Der Tag

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Im Grunde genommen gab es heute drei Meldungen, die sich, über den Tag verteilt, an Intensität jeweils abwechselten. Zum einen die gestrige Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, deren Ergebnis nicht wirklich überraschend war. Inzwischen ist klar, dass die SPD auf eine (Schein)Sondierung mit den Linken verzichtet und gleich mit der Union in Verhandlungen eintreten wird. Dazu sehr treffend der Kollege flatter auf Feynsinn:

„Nun, in einem Land, indem sie schon vor vielen Jahren mit der PDS koalierte, ist sie nunmehr zum Wackeldackel und Quick-nick der CDU geworden. Ihr Programm und ihre Versprechen vor der Wahl liegen recht nahe bei denen der Linken. Im SPD-Bundesprogramm ist vielfach die Rede von „demokratischem Sozialismus“. Dorthin mag sie aber nicht rucken. Auch dem Programm der Grünen sind sie sehr nah. Nur mit einer Partei im aktuellen Landtag hat sie programmatisch kaum Überschneidungen: Mit der CDU. Deshalb will sie nur unter denen regieren. Es sei denn, sie dürfte als drittstärkste Fraktion und Juniorpartner den Ministerpräsidenten stellen. Jeder fünfte aktive Wähler findet das gut. Das ist dann wohl die „Mitte“ – der geschlossenen Abteilung.“

Quelle: Feynsinn

Der Hinweis auf die geschlossene Abteilung führt uns dann auch zu den nächsten beiden Meldungen, die bei klarem Verstand nur schwer zu begreifen sind. Zunächst versucht eine Allianz der Willigen mit Unterstützung der nicht wirklich Unwilligen, in Libyen eine Flugverbotszone durchzusetzen. Und zwar nicht, in dem man den Luftraum überwacht, sondern beliebige am Boden befindliche Ziele unter Beschuss nimmt. Präzise versteht sich, mit Bomben und Marschflugkörpern. Man könnte das auch einen Angriffskrieg nennen, bei dem die Frage gestattet sei, ob nun die Leere des Luftraums überwacht oder doch die Beseitigung der libyschen Staatsführung vorangetrieben werden soll. Besonders lustig ist ja die deutsche Enthaltung in dieser Frage. Denn die für eine Überwachung des Luftraums sicherlich benötigten AWACS Flugzeuge – AWACS steht bekanntlich für Airborne Early Warning and Control System – wollen die Deutschen lieber in Afghanistan verstärkt einsetzen, um die Amerikaner bei der Überwachung der Flugverbotszone über Libyen zu entlasten.

Das nennt man dann wahrscheinlich stabile Verhältnisse in der Kommandostruktur. Aber wer führt eigentlich den Einsatz? Die Amerikaner haben gleich gemeint, sie seien im Prinzip gar nicht beteiligt. Okay, ein paar Marschflugkörper zur Erhellung des Schlachtfelds, mehr nicht. Schließlich habe man mit dem amtierenden Präsidenten Barack Obama einen waschechten Friedensnobelpreisträger in den eigenen Reihen. Nein, nein, es gibt nur einen, der behauptet der Anführer zu sein, weil er wegen seiner geringen Körpergröße gern übersehen wird. Nicolas Sarkozy.

Mit stolz geschwellter Brust hatte Monsieur le Président am Samstag in Paris einen entschlossenen Angriff Frankreichs auf Stellungen der Ghadaffi-Truppen verkündet. Die Maschinen der Verbündeten waren noch am Boden, die Außenminister saßen noch im Elysee-Palast zusammen, da flogen die Franzosen bereits die ersten Angriffe. Es konnte Sarkozy nicht schnell genug gehen – als wenn es um die Punktewertung in einem Videospiel gehen würde.

Quelle: Tagesschau

Sarkozy will wohl unbedingt den Eindruck widerlegen, dass ihn noch etwas mit dem alten Kumpel Gaddafi verbinde. Doch inzwischen steht die Führungsfrage in Brüssel auch auf der Tagesordnung – nachdem jeder mal ein paar Bomben abwerfen durfte. Das Kommando solle an die NATO übertragen werden, hieß es. Wie man hört, haben die Norweger sogar ihre Kampfjets zurückgezogen, bis diesbezüglich eine Lösung gefunden sei.

