Der Blick von außen: “Germany Cuts Off Its Nose”

Geschrieben von:

Der NY-Times Kolumnist Joe Nocera wundert sich über den deutschen Selbstzerstörungstrieb in der Eurokrise.

Can’t the Germans see, one wonders from afar, that their economy was the great beneficiary of the bubble economy that caused Greece — and the other peripheral euro-zone countries — to get in over their heads, because they were buying German exports? Don’t they understand that their banks should share the blame for lending to countries that couldn’t repay the debts? Don’t they realize that the collapse of the euro zone — unthinkable a year ago; perhaps inevitable now — will hurt Germany much more than Greece? Other currencies will be devalued against Germany’s, making German exports more expensive. And German banks — woefully undercapitalized and stuffed with sovereign debt — will face a major solvency crisis when other sovereigns devalue or default. 

Quelle: NY-Times

Kurz übersetzt: “Sehen die Deutschen nicht, dass ihre Volkswirtschaft der größte Profiteur der griechischen, respektive südeuropäischen Blasenwirtschaft gewesen ist, weil diese Länder deutsche Exportgüter kauften? Verstehen die Deutschen nicht, dass beim Zusammenbruch dieser Länder die deutschen Geldgeber auf ihren Forderungen sitzen bleiben würden? Realisieren die Deutschen nicht, dass ein Kollaps der Eurozone sie am härtesten treffen würde, härter als Griechenland?

Diese Fragen sind vollkommen richtig gestellt. Weiter unten fasst Nocera die Logik der deutschen Krisenpolitik wie folgt zusammen. Es könne nicht sein, dass es Länder gebe, in denen keine Steuern bezahlt und die Menschen mit 50 in Rente gingen. Aus Sicht der Deutschen sei das unfair. Daher stünden die Deutschen überzeugenden ökonomischen Argumenten auch ablehnend gegenüber.

You would think that all of this would be obvious to the Germans. But it is not. Germany can’t get past the fact that it is being asked to bail out “club med” countries where no one pays taxes and everyone retires at the age of 50. From the German perspective, it doesn’t seem fair. And that overwhelms even the most powerful economic arguments that bailing out Greece and the other distressed countries also helps Germany.

Ich kann mich da nur wiederholen: Die Deutschen sehen lieber genüsslich dabei zu, wie ein anderer noch mehr leidet. Der eigene Schmerz in der Magengrube ist dann erträglicher, wenn der Grieche, Spanier oder Portugiese aber mal richtig eins auf die Mütze bekommt. Da hatte Merkel mit ihrem absurden Rentenvergleich (faule Südländer) schon einen Nerv getroffen, der potentiell dazu taugt, wie vor knapp 80 eine Volksgemeinschaft gegen alle Vernunft zu schmieden.

Als Reaktion auf die große Depression der 1930er Jahre engagierten die scheinbürgerlichen und ratlosen deutschen Eliten einen braunen Schlägertrupp. Daran sollte man sich gerade in diesen Tagen wieder erinnern.

4

Elite-Bonds für Elite-Birnen

Geschrieben von:

Da haben sich die Elitebirnen aus der Bundesregierung etwas Tolles ausgedacht. Statt gemeinsame Staatsanleihen einzuführen, sollen jetzt sogenannte Elite-Bonds, also gemeinsame Anleihen einiger weniger Euro-Staaten mit Tripple A Rating, beschlossen werden. Das sind dann wahrscheinlich jene ominösen „Stabilitätsbonds“, die Merkel unter Umständen bereit wäre zu akzeptieren. Eurobonds lehnt sie ja weiterhin ab, weil das „Anwerfen der Notenpresse“ die Stabilitätskultur Europas aushebeln würde.

