Der Kunstfurzer hat wieder zugeschlagen oder wie Medien es schaffen, dass auch der Unausstehlichste unausweichlich wird

Geschrieben von:

Diesen Satz hat Volker Pispers gesprochen, als Thilo Sarrazin seinen ersten Furz abgelassen hat. Früher hätte das, was Sarrazin damals und was er heute zu sagen hat, niemanden interessiert, weil sich wohl nur die wenigsten neben den Furzer auf eine Bank gesessen hätten, um das Ganze einmal anzuriechen. Doch die Freiheit des Ignorierens hat uns die Diktatur des Boulevards genommen, so Pispers. Heutzutage werde von dem Furz erst einmal ein mehrteiliger Vorabdruck veröffentlicht und die Leute denken, es muss wichtig sein, weil es in der Zeitung steht. Dabei ist es genau umgekehrt. Es wird erst dadurch wichtig, weil es in der blöden Zeitung steht.

Denn dann stürzen sich auch alle anderen Medien in Ermangelung an sonstigen Themen oder Intelligenz darauf und das Ergebnis ist eine riesige Öffentlichkeit. Nun haben die Leute sogar den Eindruck, dass es sich um einen Kunstfurzer handeln muss, weil alle darüber reden. Deshalb muss der natürlich ins Fernsehen zu Beckmann, Jauch und all den anderen Furzsachverständigen.   

Eine Demokratie mit den Massenmedien, die wir haben, ist inzwischen nicht mehr herstellbar, weil kurzsichtige, auf Quote und Auflage fixierte Geschäftemacher die Schlagzeilen bestimmen.

Die NachDenkSeiten haben sich mit dem Auftritt Sarrazins bei Jauch im Ersten beschäftigt und das Ganze zurecht als billige Werbeshow für den Ex-Bundesbanker entlarvt.

Nur fehlt der Hinweis darauf, dass das neue Buch von Sarrazin erneut im DVA Verlag erschienen ist. Dieser gehört zur Verlagsgruppe Random House, die sich wiederum im Besitz der Bertelsmann AG befindet, und die gehört der Bertelsmann Stiftung und damit Liz Mohn. Die Firmenpatriarchin wurde vor anderthalb Jahren, als das erste Sarrazin Buch in der Öffentlichkeit unangenehme Gerüche verbreitete, mit dem Integrationspreis Goldene Victoria ausgezeichnet und hat bei der Verleihung folgendes gesagt:

„Wir müssen verstehen, die Menschen mitzunehmen und zu vermischen. Es gibt wenige Themen, die so bedeutsam sind, wie Integration. Dieser Preis ist für mich ein großer Ansporn, er bedeutet mir sehr viel.“

Sie betonte: „Jeder von uns ist gefragt. Ob eine Gesellschaft von Toleranz oder Intoleranz geprägt ist, hängt von unserem Handeln ab.“

Quelle: Bild

Ob sie mit unserem Handeln auch sich gemeint hat? Wahrscheinlich nicht. Denn das Schüren von Ängsten und Fremdenhass gehört offenbar zum Geschäftsmodell des Bertelsmann Imperiums und seiner Ableger. Beim neuen Sarrazin-Buch klingelt erneut die Kasse. Freundin Friede Springer spielt ebenfalls wieder mit und lässt ihre Tintenknechte von Bild das Thema Sarrazin rauf und runter schreiben. Die Einladung bei Jauch und die kontroverse Diskussion darüber ist natürlich ein Thema in Springers Bild („TV-Krach“) und damit strategisch auch von allen Beteiligten so gewollt.

Es ist eine Fortsetzungsgeschichte und wahrscheinlich wird es im nächsten Jahr noch einen dritten Teil geben, solange es sich für alle lohnt und der dumme Michel den Schrott wieder und wieder kauft, Verzeihung, anriecht. Und der Kunstfurzer muss schließlich auch von irgendwas leben, nachdem man ihn aus der Bundesbank entfernt hat. Eine klassische Win-Win-Situation.

3

Fundstück: Jauch(e) im Ersten

Geschrieben von:

Heute Morgen bin ich über die Seiten des Handelsblattes gesurft und, mir die Augen reibend, auf folgende Meldung gestoßen.

Jauch-Talk

Quelle: Handelsblatt

Ich dachte zunächst, mit Jauch im Ersten gehe es nicht mehr lange gut. Dann musste ich aber zu meinem Bedauern feststellen, dass der Satz aus dem Off auf die Lebensrealität einer griechischen Familie gemünzt war, die trotz qualifizierter Ausbildung, nicht mehr wisse, ob sie eine Perspektive habe oder nicht.

Lustig ist in diesem Zusammenhang der zitierte Satz, von der als Wirtschaftsjournalistin bezeichneten Anja Kohl (die Frau hat Germanistik, Publizistik und Politikwissenschaft studiert), die eigentlich bloß den Börsenquatsch im Ersten moderiert. Sie habe gefragt:

„Wer soll denn in Zukunft die Staaten finanzieren?“ – kein privater Investor sei bald mehr bereit, das Risiko zu tragen.

Schöner kann man die eigene Inkompetenz nicht in Worte fassen. Frau Kohl hält sich und ihr Tun noch immer für etwas Besonderes, hat aber überhaupt keine Ahnung. Die Frage müsste nämlich lauten: Wen sonst, als die Staaten, sollen private Investoren finanzieren? Die Bewohner des Mondes oder des Mars? Hätte sie etwas von Marktwirtschaft verstanden, wüsste sie auch, dass der Staat in diesem System als Akteur auf den Finanzmärkten eine ganz zentrale Rolle spielt. Ohne ihn als Schuldner funktioniert der ganze Kapitalismus nämlich nicht.

Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass trotz enormer öffentlicher Verschuldung die Anleihen der großen Wirtschaftsmächte USA, Deutschland und Japan nie so gefragt waren wie heute. Was reitet die Investoren da bloß? Vielleicht hat Frau Kohl das mit dem “Risiko” nicht richtig zu Ende gedacht und vergessen, die Spekulation als lohnendes Geschäftsmodell ihrer Zunft in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.

0