Gysi droht Schäuble mit Kauf von Anliegerstraße

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Während die Regierung im langweiligen Selbstlob verharrt und glaubt, solide Kosten eingespart zu haben, weist der Oppositionsführer im deutschen Bundestag mit launigen Worten auf die verursachten Schäden hin.

Für Wolfgang Schäuble könnte es teuer werden, sollte es stimmen, dass er sein Ministerium darüber nachdenken lässt, ob und wie eine Privatisierung von Straßen realisierbar ist. Dann, so drohte Gregor Gysi heute im Bundestag, werde er die Straße kaufen, in der Schäuble wohnt und erstens eine hohe Benutzungsgebühr einführen und zweitens die Straße nach sich selbst benennen.

Gysi

Dieses amüsante Bild wählte der Oppositionsführer, um zu verdeutlichen, wie absurd die Gedankenspiele der Regierung inzwischen geworden sind. Für die Schwarze Null, einem zweifelhaften Denkmal, würden Investitionen verschoben oder ganz unterbleiben. Das und die Schuldenbremse führen schließlich zu abenteuerlichen Finanzierungsideen.

Quelle: Stuttmann Karikaturen

Teure Anreize für Investoren

Klar ist, die Infrastruktur ist marode. Doch statt Geld in die Hand zu nehmen, das der Staat zu historisch niedrigen Zinsen bekommen könnte, sollen private Anleger mit Anreizen dazu bewogen werden, ihres zur Verfügung zu stellen. Sie sollen durch das Versprechen höherer Renditen oder zuverlässiger Mauteinnahmen, selbst in den Ausbau von Straßen investieren oder sich über einen Fonds daran beteiligen.

Das muss man sich mal vorstellen. Derzeit mangelt es an Schuldnern weltweit. Die Geldbesitzer haben also ein Problem und müssen selbst Zugeständnisse machen, um Abnehmer für ihr Kapital zu gewinnen. Es gab sogar schon Fälle, da akzeptierten die Geldgeber einen negativen Zins, nur um Teile ihres Vermögens verleihen zu dürfen. Und in dieser für den Finanzminister eigentlich komfortablen Situation bietet die Regierung nach den Steuergeschenken der Vergangenheit ein weiteres Präsent für Vermögende an.

Das alles geschieht aber nur, um den Anschein zu vermeiden, selbst neue Schulden machen zu müssen. Diesen Anschein, der einen Gewinn an Wählerstimmen verspricht, wird teuer erkauft, die Rechnung aber erst dann präsentiert, wenn die Schwarzen Nullen längst Geschichte sind und ihren Lebensunterhalt mit Pensionen und Beraterhonoraren verdienen. Schon heute ist aber klar, dass öffentlich private Partnerschaften für die Privatwirtschaft einen unerhörten Gewinn bedeuten und für die Allgemeinheit nur Verluste und Kosten übrigbleiben.

Dabei können beide Seiten gleichzeitig gewinnen, wenn der Staat nur selbst seine Schulden machen würde und begriffe, dass sich nur so Sparerfolge realisieren lassen. Überdies könnten auch die Zinsen für Sparer wieder steigen, wenn es gelänge, mehr Schuldner zu gewinnen. Die leihen sich das Geld für Investitionen aber nur dann, wenn sie davon ausgehen können, dass auch eine Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zu erwarten ist.

Die Bilanz ist eindeutig

Gysi wies in seiner Rede aber darauf hin, dass die gegenwärtigen Bedingungen, riesiger Niedriglohnsektor in Deutschland, hohe Arbeitslosigkeit durch Kürzungspolitik in Südeuropa und Sanktionen gegen Russland, alles andere als optimal sind. Wie soll eine Wirtschaft auch wachsen, wenn dieser Unfug das politische Handeln bestimmt?

Während die Unternehmen 1991 rund 40 Prozent ihrer Gewinne investierten, sind es 2013 nur noch neun Prozent und das trotz der vielen Milliarden Euro, die es in der Zwischenzeit an Steuergeschenken gab. Alle Bundesregierungen hatten damit die Hoffnung verknüpft, eine erhöhte Investitionstätigkeit auslösen zu können. Stattdessen stiegen aber nur die Vermögenseinkommen seit dem Jahr 2000 um 60 Prozent während die Arbeitnehmereinkommen im gleichen Zeitraum real um 3,7 Prozent sanken.

Wenn der Staat die Steuergelder hätte, auf die er seit Jahren verzichtet, wären Investitionen in Bildung und Infrastruktur auch problemlos möglich, rechnete Gysi mit Verweis auf Erkenntnisse des IWF vor. Doch die Regierung beklage sich lieber über einen seit Jahren anhaltenden Investitionsstau, weigere sich aber anzuerkennen, dass sie diesen selbst zu verantworten hat. Sie nehme ihn sogar bereitwillig hin, nur um eine Schwarze Null der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

Gregor Gysi: Rede im Bundestag, 10. September 2014

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Überschuss dank günstiger Schulden

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Deutschland gewinnt doppelt: Die Bundesbank kassiert Gewinne aus Stützungskäufen, die sie selbst immer ablehnte und der Finanzminister nutzt niedriges Zinsniveau zur Haushaltskosmetik.

