland einen knallharten Sparkurs, den wir für Deutschland ablehnen. Denn das ist Brüningsche Politik, und Sie wissen, dass Reichskanzler Brüning Deutschland in die größte Katastrophe geführt hat. Warum verlangen wir eine solche Politik von Griechenland?“

Aber nicht nur dieser offensichtliche Widerspruch treibt den Politiker der Linken um, er zeigt auch ökonomischen Sachverstand mit der Feststellung:

„Deutschland ist inzwischen der größte Niedrig- und Dumpinglohnsektor aller Industriestaaten. Ein Viertel der Beschäftigten, sagt das Statistische Bundesamt, arbeitet in Deutschland zu Niedriglohn. Damit hängt zusammen, dass unsere Exporte billiger sind und die griechischen teurer. Jetzt gibt es zwei Wege: Der eine Weg ist, dass die Griechen ihre Löhne noch weiter senken, und der andere Weg ist, dass wir unsere Löhne erhöhen. Genau dagegen wehren Sie sich. Sie tun ja so, als ob die Gesellschaft unterginge, wenn wir das machten, was schon 20 Mitgliedsländer der Europäischen Union getan haben, nämlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Genau den brauchen wir aber.

Davon hätten nicht nur die Griechinnen und Griechen, sondern auch unsere Beschäftigten etwas. Davon hätten auch – deshalb verstehe ich die FDP nicht – das Handwerk und die kleinen und mittleren Unternehmen etwas, die von der Binnenwirtschaft leben. Sie brauchen eine erhöhte Kaufkraft. Aber Sie verhindern dies. Eigentlich sind wir die Partei der kleinen und mittleren Unternehmen und nicht Sie. Sie tun bloß so als ob.“

Ganz deutlich wurde Gysi auch beim Thema Umverteilung. Nicht nur, dass er dem Rösler seine kleine Kopfpauschale vorrechnete, die bei geringen Einkommen zu einer weiteren Be- und bei höheren Einkommen zu einer erneuten Entlastung führe, Gysi erklärte auch, wie das plötzliche Spitzengehalt von Josef Ackermann möglich wurde.

„Ackermann bekommt jetzt wieder ein Gehalt von 10 Millionen Euro ausgezahlt. Ich gönne ihm das ja; aber wissen Sie, was das Problem daran ist? Das haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gezahlt. Wissen Sie auch, warum? Die Deutsche Bank hatte eine Milliardenforderung gegenüber HRE. Wäre HRE in die Insolvenz gegangen, hätte die Deutsche Bank keinen Gewinn gemacht; ganz im Gegenteil, sie hätte schwere Verluste zu verzeichnen. Jetzt ist HRE verstaatlicht worden; das heißt, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben die Forderung übernommen und an die Deutsche Bank gezahlt. Davon bekommt Ackermann jetzt 10 Millionen Euro, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aber nichts. Das ist die Ungerechtigkeit, die wir kritisieren und gegen die Sie nichts machen.“

So etwas finden sie in keiner Meldung. Sie werden auch nicht Gysis berechtigte und begründete Forderung finden, wonach nicht die Linke, sondern CDU/CSU und SPD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollten.

„Ich komme jetzt zu einem anderen Thema. Ob nun SPD oder die Union regiert, es ist immer dasselbe: Meine Partei wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Ich kann Ihnen sagen, woran das liegt. Das liegt daran, dass die Mitarbeiter dieses Amtes vom Grundgesetz keine Ahnung haben. Aber wenn Sie das wollen, Herr Kauder, dann versuche ich, denen das Grundgesetz beizubringen. Wenn diese das Grundgesetz endlich verstehen würden, dann müssten sie sich eher um Sie und auch um die SPD kümmern. Denn eines muss ich Ihnen sagen: Während der Großen Koalition sind so viele verfassungswidrige Gesetze verabschiedet worden wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dazu haben Sie einen Hang.“

Auch das hat wieder gesessen. Und die scheinbar in neue soziale Gewänder gekleidete SPD riss Gysi mit einer tief treffenden Bemerkung die aufgesetzte Scheinheiligkeit aus dem Gesicht:

„Herr Steinmeier, ich habe Ihrer Rede ja sehr genau zugehört. Ich muss zugeben, das hat mir auch Spaß gemacht, auch aufgrund Ihrer Rhetorik. Nur eines muss ich Ihnen auch sagen: Ich hätte eine solche Rede so gerne einmal von Ihnen als Kanzleramtschef unter Kanzler Schröder hier im Bundestag gehört, nicht erst heute. Das hätte die Regierungspolitik sicherlich wesentlich verändert.“

Das war großes Kino. Am besten selber angucken:

______________________________

Die entnommenen Zitate finden sie wie immer in dem vorläufigen Protokoll der Sitzung auf der Seite des Bundestags.
http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/17030.html

2

Löhne und Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt

Geschrieben von:

In der Meldung des statistischen Bundesamts von heute heißt es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2010 nominal 3,0% und real 3,4% niedriger als im Januar 2009.

Und vor einem Jahr meldete das statistische Bundesamt für den Januar 2009 ebenfalls einen Rückgang der Umsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Januar 2009 nominal um 1,2% und real um 1,3% niedriger als im Januar 2008.

Und im Jahr davor hieß es:

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland im Januar 2008 nominal um 2,7% und real um 0,6% höher als im Januar 2007. Beide Monate hatten jeweils 26 Verkaufstage. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Januar 2007 erstmals die neuen höheren Mehrwertsteuersätze galten. Sie führten in diesem Monat zu deutlichen Rückgängen des Einzelhandelsumsatzes (nominal – 2,3%, real – 2,9% zum Januar 2006). Vergleicht man den Umsatz des Januars 2008 mit dem des Januars 2006, so ergibt sich nominal ein Zuwachs von 0,3% und real ein Rückgang von 2,3%.

Mit anderen Worten. Seit Jahren und spätestens mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer im Jahr 2007 brechen die Einzelhandelsumsätze immer dramatischer weg. Ich kann einfach nicht verstehen, wie einige Medien schon wieder schreiben können, dass die Umsätze im Einzelhandel im Januar überraschend stabil gewesen sein sollen.

