Eurobonds sind gerade “unpassend”

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Die Kanzlerin hat eine gerade wieder aufflammende Diskussion über Eurobonds als “unpassend” bezeichnet. Gemeinsame Anleihen würden keinen Anreiz mehr bieten, zu sparen und den Haushalt zu konsolidieren. Die Verschuldung würde also zunehmen. Dann hat sie auf dem Arbeitgebertag noch gesagt, dass die Frage einer “Haftungsgemeinschaft” erst am Ende der Krise beantwortet werden könne. Was heißt denn das?

Inzwischen sind die Kapitalmarktzinsen für südeuropäische Länder so hoch, dass diese sich aus eigener Kraft kaum noch refinanzieren können. Unterm Strich wird die Verschuldung dieser Länder weiter zunehmen, wenn sich nichts ändert. Nun gibt es ja diverse Sparprogramme und neue Regierungen, die bereit sind, eine rigorose Austeritätspolitik, in der Hoffnung, so das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, auch gegen den Willen des eigenen Volkes umzusetzen.

D.h. beim neuen Papa in Griechenland und beim Monti in Italien handelt es sich strenggenommen um Vertreter der Banken und des Großkapitals, die sich als eigenständige Klasse über die Ländergrenzen hinweg bereits vereinigt haben.

Jedenfalls ist an Griechenland sichtbar geworden, dass Sparprogramme in einer Wirtschaftskrise der Volkswirtschaft als Ganzes noch mehr Schaden zufügen und den Schuldenberg nur noch weiter anwachsen lassen. Wenn Frau Doktor Merkel nun also von einer Haftungsgemeinschaft am Ende spricht, sagt sie doch nur, dass Eurobonds natürlich eingeführt werden. Es gibt sie ja als Teil des ESFS auch schon. Irgendwann wird sie ihre Meinung mal wieder grundsätzlich ändern. Allerdings erst dann, wenn die Staatsschulden in den betroffenen Ländern noch weiter gestiegen sind.

Die Krisenstrategie der Kanzlerin ist wirklich beeindruckend. Wer die Verabredungen im Euroraum nicht einhalte, müsse mit einem automatisiertem Durchgriffsrecht rechnen, sagt Merkel. Das gelte natürlich nicht für Deutschland, das mit seinen permanenten Bilanzüberschüssen auch ganz klar gegen die Verabredungen im Euroraum verstößt. Doch Bundesfinanzminister Schäuble habe eine Strafe gegen den “Exportsünder” Deutschland auf EU-Ebene verhindern können, hieß es zu Beginn der Woche.

Aus deutscher Sicht bleiben Überschüsse gut und Defizite schlecht. Dass ein Zusammenhang zwischen beiden besteht, wird der Öffentlichkeit weiterhin verschwiegen. Es wird nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet, dass Deutschland Wettbewerbsanteile zwingend abgeben muss, damit Länder wie Griechenland, Italien und Spanien aufholen können. Vielmehr wird behauptet, dass Deutschland seine Marktanteile behalten und alle anderen welche hinzugewinnen könnten. 

Ich weiß, es ist gerade “unpassend”, weil Medien und Umfragen die Merkel-CDU im Aufwind sehen, aber diese Regierung ist so unfassbar schlecht, und sie wird es auch bleiben, wenn Merkel so weitermachen darf wie bisher. Es ist schon bezeichnend, dass Frau Bundeskanzlerin unmittelbar bevor sie im Parlament ihren Etat verteidigen muss, zu den Arbeitgebern rennt, um sich öffentlich warmzureden. 

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Invisible Hand

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Eine neue Regierung darf nicht regieren, sondern bloß den Anschein von Demokratie wahren. Denn im Kern soll auch die neue das tun, was ihre Vorgängerin auch getan hat. Nämlich sparen. Das gilt für Griechenland, Italien und Spanien. Alle drei Länder haben neue Regierungen, die allesamt freudig begrüßt worden sind. Sie sollen nun fortsetzen oder wahlweise auch verschärfen, woran ihre Vorgänger gescheitert sind.