Deutschland hat im ersten Halbjahr einen Finanzierungsüberschuss von rund 16 Milliarden Euro erzielt. Wie aus einer Mitteilung des statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hervorgeht, konnten die öffentlichen Haushalte plus Sozialversicherungen von einer guten Beschäftigungslage profitieren. Entscheidend ist aber der Rückgang bei den Ausgaben für die Staatsschuld (-9,3 Prozent). Deutschland macht Überschuss, weil Schulden billiger geworden sind.

Dass die Zinsbelastung auf Verbindlichkeiten der Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2014 zurückgegangen ist, interessiert die Medien herzlich wenig. Nur allzu gern übernehmen sie die Formulierung vom robusten Arbeitsmarkt, der Steuereinnahmen und Beiträge sprudeln lasse. Dabei spart der Finanzminister beim Schuldendienst Milliarden ein. Zusätzlich überweist die Bundesbank einen netten Gewinn an den Bundeshaushalt. Es sind 4,6 Milliarden Euro – zum Vergleich: 600 Millionen waren es im ersten Halbjahr 2013.

Der Gewinn der Bundesbank ergibt sich vornehmlich aus dem Verkauf von Staatsanleihen der Eurokrisenländer. Ironie der Geschichte: Die Stützungskäufe der Zentralbank – also Gelddrucken – war gerade in Deutschland verpönt. Kein Tag verging, an dem die Politik, der Chef der Bundesbank Weidmann und die Medien die Hilfen für Griechenland und Co. nicht kritisierten.

Dennoch gilt der Überschuss heute als grandiose Leistung des Finanzministers und der Regierung Merkel. Dabei profitieren die nur von einer Krise, an deren Verschärfung sie tatkräftig mitarbeiteten. Denn den betroffenen Südländern geht es heute keineswegs besser. Sie leiden noch immer unter der Austeritätspolitik und hoher Arbeitslosigkeit. Deutschland könnte hingegen seine Überschüsse sowie die Möglichkeit einer günstigen Verschuldung nutzen, um das zu ändern.


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Straßenbau-Notopfer im Zeichen der schwarzen Null

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Schleswig-Holsteins Ministerpräsident, Torsten Albig, fordert eine Sonderabgabe für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Kritik gibt es von allen Seiten. Die übliche Begründung: der Staat schwimme im Geld. Tut er aber nicht.

Während die SPD in Berlin zusammen mit ihrem Koalitionspartner einen nahezu ausgeglichenen Haushalt bejubelt, bleiben die Löcher in den Straßen bestehen oder werden immer größer. Denn die lassen sich mit einer schwarzen Null im Etat nicht stopfen. Das hat auch die rote SPD erkannt. Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Torsten Albig, fordert daher eine pauschale Sonderabgabe von 100 Euro im Jahr für alle Autofahrer. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Vielleicht begreift ja jetzt der ein oder andere, dass Ausgaben, die notwendig sind, um ein Gemeinwesen am Leben zu erhalten, auch bezahlt werden müssen. Wenn diese Kosten ein Finanzminister aber nicht übernehmen will, weil ihm die schwarze Null wichtiger ist und er lieber auf Steuereinnahmen verzichtet, muss es jemand anderes tun, unabhängig davon, ob es seine finanzielle Situation zulässt oder nicht.

Eine Sonderabgabe zu fordern, ist nicht sonderlich populär, die Reaktionen zeigen es, aber der übliche Weg, um aus der Sackgasse einer bloß fortgesetzten falschen Haushaltspolitik herauszukommen. Der Plan: Die Rechnung bestimmten Teilen der Gesellschaft vorlegen, während andere geschont werden. Der Begriff Kopfpauschale ist da durchaus passend. Sie sieht irgendwie gerecht aus, ist es aber freilich nicht, weil Gebühren, die einkommensunabhängig erhoben werden, jene begünstigen, die es sich leisten können.

Beliebte Floskeln hüben wie drüben

Das Ansinnen Albigs regt deshalb Freund und Feind gleichermaßen auf. Aber nicht, weil ein Staat dazu da ist, Aufgaben wie eine funktionierende Infrastruktur bereitzustellen, sondern weil es der Politik offensichtlich nicht gelingt, in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen, genug Geld für Straßen im Haushalt zu finden. Der Staat müsse lernen, mit den bestehenden Einnahmen auszukommen, lautet eine beliebte Floskel. Denn noch immer herrscht der Glaube vor, hohe Steuereinnahmen seien hohe Steuereinnahmen nur weil sie höher sind als im Jahr davor. Diese Perspektive verstellt aber den Blick auf die Kürzungspolitik, die im Geiste der schwarzen Null längst Realität geworden ist und in den Debatten beständig an Schärfe hinzugewinnt.

Jeder sieht, dass die Straßen bundesweit im Eimer sind. Leugnen ist zwecklos. Enorme Investitionen sind nötig. Albig hat das noch einmal vorgerechnet. Doch, so der mediale Kurzschluss, 620 Milliarden Euro Steuereinnahmen im Jahr müssten doch reichen. Auch wird immer wieder die Frage gestellt, warum die Einnahmen aus Kfz-Steuer und Mineralölsteuer nur zu einem Teil in den Erhalt und Ausbau von Straßen fließen, der weit größere Batzen aber im Bundeshaushalt für andere Zwecke verwendet wird. Nur auf die einfache Antwort kommt niemand.

