Fakten und Regeln sind bei Hetzjagden egal

Geschrieben von:

Wer hat sich im Fall Edathy eigentlich nicht blamiert? Inzwischen ist der schwarze Hans-Peter zurückgetreten, nachdem die Mutti ein intensives Gespräch mit ihm am Telefon führte. Offensichtlich ging es dabei um einen neuen Job, denn Friedrich kündigte an: “Ich komme wieder!” Bei der Bahn dürfte diese Ankündigung für Aufregung sorgen. Die Schaffung eines weiteren Vorstandsposten droht. Was bleibt, sind die Widersprüche in den offen vorgetragenen Äußerungen von SPD-Spitzen und BKA-Präsident. Wer wusste was, zu welchem Zeitpunkt und ließ sich das Gewusste wie bestätigen, obwohl das rechtlich gar nicht erlaubt ist? Die Staatsanwaltschaft Hannover ist „fassungslos“ und hat weiterhin nichts Belastendes gegen Edathy in der Hand.

Die Behörde sieht sich vornehmlich als Opfer vieler undichter Stellen, aus denen Dienstgeheimnisse heraus getropft sein mussten. Nicht einmal die Post (ich weiß nicht welche) spielt mit, wenn ein Brief aus Hannover, am Freitag abgeschickt, erst am Mittwoch in Berlin beim Bundestagspräsidenten angekommen sein soll. Lustig ist aber, dass das Bekannte im Städtchen Rehburg der Staatsanwaltschaft in Hannover ebenfalls völlig fremd gewesen war. In dieser Woche soll sie nämlich einen Tipp bekommen haben, wonach Edathy auch ein Büro direkt neben der zuerst durchsuchten Wohnung unterhalte, weshalb sie dieses mit einem Richterbeschluss bewaffnet ebenfalls durchsuchte. Das sagt viel über die affektierten Ermittlungsmethoden aus.  

Hinzu kommt das verschwurbelte Amtsdeutsch, um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens im Nachhinein zu legitimieren. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, verwies darauf, dass das Bundeskriminalamt ja eine Kategorisierung bei kinderpornografischem Material vorgenommen habe. Eindeutige Fälle gehörten der Kategorie eins an, weniger eindeutige Fälle der Kategorie zwei. „Was Edathy zur Last gelegt werden kann, sind Bestellungen der Kategorie zwei“, so Fröhlich. Das heißt also, dass ihm gar nichts zur Last gelegt werden kann, wenn die weniger eindeutigen Fälle nicht zu eindeutigen Fällen hinführen. Es wird ja weiterhin nur vermutet, dass derjenige, der solches Material bestellt, möglicherweise auch im Besitz schlimmeren Materials sei, also die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten habe.

Verdacht ist nicht gleich Verdacht

Doch worauf gründet die Annahme, dass das im Fall Edathy zutrifft? Entweder gibt es einen Anfangsverdacht auf Besitz kinderpornografischen Materials oder nicht. Was die Staatsanwaltschaft Hannover, die vorgibt, nur Spezialisten zu beschäftigen, hier aber gemacht hat, sind Beweisermittlungsdurchsuchungen, sagt Monika Frommel, emeritierte Professorin für Strafrecht, im Deutschlandfunk. Das sei ein Verstoß gegen Grundrechte. “Ich kann nicht einfach, um einen Verdacht erst mal zu bekommen, in die Privatsphäre eindringen und dann auch noch unter Einschaltung der Presse. Das ist ja dann noch mal eine Stufe.”

Die Bemerkung ist interessant, weil sie den Blick auf die Medien richtet, die offenbar im Verbund mit den Sicherheitskreisen Informationen und wilde Spekulationen in die Öffentlichkeit getragen haben, über die sich ein Staatsanwalt, der ja Teil der Ermittlungsbehörde ist und nicht Teil der Justiz, dann auch noch beklagen kann. In meinen Unterlagen zum Verfahrensrecht für angehende Journalisten steht zu den Verdachtsarten.

Anfangsverdacht:

Voraussetzung für Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Für Anfangsverdacht genügt die auf Tatsachen gegründete Möglichkeit, dass eine Straftat vorliegt und der Verdächtige an der Tat beteiligt sein kann.

Handschriftlich habe ich hinzugefügt, dass der Anfangsverdacht in den seltensten Fällen berichtenswert ist, da rund 90 Prozent der Ermittlungsverfahren aufgrund dünner Faktenlagen wieder eingestellt werden. Eigene Recherchen des Journalisten wären notwendig. Über die Qualität dieser Recherchen ist schon einiges gesagt und geschrieben worden. Neben dem Anfangsverdacht gibt es aber auch noch den hinreichenden und den dringenden Tatverdacht, die beide eine ganz andere Qualität besitzen, im Fall Edathy aber überhaupt keine Rolle spielen.