Siehe zum Beispiel:

  • AFP unter der Überschrift
    „Umsatz im Einzelhandel im Januar stabil“

Dabei bezieht man sich wieder auf den wenig nützlichen Vergleich zum Vormonat Dezember und deutet an, einen Trend beobachten zu können. Denn so gesehen, seien die Umsätze mit einer Veränderung um real 0,0 Prozent stagniert. Toll. Leider macht sich keiner die Mühe, in der Tabelle zu den Vormonatsveränderungen des statistischen Bundesamtes mal nachzuschauen. Dann hätte man nämlich leicht feststellen können, dass nach dieser Methode nix stagniert. Im November 2009 ging es um -1,2 Prozent im Vergleich zum Oktober runter. Der Dezember legte aber nur um 0,9 Prozent im Vergleich zum November zu und nun im Januar messen die Statistiker keine Veränderung zum Dezember. Wenn man also nur diese drei Monate als einen Zeitraum für sich betrachten würde, was übrigens völliger Blödsinn wäre, müsste man feststellen, dass die Einzelhandelsumsätze nicht überraschend stagnieren, sondern nach wie vor auf einem negativen Niveau verharren.

Die Veränderungen zum Vormonat sagen für sich genommen nichts aus und schon gar nicht lässt sich daraus ein Trend ableiten, wie das einige Medien immer wieder zu suggerieren versuchen. Erst mit dem Blick auf einen längeren Zeitraum, üblicherweise nimmt man dann den Vorjahresmonat, wird eine Entwicklung deutlich. Und die war, ist und bleibt negativ.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Meldung des statistischen Bundesamts von heute sehr interessant. Die durchschnittlichen Bruttoverdienste seien erstmals seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 2009 gesunken.

Quelle: destatis

Nach ersten Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind die durchschnittlichen Bruttoverdienste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2009 um – 0,4% auf rund 27 648 Euro gesunken. Dies ist der erste Rückgang der Verdienste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Diese Meldung taugt nun offenkundig für Manipulationen. Denn der Rückgang der nominalen durchschnittlichen Verdiensthöhe erweckt nunmehr den Eindruck, als seien die realen Löhne in der Vergangenheit gar nicht gesunken. Das taten sie aber. Infaltionsbereinigt sinken die Bruttoverdienste bereits seit sechs Jahren „und liegen nun schon um 5,3 % unter dem Stand des Jahres 2000.“(Quelle: siehe Jahnkes Infoportal) Es ist also falsch zu behaupten, dass nun erstmals seit Gründung der Bundesrepublik die Löhne zurückgegangen seien.

Heute kommen also wieder zwei Dinge ganz klar zur Geltung, die wechselseitig aufeinander wirken. Verfügbares Einkommen und die Einzelhandelsumsätze befinden sich ununterbrochen auf Talfahrt. Doch der Regierung ist die Lage schlicht wurscht. Dort denkt man bereits an den Etat-Entwurf für 2010, der am Donnerstag abschließend im Haushaltsausschuss des Bundestages beraten wird. In der Süddeutschen Zeitung wird dazu Finanzminister Schäuble von einem offenkundig realitätsfremden Journalisten befragt. Geradezu vorwurfsvoll und mit Schaum vorm Mund plärrt Claus Hulverscheidt von der SZ den Finanzminister an, wann dieser nun endlich anfangen wolle, richtig zu sparen. Und Schäuble antwortet:

Quelle: SZ

„Wir können zwar 2010 wegen der andauernden Auswirkungen der Krise noch nicht auf einen konsequenten Konsolidierungskurs einschwenken. Aber wir müssen bereits jetzt deutlich machen: Die expansive Haushaltspolitik wird beendet. Und wir meinen es ernst mit der Schuldenbremse und den im Koalitionsvertrag genannten goldenen Regeln der Finanzpolitik. Das heißt auch: alle schon jetzt erkennbaren Einsparpotentiale zu nutzen. Wenn sich dabei erweist, dass die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit es ermöglichen, die Ansätze für die Arbeitsmarktausgaben abzusenken: um so besser!

Angesichts der heutigen Meldungen verstehe ich einfach nicht die Reaktionen von Journalisten und Politikern. Sind die alle so blind? Wie kann man nur nach dem Sparhammer lechzen und vom Ende der expansiven Haushaltspolitik sprechen, die ja gemacht wurde, um der tiefen Sogwirkung der Krise etwas entgegenzusetzen, wenn diese Krise überhaupt noch nicht verbei ist? Die heutigen Zahlen belegen das doch eindrucksvoll. Wollen wir etwa auch die Mehrwertsteuer drastisch erhöhen, wie das die Griechen gerade bei ihrem Sparprogramm tun? Dann lohnt sich vielleicht ein Blick auf unsere Zusammensetzung des Steueraufkommens, genauer: auf die Verteilung von direkten und indirekten Steuern. Schäuble sagt ja im Interview, dass solide Staatsfinanzen und wachstumsorientierte Steuerpolitik kein Widerspruch seien.

„Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik muss sowohl auf Steuervereinfachung als auch auf Steuerentlastung setzen. Wir können auf Dauer nur dann erfolgreich konsolidieren, wenn wir wieder robustes Wirtschaftswachstum erreichen. Und umgekehrt ist das Vertrauen der Wirtschaft in die Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte unabdingbare Voraussetzung für anhaltendes Wachstum.“

Der Zusammenhang, dass Konsolidierung nur geht, wenn es Wirtschaftswachstum gibt, ist richtig. Nur ist der beschriebene Weg einfach falsch. Das Absenken von direkten Steuern hat erstens noch nie zu Wachstum geführt und zweitens ist ein solches Vorgehen auch überhaupt nicht nötig, wenn man sich den Anteil am Steueraufkommen genau anschaut.

Anteil direkte und indirekte Steuern am Steueraufkommen
Quelle: BMF

Inzwischen ist es ja so, dass die Absenkung direkter, an der Höhe des Einkommens bemessener Steuern, dazu geführt hat, dass der Anteil der indirekten Steuern, die für alle Einkommensgruppen ja gleich hoch sind (Flat Tax), am Gesamtsteueraufkommen gestiegen ist. Mit anderen Worten, die Finanzierung staatlicher Aufgaben wurde umverteilt. Vor allem untere Einkommensgruppen und Menschen, die über wenig Geld verfügen, werden gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen deutlich höher belastet als jene oberen Einkommensgruppen, die zwar den Großteil der direkten Steuern zahlen (70 %), aber gleichzeitig auch über etwa 70 % des Gesamteinkommens verfügen.