Die Einnahmen des Staates reichen eben nicht aus, damit er seine Aufgaben erledigen kann. Im Wahlkampf hatte die SPD das noch erkannt und höhere Steuern gefordert. Doch damals wie heute wehren sich Teile der Politik, Medien und eine Mehrheit in der Bevölkerung dagegen mit dem Scheinargument der bereits vorhandenen hohen Steuern. Sie wollen nicht akzeptieren, dass ein absolut steigender Wert eben real betrachtet auch zu wenig sein kann. Ein genauer Blick auf die berechnete Steuerquote zeigt aber, dass gemessen am Bruttoinlandsprodukt die Einnahmen in diesem Jahr sogar zurückgehen sollen, mittelfristig mindestens stagnieren oder nur langsam steigen.

Steuerschätzung

Quelle: Arbeitskreis Steuerschätzung (via Bundesfinanzministerium)

Die Wahrheit ist, dass der Staat auf Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verzichtet und im Gegenzug riesige Finanzlöcher bei den Gebietskörperschaften akzeptiert bzw. als Vorwand benutzt, um notwendige Ausgaben zum Beispiel im sozialen Bereich noch weiter senken zu können. Allein durch Steuerhinterziehung gehen dem Staat schätzungsweise 50 bis 100 Milliarden Euro jährlich verloren. Große Konzerne wie Apple, Google und Amazon fahren hohe Gewinne ein, zahlen aber so gut wie keine Steuern. Die Gewinne beim Verkauf von Unternehmensteilen und Beteiligungen sind immer noch steuerfrei. Eine Vermögenssteuer wird nicht erhoben und die unter der letzten Großen Koalition reformierte Erbschaftssteuer begünstigt den Nachwuchs einer vermögenden Bevölkerungsschicht.

Verschiebung von Kosten

Dennoch steht die schwarze Null, ob theoretisch oder praktisch, spielt dabei keine Rolle. Die Politik meint, so für Generationengerechtigkeit sorgen zu können. Verschuldung dürfe den Kindern und Enkeln nicht hinterlassen werden, heißt es gebetsmühlenartig. Vermögen für wenige und Schlaglöcher für alle hingegen schon. Der Preis für einen relativ gesehen verarmenden Staat mit ausgeglichenem Haushalt ist die Verschiebung von allgemeinen Kosten in den privaten Sektor. Viele sehen daher in Albigs Vorschlag ein worst case Szenario, das sich mit einem Mautsystem vielleicht abmildern lässt.

Deutlich wird dabei nur eins. Straßen werden auf Seiten der Politik und weiten Teilen der Öffentlichkeit schon lange nicht mehr volkswirtschaftlich, sondern rein betriebswirtschaftlich betrachtet. Trotz Widerspruchs der Rechnungshöfe werden sie zunehmend als Investitionsobjekte angeboten. Nicht ohne Absicherung für den privaten Investor einer solchen Öffentlich-Privaten-Partnerschaft ÖPP/PPP. Ein Teil der künftigen Mauteinnahmen fließt ja nicht mehr dem Staatshaushalt zu, sondern wandert als feste Einnahme auf das Konto des privaten Partners, der die Straße einen Zeitraum lang betreibt.

Dass die Infrastruktur zerfällt, ist vielleicht Absicht, genau wie die Schuldenbremse, die staatliche Investitionen bald unmöglich macht. Was als “alternativlos” erscheinende Lösung übrigbleibt, ist die Privatisierung von Staatseigentum, das der Staatsbürger, der dann zum Kunden gemacht wird, gegen Gebühr natürlich weiter nutzen darf. Deshalb kommt auch immer nur eine Ausweitung von gebührenpflichtigen Strecken in Betracht oder eine Vergrößerung des gebührenpflichtigen Nutzerkreises, um Finanzierungsbedarfe zu decken und Schlaglöcher zu stopfen. Dabei ist der Ausbau und Erhalt eines Verkehrswegenetzes keine Privatangelegenheit, sondern bleibt eine öffentliche Aufgabe.


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Zufriedenheit nicht nehmen lassen

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Der Deutsche steht noch mit 85 und drei Bypässen auf der Baustelle und planiert mit dem Rollator die Auffahrt zur Vollbeschäftigung, meint Christoph Sieber in Neues aus der Anstalt und hat damit einen furiosen Auftritt hingelegt. Bitte mehr davon. Die Zufriedenheit dürfe man sich nicht durch so etwas wie die Realität nehmen lassen. Es sollte mehr Euphorie herrschen. Die Jugend saufe offenbar so viel, dass die Alten vom Flaschenpfand noch leben können. Das sei ein echter sozialer Ausgleich, findet Sieber.