Norwegen stoppte seinen geplanten Einsatz von sechs Kampfflugzeugen bis auf weiteres. Verteidigungsministerin Farema sagte am Abend, dies gelte so lange, bis die Kommandostruktur geklärt sei. Auch Italien verlangte, die Führungsrolle an die Nato zu übertragen. Ministerpräsident Berlusconi sagte in Turin, die Koordinierung müsse anders aussehen, als sie sich zur Stunde darstelle.

Quelle: dradio

Möglicherweise erhalten wir noch vor Beendigung der Kampfhandlungen einen verantwortlichen Oberbefehlshaber.

Ich weiß jetzt nicht, ob sie noch können, aber der Wahnsinn geht weiter. In Japan hat man nach dem Wochenende überraschend festgestellt, dass die angebliche Verbesserung im havarierten Atomkraftwerk Fukushima I nun doch nicht eingetreten ist. Zwar hätte man die kritischen Reaktoren weiter fleißig mit Meerwasser gekühlt und auch dafür gesorgt, dass die Reaktorgebäude wieder mit Strom versorgt werden können, offensichtlich war aber die Vermutung seitens des Betreibers Tepco zu optimistisch, dass die zum Teil völlig zerstörten Einrichtungen noch intakte Kühlsysteme enthalten würden. Dazu kam ebenfalls überraschend die Erkenntnis, dass das Meerwasser, welches man zum Kühlen verwendete und anschließend wieder zurück in den Ozean leitete möglicherweise auch radioaktiv belastet sein könnte und zwar genauso wie Milch, Gemüse und Leitungswasser, vor deren Verzehr und Aufnahme man schon einmal vorsorglich gewarnt hat. Hier gilt sicher der Satz, dass nichts mehr gut wird.

Das waren im Prinzip die drei verrückten Topmeldungen des Tages.

Relativ untergegangen ist hingegen das Treffen der Finanzminister der Eurozone heute in Brüssel. Die haben sich nämlich auf eine Erhöhung des Euro-Rettungsfonds verständigt. Schließlich muss ja einer die Rechnung bezahlen.

Demnach soll der Fonds ab 2013 mit Garantien in Höhe von 620 Milliarden Euro und mit 80 Milliarden Euro Barkapital ausgestattet werden. Nach Angaben von Finanzminister Schäuble trägt Deutschland 27,1 Prozent der Kosten und muss insgesamt 21,8 Milliarden Euro zahlen.

Quelle: dradio

Bisher war die Rechnung:

  • 250 Mrd. vom IWF, 60 Mrd. Barkapital und 440 Mrd. Garantien, machte zusammen stolze 750 Mrd. Euro.

Nun lautet die Rechnung:

  • 250 Mrd. vom IWF, 80 Mrd. Barkapital und 620 Mrd. Garantien, macht zusammen auch sehr stolze 950 Mrd. Euro.

Soviel zu dem Thema, dass seien alles bloß Garantien, die den deutschen Steuerzahler nix kosten, gell Herr Schäuble. Ich gehe mal fest davon aus, dass das nicht die letzte Erhöhung gewesen sein wird.

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Die Woche: Atomkraftwerke und Kaffeemaschinen

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Die letzte Woche stand ganz im Zeichen eines atomaren Super-GAUs in Fukushima, Japan. Hie und da wird daran noch gezweifelt, weil anscheinend noch keine Kernschmelze stattgefunden hat oder aber die Betreiberfirma Tepco nicht aufgibt, die überhitzten Reaktoren doch noch irgendwie zu kühlen und unter Kontrolle zu bringen. Koste es, was es wolle. Hubschrauber, Wasserwerfer und natürlich die Gesundheit der Mitarbeiter. Egon W. Kreutzer hatte ob der Berichterstattung über die Rettungsversuche auf seiner Internetseite geschrieben:

Die verwirrenden und widersprüchlichen Meldungen über Fukushima zu verfolgen, war längst zur Qual geworden. Der größte Irrsinn aber war die Meldung, die seit gestern durch die Welt geisterte:

Es ist Dampf aufgestiegen, als wir Wasser auf das Abklingbecken schütteten, also war Wasser drin.

Es folgt eine Geschichte zum Verständnis des physikalischen Vorgangs des Wasserns von heißen metallischen Oberflächen, den eigentlich jeder aus seinem Alltag kennen dürfte. Mir ist das am Wochenende auch wieder begegnet. Ich habe mir nämlich eine neue Kaffeemaschine zugelegt. Ein einfaches Filtertüten-Modell. Und in der Bedienungsanleitung steht folgender wichtiger Satz:

Wichtig: Beim Einfüllen von Frischwasser kurz nach dem Brühvorgang kann heißer Dampf aus dem Wasserauslauf austreten (Verbrühungsgefahr).