Was Schäuble und die Bundesregierung vorhaben, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Gerade die Meldungen des statistischen Bundesamts von heute weisen die Bundesregierung deutlich darauf hin, was eigentlich gemessen an der aktuellen Lage zu tun wäre. Zunächst einmal bedarf es der Beschäftigungssicherung und damit ist nicht die Kurzarbeit gemeint, die vor allem teuer ist, weil sich die Bundesregierung hoffend darauf verlassen muss, dass irgendwann die Konjunktur von allein wieder anspringt. Billiger wäre es dagegen, wenn die Bundesregierung selbst die Konjunktur durch staatlich befeuerte Nachfragepolitik anheizen würde, statt voreilig den Ausstieg aus der expansiven Ausgabenpolitik zu verkünden. Dann müsste man nämlich nicht dauernd über eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes nachdenken, wie das aktuell Frau von der Leyen wieder tut, weil sich die erhoffte Erholung der Wirtschaft nun doch noch nicht eingestellt hat. Dieses Vorgehen ist einfach nur dumm.

Zweitens braucht dieses Land endlich einen Mindestlohn, damit die staatlich subventionierte Arbeitnehmerausbeutung durch am Markt über Löhne konkurierende Unternehmen endlich aufhört. Die Binnennachfrage kann nur gesteigert werden, wenn auch die Kaufkraft wieder steigt, also das verfügbare Einkommen zu statt immer weiter abnimmt. Erst dann werden auch die Einzelhändler wieder Grund haben, Jubeln zu können. Doch gegenwärtig zeigt die Tendenz nach unten. Die Gefahr einer Deflation ist gerade auch im Hinblick auf die rigorose Haltung gegenüber Griechenland nicht nur ein Schreckgespenst, sondern bereits im Anmarsch. Wenn sich Deutschland und Europa mitten in der Krise zum Sparen um jeden Preis zwingen, steht am Ende die Katastrophe. Dies lehrt uns schlicht die Geschichte des kurzen aber verheerenden 20. Jahrhunderts.

0

Das Märchen vom Aufschwung entzaubert: Deutsche Wirtschaftsleistung stagniert

Geschrieben von:

Wie das statistische Bundesamt heute mitteilte, veränderte sich das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorquartal nicht.

Quelle: destatis

Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist Ende 2009 ins Stocken geraten: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im vierten Vierteljahr 2009 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – auf dem Niveau des Vorquartals (+ 0,0%), teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Damit hat sich der leichte Aufwärtstrend der Wirtschaft aus dem zweiten (+ 0,4%) und dritten Quartal 2009 (+ 0,7%) nicht fortgesetzt.

Aber viel wichtiger ist die Tatsache, dass im Vergleich zum letzten Vorkrisenquartal 01/2008 die gegenwärtige Wirtschaftsleistung ein Minus von 5,6 Prozent aufweist (siehe Jahnkes Infoportal). Konsumausgaben und Investitionen nahmen weiter ab. Lediglich der Außenhandelsbeitrag wuchs ein wenig an. Interessant an den Zahlen ist aber, dass selbst die Stagnation im Grunde nur ein statistischer Effekt ist, da die rückläufigen Importe sich positiv auf die Gesamtbilanz niederschlagen. Jahnke schreibt dazu:

Das heißt aber auch, daß ohne die rückläufigen Importe die Wirtschaftsentwicklung bei einem geringeren Außenbeitrag negativ und nicht stagnierend gewesen wäre oder anders ausgedrückt: selbst die Stagnation ist noch einer negativen Entwicklung zu verdanken.

Bei uns glaubte man indes weiter an das Märchen vom Aufschwung. Die dummen Ökonomen in ihren Instituten hatten bereits nach der Stagnations-Schätzung des statistischen Bundesamts vom Januar lauthals widersprochen und protestiert, dass man die Lage nicht so schwarz malen könne. Sie rechneten daher mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent. Nun fallen sie mal wieder überrascht aus allen Wolken und werden Lügen gestraft. Andere Volkswirtschaften erholen sich dagegen auch statistisch nachweisbar. In Frankreich zum Beispiel trug ein gestiegener privater Konsum (+0,9 %) zum Gesamtwachstum auf Quartalssicht um 0,6 % bei.

Das füge ich nur deshalb an, weil es in Deutschland eine derzeit total verrückte Debatte gibt, wie viel Geld arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen zusteht. Auch dem letzten politischen Hinterwäldler in diesem Land muss eigentlich klar sein, dass wir an einer chronischen Nachfrageschwäche leiden. Der private Konsum liegt am Boden und man tut nichts dagegen. Es wird eher dafür gesorgt, die Lage noch weiter zu verschärfen. Als die Krise ausbrach, haben alle politischen Kräfte im Chor das Lied vom privaten Konsum gesungen, der nach dem Wegbrechen des Exports zu einer Stütze der wirtschaftlichen Leistung werden könne und müsse. Doch mit jedem zurückgelegten Quartal musste man feststellen, dass gerade der private Konsum immer weiter einbrach.

Im Jahr 2010 beschließt der Gesetzgeber nun Steuersenkungen für Hotelbesitzer und Menschen, die über genug Einkommen verfügen, um dank der Steuerpolitik zusätzlich noch mehr sparen zu können. Geringverdiener und Sozialleistungsempfänger gehen dagegen weiterhin leer aus. Viele Beschäftigte der unterschiedlichsten Branchen werden im Augenblick medial darauf vorbereitet, dass sie bitteschön in den bevorstehenden Tarifverhandlungen nichts bis gar nichts zu erwarten hätten und den Gürtel lieber noch enger schnallen sollten, wenn sie denn an ihren Jobs hängen. Andernfalls könne man sich ja im angeblichen Luxus Hartz-IV einrichten.

