Viele Nullen pflastern einen Weg auf Trümmern

Geschrieben von:

Seit dieser Woche wissen wir, dass man zwar mit Redakteuren, aber nicht in deren Arbeit hinein reden dürfe. In zahlreichen Interviews, vornehmlich mit sich selbst, stellten die Journalisten klar, dass eine Aushöhlung der Pressefreiheit für sie nicht in Frage komme. Zumindest nicht, wenn das Ganze auf so plumpe Weise vorgetragen wird, wie aktuell von der CSU.

Dennoch kann das alberne Gebrüll der besser gestellten Medienleute, die ihren Status gerade einer guten Vernetzung in ebenso gut situierte gesellschaftliche Kreise zu verdanken haben, nicht über Inkompetenz und mangelnde Qualität in der Berichterstattung hinwegtäuschen.

Beispiel Griechenland:

Laut einem Bericht des Spiegels soll die Troika einen neuen Schuldenerlass für Griechenland vorgeschlagen haben. Aber nicht nur das. Gleichzeitig habe die „Expertengruppe“ aus IWF, EZB und Europäischer Kommission in ihrem Bericht 150 neue Vorschläge unterbreitet. Wofür das gut sein soll, ist allerdings nicht ganz klar. Denn was die Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Aufweichung des Mindestlohns und eine Aufhebung bestimmter Berufsstandsprivilegien mit dem Abbau des Staatsdefizits zu tun haben sollen, bleibt ein Rätsel, das keinen weiter interessiert.

Auf der anderen Seite steht die Schlagzeile, dass Schäuble einen weiteren Schuldenschnitt ablehne, weil das mit dem Haushaltsrecht nicht vereinbar sei. Freilich fällt der Eingriff in das Budget Griechenlands mit Kürzungsprogrammen, Sperrkonten und automatischen Steuererhöhungen oder Sanktionen bei fehlender Umsetzung nicht darunter. Schließlich könnten die Griechen auch dafür verantwortlich sein, dass Deutschland seinen ausgeglichenen Haushalt verfehlt.

Nächstes Jahr soll dieser „nahezu“ ausgeglichen und 2014 ein Bundeshaushalt ganz ohne neue Schulden möglich sein. Angesichts dieser vermeintlich tollen Aussichten – niemand kann sagen, wofür ein ausgeglichener Haushalt gut sein soll – frohlocken deutsche Medien und übersehen dabei, dass Schäuble plötzlich über ein Schuldenrückkaufprogramm zu niedrigen Zinsen verhandeln möchte.

Da eine Insolvenz oder ein Euroaustritt Griechenlands bereits ausgeschlossen wurden (Schäuble: „I think, there will no, it will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece.“), lassen sich Eurobonds (freilich unter einer anderen Bezeichnung, weil sonst Angela Merkel sterben müsste) zur Staatenfinanzierung nicht länger leugnen. Doch statt danach zu fragen, wie sich Schäuble eine künftige Staatenfinanzierung genau vorstellt oder wie es zum abermaligen Positionswechsel der Bundesregierung kommen konnte, liegt hierzulande der Fokus auf dem bevorstehenden Koalitionsgipfel, dessen Teilnehmer zwischen Betreuungsgeld und Praxisgebühr einen Weg zur „Schwarzen Null“ pflastern wollen.

Und diesen Weg auf den Trümmern Europas werden dann schwarz-gelbe und rot-grüne Nullen mit den vermeintlich unabhängigen Schreiberlingen gemeinsam gehen.

2

Brüderle, oh Brüderle

Geschrieben von:

Rainer Brüderle ist bekannt für seine sprachlichen Verrenkungen und blumigen Ankündigungen. Als Bundeswirtschaftsminister hat er den “Aufschwung” das ein oder andere Mal lyrisch umschrieben, weil ihm schlicht die empirischen Belege fehlten. Jetzt ist Brüderle FDP-Fraktionschef und somit weder auf Umschreibungen noch Belege angewiesen. Er hat die Lizenz zum Drauflosreden mit der Wahl zum Fraktionskasper automatisch erhalten. Er darf sich zu allem äußern und seine Meinung dem jeweiligen Thema entsprechend anpassen. Mit Blick auf die Eurokrise sagt er nun:

„Europa braucht beim neuen Stabilitätspakt wirksame Sanktionen. Wenn Länder die Regeln nicht einhalten, müssen ihnen die zugeteilten EU-Mittel gekürzt werden“

Quelle: Welt Online

Bei dieser Bemerkung Brüderles spielt es sicherlich nur eine untergeordnete Rolle, dass besagte Länder EU-Mittel gerade deswegen bekommen, weil sie die Regeln unmöglich mehr einhalten konnten und ohne Hilfe der anderen die Zahlungsunfähigkeit hätten erklären müssen. Wenn nun also Herr Brüderle eine Kappung der Zuwendungen als Bestrafungsaktion vorschlägt, hat er genau was erreicht?