Atomkraftwerke und Kaffeemaschinen sind sich also gar nicht so unähnlich in ihrem Verhalten, was den Einsatz von Frischwasser nach der Betriebsabschaltung angeht. Der Unterschied besteht nur darin, dass mein heimischer Siedewasserreaktor ein gut duftendes Heißgetränk zubereitet und relativ rasch abkühlt, wohingegen die Atomreaktoren neben Strom, todbringende Strahlen produzieren, die man zwar messen, aber keinesfalls riechen, schmecken, hören, sehen oder fühlen kann. Der Atomreaktor kühlt auch nicht nach Abschaltung sofort ab, sondern kann bei unzureichendem Wärmemanagement, wie man gesehen hat, so heiß werden, dass Explosionen, Brände oder gar ein Austritt des Kernmaterials drohen bzw. auch geschehen.

Den Kaffeefilter schmeiß‘ ich einfach weg, verbrauchte Brennstäbe müssen kontrolliert abklingen und später irgendwo in Fässern für Millionen von Jahren sicher aufbewahrt werden. Merkwürdigerweise spricht in der Woche der per Dekret spontan angeordneten Kraftwerksstilllegungen, wegen dringend vorzunehmender Sicherheitsüberprüfungen, kaum jemand über die Endlagerung. So als ob die radioaktive Lauge in der niedersächsischen Asse kein ernsthaftes Sicherheitsrisiko darstellen würde.

Für Frau Merkel, die nicht nur Bundeskanzlerin, sondern auch Physikerin ist, mit einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Strahlenforschung, stehe die Sicherheit an aller erster Stelle. Der Vorfall in Japan habe nun eine neue Lage geschaffen, die bisher freilich nicht zu existieren schien, sonst hätte es ja keine Laufzeitverlängerung gegeben. Wissenschaftliche Reputation zählt, wie wir neuerdings wissen, aber nicht zu jenen Qualifikationen, die ein Mitglied der Exekutive mitbringen muss. Da wird sauber getrennt, gelegentlich auch im Nachhinein. Bei Frau Merkel ist das nicht anders. Sie verfährt strikt nach dem Motto, mir nach, ich folge euch (Zitat: Volker Pispers).

So kann man dann vielleicht auch den subversiven Gedankengang erklären, den die Regierungschefin zur Verteidigung ihrer atomaren Wende im Bundestag anführte.

„Wir tun mehr, als ein Moratorium bedeuten würde; denn ein Moratorium der Verlängerung der Laufzeiten führte uns zurück auf die Rechtsgrundlage der rot-grünen Regierung. Die wiederum würde jetzt nur zur Folge haben, dass Neckarwestheim 1 abgeschaltet werden müsste. Alle anderen Kernkraftwerke würden heute, zum jetzigen Zeitpunkt, weiterlaufen.“

Quelle: Plenarprotokoll vom 17.03.2011

Mit anderen Worten, sie, Frau Merkel, wolle eigentlich viel mehr Ausstieg, als die rot-grüne Bundesregierung es je vorhatte. Wow. Da hilft auch kein starker Kaffee mehr.

Bei Kreutzer heißt es übrigens noch weiter:

Ach ja, und dann ist da noch das Stromkabel. Daran sollen, so heißt es, in den Reaktorgebäuden die Kühlpumpen angeschlossen werden.

Es gibt aber keine Reaktorgebäude mehr, sondern nur noch Trümmerhaufen.

Ganz genau. Aber das Offensichtliche scheint der GaGa-Öffentlichkeit schon gar nicht mehr aufzufallen…

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An einem Wendepunkt

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Wenn man die Welt im Jahr 2011 beschreiben müsste, käme man wohl zu dem Ergebnis, sie als etwas zu bezeichnen, das unkontrollierbar geworden ist. Möglicherweise zeigt gerade die atomare Katastrophe in Japan, die alle Menschen live mitverfolgen können, wie absurd das Gerede über eine Zurückeroberung von Kontrolle ist, die für das Selbstverständnis der Gesellschaften westlicher Prägung bisher grundlegend war. Seit Tagen hört man, dass sich die Lage in Fukushima verschlimmere oder weiter zuspitze. Am irritierendsten ist die Aussage, dass etwas noch mehr außer Kontrolle geraten könne als bislang schon geschehen. Dabei verbirgt sich in dieser Form der sprachlichen Vermittlung immer noch die Hoffnung oder sollte man sagen, der Glaube an die Beherrschung von Prozessen, die sich praktisch nicht mehr aufhalten lassen.