Der Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der gleichzeitig selbsternannter geistig politischer Vordenker in diesem Land sein will, fällt derzeit mächtig aus seiner diplomatischen Rolle. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen will Westerwelle sozialistische Züge entdeckt haben (Hat er es überhaupt gelesen?). Und ganz allgemein kommentierte er:

„Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“

Vergessen sie Westerwelle. Der Mann ist bereits politisch tot. Man könnnte jetzt alternativ auch das Geblubber von Frau von der Leyen, Frau Köhler oder sonst irgendwelchen Leuten anfügen, die meinen die sozialpolitische Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Tenor aller Wortmeldungen war jedenfalls, dass es nicht mehr Geld geben dürfe, das die Betroffenen, oh Schreck, einfach nur ausgeben könnten. Dabei wäre genau das der Weg, um aus der wirtschaftlichen Krise herauszukommen. Eine Stärkung der Massenkaufkraft und damit der Nachfrage. Kostet zuviel Geld heißt es da ermahnend aus den Politikerstuben, während man gleichzeitig ein Födergesetz verabschiedet, das Hotelbesitzer, Erben und Gutverdiener abermals reichlich beschenkt. Welche Nachfrage soll diese Gruppe eigentlich entwickeln, die sie nicht schon vorher dank ausreichender Mittel befriedigt hätte? Eine einfache Frage.

Die FDP würde jetzt darauf antworten, Leistung muss sich halt lohnen. Es lohnt sich aber volkswirtschaftlich überhaupt nicht, wenn man ganz bestimmte Leistungsträger staatlich belohnt, ihnen quasi spätrömische Dekandenz ermöglicht, so dass sie beispielsweise auf den noch immer unregulierten Kapitalmärkten verstärkt aktiv sein können. Auf der anderen Seite lohnt es sich volkswirtschaftlich auch nicht, von der großen Masse zu verlangen, diesen Belohnungsprozess auch noch solidarisch zu begleiten und brav die Rechnung zu bezahlen, wenn das ganze System einmal ins Wanken gerät.

Lesen sie dazu mal die Erklärung des Generalsekretärs der FDP, Christian Lindner:

„Die teils reflex- und teils flegelhaften Reaktionen auf Guido Westerwelle zeigen, dass Deutschland seinen inneren Kompass zu verlieren und sein Kraftzentrum in der Mitte der Gesellschaft zu beschädigen droht.

Faire Politik muss zwischen den Interessen der Leistungsgeber und den Interessen der Leistungsnehmer vermitteln. Solidarität fordern Liberale von den Starken, die die Bedürftigen unterstützen, genauso wie von den Schwachen, die Hilfe nur soweit als erforderlich in Anspruch nehmen sollten.“

Quelle: pressrelations

Die FDP scheint noch immer nicht begriffen zu haben, wie das mit der kapitalistischen Produktionsweise funktioniert. Deutschlands Wirtschaft schrumpft ja nicht, weil die Sozialleistungen zu hoch sind, sondern weil die herrschende Politik will, dass der Wohlstand der Masse weichen soll für das dekadente Bedürfnis einiger Weniger nach immer mehr Reichtum. Den innereren Kompass der FDP möchte ich mal sehen. Wahrscheinlich hat sich in deren Wirklichkeit das Magnetfeld umgedreht.

2

Griechenland: Thomas Fricke legt nach

Geschrieben von:

Thomas Fricke von der Financial Times Deutschland findet in seiner Kolumne klare Worte gegen den Unsinn, der hierzulande über Griechenland verbreitet wird. Bereits vor ein paar Tagen wartete er mit Fakten gegen den Meinungsmainstream auf (siehe hier im Blog).

Quelle: FTD

„Da wird der „Niedergang“ des Landes beschworen, der Grieche per se zum Schummler und die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik für „schlecht“ erklärt. Meist von Sesselkommentatoren, die sich bis vor Kurzem bestenfalls mit Ouzo auskannten. Und der Chefökonom der Europäischen Zentralbank ( EZB ) empfiehlt gleich mal durchweg sinkende Löhne. Hau ruck. Mit Gewissenhaftigkeit hat das ähnlich viel zu tun wie das Tricksen der Zahlenmeister aus Athen. Dabei spricht viel dafür, dass die Krise allein durch griechische Mentalitätsmängel kaum erklärbar ist. Manch europäischer Moralapostel scheint da eher davon ablenken zu wollen, dass er zum Desaster beigetragen hat.“

Genau und wie Spiegel Online meldet, hatte zum Beispiel die „systemische“ Bank Goldman Sachs ihre Finger im Spiel, als es darum ging, die Haushaltszahlen zu beschönigen. Warum wirft man Griechenland versagen vor und droht unverhohlen mit Sanktionen, während die federführende Bank unbehelligt weiter Gewinne scheffeln darf, nachdem sie ihre Verluste in der Finanzkrise sozialisieren durfte? Eine spanndende Frage, sicherlich auch für Ouzo saufende Sesselkommentatoren. :D

Aber Fricke schreibt noch mehr. Zum Beispiel weist er zurecht darauf hin, dass die Entwicklung Griechenlands bis zum Ausbruch der Krise nahezu als musterhaft angesehen wurde. Die jetzigen Unterstellungen und klischeehaften Zuschreibungen würden jeder Grundlage entbehren.

„Klar pflegen griechische Lohnzuwächse höher auszufallen als die Vereinbarungen braver deutscher Metallgewerkschafter. Das hat auch den Verteilungsspielraum hin und wieder gesprengt. Nur stiegen die Lohnstückkosten in den drei Jahren bis 2007 auch nicht schneller als in den USA, wo das Plus historisch eher moderat blieb. Sonst wären Griechenlands Exporte seit 1993 sicher nicht um real 150 Prozent gestiegen. Und die Zahl der Jobs wäre von 1998 bis 2007 nicht jedes Jahr um 1,3 Prozent gestiegen – bei angeblich überteuerten Arbeitskräften. Die griechische Arbeitslosigkeit fiel zwischen 2000 und Mitte 2008 um 40 Prozent, die strukturell bedingte Quote laut OECD seit 2005 um immerhin einen halben Punkt – und damit etwa so stark wie im Land der gelobten Agenda 2010.“

Doch die eigentliche Pointe liefert Fricke mit seinem kritischen Blick auf Deutschland, das mit seiner falschen Wirtschaftspolitik dazu beigetragen habe, dass Griechenland im Verdrängungs-Wettbewerb abgehängt wurde.