Aber das ist nicht das einzige, was dem liberalen Hoffnungsträger aus der Leck geschlagenen Pipeline tröpfelt. Deutschland hat keine Probleme mit der Stabilität, weil man glücklicherweise zu den Ländern gehört, denen trotz hoher Verschuldung gute Kreditbedingungen eingeräumt werden. Und weil das so ist, fordert Brüderle noch mehr Steuersenkungen als alle anderen.

“Union und FDP sind einig, im Herbst Steuerentlastungen für die Bürger zu beschließen. Ich bin da optimistischer und könnte mir mehr Entlastungswirkung vorstellen. Wir wollen ein stabiles Wachstum. Das schafft Arbeitsplätze und entlastet die Haushalte. Dafür brauchen wir ein ordentliches Entlastungsvolumen bei Steuern und Abgaben.”

Quelle: FDP

Ein stabiles Wachstum durch ordentliches Entlastungsvolumen. So einfach geht das vor und während einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die die FDP noch nie wirklich zur Kenntnis genommen hat. Wieso dürfen diese Zaubermethode eigentlich nicht jene europäische Staaten anwenden, die gegen den Stabilitätspakt verstoßen, weil sie so wenig Einnahmen aus Steuermitteln haben, um ihre Schulden zu bedienen? Müsste Brüderle nicht den Griechen, Portugiesen, Spaniern, Iren und Italienern vorschlagen, sich dafür einzusetzen, dass ihre Steuer- und Abgabenbelastung gesenkt werde, weil dadurch ein stabiles Wachstum herbeigezaubert würde, das dann auf wundersame Weise auch zu mehr Steuereinnahmen führe?

Schließlich wollen doch alle, dass sich die Südeuropäer wieder aus eigener Kraft refinanzieren können. Aber daran glauben scheinbar weder die Liberalen noch Konservative oder Linke. Denn alle wollen nicht, dass Deutschland von seiner eigenen Wettbewerbsfähigkeit etwas abgibt. Vielmehr gilt die Devise, Waren und Dienstleistungen überall so billig herzustellen, dass jeder sie über den Export auf dem Weltmarkt verkaufen kann. An wen, spielt zunächst keine Rolle. Der Käufer müsste halt nur bereit sein, sich dafür zu verschulden. Da die Amerikaner mit dem Modell “Kaufe jetzt und zahle später” ordentlich auf die Nase gefallen sind, dürften aus dieser Richtung nur wenig Impulse kommen.

Und alle anderen sollen nach Brüderle eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild erhalten, “damit das ständige Schuldenmachen aufhört.” Deutschland hat es in diesem Jahr mit Schuldenbremse in der Verfassung schließlich auch geschafft, statt 48 Mrd. nur 30 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen zu müssen, wenn sich am “Aufschwung” nix mehr ändert. Im letzten Jahr vor Einführung der Schuldenbremse lag die Neuverschuldung übrigens noch bei 11,5 Mrd. Euro. Nun ist der Anstieg der Staatsverschuldung nicht darauf zurückzuführen, dass die Politik irgendwo eine Milliarde für mehr Kindergeld ausgegeben hätte, die man nach langen Diskussionen vielleicht einmal beschlossen hätte, sondern weil man sehr kurzentschlossen mehrere Hundertmilliarden für die Rettung von Banken ausgegeben hat und nun so tut, als sei die Bankenkrise eine Staatsschuldenkrise, deren Folgekosten unter Verweis auf die Schuldenbremse nur durch weitere Kürzung der bereits gestutzten Sozialausgaben finanziert werden können.

Damals wie heute träumt der Finanzminister wieder vom ausgeglichenen Haushalt, vorausgesetzt kein weiterer Spring-ins-Feld-Teufel durchkreuzt die hehre, aber volkswirtschaftlich völlig nutzlose Absicht, einen Staatshaushalt um jeden Preis, d.h. durch sparen, ausgleichen zu wollen.

Aber auch hier müsste Brüderle mal erklären, wie er eigentlich das ständige Schuldenmachen beenden will, wenn er gleichzeitig großzügige Steuersenkungen auf Pump zum politischen Nahziel erklärt bzw. an unnützen Steuergeschenken, wie das an die Hoteliers festhalten will. Die selbsternannten bürgerlichen Parteien müssen das nicht erklären, gelten sie doch gemeinhin als jene politischen Kräfte, denen man nachsagt, sie könnten mit Geld umgehen.

0

Mit unsinniger Argumentation gegen Eurobonds

Geschrieben von:

Im Zuge des deutsch-französischen Gipfels ist die Diskussion um Eurobonds erneut aufgeflammt. Gestern hörte ich die absurde Kritik, dass Eurobonds deshalb nicht eingeführt werden können, weil damit auch eine Abgabe staatlicher Souveränität verbunden sei. Wenn es nämlich gemeinsame Anleihen gäbe, müssten die einzelnen Staaten auch auf ihr Budgetrecht verzichten, hieß es. Wieso? Haben etwa die Länderparlamente in Deutschland ihr Haushaltsrecht an Herrn Schäuble auch abgetreten?

