Das statistische Bundesamt hat die detaillierten Ergebnisse zum ersten Quartal des Jahres bekanntgegeben. Bereits vor gut eineinhalb Wochen hatte die Behörde von einem „schwungvollen Start“ der deutschen Wirtschaft gesprochen und die Entwicklung des Binnenkonsums besonders betont. In der Meldung hieß es:
Sowohl die Investitionen in Ausrüstungen und in Bauten als auch die Konsumausgaben konnten zum Teil deutlich zulegen.
Quelle: destatis (13.05.2011)
Die Absicht war klar. Es sollte der Eindruck erweckt werden, als steuerten die privaten Konsumausgaben einen wesentlichen Teil zum Aufschwung bei. Die Regierung hätte schließlich ein Problem, wenn abermals sichtbar würde, dass das Wirtschaftswachstum spurlos an den abhängig Beschäftigten vorbeiginge.
In der ausführlichen Darstellung der Statistiker heißt es nun sehr klar und deutlich:
Positive Impulse kamen im ersten Vierteljahr 2011 vor allem von der Binnenwirtschaft: Sowohl die Investitionen als auch die Konsumausgaben konnten zum Teil deutlich zulegen. Insbesondere in Bauten (+ 6,2%) sowie in Ausrüstungen (+ 4,2%) – darunter fallen hauptsächlich Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge – wurde zu Beginn des Jahres 2011 deutlich mehr investiert als im Schlussquartal 2010. Die privaten Konsumausgaben legten im Vergleich zum Vorquartal leicht zu (+ 0,4%), die staatlichen Konsumausgaben etwas deutlicher (+ 1,3%).
Quelle: destatis (24.05.2011)
Noch immer wird behauptet, dass die deutsche Wirtschaft schwungvoll ins Jahr gestartet sei und die Konsumausgaben zum Teil deutlich zugelegt hätten, obwohl am Ende eine nur „leichte“ Zunahme aus den konkreten Daten konstatiert werden kann. Sie sehen an diesem Beispiel sehr schön die Absicht zur Verschleierung der tatsächlichen Entwicklung. Das Wachstum der Binnenwirtschaft hing im ersten Quartal ganz klar von einer nachholenden Investitionstätigkeit der Unternehmen ab sowie einer Zunahme der Bautätigkeit, was zu diesem Zeitpunkt keine sonderliche Überraschung ist.
Es hing aber in keinem Falle von deutlich höheren privaten Konsumausgaben ab!
Besonders amüsant wird es, wenn sich die Propagandaorgane selbst widersprechen. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) teilt einen Tag nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen mit, dass sich die Kauflaune der Deutschen eingetrübt hätte.
Nach dem kleinen Dämpfer im Vormonat muss die Stimmung der Verbraucher auch im Mai dieses Jahres Verluste hinnehmen. Sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartungen wie auch die Anschaffungsneigung erleiden aktuell Einbußen.
Die Verschärfung der Schuldenkrise in Griechenland sowie die anhaltend hohen Energiepreise dämpfen den Optimismus, den die Konsumenten bislang an den Tag legten.
Quelle: GfK
Für den Wirtschaftsminister Rösler ist das natürlich kein Grund, seine Aufschwungseuphorie, die er von seinem Vorgänger anscheinend übernommen hat, zu dämpfen.
„Der private Konsum hat sich zu einer zuverlässigen Stütze des Aufschwungs entwickelt. Die Aussichten sind gut, dass dies auch im weiteren Jahresverlauf so bleibt. Die Zahlen zeigen, dass die Verbraucherstimmung trotz eines leichten Rückgangs weiterhin positiv ist. Damit runden sie das Bild nach den beiden günstigen Meldungen von gestern ab.“
Quelle: BMWi
Damit rundet sich aber gar nichts ab, sondern der Eindruck verfestigt sich vielmehr, dass das FDP geführte Wirtschaftsministerium nur dazu da ist, um gute Stimmung zu verbreiten, egal wie die Lage auch sein mag.
Dabei zeigt der Blick auf die Wachstumsbeiträge recht deutlich, auf welch tönernen Füßen die Behauptungen Röslers und der Statistiker stehen, der private Konsum sei zu einer Stütze des Aufschwungs geworden.
