Seitenwechsler haben immer Konjunktur

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Die Kanzlerin hat sich schützend vor ihren Kanzleramtsminister von Klaeden gestellt und dessen Entscheidung, als Cheflobbyist zum Daimler-Konzern zu wechseln, demonstrativ verteidigt. Als Staatsministerin Hildegard Müller zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wechselte, 2008 war das, habe der damalige Koalitionspartner SPD auch nichts Anstößiges daran gefunden, so Merkel trotzig in Berlin. „Was damals galt, sollte auch heute gelten.“ Schließlich habe sie ja keinen Lobbyisten eingestellt, sondern einen Politprofi, gell.

Der Verweis auf den Wechsel Müllers ist natürlich taktisch klug von Merkel, um die keifenden Sozialdemokraten und Grünen, deren Ex-Minister und Abgeordnete nach der rot-grünen Ära reihenweise die Drehtür in die Wirtschaft nutzten, vorzuführen. Im Kern zeigt das Theater aber die infantile Arbeitsweise von Kanzlerin, Regierung und politischer Opposition. Natürlich ist der Vorgang anstößig, nur versucht die Kanzlerin das mit einem durchaus berechtigten Gegenvorwurf an die nicht minder korrupten Karrieristen aus der Opposition herunterzuspielen.

Die Begründung von Regierungssprecher und natürlich auch Seitenwechsler Seibert ist allerdings hanebüchen. Er behauptet in naiver Weise, dass der Staatsminister nie in Entscheidungen zur Autoindustrie involviert gewesen sei und für völlig andere Arbeitsschwerpunkte, etwa den Bürokratieabbau sowie die Bund-Länder-Koordinierung zuständig war. Ein klares Ablenkungsmanöver. Denn von Klaeden ist für Daimler nicht wegen seiner Arbeitsschwerpunkte interessant, sondern wegen seines Netzwerkes, das er als Abgeordneter des Bundestages seit 1994 und Mitglied des Bundesvorstandes der CDU aufbauen konnte.

Umgekehrt müsste man ja fragen, warum und durch was von Klaeden für einen hoch dotierten Posten bei einem deutschen Autobauer geeignet ist. Der Mann ist gelernter Parteisoldat mit Ausbildung zum Juristen, aber ohne Berufserfahrung, der seit fast 20 Jahren im Bundestag herum sitzt. In dieser Zeit hat von Klaeden sicher die ein oder anderen Kontakte knüpfen können, von denen Daimler gern profitieren möchte. Herr Seibert aber versucht die Leute für dumm zu verkaufen, während seine Chefin Merkel auf Verharmlosung durch kindische Vergleiche setzt.

Übrigens ist der ehemalige Pressesprecher der rot-grünen und Großen Koalition mit SPD Parteibuch, Thomas Steg, heute Cheflobbyist bei Volkswagen. Bei diesem Herrn habe ich mal versucht zu studieren, es aber nie geschafft, weil er für seine Funktion als Dozent an der Universität Hannover nie Zeit gefunden hat. Alle Seitenwechsler im Überblick finden sie sehr schön chronologisch geordnet bei Lobbypedia.

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Merkels geballte Fotoshow

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Die in den letzten Tagen und Wochen zusammen geknippste Fotoshow der Bundeskanzlerin ist heute Thema auf den NachDenkSeiten und bei Volker Pispers, der sich vor Schreck gleich mal in die Sommerpause verabschiedet.

Wenn man sich den Terminkalender der Kanzlerin so ansieht, meint Wolfgang Lieb, dann fragt man sich, wann die Kümmerin eigentlich noch Zeit hat, ihre Regierungsarbeit zu erledigen – das ginge eigentlich nur noch im Schlaf, so Lieb.

Doch wir wissen ja von den knallhart nachfragenden Brigitte-Redakteurinnen, dass die Kanzlerin kamelartige Fähigkeiten besitzt und schon mal eine Nacht durchmachen kann. Aber, und hier kommt Pispers ins Spiel, die Merkel würde sich niemals mit einem Fan-Schal erwischen lassen, bevor nicht klar ist, wer gewonnen hat. Was zählt, ist die Einschaltquote und natürlich die Beliebigkeit.

„Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial. Und das macht die CDU aus.“

Sie kann sich halt nicht entscheiden und trägt lieber die doppelte und dreifache Meinung mit sich herum, fordert von anderen aber, einen klaren Entschluss zu fassen. Die doppelte Staatsbürgerschaft lehnt sie zum Beispiel weiterhin ab, ist aber gleichzeitig für eine geistige Offenheit gegenüber Migranten. Offen müsse man auch mit Blick auf die Bedürfnisse der deutschen Automobilindustrie sein. Denn von großen schweren Fahrzeugen, die erwiesenermaßen die Luft verpesten, hängt die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ab. Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, jammert VDA-Präsident Matthias Wissmann, immerhin Ex-Bundestagsabgeordneter der CDU und zweifacher Bundesminister, der Kanzlerin in einem Brief vor, falls die geplanten CO2-Grenzwerte der EU Anwendung fänden. 

Und weil das so ist, wechselt nun auch der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, zum Jahresende als Cheflobbyist zu Daimler. Die Entscheidung sei ihm schwergefallen, schluchzt der Niedersachse ebenfalls in einem Brief an seinen Hildesheimer Kreisverband. Dabei setzt von Klaeden nur eine schäbige Tradition des munteren Bäumchen-wechsel-dich-Spiels fort, das freilich nach Korruption stinkt. Aber das wird auf dem nächsten Foto sicher wieder weggelächelt.

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Jubel in Leipzig und in Kassel

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Heute feiert die Sozialdemokratie ihren 150. Geburtstag und ein im Mai 2007 geborener Kläger vor dem Bundessozialgericht einen Erfolg, der ohne die SPD nicht denkbar wäre. Dem inzwischen Sechsjährigen steht nämlich ein Jugendbett als Erstausstattung im Rahmen der in Leipzig noch einmal ausdrücklich von allen Seiten gelobten Hartz-IV-Gesetzgebung zu. Allerdings ist noch nicht klar, ob auch die Anschaffungskosten in Höhe von 272 Euro angemessen sind. Denn das muss nun jenes Sozialgericht entscheiden, das dem jungen Kläger zuvor die Bewilligung von Leistungen für ein “Jugendbett” mit Lattenrost auf Grundlage der in Leipzig noch einmal von allen Seiten so gelobten Hartz-IV-Gesetzgebung rechtswidrig versagt hatte.

Beim Festakt im Leipziger Gewandhaus spielen solche in der Sache und Juristerei widersprüchlichen Einzelschicksale freilich keine Rolle. Der 150. Geburtstag der “alten Tante” SPD wurde wie erwartet dafür missbraucht, um ein weiteres Mal die krachend gescheiterte Agenda-Politik als bahnbrechenden Erfolg zu würdigen.

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Hier ziehen der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und dessen heimliche Kanzlerkandidatin, die in Leipzig ganz selbstverständlich neben ihm in der ersten Reihe Platz genommen hatte, an einem Strang. Denn was der ganz links im Bild abgeschnittene Altkanzler Schröder begann, setzt Angela Merkel mit Hilfe von lauter Sozialdemokraten um sie herum in Europa und Deutschland auf brutale Weise weiter um. Sie alle wissen, was angemessen ist für Europa, Deutschland und vor dem Sozialgericht klagende Windelträger, die bis zu einer richterlichen Entscheidung längst aus Betten und knappen Regelsätzen hinaus- und in die von der SPD zu verantwortende Armut dauerhaft hineingewachsen sind.

Es braucht offensichtlich drei Jahre und mehrere Gerichte, um festzustellen:

Der Bedarf nach einem neuen Bett sei lediglich wegen des Wachsens des Klägers entstanden.

In diesem von Richtern formulierten einfachen und für jeden verständlichen Satz drückt sich der unbeschreibliche Erfolg der von allen Seiten so gelobten und einzig noch lebenden Agenda-Reform aus. Dafür hat die SPD 150 Jahre gekämpft. Chapeau.

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Deutschland kommt wieder zu spät

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Opportunismus umschreibt man neuerdings so:

„Frei von großen Visionen versuchte sie offenbar damals wie heute, kurzfristige Ziele innerhalb der gegebenen Strukturen zu verwirklichen.“

Die angeblichen Enthüllungen von Boulevard-Journalisten sind schon ziemlich lächerlich, aber die Debatte um Merkels Vergangenheit ist noch alberner. Uns sollte doch die Merkel der Gegenwart interessieren. Allein diese Erkenntnisse reichen schon aus, um sie aus dem Amt zu schreiben. Hier schauen die Medien aber ganz bewusst weg oder sehen in der Frau, die einst kurzfristige Ziele innerhalb der gegebenen Strukturen zu verwirklichen suchte als weitsichtige Krisenmanagerin.