Man kann die Heuchelei schon gar nicht mehr hören. Sie stinkt zum Himmel. Was soll sich ändern, wenn sich nichts ändert? Was soll sich an der Situation der Griechen, Italiener und Spanier ändern, wenn ihnen noch immer das Mantra des Sparens und einer wie auch immer gearteten Reformpolitik zur Auflage gemacht wird? Da quatschen vermeintliche Experten darüber, dass sich mit dem Wechsel in der Exekutive der Sparerfolg automatisch einstelle und die Wirtschaft schon an Fahrt gewinnen werde.

Dem traut man es zu, heißt es ahnungslos. Was traut man ihm zu? Das er die unsichtbare Hand zu führen vermag? Wenn der nur richtig spart und Reformen anpackt – wahrscheinlich die Staatsgewalt neu organisiert und gegen den Pöbel in Stellung bringt – dann wird auch wie von Zauberhand die Wirtschaft wieder wachsen. So unfassbar banal ist die Welt der durch Steuergelder finanzierten Weisen, Berater und Berufspolitiker.

Doch zunächst müssen alle bluten, weil nun einmal die Zeit der harten Einschnitte gekommen sei. Da sind sich alle Experten und medialen Mietmäuler und Nachbeter einig. Es gibt keine Alternative zum aktuellen Mainstream. Wer dagegen anschwimmt, ist schon verloren. Es wird nur keine unsichtbare Hand geben, die die vielen Einzelinteressen in das Wohl aller zu verwandeln vermag.

Sie wurde längst abgelöst. Und zwar durch den Knüppel einer herrschenden Kaste, die augenscheinlich keine Ketten mehr braucht, um jemanden zu fesseln. Man nimmt es hin oder klatscht Beifall. Was kümmert schon der eigene Schmerz, wenn der andere noch viel mehr leidet. Wie bequem für die herrschende Kaste, wenn sie auch den Knüppel nicht selbst zu schwingen braucht.  

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“Markt”News am Montagmorgen

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Ich war etwas erstaunt, als ich vorhin in den Nachrichten hörte, dass der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti unter Druck gestanden habe, eine neue Regierung zu bilden, weil heute die Finanzmärkte wieder öffnen. Bei Spiegel Online steht:

Ob die Märkte wirklich wieder Vertrauen in die italienische Regierung fassen, wird sich bereits am Vormittag zeigen. Mit Spannung wird der geplante Verkauf fünfjähriger italienischer Staatsanleihen erwartet. Die Regierung in Rom will im Volumen von drei Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Die Zeichnung der Scheine soll um elf Uhr enden.

Und ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht. Es scheint vollkommen normal geworden zu sein, die Abhängigkeit von den Finanzmärkten als gegeben hinzunehmen. Immerhin hat es die Demokratie wie auch die italienische Rechtsprechung  nicht vermocht, einen wie Berlusconi aus dem Amt zu jagen. Aber ist es nun beruhigend, dass die Finanzmärkte bestimmen, wer regiert und wer nicht (Welt: “Monti beruhigt die Märkte”?

Immerhin wurde es dem Bonsai-Duce noch gestattet, seinen Rücktritt an Bedingungen zu knüpfen, die auf dem Leipziger Parteitag der CDU und auch vom Garagenhofparteitag der FDP in Frankfurt eifrig beklatscht wurden. Das italienische Sparprogramm sieht nämlich unter anderem vor, das Renteneintrittsalter nach deutschem Vorbild zu erhöhen und öffentliches Eigentum zu privatisieren. Die Umsetzung weiterer neoliberaler “Erfolgsrezepte” ist geplant. Und das alles bei einem Wachstum von 0,1 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel:

“Auf dieser Grundlage hoffe ich, dass das Vertrauen in das Land Italien zurückkehrt, was dringend notwendig ist, damit wir insgesamt in der Euroregion eine Beruhigung bekommen.”