Niedrigere Zinsen würden unterm Strich dazu führen, dass gute Schuldner die Lasten der schlechten Schuldner zu tragen hätten und zudem kein Anreiz mehr bestünde, im Haushalt zu sparen.

Lustig an dieser Argumentation ist ja, dass man behauptet, Deutschland sei ein guter Schuldner, weil die Zinsen, die man auf neue Kredite zahlen muss, niedriger sind, als an anderer Stelle in Europa. Nun hat aber auch Deutschland wie alle anderen Banken gerettet und die kostspieligen Rettungsschirme in den Haushalt einstellen müssen. Deutschland ist mit über 80 Prozent vom BIP verschuldet. Soll das nun ein guter Schuldner bzw. Haushälter sein? In der Europäischen Union war einmal eine Schuldenobergrenze von maximal 60 Prozent des BIP vorgesehen. Nun haben wir aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.

Ist irgendjemanden schon mal aufgefallen, dass die Verschuldung trotz dieser absurden Bremse zunimmt? Wie kann man nun dieses offenkundige Bremsversagen in den Stand einer Reform erheben, die beispielhaft für andere Eurozonenländer sein soll? Frau Merkel möchte gern, dass alle anderen die deutsche Schuldenbremse in ihre Verfassungen aufnehmen und fortan genauso gute Bremseigenschaften aufweisen wie die Deutschen.  

Noch absurder wird es, wenn man sich einen sog. schlechten Schuldner wie Portugal anschaut. Der ist nämlich mit etwa genauso viel vom BIP (83 Prozent) verschuldet wie der deutsche Musterknabe. Trotzdem gilt er nach aktueller Lesart als schlechter Schuldner, weil die Finanzmärkte ihm nicht mehr vertrauen und mit hohen Zinsaufschlägen bestrafen. Wenn sie nun noch den Spitzenreiter Japan mit einer Staatsverschuldung von über 220 Prozent vom BIP hinzunehmen und feststellen, dass die Zinsen auf Anleihen niedriger sind, als die des deutschen Musterknaben, wird es langsam kriminell für den Hobbyanalysten.

Denn jetzt muss er sich was ausdenken, wie er die Zinsunterschiede erklären kann. Die Mühe erspare ich mich mir jetzt aber und sage einfach mal, dass die Höhe der Staatsschulden völlig Wurscht ist. Für den Finanzmarkt spielt es augenscheinlich keine Rolle, wie hoch ein Staat verschuldet ist. Selbst die eingebildete Macht der Ratingagenturen scheitert, wie am Beispiel der USA (übrigens bei knapp 100 Prozent vom BIP verschuldet) zu sehen ist, an den monetären Wirklichkeiten.

Warum sollte also eine gemeinsame Euroanleihe für die Deutschen teurer werden? Welche Optionen hätte denn das Kapital, um einen höheren Preis zu verlangen? Die Europäer sind insgesamt mit etwa sieben Billionen Euro verschuldet, die Amerikaner mit 14 Billionen US Dollar (10 Billionen Euro) und die Japaner mit umgerechnet knapp 10 Billionen US Dollar (7 Billionen Euro). Die Euroanleihe wäre also in bester Gesellschaft, was das Volumen angeht. Das Bruttoinlandsprodukt des Euroraumes liegt mit dem der USA auf Augenhöhe, wäre also vergleichbar.

Warum sollten höhere Zinsen für Euroanleihen verlangt werden dürfen, wenn sich neben den USA ein zweiter Währungshafen mit hoher Liquidität und Leistungskraft anböte? Die logische Annahme wäre doch die, dass die Nachfrage nach solchen sicheren Bonds zunehmen würde. Die Folge wäre dann aber eben nicht steigende sondern fallende Zinsen, die das derzeitige Niveau bei Bundesanleihen noch unterschreiten könnte, egal was Ratingagenturen sagen. Gleichzeitig fiele der Raum für Spekulationen weg, der ja nur deshalb existiert, weil es erstens keine Regeln auf den Finanzmärkten gibt und zweitens jedes Land der Eurozone seine eigenen Bonds herausgibt, die dann als Spekulationsobjekt ins Visier genommen werden.

Eurobonds wären eine Möglichkeit, die Refinanzierung von Staaten sicherzustellen. Die wachsende Verschuldung, die einige befürchten, ist dabei das geringste Problem. Sie ist doch nicht entscheidend, ob eine Volkswirtschaft funktioniert oder nicht. Was hindert denn die Haushälter daran, jene gesellschaftlichen Kräfte zur Finanzierung das Defizits heranzuziehen, derentwegen man die Staatsschuld erst in die Höhe trieb, um die systemrelevanten Spieleinsätze zu retten, die sich während des Platzens der Immobilienblase in Luft auflösten? 