Gerade heute ist das ganze Ausmaß des politischen Versagens Merkelscher Politik wieder sichtbar geworden, als die Nachricht die Runde machte, dass Portugal von der Troika dafür belohnt werden soll, weil es seine Rentner zu einer Sonderabgabe zwingt, Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst massenhaft entlässt und den Rest mit längeren Wochenarbeitszeiten beglückt. Dabei gilt der Kürzungskurs der Kanzlerin in Europa längst als gescheitert. Sogar auf der Ebene der G7 gibt es offen Streit über die richtige Wachstumsstrategie und vor allem Kritik an Deutschland.

Doch so offen diese Auseinandersetzung auch geführt wird, in Deutschland selber werden die Menschen damit nicht weiter belästigt. Stattdessen redet man hier über Merkels Vergangenheit und deren bescheidene Welt, die ihnen Brigitte liefert, fern ab von jedweder Realität. Es bleibt der Befund, Deutschland als Ganzes kommt mal wieder zu spät.

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Gedämpfte Erwartungen

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An diesem Wochenende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mal wieder Erwartungen gedämpft. Und dämpfen kann sie gut, denn in der Küche kennt sie sich aus, wie wir aus der Brigitte wissen (O-Ton: “Wenn ich im Kochtopf rühre, denke ich nicht jede Sekunde: Die Kanzlerin rührt im Kochtopf.”). Na ja wenn es anschließend schmeckt und der Ehemann auch von selbst mal etwas sagt, ist die Welt wohl in Ordnung. Politisch rührt Merkel allerdings so manchen Blödsinn an. So auch bei ihren gedämpften Aussichten den bevorstehenden Demografiegipfel der Bundesregierung am Dienstag betreffend.

Neun Arbeitsgruppen beraten da seit Herbst vergangenen Jahres über eine Strategie beim Thema Alterung der Gesellschaft. Ergebnis: Die Diskussion komme gut voran, aber:

Der Wandel habe „gewaltige Auswirkungen“, sagte die Kanzlerin. „Denn es geht nicht einfach nur darum, dass wir im Durchschnitt älter werden, sondern wir werden in Deutschland auch weniger werden, wir werden vielfältiger werden.“ Es handle sich um einen Wandel, „den wir in unserer Gesellschaft begleiten müssen“.

Quelle: stern.de

So gewaltig scheint der Wandel aber dann doch nicht zu sein, angesichts der konstanten Bevölkerungszunahme, die seit dem Jahr 2011 aufgrund steter Einwanderung zu verzeichnen ist.

Quelle: destatis

Die demografische Katastrophe scheint auszufallen, auch weil eine andere Katastrophe, ausgelöst von Angela Merkel, ihre Wirkung nicht verfehlt. Die schreckliche Krisenpolitik hat offenbar eine Wanderungsbewegung von Süd- nach Nordeuropa in Gang gesetzt. Damit konnten seinerzeit die Demografiepäpste um Meinhard Miegel und Bernd Raffelhüschen natürlich nicht rechnen, als sie im Auftrag der Versicherungswirtschaft das große Bevölkerungssterben bis 2060 voraussahen und der Politik erfolgreich empfahlen, allerhand Dämpfungsfaktoren in die gesetzliche Rentenversicherung einzubauen.

Noch immer rechnen alle Beteiligten mit der absurden Studie, wonach ein Fünftel der Deutschen ersatzlos verschwunden sein wird. Doch die aktuelle Zunahme der Bevölkerung widerspricht der Annahme und sogar eine Erholung der Rücklagen in der Rentenkasse wie zuletzt, führt nicht dazu, den bereits eingeschlagenen Irrweg (Rentenkürzung) zu verlassen. Es wird im Gegenteil munter weiter an der Zerstörung (Beitragssatzstabilität) einer funktionierenden Sozialversicherung gearbeitet.