Die Notenpresse bedienen, dürfen hingegen nur die Elite-Birnen aus den Chefetagen der Privatbanken, bei denen die Staaten dann als gewöhnliche Schuldner in Erscheinung treten. Künftig soll nun eine Merkelsche Sonderform von Eurobonds das Ruder herumreißen helfen. Dabei denkt Frau Merkel natürlich an ihr Image und ihre Umfragewerte. Bloß nicht zugeben, mit eigenem Zögern die Krise weiter verschlimmert und mit der Ablehnung von gemeinsamen Anleihen total falsch gelegen zu haben.

Die Wende kommt nun sehr schnell, weil die Zeit davonläuft. Rasch könnte den Tripple A Elite-Bonds die Geschäftsgrundlage entzogen werden, da Moody’s bereits die Bonität aller EU-Staaten in Zweifel zieht. Begründung: Institutionelle Schwächen.

Nun soll ja mit Fips, pardon, Jörg Asmussen ein deutscher Brandstifter, der sich seit Ausbruch der Finanzkrise mit dem Gewandt eines Euroretters tarnt, den Posten des EZB-Chefvolkswirts übernehmen. Er ist SPD-Mitglied und seit 2003 als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Hans Eichel, Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble für die Abteilung Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik zuständig.

Dabei hat er sich noch 2005 dafür eingesetzt, auf dem Finanzmarkt überflüssige Regulierungen abzubauen und den Ausbau des Verbriefungsmarktes voranzutreiben. Diese Punkte wurden nicht nur in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD aufgenommen, 2006 schriebt Asmussen zudem noch einen Aufsatz, in dem er schwärmerisch ausführt, warum Deregulierung und der Handel mit ABS-Papieren unverzichtbar sei.

Nun haben die Franzosen mit Benoit Coeure einen eigenen Kandidaten für das EZB-Direktorium nominiert, dem auch die Aufgabe des Chefvolkswirts zufallen könnte. Dieser Schachzug muss Merkel und Schäuble missfallen, da Coeure nicht nur der fachlich bessere Mann ist (umfangreichen Veröffentlichungsliste wirtschaftswissenschaftlicher Aufsätze und Bücher) und als akademischer Ökonom von Format gilt, sondern auch deutlich werden lässt, dass die Franzosen auf die EZB als letzte Instanz setzen wollen.

Nur sie allein kann soviel Geld in die Hand nehmen, wie nötig ist, um die Spekulation zu beenden. Mit dem in ökonomischen Fragen mittelmäßig begabten und überführten Erfüllungsgehilfen der privaten Banken Jörg Asmussen ist das mit Sicherheit nicht möglich. Er würde wie der scheidende Chefökonom Stark herumjammern und als weiterer Verfechter der Preisstabilität seine Isolation im EZB-Rat beweinen.

Da müssen sich die Elite-Birnen in Deutschland wie in Frankreich halt mal wieder etwas ausdenken, wie sie unter Wahrung ihrer jeweiligen Krisengesichter einen faulen Kompromiss erreichen. Am Ende kommt dann so etwas wie Elite-Bonds heraus, die keinem wirklich helfen, sich aber bestens als Verhandlungsmasse eignen, um dem Rest der EU die Zustimmung zu Vertragsänderungen abzupressen.

0

Warum grüne Flaschen wählen?

Geschrieben von:

Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht triumphierend durch Europa. Nach ihrem und Schäubles Willen soll Europa handeln. Am Ende könnte es so aussehen:

Schäuble zieht Merkel

Quelle: Mitternachtsspitzen (19.11.2011)

Es ist schon verrückt. Merkel will umgehend die europäischen Verträge ändern, damit diese auch zu ihrer Ankündigungspolitik der letzten Wochen passen. Die Grünen fordern derweil auf ihrem Parteitag in der Sparkassen-Arena in Kiel eine neue Verfassung für die Bundesrepublik, weil das Grundgesetz nicht mehr so gut zum Leitbild der Troika – Brüssel, IWF und EZB – passt, die als maßgebliche Kontrollinstanz auf die nationalen Haushalte Einfluss nehmen möchte. Der griechische Ex-Premier Papandreou klatscht dabei als Stargast artig Beifall und sieht rot-grün auf dem Vormarsch.