Christoph Sieber in Neues aus der Anstalt vom 27.08.2013

Und in der Tat, der Monat neigt sich dem Ende und die Jubelmeldungen zur wirtschaftlichen Lage häufen sich. Erst hat das ifo Institut seinen monatlichen “Wie-geht’s-uns-Index” veröffentlicht und heute die GfK ihre Klimaforschung sowie das DIW sein Konjunkturbarometer. Gleichzeitig prescht die Bundesregierung mit einem eigenen Wirtschaftsbericht vor, in dem sie alle drei Jubelmeldung bündelt und die Sektkorken ordentlich knallen lässt, noch bevor die offiziellen Zahlen zum Arbeitsmarkt und zum Einzelhandel bekanntgegeben wurden.

Rösler und Schäuble: Solide Haushalte, stetes Wachstum und hohe Beschäftigung – Deutschland geht es gut

Eigentlich schade, dass die Rader Hochbrücke über den Nord-Ostseekanal nicht unter der Last des LKW-Verkehrs krachend eingestürzt ist. Dann hätten die Container voller Konsumgüter schwimmend an die maroden Schleusentore klopfen können. Darüber hätte der sterbende Brummifahrer dann das Wahlplakat der Bundesregierung mit dem Slogan lesen können: Solide Haushalte, stetes Wachstum und hohe Beschäftigung – Deutschland geht es gut. Peinlich wäre das gewesen. So rollt der Aufschwung irgendwo um das gesperrte Nadelöhr herum und vergrößert die Schäden auf den Straßen anderer Baulastträger.

Ich hätte ja noch dazu geschrieben,

Haltet durch: Noch schreiben wir an der Rechnung – Vorlage nach dem 22. September

Wer einigermaßen wach in der Birne ist, weiß natürlich, dass in Deutschland gar nichts gut ist. Die marode Infrastruktur ist nur ein Beispiel von vielen. Die öffentlichen Haushalte mögen solide aussehen, das Land bröckelt aber für alle sichtbar vor sich hin, weil es die Politik nach wie vor für wichtiger hält, notwendige Aufgaben aufzuschieben, statt sie zu erledigen. Schuld sind dann immer die jeweils anderen, die es irgendwann einmal “fahrlässig” unterlassen haben, rechtzeitig zu investieren. Dabei folgen alle Kämmerer stets dem gleichen Ziel, dem ausgeglichenen Haushalt. Was man sich dafür kaufen kann, wird man nach der Wahl sehen, wenn dank Schuldenbremse die Gürtel noch einmal enger geschnallt werden müssen.

Jetzt will davon keiner etwas wissen. Deutschland ist schließlich die Wachstumslokomotive in Europa, auch ohne Stellwerker. Auf die kann Merkels Regierung getrost verzichten, weil sie nicht auf Schienen fährt, sondern auf Sicht vor sich hin segelt mit dem Kompass fest in der Hand, aber ohne Idee, welche Richtung sie einschlagen muss. Man hat keine Erwartung mehr an diese Bundesregierung und selbst das können sie nicht erfüllen, sagte Christoph Sieber. Lassen Sie sich ihre Zufriedenheit nicht nehmen, legen Sie sie doch selber ab. Seien Sie empört!

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Blamage abgewendet? Jubelmeldung beim Kita-Ausbau

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Kurz vor dem Stichtag am 1. August soll es nun plötzlich 20.000 Kita-Plätze mehr für unter Dreijährige geben, als benötigt werden. Laut Informationen von NDR-Info hätten die Bundesländer 800.000 Plätze an das Bundesfamilienministerium gemeldet. Von einem bemerkenswerten Endspurt ist nun die Rede und die Bundesregierung kann vor der Wahl mit einer weiteren vermeintlichen Jubelmeldung auftrumpfen. Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund hatten gestern noch mit einem Defizit von 100.000 Plätzen gerechnet. Ein Widerspruch? Nein, bloß ein Rechentrick.

Um zu verstehen, wie es zu einem solchen Aufholprozess, der jetzt alle Beteiligten gut dastehen lässt, kommen konnte, muss man wissen, was Betreuungsplätze sind. Damit sind keineswegs nur Plätze in Kindertageseinrichtungen gemeint, sondern vor allem auch Plätze bei Tagesmüttern. Der Rechtsanspruch gilt als erfüllt, wenn ein Kind entweder in einer Einrichtung oder bei einer Tagesmutter untergebracht werden kann. Man sollte also davon ausgehen, dass die Kommunen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, das Angebot in der Tagespflege massiv ausgeweitet haben und das Erreichen der erforderlichen Quote also nicht unbedingt etwas mit einem Endspurt beim Ausbau von Krippenplätzen in Einrichtungen zu tun hat.

Viele Gemeinden werden auch pragmatische Lösungen anbieten und vorhandene Plätze aufteilen. Denn im Gesetz steht nicht, wie lange die Betreuung gewährleistet sein muss. Die Kommunen müssen sich da auf eigene Regelungen verständigen. So kann es durchaus sein, dass sich zwei Kinder einen Platz in der Tagespflege teilen, wenn die Betreuung nur für wenige Stunden und Tage durch die Eltern gewünscht wird. In beiden Fällen wäre der Rechtsanspruch erfüllt.

Beim Krippenausbau hörte man zuletzt immer dieselben Nachrichten. Kommunen, Land und Bund finanzieren den Ausbau zu je einem Drittel. Vor allem zwischen den beiden ersteren kam und kommt es immer wieder zu Reibereien über die Verteilung und den Einsatz der Mittel. Hinzu kommt, dass es aufgrund der grottenschlechten Bezahlung an qualifiziertem Personal fehlt, was die Einrichtung neuer Gruppen in bereits bestehenden Kitas oftmals verhindert.