Von der 1,5 Prozent Zunahme entfallen ein Prozent auf binnenwirtschaftliche Impulse und 0,5 Prozent auf den Außenbeitrag (Export). Wie sie sehen, tragen die privaten Konsumausgaben aber gerade einmal 0,2 Prozent zum Wachstum bei, wohingegen die entscheidenden Beiträge wie immer vom Export und den oben bereits erwähnten Bruttoanlageinvestitionen beigesteuert wurden. An der Darstellung können sie auch sehen, warum die Investitionen zugenommen haben. Im letzten Quartal 2010 kam aus diesem Bereich nämlich nix. Ein Nachholeffekt, der von der weltweiten Konjunkturentwicklung befeuert wird, ist so gesehen die logischerer Erklärung, als fortwährend zu behaupten, die deutsche Wirtschaft befände sich auf einem stabilen von Binnenimpulsen getragenen Wachstumspfad.
Die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor von der Entwicklung auf den Weltmärkten abhängig. Sollte die Konjunktur dort wieder einbrechen, was wahrscheinlich ist, wenn alle der verordneten Austeritätspolitik Folge leisten, stürzt die deutsche Lokomotive wieder ganz schnell in jenes Jammertal, in das sie schon 2009 fiel. Der Vergleich zum Vorquartal sieht übrigens auch deshalb so gut aus, weil es sich hierbei um den schwächsten Abschnitt des vergangenen Jahres handelt. Dennoch waren im vierten Quartal 2010 die privaten Konsumausgaben zum Beispiel noch um 0,6 Prozent gestiegen.
Mich stört allerdings nicht so sehr die amtliche Aufschwungspropaganda und auch nicht die blumige Kommentierung durch den neuen Brüderle. Anhand der Zahlen ist das ja leicht zu widerlegen. Was mich stört, sind die Medien, die diesen Quatsch einfach nur weitergeben und das Ganze noch mit der Kaffeesatzleserei vom ifo-Institut garnieren.
Sie müssen sich das einmal vorstellen. Auf der einen Seite wird die tolle Entwicklung der deutschen Wirtschaft gefeiert, sowie der Export, der sich wieder sehr positiv entwickelt und deutlich über den Importen abgeschlossen habe, und im nächsten Satz wird darüber berichtet, das Griechenland und der Rest der EU weiter in ernsten Problemen stecke. So als ob zwischen diesen beiden Sachverhalten kein Zusammenhang bestehen würde. Nichts gelernt aus der Krise, kann man da nur sagen.
Denn während Deutschland schon wieder dabei ist, Überschuss um Überschuss anzuhäufen, was Wirtschaftsminister Rösler wohl mit dem Ausdruck „glänzende Verfassung“ gemeint hat, bilden die europäischen Partner im gleichen Umfang weiter Defizite, die die Krise nur verschärfen.
Die deutsche Wirtschaft wächst schon wieder auf Kosten der anderen!
Das bestätigen aber nicht nur die Quartalszahlen des statistischen Bundesamts, sondern auch die Nachrichten zur Einkommens- und Gewinnentwicklung. Auf Jahnkes Infoportal können sie zu diesem Aspekt entsprechende Fakten zusammengefasst nachlesen.
Tatsächlich haben sich einerseits die Unternehmens- und Vermögenseinkommen erstaunlich rasch von der Krise erholt, wozu vor allem größere Gewinne nach Einsparung bei den Personalkosten und niedrige Finanzierungskosten sowie der Aufschwung an den Aktienmärkten beigetragen haben. So legten sie um weitere 9,0 % gegenüber dem Vorjahresquartal zu, was nach Abzug der BIP-Inflation immer noch 8,6 % waren.
Über den ganzen Zeitraum seit dem Jahr 2000 sind die Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer verbraucherpreisbereinigt um fast 3 % gesunken, während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen trotz des Einbruchs in 2008 bereinigt um den BIP-Inflator um 47 % expandiert sind.
Der Aufschwung kommt vor allem in den Kassen der Anteilseigner an. Gewinne und Vermögen wachsen unaufhaltsam weiter. In diesem Jahr wurden bereits über 31 Mrd. Euro an Dividenden ausgeschüttet. Das Geldvermögen der privaten Haushalte soll inzwischen die fünf Billionen Grenze überschritten haben. Das kann man durchaus als schwungvoll bezeichnen. Mit der Realität der meisten Menschen, die in erster Linie Verzicht üben, um Banken zu retten, hat das aber rein gar nichts zu tun. Das müssten wache Journalisten eigentlich erkennen.
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MAI