Für die Samstagsausgabe (03.01.2015) der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) liefert Dieter Wonka den Leitartikel zum Thema Rente. Das Jahr hat kaum begonnen, schon kocht die Debatte um eine längere Lebensarbeitszeit wieder hoch. Die Bundesagentur für Arbeit fragt scheinheilig, wieso nicht bis 70 arbeiten? Und wie immer fragt sich der Wonka unter der Berliner Käseglocke das auch. Dabei wäre es Zeit für den geistigen Ruhestand.
Wonka findet die Idee sympathisch, weil schließlich viele Politiker wie Seehofer, Kretschmann und Schäuble fröhlich weiterarbeiten, obwohl sie die bekannten Altersgrenzen längst überschritten haben.
Diese Beispiele würden zeigen, dass der Eintritt in das Renteneintrittsalter eine höchst persönliche Angelegenheit sei. Seltsam ist, dass Wonka beim Nachdenken über Berufe nur der des Politikers einfällt und sonst nichts. Das liegt wohl an der Käseglocke und den vielen Hintergrundgesprächen in der Hauptstadt. Seltsam ist aber auch Wonkas Begründung.
So schreibt er, dass dieses neue Denken durch zwei finanzielle Faktoren angestoßen worden sei. Und nun folgen zwei geistige Aussetzer. Zum einen schreibt die Berliner Edelfeder, dass aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung bedenklich sinken werden. Das ist falsch. Die Beiträge sinken, weil die Berufspolitik es so entschieden hat. Die Beitragsdeckelung lässt die Einnahmen schrumpfen nicht die Tatsache, dass es weniger Menschen in einem Jahrgang gibt.
Würden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung steigen statt diese als überteuerte Prämien auf die Mühlen der privaten Versicherungswirtschaft umzuleiten, hätte die gesetzliche Rente kein Finanzierungsproblem. Stattdessen muss die gesetzliche Rentenversicherung mit den Beiträgen der Versicherten auch noch Werbung für die privaten Konzerne machen, die, wie wir inzwischen wissen, die versprochenen Renditen niemals werden zahlen können. Über diese Absurdität sollte sich Wonka einmal Gedanken machen.
Gerd Bosbach, ein Mathematiker bei klarem Verstand, sagt: Die private Vorsorge ist für die Gold wert. Jedes Prozent, das weniger in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt wird, sind für die Arbeitgeber 5 Milliarden Euro weniger Lohnnebenkosten! Da lohnen sich natürlich die Investitionen in große Kampagnen und Forschungseinrichtungen, die öffentlichkeitswirksame Studien veröffentlichen.
Das heißt, auch die Arbeitgeber haben ein Interesse an niedrigen Rentenbeiträgen. Sie sagen, hohe Lohnnebenkosten wirken beschäftigungshemmend. Dass der Arbeitnehmer aber privat vier Prozent seines Einkommens für die kapitalgedeckte Altersvorsorge allein aufbringen soll und auch sonst alle Kosten zu tragen hat, die die Arbeitgeber sparen, findet die Presse kaum erwähnenswert. Die Arbeitgeber haben auch ein Interesse an der Diskussion um einen angeblichen Fachkräftemangel.
Wonka hinterfragt auch das nicht, sondern plappert es einfach nach. Klar, wenn es geburtenschwache Jahrgänge gibt, muss es auch irgendwann weniger Fachkräfte geben. Die Tatsache aber, dass die heutige Jugend in einem maroden Bildungssystem samt einsturzgefährdeter Schulgebäude aufwachsen muss, kümmert die Arbeitgeber wenig. Sie jammern lieber über zu dumme Schüler. Die von Wonka so geschätzte Berufspolitik könnte etwas daran ändern und so dem drohenden Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken. Das fordert die Edelfeder aber nicht.
Wonka sieht eher die Gefahr bei der Rente mit 63, wie viele Arbeitgeber und konservative Berufspolitiker, vor allem die oben erwähnt wurden, auch. Stichhaltig ist das alles nicht, es sei denn, man ist ein Fan der Arbeitgeberlobby und hält deren gebetsmühlenartig vorgetragenen Behauptungen für unbestrittene Wahrheiten. Für die Leser der HAZ ist der Kommentar von Wonka wie so oft eine Beleidigung.
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JAN