In diesem Zusammenhang müsste man auch mit dem Märchen aufräumen, dass die Menschen immer älter würden. Das weiß man doch erst, wenn sie tot sind. Die Tatsache, dass viele Menschen aus den Jahrgängen 1920 bis 1940 heute noch leben, sagt nichts darüber aus, dass Menschen der Jahrgänge 1970 bis 2013 ähnlich lange oder noch länger leben werden. Vielmehr müsste man sich doch die Frage stellen, in wie weit sich unschöne Dinge wie Zuzahlungen, um sich den medizinischen Fortschritt leisten zu können oder die Interessen der Pharmaindustrie, die immer neue Pillen für neue Krankheiten oder umgekehrt erfindet, die Aussicht auf Altersarmut, Lebensmittelskandale, Bewegungsmangel, Umwelteinflüsse und der Verlust sozialer Standards auf die Lebenserwartung auswirken.

Doch auch über diese spannenden Fragen diskutiert der Demografiegipfel nicht. Mal sehen wie lange hinter verschlossen Türen gedämpft wird. Von der Kanzlerin wissen wir ja, dass sie kamelartige Fähigkeiten besitzt und schon mal eine Nacht durchmachen und am Morgen danach trotzdem fit ihre Hände zur Raute zusammenfalten kann.

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Das Zeitalter der politischen Wende

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Der Fall Hoeneß kam offensichtlich sehr überraschend für die Berliner Politik. Die einen zeigten sich menschlich enttäuscht, aber in der Sache wenig kompromissbereit und die anderen verwandelten die Vorlage aus Bayern souverän ins eigene Tor. In der Frage der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung bereitet Bundeskanzlerin Angela Merkel nun ihren nächsten Schwenk um 180 Grad vor. Nachdem CDU und FDP eine Woche lang auf das falsche Pferd gesetzt hatten, soll nun eine Arbeitsgruppe unter Wolfgang Schäuble das Umdenken organisieren. An Merkel wird wie immer nichts haften bleiben.

Nach dem Motto, mir nach, ich folge euch, fällt auch dieses Schauspiel unter das alte Schema des plötzlichen Kurswechsels. Die Liste der Kehrtwenden ist lang. Zuletzt plädierte Merkel für die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe. Die Schwenks in der Atompolitik, bei der Wehrpflicht, bei der Eurorettung oder beim Mindestlohn sind hinlänglich bekannt und haben der Kanzlerin nie geschadet. Es scheint so, als hätte Merkel die politische Wende von 1989, über die sie immer so gern erzählt, auf ihr Handeln als Regierungschefin einfach übertragen.

Natürlich sind die Kurswechsel nicht immer ernst gemeint, sondern folgen einem Plan zur Verbesserung des Images. Merkel musste vergangene Woche feststellen, dass nahezu alle Deutschen, mit Ausnahme derer, die ein Konto in der Schweiz haben, es nicht gut finden, wenn Steuerbetrüger straffrei ausgehen. Auf Dauer ließ sich also die bisher vertretene Position nicht aufrecht erhalten. Mit dem albernen Vorschlag, nun eine Arbeitsgruppe einzusetzen, gewinnt die Kümmerin mal wieder Zeit und sicherlich auch Ansehen. Die Tatsache aber, dass der Regierungssprecher, der ja für Merkel spricht und nicht für sich selbst, bereits kräftig auf die Bremse getreten ist und vor einem “Schnellschuss” warnte, fällt da nicht weiter ins Gewicht.

Es ist wie immer. Merkel täuscht an und alle fallen darauf herein. Denn warum sollte das Umdenken in einer ziemlich einfachen Frage Monate dauern und wahrscheinlich kurz vor der Bundestagswahl entschieden werden? Wahltaktik? Natürlich nicht. Der Grund ist banal. Die Abgeordneten, die ihren Verstand offenbar an der Garderobe abgegeben haben, müssen die internen Sprechblasenautomaten neu programmieren und Sätze erfinden, die das Gegenteil vom bisher Gesagten ausdrücken. Das dauert halt. Doch wenn die Führung eine andere Meinung vorgibt, muss man sich als gewissenhaft arbeitender Parlamentarier eben anpassen.  

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Meinungsforschende Widersprüchlichkeit

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Die Piraten spielen mit drei Prozent keine Rolle mehr, sagte der Chefanalyst für Umfragen in der ARD, Jörg Schönenborn, gestern in den Tagesthemen. Warum aber die FDP mit ihren vier Prozent immer noch eine Rolle spielt und, obwohl sie laut Umfrage nicht im Bundestag vertreten wäre, weiterhin einem klassischen Lager zugerechnet wird, bleibt mal wieder offen.

