Während die EU Kommission und die meisten Mitglieder der Eurogruppe die aktuellen Vorschläge aus Griechenland als vielversprechend bewertet haben, wies Schäuble diese sichtlich genervt zurück. Am Ende hieß es plötzlich, die Zeit habe nicht ausgereicht, um zu prüfen. Die Uhren ticken komisch.
Seit Wochen und Monaten gibt es Streit um Reformlisten und einzelne Punkte, die Griechenland aus Sicht der Gläubiger unbedingt akzeptieren müsse, bevor weitere sogenannte Hilfsgelder fließen können. Seit Wochen und Monaten macht Griechenland Vorschläge, die wahlweise ignoriert oder als unzureichend zurückgewiesen werden. Gleichzeitig wird permanent der Eindruck erweckt, dass Athen liefern müsse und die Zeit dafür immer knapper werde. Die Ereignisse an diesem Montag beweisen aber einmal mehr, das die Gläubiger mehr an einer Hinhaltetaktik interessiert sind, als an einer konstruktiven Lösung der Krise.
Schäuble düpiert seine Mannschaft
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist an diesem Wochenende für seine Verdienste um die deutsche Einheit ausgezeichnet worden. Wie schräg mutet diese Ehrung doch an. Denn damals spielten Kosten bekanntlich keine Rolle. Heute jedoch gibt sich Schäuble als Zuchtmeister, der stur auf die Einhaltung zweifelhafter Regeln pocht und damit menschliches Leid und den Bruch der europäische Einheit billigend in Kauf nimmt.
Während die EU Kommission und die meisten Mitglieder der Eurogruppe die aktuellen Vorschläge der Griechen als vielversprechend zur Kenntnis genommen haben, wies Schäuble diese sichtlich genervt zurück. Ich kenne keine neuen Vorschläge, der Stand ist für mich derselbe wie am Donnerstag, so Schäuble vor dem angeblich so entscheidenden Treffen der EU Finanzminister an diesem Montag.
Der deutsche Finanzminister düpiert damit einmal mehr seine europäischen Partner, die im gleichen Team spielen wie er. Auch Kanzlerin Angela Merkel dämpfte erneut alle Erwartungen und bügelte die Liste mit Vorschlägen aus Griechenland vorsorglich ab. Die Woche habe noch viele Tage, sagte sie mit Blick auf das nächste Treffen der Eurogruppe am Donnerstag.
Tag der Enttäuschung
Die Medien nehmen es hin. Aus ihrem Tag der Entscheidung wurde mal wieder nichts. Das mit Spannung erwartete Sondertreffen der Finanzminister war rasch beendet, ohne gemeinsame Position. Angeblich habe die Zeit nicht ausgereicht, um alles durchzurechnen. Eine Schutzbehauptung, da die Meinungen in der Gruppe klar auseinandergehen.
Welchen Sinn hatte das Treffen überhaupt? Haben die Medien etwas falsch verstanden? Sind sie gar falsch informiert worden? Mit diesen Fragen befassen sich die meisten Journalisten aber gar nicht mehr. Sie sind längst dabei, die Sprachregelung der Bundesregierung folgsam zu übernehmen, statt sie für ihre Irreführung und ihre offen zur Schau getragene Verschleppungstaktik zu kritisieren.
In Wirklichkeit zeigt das ganze Theater erneut, dass es aus Sicht der Bundesregierung keine Eile zu geben scheint, obwohl sie seit Wochen und Monaten von nichts anderem als immer wieder ablaufenden Fristen redet. Das Schauspiel ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Im Gegensatz zu Griechenland sind es doch die Institutionen und vor allem Schäuble selbst, der kaum etwas Substanzielles zur Lösung der Krise beizutragen hat.
Vorschläge werden ignoriert
Der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi (Die Linke), hat am vergangenen Donnerstag unter anderem bemängelt, dass Vorschläge Athens zur Besteuerung der griechischen Oberschicht von den Verhandlungspartnern kaum gewürdigt würden. In der Öffentlichkeit werde stattdessen immer nur über Löhne, Renten und die Mehrwertsteuer geredet.
Doch wie können Millionäre und Milliardäre, die durch die Krise noch reicher geworden sind, damit zur Kasse gebeten werden? Wie kann man überhaupt an die Oberschicht herankommen, die ihr unversteuertes Vermögen gar nicht mehr in Griechenland, sondern beispielsweise in London legal Gassi führt? Denn dank der dort ausgeprägten Willkommenskultur, haben es Steuerflüchtlinge aus Griechenland ausgesprochen leicht und leben günstig, wie Report Mainz kürzlich berichtete.
Allerdings hört man keine mahnenden Worte der Institutionen oder aus Berlin an die Adresse David Camerons und seine Regierung, die doch offensichtlich dabei behilflich ist, ein sinnvolles Reformprogramm zu torpedieren. Ein Programm, das auch anderen europäischen Staaten gut zu Gesicht stünde und damit den europäischen Gedanken erneuern könnte, lehnen die Gläubiger ab. Sie bestehen darauf, dass erst das zu Ende geführt wird, was nicht funktioniert hat, bevor andere Optionen überhaupt erst geprüft werden.
Europa kommt voran
Denn nur das hat für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble offenbar Substanz. Er ist erst dann zufrieden, wenn das umgesetzt wird, was selbst Gerichte für verfassungswidrig erklärt haben. Ginge es nach Schäuble, so haben sich auch geltende Gesetze und Grundrechte den Regeln von Technokraten zu beugen, die sich keiner demokratischen Wahl zu stellen brauchen.
Mit dem europäischen Gedanken hat diese Lust an der Zerstörung und die Lust am Missbrauch mächtiger Institutionen nichts mehr zu tun. Vielleicht meinte Kanzlerin Merkel ja das damit, als sie im Bundestag am letzten Donnerstag erklärte: Seit Beginn der europäischen Staatsschuldenkrise verfolgt Deutschland ein klares Ziel: Europa soll stärker aus der Krise hervorgehen, als es in sie hineingekommen ist. Auf diesem Weg sind wir weit vorangekommen.
Europa ist weit vorangekommen beim Abbau der Demokratie. Nun hört alles auf Deutschland. Doch Merkel drückt sich, wie ihre Uhr beweist, die seit Monaten bei fünf vor zwölf stehend, doch immer wieder von Neuem abzulaufen droht. Und die Medien stehen staunend daneben und zählen wieder und wieder die allerletzten Sekunden.
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