„Zu einem negativen Saldo gehören auch immer zwei Seiten: zum Beispiel eine deutsche, deren Protagonisten jahrelang alles darangesetzt haben, die eigene Wirtschaft durch Reform und Verzicht wettbewerbsfähiger als andere zu machen – und die sich jetzt wundern, dass die anderen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und dann in Krisen stürzen.“

Der Vorwurf ist klar, deutlich und vor allem auch systemkritisch. Denn Fricke sagt im Grunde nichts anderes, als dass die bisherige Wirtschaftspolitik einzelner im gemeinsamen Wirtschaftsraum zu katastrophalen Folgen führe. Da stimme etwas an der Grundkonzeption nicht, wenn es wirtschaftspolitisch immer nur darum ginge, andere Ökonomien niederzukonkurieren. An die Adresse der EU-Kommission heiß es dann auch folgerichtig:

„Dazu gehört mehr: eine EU-Kommission, die aufhört, einen angeblich tollen Steuersenkungswettlauf zu predigen, den am Ende keiner bezahlen kann; eine Notenbank, die ihren Job auch darin sieht, überteuerte Wechselkurse zu verhindern; oder eine Bundesregierung, die aufhört, Moralapostel zu spielen, und stattdessen das naive Modell aufgibt, Deutschland via sinkende eigene Ansprüche auf Kosten anderer sanieren zu wollen.“

Es ist eigentlich bescheuert, diesen wirtschaftlich gebildeten Irrlichtern in Politik, Wissenschaft und Medien immer wieder erklären zu müssen, dass die Summe aller Bilanzen am Ende eine Null ergeben muss. Wenn man aber nun wie bekloppt dem deutschen Vorbild des Gürtel enger Schnallens folgt, um auf Kosten der eigenen Binnenwirtschaft Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, deren zweifelhafter Erfolg sich dann in Außenhandelsüberschüssen und Marktanteilen niederschlägt, fragt man sich doch zwangsläufig, wer am Ende die zunehmenden Schulden jener bezahlt, die über ihre Verhältnisse leben müssen, um die Überschüsse der Exportgiganten abzunehmen, während die Kaufkraft in den exportorientierten Ländern immer weiter zurückgedrängt wird.

Heiner Flassbeck schreibt dazu in seinem aktuellen Buch „Gescheitert – Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert“ sehr anschaulich:

„Noch mehr solide Gläubiger also braucht die Welt und noch weniger schlechte Schuldner. Wer aber nimmt die Kredite, die die Gläubiger vergeben wollen, wenn am Ende alle von den Deutschen gelernt haben und solide Gläubiger sind? Der Mond? Der Mars? Oder doch wieder die Amerikaner?“

Flassbeck hat Recht, wenn er von einem neoliberalen Tsunami spricht, der in den letzten 20 Jahren über die globalisierte Wirtschaft hinwegrollte und nahezu jeden kritisch ökonomischen Verstand wegspülte. Was für ein Drama. :'(

0

Auch im Dezember sinkt der Einzelhandelsumsatz – real um 2,5 % im Vergleich zum Vorjahr

Geschrieben von:

Auch im Dezember 2009 ging es mit den Umsätzen im Einzelhandel um real 2,5 % im Vergleich zum Vorjahresmonat wieder deutlich nach unten. Wie das statistische Bundesamt heute mitteilte, wurde im gesamten Jahr 2009 nominal 2,4 und real 1,8 % weniger umgesetzt als im Jahr 2008.

Quelle: destatis

Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im Jahr 2009 nominal um 2,4% und real um 1,8% niedriger als 2008. Negative Veränderungsraten sowohl nominal wie real gab es beim Jahresumsatz des Einzelhandels zuletzt im Jahr 2007 (nominal – 1,6%, real – 1,2%).

Im Dezember 2009 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nach vorläufigen Ergebnissen aus sieben Bundesländern nominal 1,8% und real 2,5% weniger Umsatz als im Dezember 2008.

Damit fielen die Umsätze im Vergleich zum Dezember des Vorkrisenjahres 2006 bereits um 5,4 Prozent. Dennoch wurde seit dem immer wieder behauptet, dass vor allem das Weihnachtsgeschäft mindestens so gut laufe, wie im Jahr davor und die Einzelhändler im Grunde zufrieden seien. Das ist und bleibt eine PR-Lüge, wie die aktuellen Zahlen einmal mehr deutlich zeigen. Der private Konsum ist weder ein Stabilisator in der Krise, noch wird er in absehbarer Zeit zu einem werden.

Die meisten Medien haben die statistischen Daten endlich kapiert und lassen ab von der Kaufrausch-Kampagne der letzten Jahre. Besonders witzig titelt da die Welt.

Umsatz im Einzelhandel fällt hinter 2007 zurück

Die Deutschen knausern beim Konsum. Im dritten Jahr in Folge ging der Einzelhandelsumsatz zurück und fällt damit unter das Niveau vor der Wirtschaftskrise.

Plötzlich knausern die Deutschen beim Konsum. Und das auch schon im dritten Jahr in Folge. Warum liest man erst jetzt in der Welt etwas darüber? Am 22. November 2009 hieß es in Springers Märchen-Welt noch:

Weihnachten kennt keine Krise

Unter dem Christbaum wird in zwei von drei Haushalten von der Wirtschaftskrise nichts zu spüren sein: Fast 60 Prozent der Deutschen wollen für Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr ebenso viel Geld ausgeben wie 2008. Dies ergab eine exklusive Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK für die „Welt am Sonntag“.

Dass zwei Drittel der Befragten trotz der Serie von Negativschlagzeilen aus der Wirtschaft und Sorgen um den Arbeitsplatz zumindest nicht weniger in die Päckchen unterm Weihnachtsbaum investieren wollen, dürfte den krisengeschüttelten Händlern wie Glockengeläut in den Ohren klingen.

Dabei sind die Aussichten dieses Mal wegen der Krise viel ungewisser als sonst, auch wenn der Konsum im Jahresverlauf ganz gut durch die Turbulenzen gekommen ist.