Auf der anderen Seite spielt die Linke bei den Rechenkünsten Schönenborns keine Rolle. Würde aber die Umfrage dem tatsächlichen Wahlergebnis entsprechen, gebe es eine klare Mehrheit links von der Union im deutschen Bundestag. Diese Tatsache wird Journalisten wie Schönenborn aber erst dann wieder interessieren, wenn das rechte Lager kurz vor der Wahl herumjammert und vor der betrügerischen Absicht der SPD warnt, ein linkes Bündnis der Verdammnis schmieden zu wollen.

Interessant war natürlich auch der gewachsene Abstand zwischen Merkel und ihrem Herausforderer Steinbrück. Bei der beliebten, aber völlig bedeutungslosen Frage nach einer Direktwahl der Kanzlerin oder des Kanzlers liege die Amtsinhaberin mit derzeit 35 Punkten so klar vor Steinbrück wie noch nie. Interessant ist das deshalb, weil sich auch 34 Prozent der SPD-Anhänger für Merkel als Regierungschefin entscheiden würden. Das zeigt die Eignung des SPD-Kandidaten einerseits, aber auch die Denkweise der verbliebenen SPD-Anhänger, die sich mit der Rolle des Juniorpartners in einer Großen Koalition unter Merkel schon wieder zufrieden geben würden.

Direktwahl

Der Deutschlandtrend der ARD steht unter der Überschrift “Der Stern der Kanzlerin strahlt wieder”. Merkel profitiert durch die Krise und Steinbrück könne mit innenpolitischen Themen nicht landen, lautet das Fazit. Was Schönenborn natürlich nicht nennt, ist die fortwährende Widersprüchlichkeit zwischen der beliebten Kanzlerin und der Missgunst, mit der die Bevölkerung der aktuellen Bundesregierung noch immer gegenübersteht.

Auf der Seite von infratest dimap mit den aktuellen Daten zum April findet man auch eine Grafik mit dem Titel Mehrheit gegen Fortführung von Schwarz-Gelb. In dieser Umfrage sprechen sich weiterhin über die Hälfte der Befragten für einen Regierungswechsel aus. Allerdings glaubt fast dieselbe Mehrheit, dies könne nur unter Führung der CDU/CSU gelingen. Da muss man sich als Demoskop doch an den Kopf fassen oder zumindest seine Umfragemethode auf Fehler hin untersuchen. Doch nichts dergleichen. Die gleiche Hälfte der Befragten darf auch über ungerechte Verhältnisse in Deutschland klagen. Wahrscheinlich glauben jene 50 Prozent auch, Merkel und ihre Partei gingen mit einem sozialdemokratischen Programm an den Start.

Die demoskopische Widersprüchlichkeit fällt wegen Unterschlagung nicht weiter ins Gewicht. Dafür werden die noch sinnfreieren Beliebtheitswerte von Politikern genüsslich präsentiert. Wer hat mit wem den Platz getauscht. Als ob das jemanden interessiert. Dabei würde man gern erfahren, warum 75 Prozent der Befragten meinen, dass der schlimmste Teil der Eurokrise noch komme, wenngleich 65 Prozent derselben Gruppe sagen, Merkel habe in der Krise entschlossen und richtig gehandelt. Doch auch hier überstrahlt der hellleuchtende Stern der Kanzlerin Wahrnehmung und Verstand.

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Rettung der aller letzten Gehirnzelle

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Heute Morgen ist Wolfgang Schäuble mit dem Satz zitiert worden, die Bundesregierung könne zufrieden mit dem sein, was auch immer da in der Nacht beschlossen wurde. (“Ich bin froh, dass wir jetzt das erreicht haben, was immer unsere Position war”, Quelle: SpOn) Kein Scherz. Die Meldung lief genauso in den Nachrichten auf NDR 2. Zuvor berichteten natürlich alle Medien total erleichtert vom völlig unerwarteten Ergebnis des Zypern-Gipfels in Belgien. Eine  Rettung in aller, aller, aller letzter Minute soll es gewesen sein. Wieder einmal hatten die “Euroretter” eine Nacht durchgemacht und… ja wie Schäuble offenbar gesagt hat, irgendwas beschlossen.