Trotzdem erzählt der Leiter der Staatsanwaltschaft, dass Edathy grenzwertiges nicht indiziertes Material gekauft und sich dabei konspirativ verhalten habe. Damit erweckt die Behörde, die rein gar nichts in der Hand hat, dennoch den Eindruck eines höherwertigen Tatverdachtes. Er hätte ebenso korrekt und damit verständlich für alle sagen können, dass Edathy moralisch fragwürdige, aber vollkommen legale Bilder und Fotos gekauft hat, für die er ein eigenes Konto und eine eigene Email-Adresse verwendet hat. Mit den Zuspitzungen “grenzwertig”, “nicht indiziert” und “konspirativ” hilft er aber denjenigen, die mit Vorverurteilungen bereits um sich werfen. Diese scheinen auf einer soliden Grundlage zu stehen und niemand fragt sich mehr, ob es in Ordnung ist, jemanden strafrechtlich zu verfolgen, dem ein legales Verhalten vorgeworfen wird.

Eigene Spielregeln in Berlin

Festzustellen bleibt, dass jeder an dem Verfahren Beteiligte, seine Haut zu retten versucht. Was wir hier aber beobachten können, ist der Einsturz einer Fassade, hinter der Demokratie und Rechtsstaat nur noch vermutet werden können. Natürlich hat es eine Warnung an Edathy gegeben, weil die Clique im politischen Berlin zusammenhält und glaubt, in eigenen Rechtsräumen agieren zu dürfen, wie übrigens auch der Anruf des ehemaligen Richters und jetzigen SPD-Fraktionschefs Oppermann beim BKA-Präsidenten Ziercke beweist. Diese Leute brauchen sich auch nicht vor Strafverfolgung zu fürchten, weil sie dem Establishment bereitwillig dienen und eigene Spielregeln haben.

Deshalb hat Friedrich aus Sigmar Gabriels Sicht auch vollkommen richtig gehandelt, wie er im ARD-Brennpunkt sagt. Ihnen sei es nur darum gegangen, keine Ämter zu beschädigen und die Bildung der GroKo nicht zu gefährden. “Man würde Herrn Friedrich heute den Vorwurf machen, warum hast du damals nichts gesagt, bevor Menschen in ihre Ämter gekommen sind.” Das heißt, die SPD-Führung hat Sebastian Edathy ganz bewusst bei der Vergabe von Posten ausgeklammert. Gleichzeitig behauptet Gabriel aber auch, dass er, Oppermann und Steinmeier nicht mehr mit Herrn Edathy gesprochen hätten.

Es ist schwer zu glauben, dass ein Übergehen Edathys bei der Zusammenstellung des Personaltableaus stillschweigend vonstatten ging. Immerhin hatte sich der Mann als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses einen Namen gemacht. Möglicherweise hat sich ja Edathy die Stille gefallen lassen, der Rest der SPD aber bestimmt nicht. Vor allem aus Niedersachsen dürften Nachfragen gekommen sein, die sicherlich auch beantwortet wurden, was wiederum die Quelle erklären könnte, auf die der Redakteur der “Harke” Anfang der Woche stieß. Was dann aber folgte, war nicht weniger als eine Hetzjagd, die sich weder an Fakten noch an Regeln hielt.


Den Beitrag bequem ausdrucken unter:

http://storify.com/adtstar/fakten-und-regeln-sind-bei-hetzjagden-egal.html

3

Armseliges Schwarze Peter Spiel

Geschrieben von:

Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy haben inzwischen eine weitere absurde Stufe erreicht. Noch immer hat eigentlich niemand genaue Informationen, diese scheinen aber bereits lange vor den angeordneten Hausdurchsuchungen die Runde gemacht zu haben, was die Staatsanwaltschaft nun dazu veranlasst hat, politischen Volljuristen, besser wäre die Bezeichnung Vollpfosten, vorzuwerfen, sie hätten Geheimnisverrat begangen und damit die Ermittlungen behindert.

Thomas Oppermann, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel wussten über etwas Bescheid, über das sie hätten nicht Bescheid wissen dürfen, wenn ich es richtig verstanden habe. Den Fehler hat aber offenbar der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich begangenen, als er die SPD-Spitze über den Verdacht der Ermittlungsbehörden unterrichtete. Mit Unterricht kennt sich Lehrer Sigmar Gabriel aus, weshalb er die ungenaue, aber sensible Information an seine Parteikollegen didaktisch weitergab. Oppermann und Steinmeier sind wie Friedrich Volljuristen, haben bis auf Oppermann aber nie praktisch als solche gearbeitet.

Oppermann habe sich nach eigener Darstellung nun die ungenaue, aber brisante Information vom BKA-Chef Jörg Ziercke in einem Telefonat bestätigen lassen, was der gelernte Kriminalpolizist natürlich sofort dementierte. Er will sich am “Schwarze Peter Spiel” nicht beteiligen, schließlich gibt es den ja auch schon, den schwarzen Hans-Peter, der offenbar die Arschkarte nicht mehr loswerden wird. Ach, die Plaudertasche Hans-Peter Friedrich, der zur NSA-Affäre im Bundestag sagte: “Die Verschwiegenheit unserer amerikanischen Partner führt leider zu Verschwörungstheorien.”