Eine weitere Frage wirft die Jubelmeldung allerdings auch auf. Was wird mit dem unsinnigen Betreuungsgeld, über dessen Finanzierung die Bundesregierung einen Mantel des Schweigens gelegt hat. Eine Milliarde Euro will der Bund für das Wahlkampfgeschenk der CSU im kommenden Jahr bereitstellen, die durch Einsparungen im Haushalt – wo bleibt unklar – aufgebracht werden sollen.

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Angriffsziel Gesundheitsfonds

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Im Augenblick läuft die Debatte um Schäubles Sparabsicht. Wo soll der Finanzminister nur die noch fehlenden vier Milliarden hernehmen, die er für seinen ausgeglichenen Haushalt (oberste Direktive, dem sich alles, auch die Vernunft, unterzuordnen hat) im kommenden Jahr benötigt. Der Bundesrechnungshof tönt, würde man auf ihn hören, könne Schäuble auch zum Sparerfolg kommen. Dazu müsste er nur an der richtigen Stelle den Rotstift ansetzen (Im Etat sei eine Menge Luft).

Angriffsziel Gesundheitsfonds: Seit vergangener Woche macht die Idee die Runde, den Zuschuss zum Gesundheitsfonds doch einfach zu kürzen. Schließlich habe die Sozialversicherung rund 30 Milliarden Euro auf der hohen Kante liegen. Im Gesundheitssystem quelle das Geld aus allen Kassen, so die Süddeutsche am 8. Februar. Der Logik Schäubles könne daher niemand ernsthaft widersprechen. Und die geht so:

“Es ist unsinnig, dass der eine Teil des Staates Kredite aufnehmen muss, während der andere Teil des Staates Geld auf einem Konto der Bundesbank deponiert” 

 SZ_2013-02-08

Hier mangelt es an der journalistischen Sorgfaltspflicht. Denn das Gesundheitssystem gehört nicht zum oder dem Staat. Es ist eine Versicherung, die sich selbst verwaltet und die das Geld der Beitragszahler auf die anspruchsberechtigten Versicherten sowie die Leistungserbringer umzulegen hat. Immerhin fällt noch der Hinweis auf die versicherungsfremden Leistungen, wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, die eigentlich im Interesse der Allgemeinheit liegen und daher aus Steuermitteln finanziert werden müssten.

Zu diesen Leistungen zählen auch Teile der Familienförderung wie Hilfen bei Schwangerschaft, bei Mutterschaft sowie Mutterschaftsgeld, Kuren und Kosten für Haushaltshilfen. Hier wird die Gruppe der Beitragszahler belastet, aus der sich Besserverdienende dank Beitragsbemessungsgrenze bekanntlich verabschieden können.

Es gehört seit jeher zum schäbigen Geschäft der Politik, der Sozialversicherung Leistungen erst aufzubürden, um diese dann durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt quer zu finanzieren. Wenn der Staat nun wieder Geld braucht, hat er leichtes Spiel. Und die Medien spielen unkritisch mit, schmeißen gar zusammen, was nicht zusammen gehört. Dabei könnten sie sich eine tatsächliche staatliche Subvention vorknöpfen. Die Riester-Förderung. Hier werden Versicherungskonzerne mit Milliarden subventioniert, ohne dass dadurch Altersarmut verhindert werde.

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Städtebund jammert über Investitionsrückstand

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Der deutsche Städtebund jammert über einen Investitionsrückstand in einer geschätzten Höhe von 100 Milliarden Euro. Das ist der Preis für die schwarze Null in den öffentlichen Finanzen. Denn die Kommunen sparten sich vor allem Investitionen in den Erhalt der Infrastruktur. Nun schlägt der Deutsche Städte- und Gemeindebund Alarm.

“Der Verfall der Infrastruktur wird zunehmend zur Wachstumsbremse. Bei Schulen, Straßen und öffentlichen Gebäuden wird seit Jahren eher geflickt als grundlegend renoviert”, sagte Präsident Christian Schramm.

Interessant ist nun, dass jene Forderungen, die kurz vor Weihnachten aus dem Schäuble Ministerium als neues Sparprogramm bereits durchsickerten und umgehend dementiert wurden, nun schon als Möglichkeit genannt werden, um neue Einnahmen zu erzielen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer dürfe nach Aussage des Verbandes nicht mehr tabuisiert werden. Gleichzeitig müssen, wie immer bei solchen Kostendiskussionen, mal wieder alle Sozialausgaben auf den Prüfstand. Denn, so der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, die Sozialausgaben würden immer weiter steigen. Im Jahr 2002 betrugen sie 28,2 Milliarden Euro und 2012 schon 45,5 Milliarden. “Das ist einfach nicht machbar”, empört sich Schramm.