Es kommt doch nicht auf den ausgeglichenen Haushalt an, sondern auf eine ausgeglichene Handelsbilanz. Wenn ein Land pausenlos Überschüsse ansammelt und sich auf Kosten der anderen Mitglieder in der Währungsunion per Lohndumping Wettbewerbsvorteile erschleicht, die es dann in der Krise auch nicht mehr hergeben will, führt das unweigerlich zu einem Dauerfinanzierungsproblem mit einer Transferunion als unausweichlicher Konsequenz. Die Frage nach dem guten oder schlechten Schuldner ist somit völlig am Thema vorbei. Aus handelspolitischer Sicht ist Deutschland ein Nettogläubiger, der unter Beibehaltung seines bisherigen Verständnisses von Ökonomie auf seinen Papierforderungen wird sitzen bleiben müssen.

Grundsätzlich dürfte allen Beteiligten dieser Zusammenhang klar sein. Das Problem ist nur, dass sich mit der Krise ein prima Geschäft machen lässt. Selbst wenn alle zu der Einsicht kämen, dass etwas grundsätzlich schief laufe und der große Zusammenbruch drohe, falls man so weiter mache wie bisher, sie würden ihr Handeln nicht ändern. Und zwar deshalb nicht, weil sie wissen, dass ein anderer an ihre Stelle treten würde, um dann den Profit zu kassieren, der sich mit dem Niedergang realisieren lässt.

Es ist also nicht nur eine Krise des politischen Handelns, sondern auch eine Krise des Systems, das aus sich selbst heraus den Niedergang produziert. Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht aufhalten könnte. Denn dagegen stehen die Erfahrungen von so vielen Krisen.

0

Europäische Kleinstaaterei

Geschrieben von:

Der angeblich so schwarze Montag ist ausgeblieben. Dennoch sind alle wie besessen vom Rating des Analysten-Gesindels. Noch immer wird die Herabstufung der USA durch Standard & Poor’s als ganz schlechtes Zeichen verstanden. Die USA würden ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können, heißt es. Da sprechen die Ahnungslosen, denn seltsamerweise steigt am ersten Handelstag nach der Herabstufung auf AA+ die Nachfrage nach Schuldtiteln der USA. Und auch die Zinsen fallen weiter. Eigentlich müssten sie ja steigen, weil das Ausfallrisiko angeblich gestiegen und der Ausblick laut Ratingagentur negativ geworden sei.

 US-Anleihen_08.08.11 Quelle: US-Finanzministerium

Den Markt scheint das alles nicht zu beeindrucken. Es sind nur die Politiker diesseits und jenseits des Atlantiks, die sich vor den Karren einer inszenierten Panikmache spannen lassen und bereit sind, alle Forderungen zu erfüllen, die die Banken und ihre Besitzer noch stellen werden. Nicht umsonst wird das US-Finanzministerium als Zweigstelle von Goldman Sachs beschrieben, in dem das politische Führungspersonal regelmäßig direkt von der Wallstreet rekrutiert wird.

In Deutschland ist Josef Ackermann strenggenommen sogar Bundeskanzler, weil er es ist, der die Richtlinien der Politik bestimmt und die gewählten Volksvertreter ihm dafür sogar unendlich dankbar sind.

Richtig ist:

Die widersprüchlichen Reaktionen auf die Schuldenkrisen dies- und jenseits des Atlantiks machen die Unterschiede zwischen dem gigantischen Markt für amerikanische Anleihen und der Kleinstaaterei in Europa deutlich. Für Treasuries haftet die weltgrößte Volkswirtschaft. Allein dieser Umstand schafft Vertrauen – trotz des wachsenden Schuldenbergs.

Quelle: FTD (siehe oben)

Derweil bekräftigen Merkel und Sarkozy ihre zuletzt gefassten Beschlüsse beim Eurosondergipfel, ohne sich einzugestehen, dass sie schon längst wieder Makulatur geworden sind.

0

Finanzkrise: Die Pflege eines Widerspruchs

Geschrieben von:

Aus allen Ecken hört man Kritik an den Ratingagenturen und dennoch schielen wiederum alle auf deren Notenvergabe. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch Standard & Poor’s bestimmt die Schlagzeilen. Nun sind sämtliche Stellen, Investoren und Regierungen, alarmiert. Die Obama-Administration fordert eine nationale Kraftanstrengung. Die oppositionellen Republikaner, die den Kompromiss im Schuldenstreit mitgetragen haben, fordern den Rücktritt des Finanzministers Timothy Geithner. Die Chinesen wollen eine neue Leitwährung und Frau Merkel denkt im Urlaub wahrscheinlich noch einmal an ihre letzte Pressekonferenz vom 22. Juli zurück.

Das kann man in einem Satz zusammenfassen: Deutschland geht es so gut wie lange nicht.[…]

Ich habe seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise immer und immer wieder gesagt: Deutschland soll stärker aus dieser Krise herauskommen, als es in diese Krise hineingegangen ist. Ich glaube, wir können heute gemeinsam feststellen: Deutschland hat die Krise hinter sich gelassen und steht besser da als zuvor.