Jetzt wissen wir auch, welche Themen für Friedrich in seiner Amtszeit wichtiger waren, als der NSA-Skandal oder das flächendeckende Behördenversagen im Zusammenhang mit den NSU-Morden. Wäre Friedrich schlau, würde er die Unterrichtung seines Hauses ebenfalls als Behördenversagen titulieren, ist doch für die Strafverfolgung nicht der Bundesinnenminister, sondern das Justizministerium zuständig. Als Minister des Innern hatte er sich allerdings um die Gefahrenabwehr zu kümmern. Diese Aufgabe hat er dann wohl auch erfüllt und die gerade im Entstehen befindliche Große Koalition, der alle erwartungsfroh zujubelten, vor Schaden bewahrt.

Zu Edathy selber, kann man immer noch nichts Genaueres sagen. Er soll gewarnt worden sein. Er soll Festplatten zerstört haben und er soll, laut Fernsehberichten (via Klaus Baum), ein lustbezogenes Verhältnis zum Leben gehabt haben. Klaus schreibt und zitiert treffend weiter: “Der Schwachsinn in dieser Gesellschaft besteht in ihrer an den haaren herbeigezogenen Kausalität, die keine ist.” Ich würde sagen, dass es einfach viel Sendezeit für wenige bedeutungslose Fakten gibt und zu wenig Sendezeit für viel wichtigere Themen, deren Fakten darauf warten, endlich einmal einem breiten Publikum mitgeteilt zu werden.


Beitrag bequem ausdrucken unter:

http://storify.com/adtstar/armseliges-schwarze-peter-spiel.html

0

"Embedded" journalism

Geschrieben von:

Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Zu diesem Zweck ist unter anderem eine Privatwohnung des Politikers im niedersächsischen Rehburg von der Polizei durchsucht worden. Mit dabei auch ein Redakteur der in Nienburg erscheinenden Zeitung „Die Harke“. In der Dienstagsausgabe veröffentlichte das Blatt Fotos von der Durchsuchung, die nicht nur aus Sicht des Betroffenen Edathy, sondern auch aus Sicht anderer Medienvertreter und des Journalistenverbandes als mindestens problematisch eingestuft werden. Zu Recht, wie ich finde.

Zunächst einmal erschließt sich mir der Informationsgehalt der geschossenen Fotos nicht. Eines der Bilder zeigt in Nahaufnahme die Wohnung des Verdächtigen. Kaffeemaschine auf der Küchenzeile und Bilder an der Wand sind deutlich zu erkennen. Die eigentliche Durchsuchung spielt sich unscheinbar im Hintergrund ab. Der verantwortliche Redakteur behauptet, die Wohnung des Politikers gar nicht betreten zu haben. Im Interview mit dem NDR gibt er an, das Foto von einem öffentlichen Zugang aus gemacht zu haben, welcher zu den einzelnen Wohnungen und an deren Fenstern vorbeiführe. Ob dieser Zugang öffentlich war, kann ich nicht beurteilen. Wenn er es nicht war, hätte der Redakteur vor dem Drücken des Auslösers die Erlaubnis des Eigentümers einholen müssen.

Unabhängig von der juristischen Frage, bleibt aber auch noch die Verletzung journalistischer Regeln. Hätte der Redakteur nur eine Außenaufnahme von dem Haus gemacht und eventuell von Ermittlungsbeamten, die hineingehen oder Kisten mit gesicherten Beweismaterial heraus tragen, niemand würde ihn dafür kritisieren. Er hätte seine journalistische Sorgfaltspflicht erfüllt und sachlich den Vorgang in Wort und Bild geschildert, der natürlich von öffentlichem Interesse ist. Die vorliegenden Fotos legen aber eher den Schluss nahe, dass der Journalist mehr oder weniger „embedded“ war und einigen mal zeigen wollte, was eine „Harke“ ist.

Inhaltlich erfährt der Leser nicht viel, da die Behörden auch nichts bestätigen, was die Journalisten ihnen als vagen Verdacht hinwerfen. Dennoch gilt Edathy schon jetzt als vorverurteilt. Irgendetwas muss ja dran sein an der Geschichte, wenn so viele darüber berichten. Dabei wird die Andeutung der niedersächsischen Zeitung derart aufgeblasen, das sie am Ende wie eine Tatsache erscheint. Der Redakteur, der sich auf eine anonyme Quelle aus Parteikreisen beruft, was sein gutes Recht ist, musste aber um die zerstörerische Wirkung seiner Berichterstattung wissen. Bei so einer dünnen Faktenlage hatte er eine Entscheidung zu treffen. Und zwar zwischen einer sachlichen Berichterstattung einerseits und dem publizistischen Voyeurismus andererseits.

So gesehen muss sich der Journalist, der glaubt, die Vorwürfe hätten sich inzwischen „bekräftigt“, auch die Frage gefallen lassen, vor welchen Karren er sich hat spannen lassen oder in welche Kampagne er womöglich eingebettet war.


Den Artikel bequem ausdrucken unter:

http://storify.com/adtstar/edathy.html

0