Man könnte auch sagen, die Grünen fordern eine neue Verfassung, weil sie es leid sind, ständig gegen das Grundgesetz verstoßen zu müssen. Möglicherweise könnte dann neben dem Dosenpfand auch der Plastiktütenaufschlag in das neue Regelwerk aufgenommen werden. 22 Cent mehr pro Säckchen schwebt den Ökoliberalen vor. Sollte das dennoch den Plastiktütenkonsum nicht mindern, will man sie verbieten.

Das könnte dem Deutschen aber gefallen, der sich auch nicht zu blöde ist, für das Dosenpfand mit Tüten voller Einwegflaschen vor speziellen Rücknahmeautomaten im Aldi Schlange zu stehen. Nein, er schraubt auch noch geduldig die Verschlüsse auf, um die durch Kälte deformierten Behältnisse wieder in Form zu bringen, damit der Automat das aufgedruckte Einwegsiegel auch erkennen kann. Übrigens ist die Mehrwegquote, die Umweltminister a.D. Trittin stabilisieren wollte, trotz oder wegen der Einführung dieses absolut hirnrissigen Dosenpfandes dramatisch zurückgegangen und der Absatz von Einwegverpackungen gestiegen.

Der Handel profitiert, weil er nicht eingelöste Pfandzahlungen behalten und zudem mit dem artig zurückgegebenen Plastikmüll ein lukratives Nebengeschäft betreiben kann. Bis zu 400 Euro pro Tonne zahlen die Chinesen für gepresste oder geschredderte PET-Flaschen. Im Reich der Mitte werden diese eingeschmolzen und zu neuen Polyesterfäden gesponnen, die dann wieder als Fleece-Pullis verarbeitet nach Deutschland zurückkehren. Mindestens die Hälfte der in Supermärkten zurückgegebenen PET-Pfandflaschen landen in Asien, weiß Greenpeace zu berichten.

Warum sollte der Deutsche grüne Flaschen wählen, wenn er sich dank Dosenpfand schon welche anziehen muss?

1

Anleger halten sich nie zurück

Geschrieben von:

Seit gestern heißt es auch für den deutschen Musterschüler, die Anleger halten sich zurück. Sogar von einem generellen Anlegerstreik war die Rede. Deutschland hatte Probleme Staatsanleihen am Finanzmarkt zu platzieren.

Doch ist es richtig, dass Anleger sich zurückhalten oder gar in einen Streik treten können? Nein. Kein Anleger kann das. Es widerspricht dem Wesen des Kapitalismus. Es ist immer wieder lustig, wie offenbar in den Köpfen das Bild von Dagobert Duck gepflegt wird, der sein Geld in riesigen Geldspeichern aufbewahrt und niemandem etwas abgibt.

Zur Grundbedingung des Kapitalismus gehört, dass Kapital angelegt werden muss. Selbst wenn es auf dem Sparbuch herumliegt, ist es angelegt. Kein Kapitalist hortet Geldbündel in seinem Keller. Die Amerikaner haben trotz hoher Schulden und einem Patt zwischen Konservativen und Demokraten kein Refinanzierungsproblem. Anleger nehmen sogar Verluste in Kauf (die Inflationsrate liegt mit über 3 Prozent höher als die Verzinsung 10-jähriger Bonds mit unter 2 Prozent), nur um amerikanische Staatsanleihen zeichnen zu können.

Wenn Investoren verunsichert sind, sind sie dennoch gezwungen, ihr Geld irgendwo anders anzulegen oder auszugeben, was wiederum einer Anlage in Sachwerten oder Konsumgütern entspricht. Wenn Europa nun immer unsicherer wird, steigt automatisch die Nachfrage nach Bonds anderer Währungsräume. Würde die deutsche Regierung mal kapieren, dass Anleger ihr Geld nur Staaten auf diesem Planeten verleihen können, weil die Bewohner des Mondes und des Mars noch keine attraktiven Wirtschaftsräume gebildet haben, müsste doch klar werden, dass ein gemeinsamer europäischer Anleihemarkt von großem Vorteil wäre.