Euphorisierte Korrespondentinnen gaben im Radio sogar die aktuellen Zahlen von den asiatischen Börsen durch. Dort sei der Wert des Euro aufgrund der frohen Kunde aus Brüssel um einen Cent gestiegen und damit geradezu explodiert. Das ist immer noch kein Scherz, sondern tatsächlich so gesendet worden. Am Mittag wich die Euphorie allmählich dem Blick auf die Fakten. Der inzwischen wieder oder noch immer wache Schäuble antwortete bei einer Pressekonferenz auf die Frage, wie hoch denn nun die Beteiligung der Einleger sei, wie folgt: “Das muss erst noch berechnet werden.” Das ist immer noch kein Scherz, sondern tatsächlich so gesendet worden. 

Zwischendurch wurde noch bekannt, das die nationalen Parlamente dem sogenannten Zypern-Paket auch zustimmen müssen. Hier hat es Ultimatum-Schäuble aber plötzlich gar nicht mehr so eilig. Eine schnelle Zustimmung sei nicht nötig, wird er zitiert. Frau Merkel, die vor einer Woche die Zwangsabgabe auf alle Einlagen noch supi fand (“Ich finde, das ist richtig”), dann aber unbemerkt und ungestört abtauchen durfte, meldete sich wieder zu Wort und beschrieb das Wesen ihrer Rettungspolitik im berühmten einerseits, andererseits. Einerseits gebe es Auflagen und andererseits Solidarität. Das sei gerecht.

Das klingt nach einem fairen Deal. Immerhin haben die Deutschen Retter auch verhindert, dass die Zyprer im “Nervenkrieg” der letzten Woche vor lauter Verzweiflung ihren Rentenfonds plündern. Das übernimmt jetzt wie gewohnt die Troika mit ihrem sozialverträglichen Standardprogramm aus Ausgabenkürzungen und Privatisierungen. Freilich muss darüber noch in aller Ruhe verhandelt werden. Schließlich soll der zehn Milliarden “Hilfskredit”, der die Verschuldung des Landes mal eben auf 150 Prozent des BIP ansteigen lassen wird, bedient werden. Im Ergebnis dürfte aber das dabei herauskommen, was der Karikaturist Klaus Stuttmann auf einem Bild so wunderschön zum Ausdruck bringt.

Quelle: Stuttmann Karikaturen

Merkel, Schäuble und die Troika hoffen also erneut wider besseres Wissen mit einem zerstörerischen Maßnahmenbündel die eurorettungsbedingte Verschuldung Zyperns bis 2020 auf 100 Prozent drücken zu können. Der Plan hat allerdings weder in Irland noch in Portugal funktioniert, wie man unter anderem auf Querschuesse nachlesen kann.

“Der Fall Zypern zeigt, dass letztlich immer ein Grund gefunden wird, um das austeritätspolitische Konzept der Troika durchzusetzen, sobald Finanzhilfen des ESM und des IWF notwendig werden.”

Der verzückten Medienmeute sind diese Beispiele des Versagens bisher nicht aufgefallen. Den Journalisten fällt auch nicht auf, dass die EZB angesichts der Einigung, die im Detail noch immer nicht so ganz nachvollziehbar ist, wie Jens Berger auf den NDS aufgedröselt und herausgefunden hat, dennoch ganz rasch entschieden hat, wieder Geld nach Zypern zu schicken. “Es gebe keine Einwände gegen eine weitere Liquiditätsversorgung der Institute durch die zyprische Notenbank”, heißt es auf Tagesschau.de.

Das heißt wiederum, eine ernsthafte Pleitegefahr hat nie bestanden, da die Drohung der Zentralbank lediglich darin bestand, bei Verstreichen des Ultimatums einen Akt der Selbstverstümmelung vornehmen zu wollen. Demnach hätten die “Retter” auch irgendwas beschließen können, um die taktischen Bedenken bei der EZB zu zerstreuen.

Ich wundere mich nur, warum noch niemand auf die Idee gekommen ist, ein Endlager für die letzte Gehirnzelle in diesem Land zu suchen. Bevor der Verstand endgültig dahingerafft worden ist, sollte ein Rest an Wissen doch irgendwo sicher für die Nachwelt verwahrt werden.