Quelle: Bundeskanzlerin

Deutschland sei jetzt also stärker da, wo es vor der Krise schon war. Und wo stand Deutschland vor der Krise? Richtig, vor der Krise. Inzwischen brennt es nicht nur in Griechenland, sondern in allen Euro-Staaten mit Mittelmeerstrand. Die Ratingagenturen dürfen bewerten wie sie wollen, und sie können sicher sein, dass sie immer noch Ernst genommen werden. Aufgrund deren Analystengeschwätz werden Sparprogramme und Rettungsfonds beschlossen und eine Zinspolitik betrieben, die die reale Wirtschaft schwer belasten.

Es wird nicht lange dauern, da wird der nächste Krisengipfel der Ahnungs- und Ratlosen mit Merkelscher Beteiligung abgehalten werden. Und es wird wieder nur um die Märkte und deren Vertrauen in die Politik gehen, anstatt um die Ursachen, wie Leistungsbilanzdefizite, Exportüberschüsse und die dauernde Sozialisierung der Verluste privater Banken und Anleger. Das alles geschieht nur, weil die Spekulation an den Aktienmärkten und das Auf und Ab der Kurse als volkswirtschaftlicher Vorgang missverstanden wird. Dabei hat die Kursrally an den Börsen überhaupt nichts damit zu tun. Sie ist bloß Ausdruck eines Herdenverhaltens, bei dem es nur darauf ankommt zum richtigen Zeitpunkt in eine sich aufpumpende Blase ein- und wieder auszusteigen, bevor sie platzt. Gerüchte bestimmen den Kursverlauf und nicht volkswirtschaftliche Daten.

Die Finanzmärkte sind hochgradig ineffizient, doch die Politik verschwendet volkswirtschaftliche Ressourcen, um ihnen zu gefallen. Herdenverhalten ist aber genau das Gegenteil von einem rationalen Marktverhalten, sagt Heiner Flassbeck. In Wirklichkeit haben wir es mit einem permanenten Marktversagen zu tun. Denn nur so lassen sich die Kursgewinne, die fälschlicherweise mit einem Zugewinn an materiellen Werten verwechselt werden, überhaupt erst erklären.

Die Finanzmärkte sorgen eben nicht für Stabilität, wie immer wieder behauptet wird, sondern für das Gegenteil. Die USA werden trotz der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit ein sicherer Hafen für Anleger bleiben, weil sie immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt sind und Anleger ihr Geld irgendwo platzieren müssen. Das bestätigen die Anleger selber. Nur die Politik begreift nicht, wer Herr über das Geld ist.

US-Anleihen_05.08.11
Quelle: US-Finanzministerium

0

blogintern: Statistik 07/11

Geschrieben von:

Das Drama ist abgewendet. So schallt es heute morgen aus dem Radio. Die Amerikaner haben sich im Schuldenstreit geeinigt. Wer hätte das gedacht. Ein wenig Enttäuschung scheint sich dennoch breit zu machen. Zu gerne hätte man es gesehen, wenn die USA erstmals in der Geschichte einen Zahlungsausfall hätten erklären müssen. Mit der Untergangsstimmung lässt sich doch am besten Quote machen. Trotzig scheinen dann auch einige Reaktionen zu sein. Eben meinte der Finanzwissenschaftler Max Otte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass die Zinsen auf US-Staatsanleihen nun dennoch steigen würden, weil das massive Haushaltsdefizit von 100 Prozent des BIPs durch die jüngste Einigung keinesfalls verringert werden könne. Seine Begründung. Dreißig Jahre niedrige oder stagnierende Zinsen seien genug. Jetzt werde eine Trendwende kommen.

Hm, mit dem Haushaltsdefizit hat Herr Otte ja durchaus Recht. Die sich abzeichnenden Sparmaßnahmen helfen weder der amerikanischen Wirtschaft, noch werden sie einen Beitrag zum Abbau des Defizits leisten. Aber warum sollte das Auswirkungen auf die Anleihezinsen haben? Nur weil es ein hohes Haushaltsdefizit gibt? Japan ist seit geraumer Zeit mit fast 200 Prozent vom BIP verschuldet und bekommt trotzdem Topratings und beste Kreditbedingungen. Es gibt also überhaupt keinen Grund, warum die immer noch stärkste Volkswirtschaft der Welt künftig steigende Anleihezinsen akzeptieren müsse. Herr Otte scheint auch zu vergessen, dass die Amerikaner ihr Geld selber herstellen.

Panikmache scheint auch nach dem Kompromiss von Washington oberstes Ziel einiger Zeitgenossen zu sein, deren Interessen wahrscheinlich ganz woanders liegen. Herr Otte empfiehlt ja gelegentlich den Kauf von Edelmetallen wie Gold, um sich gegen Risiken abzusichern.     