Aber Vorsicht! Die späte Einsicht mancher Medien kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der leichte Anstieg der Umsätze um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat November als positiver Trend gedeutet werden wird. Dabei ist dann auch völlig egal, dass der November 2009 rund 1,1 Prozent unter den Umsätzen des Oktober gelegen hat. Hauptsache ein Wert, der sich positiv verwursten lässt. Eine dieser gefürchteten Alles-ist-gut-Überschriften findet sich z.B in einer Online Zeitung mit Namen Dow Jones Deutschland:

Deutscher Einzelhandel im Dezember erholt

Da ist der Name halt Programm und die gute Laune wird erst im Text etwas getrübt. Außerdem finde ich es toll, dass nun auch die sog. Experten zu der Überzeugung gelangen, dass das Schlussquartal 2009 nicht von Wachstum, sondern eher von Stagnation geprägt war, wie es das statistische Bundesamt bereits vorab prognostizierte.

1

Spekulation mit Rohstoffen ist Gift für die Konjunktur

Geschrieben von:

Sie haben es vielleicht schon gemerkt. An den Tankstellen steigen die Preise wieder, obwohl die Ferien mittlerweile vorbei sind. Einen nachvollziehbaren Grund gibt es dafür nicht. Dennoch werden Konzerne sicherlich einen Sack Reis irgendwo auf der Welt finden, den sie umstoßen können, um zu behaupten, dass dadurch die Preise naturgemäß steigen müssten. Das ist alles quatsch. Noch immer haben wir Krise. Also einen Zustand, in dem deutlich weniger Nachfrage an Waren besteht. Die aktuellen volkswirtschaftlichen Daten haben das noch einmal deutlich gezeigt. Demzufolge besteht auch weniger reale Nachfrage nach realen Rohstoffen, aus denen man Waren produzieren könnte. Und dennoch ziehen die Preise für Rohstoffe an.

Öl kostet inzwischen mehr als 80 US-Dollar je Barrel (159 Liter), nachdem es sich in Folge der Weltwirtschaftskrise Anfang 2009 innerhalb weniger Monate von fast 150 auf gut 30 Dollar verbilligt hatte. Einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge legten zwischen Februar und November 2009 die Preise für Rohstoffe um 40 Prozent zu. Der IWF spricht im Zusammenhang mit diesem Index von einem sehr ungewöhnlichen Anstieg, da in vergleichbaren Phasen früherer Krisen die Preiserholung im Schnitt nur bei fünf Prozent lag.. In zahlreichen Indizes und bei einzelnen Rohstoffen wurden in den zurückliegenden Monaten sogar historisch einmalige Preisexplosionen festgestellt. Der bekannte Standard-&-Poors-GSCI-Rohstoffindex, der 20 sehr verschiedene Güter wie Getreide, Gold, Öl oder Kakao und Aluminium bewertet, legte 2009 beispielsweise um mehr als 50 Prozent zu – der stärkste Kursanstieg seit dessen Einführung 1970. Rekorde können inzwischen auch die Notierungen für Zucker und Kakao verbuchen, die sich auf dem höchsten Niveau seit gut drei Jahrzehnten bewegen.

Quelle: junge Welt

Dass die Preise für Rohstoffe rasant ansteigen, liegt also nicht an einer stärker werdenden realwirtschaftlichen Warennachfrage, sondern daran, dass auf den Finanzmärkten munter weitergezockt werden darf. Mit der Erfahrung, dass ein Crash und die damit verbundenen hohen Verluste durch Staaten und deren Steuerzahler aufgefangen und beglichen werden, ohne dass die Branche Konsequenzen zu fürchten bräuchte, steigt auch das Risikoverhalten auf dem Börsenparkett.

Doch wenn die Preise für Rohstoffe steigen, werden auch Waren zwangsläufig teurer. In einer noch nicht überstandenen Wirtschaftskrise wird somit eine konjunkturelle Erholung bereits von vornherein verhindert, da die ohnehin schwache Kaufkraft für Güter des Grundbedarfs vollständig eingesetzt werden muss. Wo sollen also zusätzliche Mittel für eine konjunkturbeflügelnde Nachfrage herkommen? Aus Steuersenkungen wie die FDP meint? Aus Steuersenkungen, die die kritische Finanzlage von Bund und vor allem Kommunen noch weiter verschärfen würde und die zwangsläufig zu geringeren öffentlichen Leistungen, höheren Gebühren und damit zu einer höheren Belastung vor allem jener führt, die ihr gesamtes Einkommen verbrauchen müssen, um zu leben?

Bundeswirtschaftsminister Brüderle schaute ja gestern wieder besonders tief ins Glas und sagte, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche bräuchten, um die Konjunktur durch mehr Konsum anzukurbeln. Mehr Geld heißt natürlich übersetzt mehr Netto vom Brutto durch Verzicht auf das „Geschenk der Bürger an den Staat“ mit Namen Steuerabgaben, um mal bei der Worthampelei des durchgeknallten Parteichefs Westerwelle zu bleiben. Mehr Geld durch höhere Bruttolöhne und vor allem Mindestlöhne, die erstens eine relative Einkommenssicherheit bedeuten und zweitens eine breite Verbesserung der Kaufkraft, die dann auch in mehr Konsum umgesetzt werden könnte, schließen der Fachidiot Brüderle wie auch sein weggetretener Parteichef kategorisch aus. Und Schlecker spendet wahrscheinlich noch Beifall, während die Bundesregierung untersuchen will, ob ein Gesetz, das zum Missbrauch bei der Zeitarbeit einlädt, weil es die Politik genau so wollte, missbräuchlich ausgenutzt werde. Das ist doch verrückt.

Übrigens meint der Brüderle angesichts der heute veröffentlichten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt 2009 (ich habe darüber in meinem letzten Beitrag berichtet) doch tatsächlich, dass sich die deutsche Wirtschaft deutlich erholt habe. Quelle: Blöd-Zeitung

Na wenn das so ist, sollte ich vielleicht auch mal zum Glas greifen und einen Artikel übers Schönsaufen verfassen. :roll:

0

Nun auch offiziell: Stärkster Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit

Geschrieben von:

Mit -5,0 Prozent rauscht die deutsche Wirtschaft im Jahr 2009 in den Keller, so stark wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch das ist ein Erdbeben. Wie das statistische Bundesamt heute mitteilt, haben vor allem die dramatischen Rückgänge bei den Exporten und den Investitionen zu diesem Ergebnis geführt.