Es gibt keinen Knopf, den man drücken, oder eine vom Verstand geleitete Gruppe von Menschen, die dafür sorgen könnte, einen im Gang befindlichen nuklearen Zerfallsprozess aufzuhalten. Bisher wurde das auch nur indirekt getan, in dem man die Unterbrechung der Kettenreaktion durch automatische Abschaltung der Reaktoren im Zuge des Erdbebens durch Kühlung der Brennstäbe erreichte. Diese Kühlsysteme sind nun ausgefallen und die durch den Zerfallsprozess entstehende Wärme wird nicht mehr sicher aus den Druckbehältern abgeführt. In diesen wird es somit immer heißer. Eine Kernschmelze, Feuer oder Explosionen sind die Folge.

Nun kann man da aber nicht einfach hingehen, die Tür des Behälters aufmachen oder, falls durch eine der oben genannten Szenarien bereits geöffnet, drüber fliegen, um von außen mit Wasser den Reaktorinhalt zu kühlen. Die radioaktive Strahlung macht solchen Verzweiflungsaktionen einen Strich durch die Rechnung. In Wahrheit ist man dazu verdammt, bei der Zerstörung der Anlage und der Verseuchung der Umgebung tatenlos zuzusehen. Alternativlos sozusagen. Doch gerade in dieser ausweglosen Situation tut man so, als könne man noch etwas retten oder gar die Kontrolle zurückgewinnen. Das ist eine Selbsttäuschung, die aber notwendig ist, weil das bisherige System der rücksichtslosen Verwertung menschlicher Abeitskraft und aller Lebensbereiche nichts mehr verachtet als die Tatenlosigkeit und das Versagen vor Ort.

Da regt sich zum Beispiel ein ARD-Reporter im noch sicheren Tokio darüber auf, dass den Kraftwerksarbeitern entgangen war, dass die Reaktorkerne buchstäblich austrockneten, weil die Pumpen nicht funktionierten oder dass es zu einem Brand im Lagerbereich für alte Brennstäbe kam. Gern beschreibt man das dann als Zeichen für Inkompetenz oder chaotische Zustände, die dem Ordnungsdenken zutiefst widersprechen.

Den Untergang hat man geordnet und pflichtbewusst zu gestalten. Da kennt sich der Deutsche besonders gut aus. Bei uns hätte es das wohl nicht gegeben?

Sehr richtig. Bei uns werden Vorfälle in den sichersten Atomkraftwerken der Welt lieber vertuscht. Die oberste Atomaufseherin des Landes Baden-Württemberg, Umwelt- und Bahnhoftieferlegungsministerin Tanja Gönner ist diesbezüglich in arge Erklärungsnot geraten. Aber das ist nur ein weiteres Symptom für den Zerfall einer demokratischen Fassade, deren Einbruch spätestens mit dem Finanzmarktdesaster deutlich sichtbar geworden ist.

Die Finanzkrise ist ebenfalls außer Kontrolle, weil den gewählten Volksvertretern die Vertretung mächtiger Partikularinteressen näher liegt, als die Interessen der Mehrheit der Gesellschaft, die weder Anteile einer Bank, ein Hotel noch ein Atomkraftwerk besitzen.

Die teure Rettung von Banken und ganzen Staaten sowie die gleichzeitige Beschenkung einer wohlhabenden Klientel geraten auch außer Kontrolle, weil es nichts mehr gibt, das man von den ärmeren, den Verlieren und der gleichfalls zerfallenden Mittelschicht holen kann, um es nach oben umzuverteilen. Die Frage ist halt, ob die Spaltung der Gesellschaft in viel arm und weniger reich auch zu einer Überhitzung und zu einem vermehrten Druckaufbau führen wird, an dessen Ende zwangsläufig die Explosion steht.

Umstürze und Veränderungen sind nicht neu, sie hat es immer und überall auf der Welt gegeben. Gerade konnte man das und man kann es noch immer im arabischen Raum beobachten. Neu aber ist die Gleichzeitigkeit, mit der Veränderungen auf der ganzen Welt wahrgenommen werden. Als die Titanic im Jahr 1912 unterging, war das ein Schock für die bürgerliche Gesellschaft, nicht aber für die Chinesen, Afrikaner oder Araber. Die bekamen davon nämlich gar nix mit.