Doch dagegen sträubt sich die gerade wieder in den Medien abgefeierte Krisenkanzlerin vehement. Die alberne Ablehnung von Eurobonds, die für jeden sichtbar das Verschuldungsproblem der Defizitstaaten aufgrund überhoher Risikoaufschläge nur noch weiter verschärft, schlägt sich nun auch auf dem deutschen Anleihemarkt nieder. So als wollten die Finanzmärkte sagen: Seid doch nicht so borniert.

Merkels Kompass führt geradewegs in die Isolation und, für Anleger wichtig, in den Abgrund. An einem Eurozonenkollaps haben selbst die Spekulanten, die auf Staatspleiten wetten, kein Interesse. Solange sichergestellt ist, dass die Milliarden fließen, kein Problem. Aber offenbar ist den Finanzmärkten bereits bewusst, dass weder ESFS mit oder ohne Hebel noch ESM ab 2013 den Kapitalbedarf decken können, wenn sich an den Zinsniveaus nichts ändert.

Gemeinsame Eurobonds sichern aus Sicht der Märkte ein Überleben der Eurozone. Mit 7 Billionen Euro wäre das Anleihevolumen vergleichbar mit dem des Dollarraums (10 Billionen Euro) und dem Japans (7 Billionen). Der sichere Währungshafen wäre wiederhergestellt und vor allem soviel Liquidität vorhanden, dass kein Spekulant, kein Investor und keine Ratingagentur mehr Geld aufbringen könnte, um die Bonität der gesamten Eurozone in Zweifel zu ziehen.

Das ändert nur nichts an den bestehenden Handelsungleichgewichten, deren Beseitigung oberstes Ziel sein muss. Behält Deutschland seine Überschüsse, behalten alle anderen auch ihre Defizite. Das muss klar sein. Falls nicht wäre der nächste Crash auch unter der Bedingung gemeinsamer Anleihen vorprogrammiert.

0

Eurobonds sind gerade “unpassend”

Geschrieben von:

Die Kanzlerin hat eine gerade wieder aufflammende Diskussion über Eurobonds als “unpassend” bezeichnet. Gemeinsame Anleihen würden keinen Anreiz mehr bieten, zu sparen und den Haushalt zu konsolidieren. Die Verschuldung würde also zunehmen. Dann hat sie auf dem Arbeitgebertag noch gesagt, dass die Frage einer “Haftungsgemeinschaft” erst am Ende der Krise beantwortet werden könne. Was heißt denn das?

Inzwischen sind die Kapitalmarktzinsen für südeuropäische Länder so hoch, dass diese sich aus eigener Kraft kaum noch refinanzieren können. Unterm Strich wird die Verschuldung dieser Länder weiter zunehmen, wenn sich nichts ändert. Nun gibt es ja diverse Sparprogramme und neue Regierungen, die bereit sind, eine rigorose Austeritätspolitik, in der Hoffnung, so das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, auch gegen den Willen des eigenen Volkes umzusetzen.

D.h. beim neuen Papa in Griechenland und beim Monti in Italien handelt es sich strenggenommen um Vertreter der Banken und des Großkapitals, die sich als eigenständige Klasse über die Ländergrenzen hinweg bereits vereinigt haben.