Man möchte dagegen halten, diese geistigen Tiefflieger in Amt und Würden sind einfach nicht hinnehmbar! Wenn man sich die Sozialleistungsquoten der oben angeführten Jahre anschaut, also die Ausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt – und nur diese Größe zählt – wird man ganz leicht feststellen, dass die Ausgaben gemessen am BIP im Jahr 2002 höher waren als heute. Insgesamt liegt das Niveau bei rund 30 Prozent und damit kaum höher als 1975. Hier stellt sich also überhaupt nicht die Frage, ob wir uns das leisten können, sondern die Frage, wie weit man den Sozialstaat eigentlich noch auf Grundlage von falsch verstandenen Zahlen zerstören möchte. 

Sozialleistungsquote

Quelle: BMAS

Sozialleistungsquote_II

Quelle: Sozialpolitik aktuell

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Fördergelder werden nicht eingesetzt

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Die schändliche Agenda-Formulierung “Fördern und Fordern” hat sich in den Sprachgebrauch fast aller Lebensbereiche eingenistet. In der Politik, in Schulen, in Betrieben und in Behörden dient diese vergiftete Floskel als schmückendes Beiwerk für Reden, Businesspläne und Strategien. Den Adressaten soll das Gefühl vermittelt werden, eine Gegenleistung zu erhalten, wenn sie sich einem mitbestimmungsfreien Forderungskatalog unterwerfen.

Ende Dezember gab die Arbeitsagentur nun einen überraschenden Überschuss von rund 2,5 Milliarden Euro bekannt und begründete diesen zunächst mit dem angeblich andauernden Jobboom und gestiegenen Weihnachtsgeldzahlungen und Jahresendprämien im letzten Monat des Jahres. Inzwischen ist klar, dass die Behörde sehr viel weniger Geld für die aktive Arbeitsmarktförderung ausgegeben hat. 

Statt der zur Verfügung stehenden 11 Milliarden Euro wurden nur 9,4 Milliarden ausgegeben, schätzt die Behörde. Demnach wurden 1,6 Milliarden Euro nicht genutzt.

Rund 300 Millionen Euro für Hartz-IV-Fördermaßnahmen blieben ebenfalls übrig.

Quelle: Welt Online

Die Meldung ist nicht neu. Bereits auf eine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag musste die Regierung vor rund zwei Wochen einräumen, dass mehr als zwei Milliarden Euro, die als Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose in 2012 zur Verfügung standen, ungenutzt in den Bundeshaushalt zurückfließen werden. Demnach seien bis November 2012 nur drei Viertel der zur Verfügung stehenden 15,4 Milliarden Euro abgeflossen, heißt es.

Damit liegt die Regierung aber voll im Plan, will sie doch bis 2014 bei der Arbeitsmarktpolitik 20 Milliarden Euro einsparen. Sie rühmt sich einer angeblich guten Beschäftigungslage, die einmal mehr durch die Propaganda des statistischen Bundesamts scheinbare Bestätigung erfährt. Die Zahl der Erwerbstätigen habe im Jahr 2012 mit 41,5 Millionen einen neuen Höchststand erreicht. Diese Schlagzeile passt prima in das verklärende Weltbild der Bundeskanzlerin, die den hohen Beschäftigungsgrad kurzerhand mit Sicherheit gleichsetzt.

Die Wahrheit neben der geschönten Arbeitsmarktstatistik wird einfach geleugnet, wie Wolfgang Lieb heute auf den NachDenkSeiten schreibt:

Dass jeder fünfte Beschäftigte (20,6 %) für einen Niedriglohn arbeiten muss und damit alles andere als berufliche Anerkennung erfährt, dass über vier Millionen prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Form von Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung in Gestalt von Mini-Jobs und Leiharbeit entstanden sind, die alles andere als eine sichere Zukunft garantieren, schiebt die Kanzlerin ohne jeglichen Skrupel beiseite.

Dass prekäre Arbeitsverhältnisse wie Praktika und befristete Jobs gerade junge Leute besonders betreffen und mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen bis 24 Jahren befristet oder in Leiharbeit beschäftigt sind, ist doch wohl alles andere als „Sicherheit“. Dass nahezu jeder dritte Bewerber um einen Ausbildungsplatz (28,4 %) in einer Warteschleife landet und rund 2,2 Millionen Jüngerer im Alter zwischen 20 bis 34 Jahren (15 % dieser Altersgruppe) keinen Berufsabschluss hat, ist doch alles andere als ein “guter Start ins Leben“.

Dennoch rechnet die Politik aufgrund des konjunkturellen Abschwungs mit einem Anstieg der Kurzarbeit in diesem Jahr. Die Bezugsdauer wurde daher und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit von sechs auf zwölf Monate verlängert. Arbeitsmarktforscher gehen davon aus, dass sich die Zahl der Kurzarbeiter in 2013 mindestens verdreifachen wird und Kosten von rund einer halben Milliarde verursachen könnte.

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Von der geistigen Klippe springen

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Lustig am US-Haushaltsstreit ist ja die spezielle Reaktion deutscher Meinungsmacher. Komme es zu keiner Einigung zwischen Demokraten und Republikanern vor Jahresfrist folgen automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, die zu einer Schwächung der amerikanischen Binnenkonjunktur beitrügen und damit die Weltwirtschaft insgesamt gefährden. Doch wie kann das sein? Halb Europa ächzt doch unter der deutschen Sparwut, die nichts anderes als Steuererhöhungen (vor allem auf Konsum) und Ausgabenkürzungen vorsieht. In diesem Fall sprechen dieselben Meinungsmacher aber nicht von einer Gefahr für die Weltwirtschaft, sondern von gemachten Hausaufgaben.

