Vor dem neuerlichen EU-Sondergipfeltreffen in Brüssel hat Bundesfinanzminister Schäuble noch einmal betont, an den Spardiktaten festhalten und gemeinsamen Staatsanleihen eine Absage erteilen zu wollen. Die griechische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig und müsse daher tiefgreifende Einschnitte und Reformen akzeptieren, so Schäuble. Ich wundere mich immer wieder, dass Moderatoren und Journalisten nicht einmal die Frage stellen, wo denn die Erfolge der seit Jahren andauernden Reform- und Sparpolitik in Griechenland zu beobachten seien. Es ist doch das Gegenteil von dem eingetreten, was Schäuble permanent predigt.
Trotz aller Bemühungen und des Verzichts hat sich die Krise verschlimmert und der Schuldenstand erhöht. Als objektiver Berichterstatter muss man doch zu dem Ergebnis kommen, dass die Rettungspolitik der Troika krachend gescheitert ist, zumindest mit Blick auf Griechenland. Der Finanzsektor kann sich ja nach wie vor über eine Absicherung seiner Risiken freuen.
Gleichzeitig streut die Bundesregierung mit ihrer Haltung der deutschen Öffentlichkeit Sand in die Augen. Wachstum durch Strukturreformen ist ein hanebüchener Unsinn und trotzdem fallen reihenweise Redakteure darauf herein. Strukturreformen heißen doch übersetzt Kürzungen bei den Löhnen und Sozialleistungen. Wie soll das aber, zumal die Kanzlerin ja auch kein Geld für Konjunkturprogramme ausgeben will, zu Wachstum führen. Werden die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien mit weniger Geld in der Tasche etwa mehr konsumieren?
Ich begreife einfach nicht, warum Volkswirte und Journalisten immer denselben dämlichen Fragen nachgehen wie die, ob Eurobonds der richtige oder falsche Weg aus der Krise sind. Viel wichtiger ist doch die Frage, warum die Bundesregierung mit der Bemerkung, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre verkraftbar, die Spekulationen gegen das Land fahrlässig wieder anheizt und die Krise damit insgesamt verschärft.
Könnte man nicht auch einfach kriminelles Kalkül unterstellen, wenn Schäuble am Wochenende mit seinem Statement über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone den Grundstein dafür gelegt hat, um heute eine Bundesanleihe von über vier Milliarden am Kapitalmarkt zu platzieren, für die der deutsche Finanzminister keine Zinsen mehr zahlen muss?
Deutschland profitiert von der Krise. Kann es deshalb ein Interesse an einer schnellen Lösung haben? Die Diskussion um eine Pleite Griechenlands macht deutsche Staatsanleihen immer beliebter, so dass Anleger sogar noch Geld drauflegen, damit sie ihr Kapital an den deutschen Finanzminister verleihen dürfen. Gleichzeitig hat die deutsche Wirtschaft nach einer Meldung des statistischen Bundesamtes im Jahr 2011 den bestehenden Exportüberschuss noch einmal auf 158,1 Mrd. Euro steigern können.
Doch was heißt das? Die richtigen Strukturreformen müsste eigentlich Deutschland vornehmen, das mit seinen wieder zunehmenden hohen Bilanzüberschüssen die Stabilität der gesamten Eurozone gefährdet. Doch über die Überschüsse redet man auf dem Sondergipfel nicht, sie gehören schließlich zum Qualitätsnachweis des selbsternannten Musterschülers, der solange wie möglich von der Krise profitieren will. Die nächste Bundestagswahl rückt schließlich auch immer näher.
Apropos Wahlen. Die Griechen dürfen bald wieder ran, weil der letzte Urnengang keine stabilen Verhältnisse zu Stande brachte. Unter stabilen Verhältnissen versteht Herr Schäuble zum Beispiel eine Regierung aus jenen Parteien, die der griechischen Bevölkerung über Jahre hinweg den Schlamassel erst eingebrockt haben.
MAI