Jedenfalls ist an Griechenland sichtbar geworden, dass Sparprogramme in einer Wirtschaftskrise der Volkswirtschaft als Ganzes noch mehr Schaden zufügen und den Schuldenberg nur noch weiter anwachsen lassen. Wenn Frau Doktor Merkel nun also von einer Haftungsgemeinschaft am Ende spricht, sagt sie doch nur, dass Eurobonds natürlich eingeführt werden. Es gibt sie ja als Teil des ESFS auch schon. Irgendwann wird sie ihre Meinung mal wieder grundsätzlich ändern. Allerdings erst dann, wenn die Staatsschulden in den betroffenen Ländern noch weiter gestiegen sind.

Die Krisenstrategie der Kanzlerin ist wirklich beeindruckend. Wer die Verabredungen im Euroraum nicht einhalte, müsse mit einem automatisiertem Durchgriffsrecht rechnen, sagt Merkel. Das gelte natürlich nicht für Deutschland, das mit seinen permanenten Bilanzüberschüssen auch ganz klar gegen die Verabredungen im Euroraum verstößt. Doch Bundesfinanzminister Schäuble habe eine Strafe gegen den “Exportsünder” Deutschland auf EU-Ebene verhindern können, hieß es zu Beginn der Woche.

Aus deutscher Sicht bleiben Überschüsse gut und Defizite schlecht. Dass ein Zusammenhang zwischen beiden besteht, wird der Öffentlichkeit weiterhin verschwiegen. Es wird nicht einmal ein Gedanke daran verschwendet, dass Deutschland Wettbewerbsanteile zwingend abgeben muss, damit Länder wie Griechenland, Italien und Spanien aufholen können. Vielmehr wird behauptet, dass Deutschland seine Marktanteile behalten und alle anderen welche hinzugewinnen könnten. 

Ich weiß, es ist gerade “unpassend”, weil Medien und Umfragen die Merkel-CDU im Aufwind sehen, aber diese Regierung ist so unfassbar schlecht, und sie wird es auch bleiben, wenn Merkel so weitermachen darf wie bisher. Es ist schon bezeichnend, dass Frau Bundeskanzlerin unmittelbar bevor sie im Parlament ihren Etat verteidigen muss, zu den Arbeitgebern rennt, um sich öffentlich warmzureden. 

5

“Markt”News am Montagmorgen

Geschrieben von:

Ich war etwas erstaunt, als ich vorhin in den Nachrichten hörte, dass der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti unter Druck gestanden habe, eine neue Regierung zu bilden, weil heute die Finanzmärkte wieder öffnen. Bei Spiegel Online steht:

Ob die Märkte wirklich wieder Vertrauen in die italienische Regierung fassen, wird sich bereits am Vormittag zeigen. Mit Spannung wird der geplante Verkauf fünfjähriger italienischer Staatsanleihen erwartet. Die Regierung in Rom will im Volumen von drei Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Die Zeichnung der Scheine soll um elf Uhr enden.

Und ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht. Es scheint vollkommen normal geworden zu sein, die Abhängigkeit von den Finanzmärkten als gegeben hinzunehmen. Immerhin hat es die Demokratie wie auch die italienische Rechtsprechung  nicht vermocht, einen wie Berlusconi aus dem Amt zu jagen. Aber ist es nun beruhigend, dass die Finanzmärkte bestimmen, wer regiert und wer nicht (Welt: “Monti beruhigt die Märkte”?

Immerhin wurde es dem Bonsai-Duce noch gestattet, seinen Rücktritt an Bedingungen zu knüpfen, die auf dem Leipziger Parteitag der CDU und auch vom Garagenhofparteitag der FDP in Frankfurt eifrig beklatscht wurden. Das italienische Sparprogramm sieht nämlich unter anderem vor, das Renteneintrittsalter nach deutschem Vorbild zu erhöhen und öffentliches Eigentum zu privatisieren. Die Umsetzung weiterer neoliberaler “Erfolgsrezepte” ist geplant. Und das alles bei einem Wachstum von 0,1 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel:

“Auf dieser Grundlage hoffe ich, dass das Vertrauen in das Land Italien zurückkehrt, was dringend notwendig ist, damit wir insgesamt in der Euroregion eine Beruhigung bekommen.”