Es muss natürlich auch weiterhin einen solventen Schuldner geben, der die deutschen Exporte finanziert. Wenn die USA auf einmal ganz ohne Zwang Ausgaben kürzen, führe das unweigerlich in eine Rezession. Wenn aber Südeuropa zu Austeritätsprogrammen gezwungen wird, spricht man von einer schmerzlichen aber notwendigen Strategie, die, so die deutschen Klippenlogiker, zu irgend einer ökonomischen Besserung der Gesamtsituation beitragen würde.

Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken sagt im Interview mit dem Deutschlandradio:

“Sie müssen sehen, die Exporte in die USA sind sehr gut gelaufen: In den ersten neun Monaten des Jahres 2012 gab es da eine Steigerung um 21 Prozent auf 65 Milliarden Euro, das heißt, das ist schon ein gravierender Betrag, und wenn es hier Störungen gibt, das heißt, wenn die Binnenkonjunktur in den vereinigten Staaten massiv abstürzt – und das würde sie sicher tun, wenn die über dieses Fiscal Ciff runterfallen. Dann hätte das unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland und auf Europa.”

Quelle: dradio

Aha, mich wundert nur, dass dem Banker der ungleich höhere Batzen von 310 Milliarden Euro, der im gleichen Zeitraum aus Exporten in die Eurozone erzielt wurde, keinerlei Erwähnung wert ist. Bei diesen Ausfuhren hat es in den ersten drei Quartalen einen Einbruch um 2,2 Prozent gegeben. Ist die Eurozone für die deutsche Exportwirtschaft und deren Berater etwa schon abgeschrieben? Es scheint so, denn, so der Banker:

“Natürlich muss man weiterhin Druck auf Griechenland und auf die anderen Peripherieländer richten, damit die ihre Reformen weiter durchziehen, was bei Griechenland nicht ganz einfach ist.”

Demagogie ist das Gebot der Stunde. Innerhalb der Eurozone hat man einen brutalen Anpassungskurs eingeschlagen und glaubt, dadurch die bestehenden Leistungsbilanzdefizite abbauen zu können, ohne auf die eigenen Überschüsse verzichten zu müssen. Kemmer behauptet im Gespräch mit dem Deutschlandradio, die Strukturreformen hätten zu einem tatsächlichen Abbau der Leistungsbilanzdefizite in den Südländern geführt. Beim genauen Blick auf die Zahlen des statistischen Bundesamts wurden von Januar bis Oktober Waren und Dienstleistungen im Wert von 347,8 Milliarden Euro in die Eurozone ausgeführt, dagegen schlugen die Importe aus der Eurozone mit 339,4 Milliarden Euro zu Buche.

Das macht immer noch einen Bilanzüberschuss von 8,4 Milliarden Euro auf deutscher Seite und logischerweise ein zusätzliches Defizit in Höhe von 8,4 Milliarden Euro auf Seiten der übrigen Eurozone, das über Kredite finanziert werden muss. Im Vergleich zu 2011 betrug der Überschuss bzw. das Defizit zu diesem Zeitpunkt noch 17,3 Milliarden Euro. Was sich geändert hat, ist also die Höhe des nach wie vor bestehenden Ungleichgewichts. Mit einem Ausgleich der Leistungsbilanz wäre zudem überhaupt nichts gewonnen, da die über Schulden finanzierten Defizite ja auch zurückgezahlt werden müssen. Das wiederum kann nur gelingen, wenn die jetzigen Schuldnerländer ihrerseits Überschüsse erwirtschaften dürfen, aus denen sie ihre Verbindlichkeiten bedienen können.

Konkret heißt das, dass insbesondere Deutschland eine Zeit lang Defizite hinnehmen müsste, um den Schuldnerländern überhaupt die Chance zu verschaffen, aus der Krise herauszuwachsen. Allein von 1999 bis 2011 hat Deutschland gegenüber den sogenannten PIGS-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien) einen Leistungsbilanzüberschuss von rund einer halben Billion Euro angehäuft. Um diesen Berg wieder abzutragen, ist eine ganz andere Strategie notwendig als die gegenwärtig gefahrene brutale Anpassung durch neoliberale Reformen, unter denen die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit in den betroffenen Ländern immer weiter zurückgeht.  

Doch zurück zur geistigen Klippe, über die man so manchen Zeitgenossen gern stoßen würde. Die Leistungsbilanz mit den USA scheint Kemmer egal zu sein, wie auch Zusammenhänge der Finanzkrise insgesamt. Die Rettung der Banken beschreibt er als Abwägungsprozess mit abscheulicher Begründung:

“Ich kann das gut verstehen, dass die Leute sagen, das kann doch nicht wahr sein, dass man den Banken das Geld in den Rachen wirft und ansonsten für Sozialausgaben und Ähnliches keine Mittel hat. Aber das ist nur auf den ersten Blick richtig, es gilt immer abzuwägen, was ist das geringere Übel, und das Problem der Bankenbranche ist natürlich, dass sie eben systemrelevant ist.”