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Jetzt ist Zypern dran

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Per Zwangsabgabe werden Zyperns Bankkunden zur Kasse gebeten. Dies haben die Finanzminister der Euro-Länder in der Nacht auf Samstag beschlossen. Demnach soll von jedem Konto, das einen Stand von unter 100.000 Euro aufweist, ein Sonderbeitrag von 6,75 Prozent abgezogen werden. Die Bankbesitzer bleiben ungeschoren und damit zeigen die marktkonformen Demokraten wieder einmal ihr hässliches Gesicht.

Natürlich beteuern die sogenannten „Euroretter“ die Einmaligkeit und, na klar, die Alternativlosigkeit des Vorgangs. Dabei wird auch bei diesem Schritt deutlich, dass die Interessen der Finanzwirtschaft Vorrang genießen. Alarmierend ist dabei die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande eines CDU-Parteitags in Grimmen. Sie ist plötzlich der Meinung, dass die Einleger der Banken einen Beitrag zur Rettung der Institute leisten müssten: „Damit werden die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen – und nicht nur die Steuerzahler anderer Länder – und ich finde, das ist richtig.“

Diese Äußerung ist an Dummheit und Fahrlässigkeit kaum noch zu überbieten. Beim Ausbruch der Krise sah sich die Kanzlerin mit ihrem damaligen Finanzminister Steinbrück noch genötigt, eine Garantie auf Spareinlagen abgeben zu müssen, um eine Panik bzw. einen Banken-Run zu vermeiden. Nun nimmt sie einen weiteren Vertrauensverlust in den Euro und das System der Banken, hier dem heiligen Einlegerschutz, aus opportunistischen Gründen billigend in Kauf. Der Run auf die Banken ist fest einkalkuliert und wird von den Instituten selber, die den Coup zusammen mit Brüssel ersonnen haben, mit einer Ausgabensperre beantwortet.

Auf Zypern werden nun primär einheimische Kunden zur Kasse gebeten. Die Mär von den russischen Oligarchen, die auf der Insel ihr Geld wuschen, ließ sich nie bestätigen. Die Bundesregierung wusste das von Anfang an und spielte dennoch auf Zeit, da Merkels Image eine weitere Baustelle in Europa gerade nicht gebrauchen konnte.

Dabei ist die Schieflage des zyprischen Bankensektors folgerichtig und reiht sich nahtlos in die katastrophale „Eurorettungspolitik“ ein.

Diese Krise ist eine Folge der verkorksten Griechenland-„Rettung“, insbesondere der beiden von Deutschland erzwungenen Umschuldungen. Aber davon will man in Berlin natürlich auch nichts wissen…

Quelle: Lost in EUrope

Der Schritt, die Kunden der Banken in die Pflicht zu nehmen, hat sehr viel mit der Verabschiedung eines weiteren „Rettungspakets“ durch die Parlamente anderen Euroländer zu tun. Im November hätte Merkel nicht schon wieder vor den Bundestag und das Wahlvieh treten können. Und auch jetzt wäre das erneute Werben um Milliarden Hilfen kaum vermittelbar. Daher muss die deutsche Regierungschefin ihr national-chauvinistisches Blatt weiter ausspielen und eine Gegenleistung der „Bittsteller“ vorweisen, sei diese auch noch so absurd, widersprüchlich und selbstzerstörerisch.

Den Stammtisch wird sie mit dieser Aktion vielleicht noch erreichen, doch die Folgen sind wie bei jeder ihrer Entscheidungen katastrophal. Bundesfinanzminister Schäuble nennt das beschlossene Programm für Zypern fair. „Wir müssen im Sinne einer fairen Lastenteilung Eigentümer, Gläubiger und Einleger an den Kosten der Banken beteiligen.“ Gleichzeitig muss das Land der Privatisierung von öffentlichen Betrieben und massiven Ausgabenkürzungen zustimmen. An dieser Stelle arbeitet die Troika, sollte sie das Mandat erhalten, wie gehabt.

Das heißt, durch die übliche Kürzungspolitik raubt man dem Land nicht nur die volkswirtschaftliche Existenzgrundlage, sondern stiehlt den Menschen, die mit Arbeitslosigkeit und niedrigeren Einkünften rechnen müssen, auch noch ihr gespartes Vermögen, obwohl sie das mit Sicherheit brauchen werden, um die Segnungen der „Eurorettungspolitik“ irgendwie überstehen zu können. Die menschenverachtende Politik zum Wohle der Banken kennt somit keine Grenzen mehr. Das ist die Botschaft die Merkel, Schäuble und die „Euroretter“ tatsächlich aussenden. Leider werden die Deutschen das brutale Vorgehen nur als allzu richtig empfinden. Denn von Agitation versteht die Kanzlerin etwas.