Die “marktkonforme Demokratie” habe ihre selbstreinigenden Kräfte und ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle dankte Berlusconi gar für die gute Zusammenarbeit. Auch er hält das Sparpaket für einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Europäischen Union. Und alle starren gebannt auf die Börsen und Kurse. Dabei hätte ein Blick auf Griechenland genügt, um zu begreifen, dass die aufgezwungene neoliberale Agenda grandios gescheitert ist. Griechenland steckt tief in der Rezession und Italien wird folgen, wenn es der Erpressung durch Merkel und die Finanzmärkte nachgibt.

Dann wird die deutsche Kanzlerin wahrscheinlich wieder nach einer Erhöhung der Dosis rufen und im Namen des Vertrauens der Finanzmärkte noch mehr Sparanstrengungen einfordern. Vielleicht ist das ja dann wieder die Chance für Berlusconi, der bereits angekündigt hat, der Politik erhalten bleiben zu wollen. Somit könnte Berlusconi schneller zurückkommen als manchem lieb ist. Fragen sie ihren Anlageberater.

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Georg Schramm in Frankfurt am Main und die Vorstellung eines etwas tiefer angesetzten Haircuts

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Schramm gab einen kleinen Hinweis an den Verfassungsschutz: Als Satiriker und Kabarettist, der als Pausenclown zwischen politischen Beiträgen eingeladen wurde, dürfe man durchaus darauf hinweisen, dass Frankreich in der Vergangenheit mehrere Staatspleiten hingelegt habe und immer wieder gut aus der Sache herausgekommen sei. Und zwar habe man alle verbliebenen Gläubiger, die noch übrig waren verhaftet und einen Kopf kürzer gemacht. Die Franzosen hätten damals noch die Vorstellung eines etwas tiefer angesetzten Haircuts besessen.

Großartig!

Der Exkurs über das Platzen der Tulpenzwiebelblase in den Niederlanden 1637 dürfe man ebenfalls nicht als Aufruf zur Gewalt missverstehen. Damals hätten wie heute die Banker und Spekulanten bei der Regierung um Hilfe ersucht und das damals wie heute damit begründet, dass ein Nichteingreifen des Staates zu einem schweren Zusammenbruch Mitteleuropas führen würde. Daraufhin habe sich die Regierung erschrocken 24 Stunden zwecks Beratung zurückgezogen und schließlich verkündet, dass die Tulpenmanie vergleichbar mit einem krankhaften Fieber wäre. Und für Fieber sei nicht der Staat zuständig, sondern der Arzt.

Damit zeichnete Schramm nach eigener Aussage auf, dass sehr wohl Alternativen zum alternativlosen Getue der heutigen Regierungen bestünden. Das Platzen der Tulpenblase zog keine gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen nach sich, weil sich der Handel mit den begehrten Zwiebeln ausschließlich zwischen den wohlhabenden Schichten abspielte. Damals haben sich dann auch diese Spekulanten vor Pferdekutschen geworfen, um sich das Leben zu nehmen. Das sei durchaus begrüßenswert und tauge auch für die Gegenwart.

Ganz ohne satirischen Unterton verwies Schramm in seiner Rede auf die tatkräftige Mithilfe des bürgerlichen Lagers in Deutschland bei der Abschaffung der demokratischen Grundrechte im März 1933, als deutsche Antwort auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Dagegen stellte er die Antwort der Amerikaner mit Roosevelts New Deal Act. Das ist spannende Aufklärungsarbeit eines Kabarettisten, der eine politische Botschaft formuliert.

Dass Faschismus, Nationalsozialismus und der New Deal eine entfernte Verwandtschaft besitzen, weil man sie als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise begreifen muss, hat schon der großartige Wolfgang Schivelbusch beschrieben. Georg Schramm hat aber pointiert herausgearbeitet, dass das deutsche Bürgertum einmal mehr im Weberschen Sinne versagt hat und lieber einen rechten Schlägertrupp engagierte, als die Wohlhabenden und Mächtigen, die Max Horckheimer als “Rackets” beschrieb, in die Pflicht zu nehmen.      