Als die Titanic sank, endete das long century, das lange 19. Jahrhundert, das bürgerliche Jahrhundert, in dem für den Menschen in Europa und Amerika alles möglich, machbar und vor allem beherrschbar war. Der Untergang der Titanic war eine Zäsur, die das bürgerliche Selbstverständnis der technischen Überlegenheit tief erschütterte. Später in den Schützengräben des ersten Weltkrieges wurden die Reste dann über alle gesellschaftlichen Gruppen und Nationalitäten hinweg regelrecht niedergemäht.

Der technische Fortschritt wie das Bestreben nach Perfektion sind als Fragmente der bürgerlichen Gesellschaft erhalten geblieben und zum Exportschlager geworden. Ohne technische Entwicklungen und Fortschritt kein wirtschaftliches Wachstum. Der zum Teil unerschütterliche Glaube an die Technik ist immer wieder spürbar und das Entsetzen über deren Versagen groß. Wenn nun in dem Hochtechnologieland Japan die angeblich so saubere Kerntechnologie versagt, so ist jetzt die gesamte Welt Zeuge und gleichermaßen betroffen wie auch geschockt.

Georg Schramm trat am Montag in Stuttgart bei den Gegnern des Bahnhofprojektes Stuttgart 21 auf und erinnerte mit Blick auf den 11. März 2011, dem Tag des Erdbebens in Japan, an den Historiker Eric Hobsbawm und dessen Einteilung der Epochen in long (19. Jahrhundert) und short century (20. Jahrhundert).

Es gibt einen berühmten englischen Historiker, Eric Hobsbawm, der sagt, Jahrhunderte beginnen nicht mit dem ersten Januar auf dem Kalender, sondern mit einem Ereignis, in dem das ganze Jahrhundert bereits thematisiert ist. (…) Der Beginn des 20. Jahrhunderta war für Eric Hobsbawm der Untergang der Titanic. Der Untergang der Titanic ist dem selbem Grundmuster gefolgt wie die Katastrophe in Japan – menschliche technische Hybris, die nicht im Dienst der Menschheit stand! – Georg Schramm

Quelle: le bohémien

Die menschliche technische Hybris, die nicht im Dienst der Menscheit stand.

Einen Satz, den man sich merken sollte. Schramm spricht von einem Wendepunkt, einer Wegmarke, die stellvertretend für das 21. Jahrhundert stehen könnte. Er spricht auch über den Protest und Stéphane Hessel, jenem französisch-deutschen Schriftsteller und Mitbegründer der Menschenrechtscharta, der vor kurzem mit seinem Manifest „Empört Euch! (Indignez-vous !)“ die Menschen dazu aufrief, Widerstand zu leisten.

„Neues schaffen, heißt Widerstand leisten und Widerstand leisten, heißt Neues schaffen!“

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Jetzt kommt alles auf den Prüfstand

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Die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verteilt nicht nur Garantien auf alle Spareinlagen, sondern nun auch ein Versprechen, dass die Sicherheit der Menschen oberste Priorität habe. In friedlicher Koexistenz mit den Atomkraftwerken sozusagen.

Es werde ein Moratorium für drei Monate geben. In dieser Zeit stehe alles auf dem Prüfstand. Aber nicht weil die Bundesregierung glaubt, dass es Sicherheitsrisiken gebe, die sehe man nämlich ausdrücklich nicht, sondern weil sich durch den Eintritt des unwahrscheinlichlisten aller Fälle in Japan, die Lage fundamental geändert habe. Leider höre ich an dieser Stelle kein Gelächter. Denn was ist an dieser Einsicht nun neu? Wenn der unwahrscheinlichste Fall aller Fälle, also das Restrisiko eintritt, ist der Schaden immer am Größten und steht in keinem Verhältnis zu dem geäußerten Quatsch, eine Brückentechnologie vorhalten zu müssen, um Versorgungssicherheit gewährleisten zu können oder angeblich etwas für den Klimaschutz zu tun. Das war vorher schon bekannt.

Es ist geradezu lächerlich, dass erst die atomare Katastrophe in Japan dazu führt, dass jene Debatte um die Sicherheit wieder aufgenommen wird, die bei der Verlängerung der Laufzeiten gar nicht ernsthaft von den Befürwortern diskutiert wurde, weil es für sie immer nur darum ging, die Gelddruckmaschinen zu erhalten, um den Profit der Energiewirtschaft nicht zu gefährden. Wessen enge oder gar engste Vertraute im Bundeskanzleramt ist denn vor nicht einmal drei Jahren an die Spitze des neuen Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft gewechselt?