Aber zurück zum Drama. Dank einiger Verlinkungen zu Beginn des Monats auf den NachDenkSeiten sowie bei Net News Express u. Global sind die Besucher- und Zugriffszahlen dieses Blogs wieder gestiegen. Also kein Drama. Wie immer an dieser Stelle danke ich allen Lesern, Kommentatoren und Hinweisgebern. Wenn ihnen der Blog gefällt, sagen sie es ruhig weiter. :)

Stats_0711Stats_graph

0

Ratingagenturen suchen nach Aufmerksamkeit

Geschrieben von:

Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgend eine Ratingagentur den Amerikanern mit dem Entzug des Topratings droht, sollte der Schuldenstreit nicht beigelegt werden. Die Not der Ratinagenturen muss jetzt aber wirklich groß sein, wenn man deren neuesten Ruf nach Aufmerksamkeit hört:

Den USA bleibt nach Auffassung der Rating-Agentur Moody’s trotz des Schuldenstreits voraussichtlich ihre wertvolle Top-Bonitätsnote erhalten. Die Agentur erklärte am Freitag, das „AAA“-Rating werde wohl einer laufenden Überprüfung standhalten. Ein negativer Ausblick werde jedoch signalisieren, dass eine Herabstufung mittelfristig möglich ist. Selbst ein kurzer Ausfall des Schuldendienstes werde jedoch eine Herabstufung nach sich ziehen, warnte die Agentur.

Quelle: Handelsblatt

So recht können sich die Analysten nicht entscheiden. Mal so, mal so. Wie es scheint, geht den Agenturen die Muffe je näher der offizielle Pleitetermin rückt. Bei Griechenland waren sie sich sicherer. Das lag aber auch an der Verlässlichkeit der Europäer, die nicht nur an die Urteile der Agenturen fest glauben, sondern auch alles für das Vertrauen der Finanzmärkte tun würden.

0

Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs NRW zum Nachtragshaushalt 2010

Geschrieben von:

Heute morgen wird zu diesem Thema in den Kommentarspalten eine Menge Scheiß veröffentlicht. In der FAZ steht zum Beispiel:

„Erstmals fällt der Verfassungsgerichtshof in Münster der amtierenden Landesregierung in den Arm, um sie daran zu hindern, einen möglicherweise verfassungswidrigen Haushalt zu vollziehen. Diese Premiere ist allein der Dreistigkeit zu verdanken, mit der sich Ministerpräsidentin Kraft über das Recht hinweggesetzt hat.“

Und Andreas Herholz aus dem Berliner PR-Büro Slangen & Herholz lässt in zahlreichen Tageszeitungen landauf landab die gleichgeschaltete Meinung verbreiten:

„Endlich hat die Justiz der Politik beim Thema Schuldenmachen Grenzen aufgezeigt. Zwar gilt es, die Entscheidung im Hauptverfahren noch abzuwarten, doch es ist ein klares Signal gegen rücksichtslose Haushaltssünder. Wer sich über das Recht hinwegsetzt und auf Kosten nachfolgender Generationen die Staatsverschuldung weiter erhöht, anstatt die notwendige Konsolidierung einzuleiten, kann nicht mehr darauf bauen, ungeschoren davonzukommen.“

Quelle: Passauer Neue Presse aber auch in Schweriner Volkszeitung siehe heutige Presseschau DLF u.a.

Doch was ist eigentlich passiert? Eine einstweilige Verfügung wurde erlassen. Der Grund dieses Beschlusses war aber nicht das Schuldenmachen, sondern eine Abwägung der Folgen bei geschlossenen Kassenbüchern für das Haushaltsjahr 2010. Das Gericht hat nicht über einen möglicherweise verfassungswidrigen Haushalt geurteilt, sondern festgestellt, dass es für die Geschäfte der Landesregierung eher zumutbar sei, die Kassenbücher bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren offenzuhalten, wohingegen bei abschließenden Vollzug des Nachtragshaushalts mit Schließung der Bücher, wie von der Landesregierung beabsichtigt, die Gefahr der Schaffung von Tatsachen bestanden hätte, die sich im Nachhinein als verfassungswidrig hätten erweisen können.

Müssen die Bücher für das Haushaltsjahr 2010 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Belange für einen zumutbaren Zeitraum offen gehalten werden, droht zum Nachteil der Landesregierung auch keine Vorwegnahme der Hauptsache. Vielmehr könnten nach einer den Normenkontrollantrag in der Hauptsache möglicherweise abweisenden Entscheidung die erhöhten Kreditermächtigungen zum Ausgleich des Haushalts 2010 noch kassenwirksam in Anspruch genommen werden. Umgekehrt könnten im Falle einer stattgebenden Entscheidung Rückbuchungen aus Rücklagen und Sondervermögen noch rechtzeitig vor dem Abschluss der Bücher erfolgen.

Quelle: VGH Münster

Mit anderen Worten, dass der Haushalt verfassungswidrig sei, weil Rot-Grün noch mehr Schulden mache als geplant, ist genau betrachtet eine falsche Behauptung von völlig verblödeten Auftrags-Journalisten. Verfassungswidrig kann ein Haushalt immer nur dann sein, wenn die Netto-Neuverschuldung die veranschlagten Investitionen übersteigt. Das liegt nach gegenwärtigem Stand im Falle Nordrhein-Westfalen offenkundig vor. Aber darüber schreibt man lieber nix, weil man dann nämlich auch dazu schreiben müsste, wofür das geliehene Geld, dass man nicht wieder investiert, gebraucht wird.