Menschen sterben zu lassen, ist das geringere Übel. Sie sind ja nicht so systemrelevant wie Banken, deren Schieflage nicht hausgemacht, sondern durch die Staaten heraufbeschworen worden sei. Und das ist wirklich der Gipfel der Kemmerschen Unverschämtheiten:

“Und die Staatsschuldenkrise ist natürlich etwas, was letztlich aus den Ländern heraus selbst gekommen ist, und das hat die Banken mit nach unten gezogen. Und in der Staatsschuldenkrise war es schon so, dass einige Staaten die Banken in Schwierigkeiten gebracht haben, denn es gab ja schon das unausgesprochene Versprechen, dass die Staatsanleihen sicher sind – die mussten ja auch nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, sodass die Banken hier in der Tat sehr eng auch an den Problemen der nationalen Volkswirtschaften hängen.”

Zum Glück haben die Banken ja das Gröbste hinter sich und stehen so gut da wie nie. Dank der Umschuldungsstrategie halten nicht mehr sie, sondern öffentliche Gläubiger die kritischen Staatsanleihen. Damit muss der Steuerzahler zusehen, wie er zu seinem Geld kommt. Die Schuldscheine könnte der ja prima zu jenen toxischen Papieren packen, die noch immer in den Bad Banks lagern, also in jenen Abfallverwahrungsinstituten unter ebenfalls öffentlicher Schirmherrschaft, in die die armen systemrelevanten Banken ihre Tripple A Schrottpapiere aus der geplatzten Immobilienblase hineinschmeißen durften, um ihre Bilanzen zu bereinigen.

Aber um diese geistige Klippe schippert schon längst kein Bankerhirn mehr.

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Viele Nullen pflastern einen Weg auf Trümmern

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Seit dieser Woche wissen wir, dass man zwar mit Redakteuren, aber nicht in deren Arbeit hinein reden dürfe. In zahlreichen Interviews, vornehmlich mit sich selbst, stellten die Journalisten klar, dass eine Aushöhlung der Pressefreiheit für sie nicht in Frage komme. Zumindest nicht, wenn das Ganze auf so plumpe Weise vorgetragen wird, wie aktuell von der CSU.

Dennoch kann das alberne Gebrüll der besser gestellten Medienleute, die ihren Status gerade einer guten Vernetzung in ebenso gut situierte gesellschaftliche Kreise zu verdanken haben, nicht über Inkompetenz und mangelnde Qualität in der Berichterstattung hinwegtäuschen.

Beispiel Griechenland:

Laut einem Bericht des Spiegels soll die Troika einen neuen Schuldenerlass für Griechenland vorgeschlagen haben. Aber nicht nur das. Gleichzeitig habe die „Expertengruppe“ aus IWF, EZB und Europäischer Kommission in ihrem Bericht 150 neue Vorschläge unterbreitet. Wofür das gut sein soll, ist allerdings nicht ganz klar. Denn was die Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Aufweichung des Mindestlohns und eine Aufhebung bestimmter Berufsstandsprivilegien mit dem Abbau des Staatsdefizits zu tun haben sollen, bleibt ein Rätsel, das keinen weiter interessiert.

Auf der anderen Seite steht die Schlagzeile, dass Schäuble einen weiteren Schuldenschnitt ablehne, weil das mit dem Haushaltsrecht nicht vereinbar sei. Freilich fällt der Eingriff in das Budget Griechenlands mit Kürzungsprogrammen, Sperrkonten und automatischen Steuererhöhungen oder Sanktionen bei fehlender Umsetzung nicht darunter. Schließlich könnten die Griechen auch dafür verantwortlich sein, dass Deutschland seinen ausgeglichenen Haushalt verfehlt.

Nächstes Jahr soll dieser „nahezu“ ausgeglichen und 2014 ein Bundeshaushalt ganz ohne neue Schulden möglich sein. Angesichts dieser vermeintlich tollen Aussichten – niemand kann sagen, wofür ein ausgeglichener Haushalt gut sein soll – frohlocken deutsche Medien und übersehen dabei, dass Schäuble plötzlich über ein Schuldenrückkaufprogramm zu niedrigen Zinsen verhandeln möchte.

Da eine Insolvenz oder ein Euroaustritt Griechenlands bereits ausgeschlossen wurden (Schäuble: „I think, there will no, it will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece.“), lassen sich Eurobonds (freilich unter einer anderen Bezeichnung, weil sonst Angela Merkel sterben müsste) zur Staatenfinanzierung nicht länger leugnen. Doch statt danach zu fragen, wie sich Schäuble eine künftige Staatenfinanzierung genau vorstellt oder wie es zum abermaligen Positionswechsel der Bundesregierung kommen konnte, liegt hierzulande der Fokus auf dem bevorstehenden Koalitionsgipfel, dessen Teilnehmer zwischen Betreuungsgeld und Praxisgebühr einen Weg zur „Schwarzen Null“ pflastern wollen.

Und diesen Weg auf den Trümmern Europas werden dann schwarz-gelbe und rot-grüne Nullen mit den vermeintlich unabhängigen Schreiberlingen gemeinsam gehen.

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