Was soll jetzt in den Gesprächen mit den Betreibern herauskommen? Wartet die Bundesregierung etwa auf eine Textvorlage von der ehemaligen Staatsministerin im Kanzleramt, Hildegard Müller, der Frau Merkel dann fünf Uhr morgens am letzten Tag des Moratoriums zustimmen könnte? Wird die Bundesregierung im Gegenzug für Abschaltungen den Betreibern die Brennelementesteuer wieder erlassen? Wahrscheinlich nicht, denn inzwischen ist klar, dass die Abgabe eher wie ein Steuervorteil wirkt.

Wir leben auf einer Welt, meinte Merkel zu Beginn ihrer Ansprache, die sie wie immer vom Blatt ablas. Was für eine Erkenntnis. Vor der Sommerpause und, ich füge hinzu, nach den Landtagswahlen sollen Antworten präsentiert werden, ob die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke, die laut Bundesregierung ja außer Zweifel steht, verbessert, korrigiert oder was auch immer werden müsse.

Worüber muss eigentlich noch diskutiert werden?

Mich wundert in der Tat, dass noch darüber gestritten wird, wie man die nachweislich stattgefundenen Explosionen in einem Atomkraftwerk richtig zu deuten hat.

Da gibt’s nix mehr zu besprechen. Die atomare Katastrophe ist aus meiner Sicht längst eingetreten. Ich würde das eben nicht an Strahlenwerten, einer Kernschmelze, toten Menschen oder der Größe von Sicherheitszonen festmachen, sondern einzig und allein daran, dass die entsprechenden Reaktoren vollkommen außer Kontrolle geraten sind. Und das kann uns hier auch passieren. Da braucht nur ein Mensch zu versagen oder eben eine ganze Regierung, die sich jetzt wieder Zeit nimmt, um zu prüfen, bis sich die Aufregung gelegt hat.

Gibt es dafür eigentlich noch Personal? Ist die umfangreiche Prüfung und Aufarbeitung der Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg etwa schon abgeschlossen? Wie lautet das Ergebnis?

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Einfach sprachlos

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Angesichts der Ereignisse in Japan bin ich sprachlos. Ich vermag weder die zahlreichen Informationen zu verarbeiten geschweige denn zu ordnen, noch die richtigen Worte zu finden, um die typischen politischen Reaktionen zu kommentieren. Die Versuchung ist hingegen groß, die Naturkatastrophe und ihre Folgen zu benutzen, um die Bundesregierung vorzuführen. Das schaffen die aber im Moment ganz allein.

Dabei braucht es kein Erdbeben und keine explodierenden Atomkraftwerke, um zu begreifen, dass unsere Regierung abgrundtief schlecht und gefährlich ist. Letzte Woche fiel am Dienstag der Strom im Bundestag aus, am Mittwoch durfte man in Passau den Super-GAU vom CSU-Kraftwerk Seehofer erleben, bei dem ebenfalls sämtliche Kühlkreisläufe ausgefallen schienen und der dann, kurz vor der Detonation stehend, verkündete, bis zur letzten Patrone kämpfen zu wollen, um sein krankhaftes Weltbild zu verteidigen.

Wenn ich so etwas höre, brauche ich im Moment keine Merkel zu kommentieren, die angesichts der aktuellen Debatte um die Sicherheit von deutschen Atomkraftwerken ernsthaft meint, dass sie nicht einfach erklären könne, selbige seien unsicher. Das sei ja fatal, so Merkel beim Oberdeppen der ARD, der es natürlich unterließ, nachzufragen, für wen es denn so fatal sein würde?

Deppendorf hätte auch fragen können, ob sich Frau Merkel denn genauso sicher sei, wie damals in Morsleben, als sie als Bundesumweltministerin Atommüllfässer in ein marodes Salzbergwerk abkippte, das heute für rund 2,2 Mrd. Euro saniert werden muss.

Deppendorf hätte aber auch fragen können, ob sich Frau Merkel denn bei ihrer Einschätzung der Lage genauso sicher sei, wie bei ihrer noch gar nicht so lange zurückliegenden Beteuerung, den Euro-Rettungsschirm nicht aufstocken zu müssen.

Das alles macht mich irgendwie fassungs- und sprachlos. Ich begrüße aber ausdrücklich die Protestbewegung, die sich im Zuge der Katastrophe in Japan auch hierzulande wieder zu formieren beginnt. Eine Menschenkette gab es schon und nun sollen am Montag zwischen 18 und 18.30 Uhr deutschlandweit Protestaktionen stattfinden.
Quelle: Campact!

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