Bemerkenswert im Jahr 2009 war, dass sowohl die Exporte als auch die Ausrüstungsinvestitionen stark einbrachen. Der Außenhandel, der in früheren Jahren ein wichtiger Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft war, bremste 2009 die wirtschaftliche Entwicklung.

In Ausrüstungen wurde insgesamt um ein Fünftel weniger investiert als noch in 2008 (– 20,0%).

Als positiv bewertet das statistische Bundesamt einen statistischen Anstieg bei den Konsumausgaben.

Die einzigen positiven Impulse kamen 2009 von den Konsumausgaben: Die privaten Konsumausgaben stiegen preisbereinigt um 0,4%, die staatlichen sogar deutlich um 2,7% gegenüber dem Vorjahr.

Das könnte man wieder missverstehen und meinen, die Nachfragesituation der privaten Haushalte habe sich stabilisiert oder gar verbessert und somit die Wirtschaft gestützt. Das stimmt nur stark eingeschränkt. Wenn man weiter unten in der Langfassung der heutigen Mitteilung liest, steht da näher erläutert.

Bei einer Differenzierung der Konsumausgaben privater Haushalte im Inland nach Verwendungszwecken zeigt sich jedoch, dass lediglich für Verkehr und Nachrichtenübermittlung deutlich mehr ausgegeben wurde als im Vorjahr (+ 5,2%). Hierzu zählen auch die privaten Kraftfahrzeugkäufe, die durch die sogenannte Abwrackprämie kräftig gestiegen sind. Die Ausgaben für fast alle anderen Verwendungszwecke waren dagegen geringer als in 2008.

Was heißt das denn nun? Die Abwrackprämie hat also zur Stabilisierung des privaten Konsums beigetragen, weil der Staat den Menschen Geld „schenkte“. Warum hat der Staat dann eigentlich nur Geld für Autos „verschenkt“ und nicht auch für andere Konsumbedürfnisse? Warum hat man Konsumgutscheine von Beginn an als verrückte Idee verworfen und lieber darauf gesetzt, dass ein Gehirnwäschekartell aus Medien, Scheinwissenschaftlern, GfK und Politikern nur häufig genug von Kauflaune schwafeln müssen, damit der Eindruck entsteht, als kauften die Menschen auch mit immer weniger Geld in der Tasche trotzdem mehr?

Dann erweckt die Mitteilung den Eindruck, als hätten im Krisenjahr 2009 vor allem Unternehmens- und Vermögenseinkommen gelitten. Diese gingen im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent zurück.

Das Volkseinkommen setzt sich aus dem Arbeitnehmerentgelt und den Unternehmens- und Vermögenseinkommen zusammen. Es ist 2009 erstmals seit der Wiedervereinigung gesunken, und zwar um 4,0% auf 1 811 Milliarden Euro. Dabei sank das Arbeitnehmerentgelt nur geringfügig unter das Niveau des Vorjahres (– 0,2% auf rund 1 223 Milliarden Euro). Dagegen gingen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen 2009 deutlich um 11,0% zurück und betrugen nur noch 588 Milliarden Euro. Die Lohnquote, die den Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen misst, stieg demzufolge gegenüber dem Jahr 2008 um 2,5 Prozentpunkte auf nunmehr 67,5%.

Was die Statistiker an dieser Stelle verschweigen, ist die Tatsache, dass Unternehmens- und Vermögenseinkommen dank günstiger politischer Entscheidungen seit zwanzig Jahren um satte 36 Prozent gestiegen waren. Es wird auch nicht gesagt, dass die Unternehmens- und Vermögenseinkommen seit dem dritten Quartal 2009 wieder steigen. Dazu mehr auf Jahnkes Infoportal, siehe unten. Weiterhin wird verschwiegen, dass die Lohnquote auf einem historischen Tiefstand verharrte. Lang, lang ist’s her, da lag die nämlich mal bei über 70 Prozent (siehe u.a. NachDenkSeiten). Wenn der Anteil der Löhne am gesamten Volkseinkommen immer weiter sinkt und im Gegenzug Unternehmens- wie auch Vermögenseinkommen zulegen, dann muss man so eine Entwicklung auch ganz konkret als Umverteilung bezeichnen. An einer Gegenüberstellung auf Jahnkes Infoportal können sie sich das etwas genauer anschauen – besonders die Grafiken:

„Es waren sieben fette Jahre zwischen 2003 und 2009 für die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, wenn man sie mit den vorangegangenen sieben Jahren 1996 bis 2002 vergleicht. Der reale Zuwachs an Einkommen im Periodenvergleich belief sich auf rund 843 Mrd Euro. Dagegen konnte das Arbeitnehmerentgelt nur um knapp 193 Mrd Euro zulegen also nur um 23 % der Unternehmens- und Vermögenseinkommen (Abb. 14855). Dabei verteilt sich das Arbeitnehmerentgelt zudem auf eine ungleich größere Anzahl von Arbeitnehmern, als die Kapitaleigner und Hauptbegünstigten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen zählen (wenn man die kleinen Sparer mal ausklammert).

Zwar waren die Unternehmens- und Vermögenseinkommen in der Krise eingebrochen, doch schon im dritten Quartal 2009 erholten sie sich um 11,6 % gegenüber Vorquartal (nach Abzug der BIP-Inflation). Da die Zinsen auf niedrigem Niveau verharrten, kann der Zuwachs nicht aus den Sparkonten der kleinen Leute kommen, deren Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer inflationsbereinigt nur um 0,9 % zulegten (Abb. 14849).“

Und zum Ende nun die Klärung der Frage, wie Deutschland die Krise im letzten Jahr „gemeistert“ hat. Denn folgt man unserer Kanzlerin gilt ja nach wie vor der überlieferte Satz aus ihrer Neujahrsansprache:

„Aber wir können mit guten Gründen hoffen, dass Deutschland diese Krise meistern wird; dass unser Land stärker aus ihr hervorgehen wird, als es in sie hinein gegangen ist; dass sich eine solche Krise nie mehr wiederholt.“