Ich schreibe es noch einmal ganz groß in diesen Blog, damit es jeder lesen und verstehen kann!!!

WIR RETTEN IMMER NOCH BANKEN!!!

Die Landesregierung ist verpflichtet, milliardenhohe Rückstellungen für die WestLB vorzunehmen, weil diese vergleichsweise kleine Bank seltsamerweise unter keinen Rettungsschirm passt. Wahrscheinlich weil deren Eigentümer keine Privatleute sind, sondern die öffentliche Hand. Hinzu kommt, dass Herr Rüttgers in seiner Funktion als größter Arbeiterführer aller Zeiten, Garantien für die Risiken bei der WestLB in Höhe von 10 bis 18 Mrd. Euro abgegeben hatte. Eine schwere Hypothek. Denn eine Pleite dieser Bank zöge das gesamte Land NRW defacto mit nach unten. Und die CDU, die einst mit Rüttgers an der Spitze dafür gesorgt hat, dass die WestLB in Landesbesitz bleibt, statt sie mit der LBBW zur Verringerung der Risiken zusammenzuführen, gefällt sich nun auch noch in der Rolle des Anklägers.

Die Rolle Rüttgers und der CDU ist schon wieder vergessen. Statt dessen behaupten vermeintliche Journalisten, die Rot-Grüne Regierung hätte den Linken zu viele Zugeständnisse machen müssen und erhielte jetzt die Quittung dafür. Jens Berger schreibt auf den NachDenkSeiten dazu:

„Die implizite Botschaft dieses Spins kann dann ja eigentlich nur lauten, dass es “links” ist, Wahlversprechen ernst zu nehmen und SPD und Grüne nur dann ihre Wahlversprechen umsetzen, wenn sie zumindest von links toleriert werden. Da kann man als SPD- oder Grünen-Wähler ja nur hoffen, dass dies noch möglichst häufig der Fall sein wird.“

Es geht also gar nicht um rot-grüne Wahlversprechen und eine böse schuldenfinanzierte Konjunkturpolitik wie dubiose Tintenknechte der Marke Herholz ständig suggerieren, damit sie ihr Mantra vom Sparen wieder anbringen können (Slangen und Herholz werden offensichtlich nur für diese eine Botschaft bezahlt), sondern um die Verwaltung des Erbes einer Vorgängerregierung, die in der Zusammensetzung Schwarz-Gelb immer noch mit Zuschreibungen versehen wird, besonders wirtschaftskompetent zu sein bzw. vernünftige Haushaltspolitik zu betreiben.

Lustig ist natürlich, dass sich die Journaille doch darüber wundert, dass die Union etwas zurückhaltend auf die Forderung nach Neuwahlen reagiert.

„Eigentlich müssten CDU und FDP jubeln, angesichts dieses Erfolgs. Eine richtige Opposition müsste sich hinstellen und selbstbewusst die Neuwahl fordern.

Aber: CDU und FDP trauen sich nicht, sie haben ein Urteil erstritten, ohne darüber nachzudenken, was sie damit anstellen können. Angesichts schlechter und katastrophaler Umfragewerte haben sie so große Angst vor dem Urteil der Bürger, dass sie Neuwahlen fast um jeden Preis verhindern wollen. Das hätten sie sich vorher überlegen sollen. Das Publikum sieht einen zitternden Prozessgewinner, der nun Angst hat vor der eigenen Courage.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Wer die Vorgeschichte und die Zusammenhänge kennt, wundert sich nicht!

1

Defizit im Kernhaushalt?

Geschrieben von:

Das statistische Bundesamt bringt heute eine sehr seltsame Meldung heraus.

Defizit im Kernhaushalt des Bundes im 1.bis 3. Quartal 2010 auf 49,4 Milliarden Euro gestiegen

Was bitteschön ist denn ein Kernhaushalt? Die Statistiker erklären das so:

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die mit der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise einhergehenden Belastungen des Bundes überwiegend in dessen Extrahaushalten (Finanzmarktstabilisierungsfonds sowie Investitions- und Tilgungsfonds) niederschlagen, deren Daten gegen Ende Dezember dieses Jahres veröffentlicht werden.

Aha. Sie müssen also unterscheiden zwischen Kern- und Extrahaushalten. Man könnte die Extrahaushalte auch mit einem, für die Zeit üblichen, Begriff beschreiben. Bad Bank. Früher nannte man die Dinger Neben- oder Schattenhaushalte oder ganz unverdächtig Sondervermögen. Über die Höhe dieser Bilanzen erfahren wir erst Ende des Jahres etwas, als vorgezogenes Feuerwerk sozusagen.