Die “marktkonforme Demokratie” habe ihre selbstreinigenden Kräfte und ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle dankte Berlusconi gar für die gute Zusammenarbeit. Auch er hält das Sparpaket für einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Europäischen Union. Und alle starren gebannt auf die Börsen und Kurse. Dabei hätte ein Blick auf Griechenland genügt, um zu begreifen, dass die aufgezwungene neoliberale Agenda grandios gescheitert ist. Griechenland steckt tief in der Rezession und Italien wird folgen, wenn es der Erpressung durch Merkel und die Finanzmärkte nachgibt.

Dann wird die deutsche Kanzlerin wahrscheinlich wieder nach einer Erhöhung der Dosis rufen und im Namen des Vertrauens der Finanzmärkte noch mehr Sparanstrengungen einfordern. Vielleicht ist das ja dann wieder die Chance für Berlusconi, der bereits angekündigt hat, der Politik erhalten bleiben zu wollen. Somit könnte Berlusconi schneller zurückkommen als manchem lieb ist. Fragen sie ihren Anlageberater.

1

Irrtümliche Systemstörung

Geschrieben von:

Angela Merkel hat den Rumänen gestern ihre Hochachtung mit Blick auf deren Haushaltskonsolidierung und Reformanstrengungen ausgesprochen. Das Land will nun in den Euro, doch die Kanzlerin wiegelt vorerst ab:

Merkel sagte, sie habe «allergrösste Hochachtung», dass Rumänien so hart an der Haushaltskonsolidierung arbeite. «Auf die Dauer wird sich das auch für die Menschen in Rumänien auszahlen – aber ein leichter Weg ist es nicht.»

Quelle: NZZ

Man fragt sich bloß, welcher Weg der Kanzlerin vorschwebt. Der rumänische Staat ist gerade Mal mit 34,4 Prozent vom BIP verschuldet, Deutschland mit knapp 83 Prozent vom BIP. Die ursprünglich einmal eingeführte Maastricht-Grenze liegt bei 60 Prozent.

Interessant ist nun, dass Deutschland, obwohl deutlich höher verschuldet, fast gar keine Zinsen mehr auf neue Schulden zahlen muss und das Top-Rating AAA genießt. Die Rumänen müssen dagegen für die eigenen Obligationen mit die höchsten Zinsen innerhalb der Europäischen Union berappen (weit über 7 Prozent), falls sie ihre Anleihen überhaupt loswerden mit dem Rating BBB.

Woran liegt’s?

An der öffentlichen Verschuldung, wie vielfach behauptet, kann es ja nicht liegen. An Nokia übrigens auch nicht. Die haben sowohl Deutschland als auch Rumänien den Rücken gekehrt, als die staatlichen Bestechungsgelder, pardon, Subventionen aufgebraucht waren. In der Realität gibt es keine Staatsschuldenkrise, sondern eine seltsame Systemstörung, bei der deutsche Schulden gut sind und die der anderen nicht.

Die Absurdität des Finanzsystems konnte gerade gestern wieder studiert werden. Ein angeblich technischer Defekt habe bei der Ratingagentur Standard & Poor’s dazu geführt, dass Abonnenten eines Newsletters fälschlicherweise über die Herabstufung Frankreichs informiert wurden. Folglich reagierten die Börsen.

In den Nachrichten heißt es nun, dass es sich um eine irrtümliche Herabstufung handele. Dabei ist doch nur die Mitteilung irrtümlich versendet worden. Irgendein Analystenhirn muss aber den Inhalt der Nachricht bewusst verfasst haben. Möglicherweise war ein anderer Zeitpunkt für den Rundbrief vorgesehen und der eifrige Mitarbeiter hatte statt auf speichern, versehentlich auf senden gedrückt.