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Irrtümliche Systemstörung

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Angela Merkel hat den Rumänen gestern ihre Hochachtung mit Blick auf deren Haushaltskonsolidierung und Reformanstrengungen ausgesprochen. Das Land will nun in den Euro, doch die Kanzlerin wiegelt vorerst ab:

Merkel sagte, sie habe «allergrösste Hochachtung», dass Rumänien so hart an der Haushaltskonsolidierung arbeite. «Auf die Dauer wird sich das auch für die Menschen in Rumänien auszahlen – aber ein leichter Weg ist es nicht.»

Quelle: NZZ

Man fragt sich bloß, welcher Weg der Kanzlerin vorschwebt. Der rumänische Staat ist gerade Mal mit 34,4 Prozent vom BIP verschuldet, Deutschland mit knapp 83 Prozent vom BIP. Die ursprünglich einmal eingeführte Maastricht-Grenze liegt bei 60 Prozent.

Interessant ist nun, dass Deutschland, obwohl deutlich höher verschuldet, fast gar keine Zinsen mehr auf neue Schulden zahlen muss und das Top-Rating AAA genießt. Die Rumänen müssen dagegen für die eigenen Obligationen mit die höchsten Zinsen innerhalb der Europäischen Union berappen (weit über 7 Prozent), falls sie ihre Anleihen überhaupt loswerden mit dem Rating BBB.

Woran liegt’s?

An der öffentlichen Verschuldung, wie vielfach behauptet, kann es ja nicht liegen. An Nokia übrigens auch nicht. Die haben sowohl Deutschland als auch Rumänien den Rücken gekehrt, als die staatlichen Bestechungsgelder, pardon, Subventionen aufgebraucht waren. In der Realität gibt es keine Staatsschuldenkrise, sondern eine seltsame Systemstörung, bei der deutsche Schulden gut sind und die der anderen nicht.

Die Absurdität des Finanzsystems konnte gerade gestern wieder studiert werden. Ein angeblich technischer Defekt habe bei der Ratingagentur Standard & Poor’s dazu geführt, dass Abonnenten eines Newsletters fälschlicherweise über die Herabstufung Frankreichs informiert wurden. Folglich reagierten die Börsen.

In den Nachrichten heißt es nun, dass es sich um eine irrtümliche Herabstufung handele. Dabei ist doch nur die Mitteilung irrtümlich versendet worden. Irgendein Analystenhirn muss aber den Inhalt der Nachricht bewusst verfasst haben. Möglicherweise war ein anderer Zeitpunkt für den Rundbrief vorgesehen und der eifrige Mitarbeiter hatte statt auf speichern, versehentlich auf senden gedrückt.

Wie gut, dass die jugendlichen Schnösel in den Ratingagenturen nicht auch an den Schaltpulten militärisch relevanter Raketenabschussanlagen sitzen. Man stelle sich nur vor, im kalten Krieg hätte ein Soldat irrtümlich auf den roten Knopf gedrückt und die Regierung hinterher von einem technischen Defekt gesprochen. Die Märkte hätte das wahrscheinlich beruhigt. Nur wäre keiner mehr da gewesen, den das hätte interessieren können.

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Der Papa wird’s schon richten

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Papademos soll Papandreou ablösen. Irgend ein Papa wird’s schon richten. Vorzugsweise ein Banker, dem die Märkte vertrauen. Interessanterweise gilt der neue Papa als Vorzeigemensch und Finanzexperte. Letzteres ist sogar durch hohes Ansehen dokumentiert. 