Im Kernhaushalt sieht es aber auch nicht rosig aus. Und das mitten im Aufschwung XXL. Vor allem gestiegene Ausgaben des Bundes für die Bundesagentur für Arbeit schlagen zu Buche. Wie kann das sein, wenn die Arbeitslosigkeit ständig sinkt und Deutschland von einem Jobwunder zum anderen taumelt?

0

Nachtrag zur Haushaltsdebatte

Geschrieben von:

Okay, die Rede Gregor Gysis von heute über die Lobby-Kanzlerin sollte man gehört haben, zumal in den Medien, die ich jetzt noch zur Kenntnis nehmen konnte, wie üblich kaum etwas über den Inhalt mitgeteilt wird. In einem Punkt würde ich Gysi sogar widersprechen und zwar darin, dass die Löhne und Gehälter in Ostdeutschland an die im Westen endlich angeglichen werden müssten. Bei aller ökonomischen Kompetenz, die immer wieder in den Reden Gysis mitschwingt, in diesem Punkt siegt wohl die rhetorische Versuchung über den ansonsten scharfen Verstand. Denn es geht doch nicht um die Anpassung von Lohnniveaus, damit hatten sich doch schon die Gewerkschaften während des Vereinigungsprozesses unter der Parole „Lohnangleichung-Ost“ ordentlich verhoben. Es geht doch in erster Linie um einen funktionierenden Flächentarifvertrag, der unter Berücksichtigung des Produktivitätsfortschritts für eine gerechte Lohnfindung sorgt.

Oskar Lafontaine könnte das vielleicht als großer Skeptiker der deutschen Einheit bestätigen. Denn es ist nunmal auch ein volkswirtschaftlicher Unterschied zwischen Deutschland-West und Deutschland-Ost zu machen, bei dem gerade die Lohnentwicklung nicht für sich allein betrachtet werden darf. Gerade im Osten muss es doch auch um das Produktivkapital gehen, welches nach der Wende nahezu vollständig an die Treuhandanstalt des Bundes übertragen wurde. Diese Vermögensverhältnisse waren doch keineswegs vergleichbar mit denen im Westen. Die Leistungskraft des eingesetzten Kapitals unterschied sich doch deutlich. Wer nun ausschließlich auf eine reine Lohnanpassungsstrategie setzt, verkennt, dass ein zu stark ansteigender Lohn im Verhältnis zur Leistungskraft des eingesetzten Kapitals, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gefährdet, die sich gerade von Plan- auf Marktwirtschaft umzustellen hatten.

Diesen Zusammenhang hatte in der Vergangenheit – mit Ausnahme westdeutscher Arbeitgeber, die die Situation für sich zu nutzen wussten und Konkurrenz aus dem Osten ausschalten konnten – kaum einer begriffen und schon gar nicht die damalige Bundesregierung samt Opposition, die einzig und allein die Privatisierung und Verscherbelung ostdeutscher Vermögenswerte im Blick hatten. Der wirtschaftspolitische Sachverstand beschränkte sich bloß auf die Floskel von den blühenden Landschaften und einer populistisch betriebenen, schnellen Angleichung der Einkommen. Die reale Performance der ostdeutschen Wirtschaft wurde dabei kaum zur Kenntnis genommen, vor allem nicht die Unterlegenheit gegenüber Deutschland-West, das in der Folge zum bis heute andauernden Transferproblem führte. Das kann man auch ganz aktuell innerhalb Europas zwischen Nord und Süd und unter der Bedingung einer gemeinsamen Währung wiederfinden.

Die Frage nach der Lohnangleichung ist also gar nicht so einfach zu beantworten. Aber dafür war wahrscheinlich die Redezeit zu kurz.

Viel interessanter fand ich hingegen die Rede von Gesine Lötzsch vom Dienstag und ihre Bemerkung über das Informationsbedürfnis der im Bundestag vertretenen Parteien zur Causa HRE. Auch das ist in der Berichterstattung irgendwie untergegangen…

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Hypo Real Estate zusätzliche Bürgschaften in Höhe von 40 Milliarden Euro braucht. Wir als LINKE können diese Geheimhaltungspolitik überhaupt nicht akzeptieren. Der Bundestag ist nicht informiert worden. Ich war schon sehr erstaunt, als ich am Wochenende die Stellungnahmen der Vertreter der anderen Parteien hörte, die sich darüber erregten, sie wären nicht informiert worden, denn der Vertreter unserer Fraktion, Roland Claus, hat in der Sommerpause immer wieder Sitzungen des Gremiums eingefordert – am 26. Juli, am 16. und 30. August. Die Sitzungen wurden stets mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche Mehrheit von drei Mitgliedern, die eine Sitzung wünschen, nicht erreicht worden sei. Also ich sage nochmal: Der Skandal ist, dass die Abgeordneten aller anderen Fraktionen, einschließlich SPD und Grüne, offensichtlich gar nicht informiert werden wollten.

Quelle: Die Linke

5
Seite 8 von 9 «...56789