Doch welche guten Gründe könnte man da jetzt anführen? Das statistische Bundesamt hat errechnet, dass Deutschland mit einem Staatsdefizit von 3,2 Prozent mal eben die heilige Maastricht-Grenze locker überschritten hat. Folglich muss Deutschland ein Verfahren durch die EU fürchten und sich auf eventuelle Strafzahlungen einstellen, so wie das Griechenland, dem größten Schuldensünder in der Eurozone, bereits von Seiten der EU-Kommission angedroht wurde. Deutschlands Sparpolitik der letzten Jahre, die unter dem Mantra der „Haushaltskonsolidierung“, bis zum Erbrechen (damit ist der ausgeglichene Haushalt des „Finanzgenies“ Steinbrück im Jahr 2008 gemeint) betrieben wurde, verkehrt sich nun ins Gegenteil. Die öffentlichen Haushalte laufen regelrecht aus dem Ruder, während an allen Ecken und Enden der öffentlichen Infrastruktur und der Bildung der sprichwörtliche Putz von den Wänden bröckelt, weil seit Jahren auf notwendige Investitionen verzichtet wurde. Also was zum Teufel hat die rigorose Sparerei und der mit allen Mitteln herzustellende ausgeglichene Haushalt nun gebracht?

Wenn man sich die aktuelle Tarifdebatte im öffentlichen Dienst aunschaut, werden sie vielleicht verstehen, was ich damit meine. Da wehren die Arbeitgeber die berechtigten Forderungen der Beschäftigten mit dem äußerst unredlichen Hinweis auf die Lage der öffentlichen Haushalte ab. Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände, sagt in der Welt:

„Die Forderung der Gewerkschaften ignoriert völlig die finanziellen Rahmenbedingungen.“

Und Böhle ignoriert wohl völlig die Tatsache, dass die von den Gewerkschaften vertretenen Beschäftigten, die noch übrig sind(!), überhaupt keine Schuld an der desolaten Lage der öffentlichen Kassen tragen. Böhle setzt im Grunde nur jenen unverschämten Kurs fort, den Finanzminister Schäuble vor Weihnachten bereits eingeschlagen hatte, als er die Lohnforderungen mit Entsetzen zur Kenntnis nahm und sich mit den Worten zitieren ließ:

„Der Staat hat kein Geld!“

Heribert Prantl antwortete dann darauf sehr gut und bestimmt:

Hat der Staat wirklich kein Geld?
Er hat es gehabt, als er die Konjunkturprogramme auflegte. Er hat es auch gehabt, als die Banken gerettet wurden. Er hat es gehabt, als er die Kurzarbeit in der Industrie finanzierte. Und jüngst hat er auf viel Geld verzichtet, als er den Hoteliers eine unsinnige Senkung der Mehrwertsteuer zuschusterte. Ob der Staat ein bisschen mehr Geld für seine Angestellten hat, ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens und Sollens.

Quelle: SZ

Man kann das aber auch anders deutlich machen, wenn man sich nun ebenfalls entsetzt an die Regierungschefin Merkel richtet, die ja selten zum konkreten Ziel von konkreten journalistischen Angriffen in konkreten Sachfragen wird, und sie mit ihrer oben zitierten Aussage aus der Neujahrsansprache konfrontiert, welche Gründe denn nun dafür sprechen würden, dass Deutschland die Krise in diesem Jahr meistern wird. Ist Lohnverzicht die Meisterleistung, die Merkel meint und sie annehmen lässt, dass dadurch das Land stärker aus der Krise herauskommen werde, als es in die Krise hineingegangen ist?

Merkel will noch stärker wieder dahin, wo wir vor der Krise waren, das ist ihr Plan, meint auch Kabarettist Georg Schramm, der darauf trefflich entgegnete:

„Und wo waren wir vor der Krise? Vor der Krise!“

So sieht es aus.

0

Einzelhandelsumsatz im November 2009 real um 2,8 Prozent niedriger

Geschrieben von:

Wie das statistische Bundesamt heute mitteilt, sanken die Umsätze im Einzelhandel erneut und ziemlich deutlich. Im November 2009 geht es real um 2,8 Prozent nach unten.

Im November 2009 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nach vorläufigen Ergebnissen aus sieben Bundesländern nominal 3,1% und real 2,8% weniger Umsatz als im November 2008. Beide Monate hatten jeweils 25 Verkaufstage. Im Vergleich zum Oktober 2009 sank der Umsatz im November 2009 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten nominal um 1,2% und real um 1,1%.

Der wichtigste Indikator für den privaten Konsum, von dem die Bundesregierung und zahlreiche Wirtschaftsinstitute meinen, er stütze die dramatisch eingebrochene Konjunktur, fällt und fällt ins Bodenlose, wie sie anhand der Tabelle sehen können.

Einzelhandesumsätze 2009

Sogar im Vergleich zum Vormonat Oktober 2009 fallen die Umsätze. Das schreibe ich deshalb mit hin, weil beim letzten Mal, als die Umsätze im Oktober um 0,6 Prozent im Vergleich zum September 2009 stiegen, zahlreiche Medien sogfort mit Jubelmeldungen titelten (siehe hier im Blog). Dabei ist die Veränderung zum Vormonat nur bedingt aussagekräftig. Wahrscheinlich wird der Dezember 2009 im Vergleich zum November wieder besser aussehen und ich sehe bereits die Schlagzeilen, dass die Deutschen wieder mehr konumieren würden. Das ist aber nicht der Fall. Denn auch auf das Jahr gesehen, rechnet das statistische Bundesamt mit einem deutlichen Minus.

Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland nominal voraussichtlich zwischen 2,5% und 2,7% unter dem Wert von 2008. Der reale Umsatz dürfte zwischen 1,9% und 2,1% unter dem Vorjahreswert liegen.

Diese Schätzung basiert auf den für Januar bis November 2009 vorliegenden Daten. In diesem Zeitraum setzte der Einzelhandel nominal 2,6% und real 1,8% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Damit dürfte die irrige Behauptung, die Deutschen befänden sich im Kaufrausch oder zumindest in einem Zustand des stabilen Einkaufverhaltens, ein für alle Mal als Täuschung entlarvt sein. Die Täuschungen selbst, werden aber mit Sicherheit nicht aufhören.

2
Seite 7 von 12 «...56789...»