Papademos

Quelle: Tagesschau (21:45 Uhr, 10.11.11)

Allerdings fehlt an dieser Stelle auch bei der ARD die Erklärung, warum seine Beteiligung am Beitritt zur Eurozone ihm nicht als Makel ausgelegt wird, sondern offenbar als Qualifikationsnachweis. Gehört es doch inzwischen zum schlechten Ton, Griechenland permanent vorzuwerfen, sich den Euro mit falschen Zahlen erschlichen und sich somit in den exklusiven Club hineingemogelt zu haben. Feynsinn stellt die Fragen, die deutschen Qualitätsjournalisten offenbar nicht einfallen wollten.

Wäre es nicht angebracht, an dieser Stelle aufzumerken und die eine oder andere Frage zu stellen? Was wusste Herr Papademos über den Zustand der griechischen Wirtschaft und des Staatshaushalts vor der Euro-Einführung? Kannte er die Lage? Wie konnte es dann zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kommen? Oder wusste der Mann nichts von der realen Lage? Was taugt er dann? Und was ist das für eine “Demokratie”, wo einer die Regierung führt, der ganz offensichtlich andere Interessen vertritt als die seines Volkes?

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Fundstück: Jauch(e) im Ersten

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Heute Morgen bin ich über die Seiten des Handelsblattes gesurft und, mir die Augen reibend, auf folgende Meldung gestoßen.

Jauch-Talk

Quelle: Handelsblatt

Ich dachte zunächst, mit Jauch im Ersten gehe es nicht mehr lange gut. Dann musste ich aber zu meinem Bedauern feststellen, dass der Satz aus dem Off auf die Lebensrealität einer griechischen Familie gemünzt war, die trotz qualifizierter Ausbildung, nicht mehr wisse, ob sie eine Perspektive habe oder nicht.

Lustig ist in diesem Zusammenhang der zitierte Satz, von der als Wirtschaftsjournalistin bezeichneten Anja Kohl (die Frau hat Germanistik, Publizistik und Politikwissenschaft studiert), die eigentlich bloß den Börsenquatsch im Ersten moderiert. Sie habe gefragt:

„Wer soll denn in Zukunft die Staaten finanzieren?“ – kein privater Investor sei bald mehr bereit, das Risiko zu tragen.

Schöner kann man die eigene Inkompetenz nicht in Worte fassen. Frau Kohl hält sich und ihr Tun noch immer für etwas Besonderes, hat aber überhaupt keine Ahnung. Die Frage müsste nämlich lauten: Wen sonst, als die Staaten, sollen private Investoren finanzieren? Die Bewohner des Mondes oder des Mars? Hätte sie etwas von Marktwirtschaft verstanden, wüsste sie auch, dass der Staat in diesem System als Akteur auf den Finanzmärkten eine ganz zentrale Rolle spielt. Ohne ihn als Schuldner funktioniert der ganze Kapitalismus nämlich nicht.

Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass trotz enormer öffentlicher Verschuldung die Anleihen der großen Wirtschaftsmächte USA, Deutschland und Japan nie so gefragt waren wie heute. Was reitet die Investoren da bloß? Vielleicht hat Frau Kohl das mit dem “Risiko” nicht richtig zu Ende gedacht und vergessen, die Spekulation als lohnendes Geschäftsmodell ihrer Zunft in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.

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Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

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Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

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Oettinger auf halbmast? Er hat doch gesündigt

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Vor kurzem wollte EU-Kommissar Günther Oettinger die Flaggen von Schuldnerländern vor EU-Gebäuden auf halbmast setzen lassen. Das hätte zwar nur Symbolcharakter, aber auch einen hohen Abschreckungseffekt, meinte der CDU-Politiker via Bild-Zeitung. Mit den Zahlen muss man es schließlich so machen, wie Oettinger zu seiner Regierungszeit in Baden-Württemberg. Einfach nicht kommunizieren.