Wie gut, dass die jugendlichen Schnösel in den Ratingagenturen nicht auch an den Schaltpulten militärisch relevanter Raketenabschussanlagen sitzen. Man stelle sich nur vor, im kalten Krieg hätte ein Soldat irrtümlich auf den roten Knopf gedrückt und die Regierung hinterher von einem technischen Defekt gesprochen. Die Märkte hätte das wahrscheinlich beruhigt. Nur wäre keiner mehr da gewesen, den das hätte interessieren können.

1

Vermeintliche Heldengeschichte: Weidmann rettet Unabhängigkeit der Bundesbank

Geschrieben von:

Im Nachklapp des G-20-Gipfels wurde bekannt, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann den Zugriff auf deutsche Währungsreserven verhindert habe. Deutschlands Haftung für den Eurorettungsschirm sollte mittels einer Zweckgesellschaft, die im Namen des IWF auf die Reserven der Notenbanken aller Mitgliedstaaten hätte zugreifen dürfen, aufgestockt werden. Damit hätte die Unabhängigkeit der Bundesbank gelitten.

Weil aber diese Unabhängigkeit zum Dogma aller Marktgläubigen gehört – sie muss um jeden Preis verteidigt werden – hat der Bundesbankpräsident und Ex-Kanzlerinnen-Chefberater Jens Weidmann Alarm geschlagen.

Als EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Plan vortrugen, schlug Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Alarm. Nach SPIEGEL-Informationen alarmierte Weidmann Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dann erst teilte Merkel den Kollegen in Cannes mit, dass die autonome Bundesbank bei der Freigabe der Sonderziehungsrechte nicht mitmachen würde.

Zunächst einmal ist es sehr amüsant, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank offenbar an dem Verhältnis zwischen Merkel und Weidmann besonders erkennbar sein soll. Zweitens ist die sprichwörtliche Unabhängigkeit der Bundesbank keinesfalls sakrosankt, da sie lediglich durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das mit einfacher Mehrheit gekippt werden könnte. Drittens ist es ja gerade die dogmatisch beschworene Unabhängigkeit der Zentralbanken, die die Staaten dazu zwingt, sich dem Diktat der Finanzmärkte unterzuordnen.

Denn die Staaten übernehmen vollkommen irrational die Rolle gewöhnlicher Schuldner bei den privaten Geschäftsbanken, von denen sie sich gerade das Geld leihen, welches sich diese wiederum von den unabhängigen Zentralbanken erst besorgen müssen.

Was bei der Heldengeschichte um Weidmann mal wieder völlig vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die deutsche Regierung mit Händen und Füßen gegen eine direkte Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken wehrt. Und der einzige Grund, mit dem sie das tut, ist die absurde Warnung vor einer Inflation. Staaten dürfen niemals Hand an die sogenannte Notenpresse legen. Wenn es aber private Hände in Gestalt der Geschäftsbanken tun, ist das natürlich etwas anderes.

Irrigerweise glaubt die Politik in Deutschland noch immer, dass nur private Hände sinnvoll mit geliehenem Geld umgehen können und an der richtigen Stelle investieren würden. Die Realität zeigt aber, dass gerade nichts größer ist, als die Gefahr vor einer Rezession. Dank der Politik, die Sparprogramm um Sparprogramm erlässt und die Schuldenbremse für eine große Reform hält, wissen die privaten Hände gar nicht mehr, wo sie eigentlich noch investieren sollen. In der Realwirtschaft bietet sich keine Anlagemöglichkeit und selbst auf den Kapitalmärkten macht sich die Panik breit.

Es muss doch einen Grund geben, warum die Staatsanleihen der großen Wirtschaftsnationen gerade so begehrt sind, dass Bieter immer weniger Zinsen verlangen, bloß um den Zuschlag zu erhalten und Gläubiger eines Landes wie Deutschland, USA oder Japan zu werden, obwohl deren öffentliche Verschuldung weit über den Vorgaben liegt, die sich die Politik als Obergrenze gesetzt hat.