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Die Gaga Politik

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Kurz zusammengefasst, läuft der Wahlkampf im Augenblick ja so:

Union und FDP loben die rot-grüne Ära, weil unter Schröder die Agenda 2010 und zahlreiche Steuererleichterungen für die Kapitalseite beschlossen wurden. Dagegen sehnen sich SPD und Grüne augenscheinlich die Regierungszeit Helmut Kohls zurück, da während seiner Regentschaft ein aus ihrer Sicht sozialverträglicher Spitzensteuersatz von über 50 Prozent und die Vermögenssteuer gegolten haben.

Das ist aber noch nicht alles. Streitereien gibt es auch innerhalb der sogenannten politischen Lager. Die Gurkentruppe aus Union und FDP zankt sich zum Beispiel darüber, ob sie regieren oder weiter reagieren soll. Die Grünen verlangen eine Korrektur der Agenda 2010 und schlagen ein Sanktions-Moratorium vor. Das passt wiederum den Spezialdemokraten nicht. Sie sehen ihr wichtigstes „Reformprojekt“ der vergangenen 150 Jahre in Gefahr. Mit der SPD sei so etwas nicht zu machen, diktiert der SPD-Chef Sigmar Gabriel den Journalisten in den Block. Er weist auch die Behauptung Jürgen Trittins zurück, wonach die SPD während der rot-grünen Regierungszeit die Einführung eines Mindestlohns verhindert habe.

Nicht in die Irre führen lassen

Der Wähler sollte sich allerdings durch diese absurden Scharmützel nicht in die Irre führen lassen. Ihm muss klar sein, dass Union, FDP, SPD und Grüne trotz des öffentlich vorgetragenen Theaters in den wichtigen Fragen natürlich einer Meinung sind. Dazu gehört auch, das absurde deutsche Wirtschaftsmodell weiter zu verteidigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel tat das vergangene Nacht erneut auf einem Treffen der Eurozonen-Regierungschefs in Brüssel. Die Konferenz brachte natürlich keine Ergebnisse, dafür wieder einen Satz für die Nachrichten.

Schuld an der heutigen Arbeitslosigkeit in einigen Euro-Ländern sei eine über viele Jahre anhaltende Fehlentwicklung in der Produktivität und bei den Löhnen, sagte Merkel am Freitagmorgen. Sie meinte aber nicht die Fehlentwicklung auf deutscher Seite wie diese Grafik zur Performance der Lohnstückkosten eindrucksvoll belegt.

Entwicklung Lohnstückkosten
Quelle: Heiner Flassbeck via NachDenkSeiten

In dem Maße, wie die südeuropäischen Länder das Inflationsziel der EZB nach oben überschritten haben, hat Deutschland die Zielmarke deutlich unterschritten. Beide Verläufe hängen miteinander zusammen. Ohne diese Fehlentwicklung, und das ist der Witz, könnte sich Deutschland heute nicht als europäischer Musterknabe abfeiern lassen. Mit anderen Worten: Deutschlands Wirtschaftsmodell, an dem Merkel ja ganz klar festhalten möchte, braucht die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, um überleben zu können. Das heißt, dass der Export von Arbeitslosigkeit zum Mantra der deutschen Wettbewerbsfähigkeit hinzu gehört.

Wenn die Kanzlerin daran tatsächlich etwas ändern wollte, müsste sie eine Politik verfolgen, die den Abbau der Ungleichgewichte zum Ziel hat. Deutschland müsste seine Binnenkonjunktur durch höhere Löhne stärken und ganz gezielt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, um anderen Volkswirtschaften eine Chance zu geben, sich zu entfalten. Wer aber andere zu Kürzungsprogrammen zwingt und gleichzeitig die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit allen Mitteln verteidigt, der will auch in Zukunft seine Handelspartner über die Stellschraube Lohnstückkosten niederkonkurrieren. Wer so vorgeht, nimmt steigende Arbeitslosigkeit und Verschuldung billigend in Kauf.

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