Auf Oettingers Wunsch hin sollen die Ergebnisse zur Berechnung von Stuttgart 21 unter der Decke gehalten worden sein, weil diese dem politischen Gegner und der Öffentlichkeit nur schwer hätten vermittelt werden können. Die Rede ist von Kosten zwischen mindestens 4,9 und wahrscheinlichen 6,5 Mrd. Euro. So genau wollte es der damalige Ministerpräsident Oettinger dann gar nicht mehr wissen und ordnete an, dass weitere Berechnungen zu unterbleiben hätten.

Das alles will der Spiegel erfahren haben. Weiter unten im Bericht heißt es in einer Anmerkung der Redaktion:

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Regierung Mappus habe die Berechnung verheimlicht. Tatsächlich war es aber die CDU-Regierung unter der Führung des Mappus-Vorgängers Günther Oettinger. Wir haben den Text entsprechend korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.

In der Zeit als Oettinger Ministerpräsident war, hatte Mappus den Posten des CDU-Fraktionsvorsitzenden inne. Es ist schwer vorstellbar, dass der spätere Nachfolger Oettingers im Amt des Ministerpräsidenten, der seine Überzeugung für das Projekt S21 auch mit Gewalt durchsetzen ließ, keine Kenntnis von den Berechnungen der Beamten besaß.

Jedenfalls zeigt die Rechenpraxis unserer politischen Zahlenverdreher und Euroratgeber deutlich, dass einige es verdient hätten, persönlich auf halbmast gesetzt zu werden, um andere von einem ähnlichen Gebaren abzuschrecken. Ganz in Oettingers Sinne wäre das ja auch nur symbolisch gemeint.

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Wer sitzt am längeren Hebel?

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Diese Frage stellt sich, wenn man die Aussagen unserer Eurorettungsassistenten im Bundestag sortiert. Da heißt es einerseits, die Griechen hätten Vertrauen verspielt, weil sie mit dem bekannten “Winkelzug” das Volk in einer wichtigen Frage zu befragen, bloß Zeit schinden wollten. Die Griechen hätten die Geduld der Rettungsassistenten strapaziert, heißt es aus den hinteren Reihen von Union und FDP. Die gewonnene Vertrauensabstimmung habe noch keine Probleme gelöst.

Jetzt müssten zusätzliche Garantien her, an die weitere Hilfen geknüpft seien. Griechische Staatsunternehmen zum Beispiel könnten als Pfand hinterlegt werden. Andererseits behaupten dieselben Geister, dass eine Insolvenz Griechenlands gravierende Auswirkungen auf die ganze Welt haben würde und daher unter allen Umständen vermieden werden sollte.

Wenn das stimmen sollte, wieso sollte dann das griechische Volk darauf eingehen und sich Bedingungen diktieren lassen, wenn es die Welt in den Abgrund reißen könnte? Sitzt nicht der am längeren Hebel, der die Macht besitzt, über Wohl und Wehe aller zu entscheiden? Die Ankündigung, eine Volksabstimmung durchführen zu wollen, hat doch gezeigt, wie labil das marktgläubige System geworden ist, an dem alle hängen.

Ein Satz genügt, um die Welt der Gläubigen aus den Angeln zu heben. Die Frage ist doch wohl, ob es sich die Marktgläubigen leisten können, Hilfe zu verweigern, weil ihre Auflagen nicht umgesetzt werden. Darüber sollten die Griechen mal nachdenken, denen ja weitere Milliardengelder trotzdem  zugesagt wurden, obwohl sie nicht die Bedingungen von Troika, Schäuble, Merkel und Co. erfüllten. Je lauter politische Hinterbänkler aus Deutschland nach noch schärferen Vorgaben rufen, desto größer muss die Angst auf deren Seite sein, alles zu verlieren.

Und das man es der relativ kleinen griechischen Wirtschaft zutraut, die ganze Welt in den Abgrund zu reißen, zeigt doch nicht nur die Blödheit, mit der man es zu tun hat, sondern auch eine Möglichkeit, den Spieß nach Belieben umzudrehen und selbst Bedingungen zu stellen.

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