Seltsamerweise spielt dann auch die Unabhängigkeit der Zentralbank keine Rolle, wenn sie aufgrund der sich abzeichnenden volkswirtschaftlichen Abkühlung die Zinsen senkt, wie es der neue EZB-Präsident Draghi gleich nach Amtsantritt getan hat. Dann sprechen aber alle wieder von Inflationsrisiken, die mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nur wo soll so eine Inflation herkommen, wenn alle immer nur sparen und die Produktion von Waren und Dienstleistungen heruntergefahren werden muss, weil die Nachfrage wegbricht?

Natürlich liegt die aktuelle Teuerungsrate bei drei Prozent. Das ist verglichen mit den Lohnsteigerungen, die, wenn gewährt, darunter liegen auch ein Problem, weil die Kaufkraft immer weiter abnimmt. Von einer galoppierenden Inflation kann aber überhaupt keine Rede sein. Teurer werden zudem Waren, die auch nicht knapp, sondern der Spekulation auf den Märkten ausgesetzt sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen. Sie werden auch zunehmend interessanter, wenn die Investitionsmöglichkeiten in der realen Wirtschaft abnehmen und die Zockerei ohne Regeln oder Schließung des Finanzkasinos fortgesetzt werden darf.

Nur darüber spricht kein Mensch. Zu schön sind die Heldengeschichten um Weidmann, Merkel und Co.   

0

Wer sitzt am längeren Hebel?

Geschrieben von:

Diese Frage stellt sich, wenn man die Aussagen unserer Eurorettungsassistenten im Bundestag sortiert. Da heißt es einerseits, die Griechen hätten Vertrauen verspielt, weil sie mit dem bekannten “Winkelzug” das Volk in einer wichtigen Frage zu befragen, bloß Zeit schinden wollten. Die Griechen hätten die Geduld der Rettungsassistenten strapaziert, heißt es aus den hinteren Reihen von Union und FDP. Die gewonnene Vertrauensabstimmung habe noch keine Probleme gelöst.

Jetzt müssten zusätzliche Garantien her, an die weitere Hilfen geknüpft seien. Griechische Staatsunternehmen zum Beispiel könnten als Pfand hinterlegt werden. Andererseits behaupten dieselben Geister, dass eine Insolvenz Griechenlands gravierende Auswirkungen auf die ganze Welt haben würde und daher unter allen Umständen vermieden werden sollte.

Wenn das stimmen sollte, wieso sollte dann das griechische Volk darauf eingehen und sich Bedingungen diktieren lassen, wenn es die Welt in den Abgrund reißen könnte? Sitzt nicht der am längeren Hebel, der die Macht besitzt, über Wohl und Wehe aller zu entscheiden? Die Ankündigung, eine Volksabstimmung durchführen zu wollen, hat doch gezeigt, wie labil das marktgläubige System geworden ist, an dem alle hängen.

Ein Satz genügt, um die Welt der Gläubigen aus den Angeln zu heben. Die Frage ist doch wohl, ob es sich die Marktgläubigen leisten können, Hilfe zu verweigern, weil ihre Auflagen nicht umgesetzt werden. Darüber sollten die Griechen mal nachdenken, denen ja weitere Milliardengelder trotzdem  zugesagt wurden, obwohl sie nicht die Bedingungen von Troika, Schäuble, Merkel und Co. erfüllten. Je lauter politische Hinterbänkler aus Deutschland nach noch schärferen Vorgaben rufen, desto größer muss die Angst auf deren Seite sein, alles zu verlieren.

Und das man es der relativ kleinen griechischen Wirtschaft zutraut, die ganze Welt in den Abgrund zu reißen, zeigt doch nicht nur die Blödheit, mit der man es zu tun hat, sondern auch eine Möglichkeit, den Spieß nach Belieben umzudrehen und selbst Bedingungen zu stellen.

1
Seite 25 von 57 «...10202324252627...»