Stratmann im Interview über die neue Super-Uni NTH

Geschrieben von: am 22. Nov 2008 um 17:59

Und schon wieder bin ich sehr enttäuscht über die Leistung der NP-Redakteure. Diesmal sind es Landespolitik-Redakteur Heiko Randermann und wie immer eigentlich Chefredakteur Harald John. In der Rubrik Interview, war diesmal Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann zu Gast. Man kann schon sagen, dass sich die beiden Fragensteller blamierten.

Thematisch ging es um das in der letzten Woche durchgedrückte Gesetz zur neuen „Super-Uni“ NTH (Niedersächsische Technische Hochschule). In diesem Verband vertreten, sind ab 1. Januar die Unis Hannover, Braunschweig und Clausthal. Die einzig kritische Frage dazu lautete sinngemäß, ob der Minister nicht fürchte, dass einer gegen das Gesetz klagen könnte. Kein was soll dieses Konstrukt überhaupt. Wofür braucht’s eigentlich eine Super-Uni. Aber diese Fragen mussten die stichwortgebenden Redakteure auch nicht stellen. Der Minister antwortete ja ausführlich mit den üblichen Platzhaltern, Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenz.

Die Konkurrenten säßen mit unter in Schanghai und Harvard, so der Minister. Selten so einen Müll gelesen. Aber den Redakteuren kam es anscheinend nicht befremdlich vor, dass Herr Stratmann einen Markt zu konstruieren versuchte, der in dieser Form jedenfalls gar nicht existiert. Es ist die Einbildung dieser Politiker, die glauben, die Hochschule müsse ihre nationale wie internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Und das kann sie nur, wenn sie nach betriebswirtschaftlichen Kritierien umgestellt würde. Die NTH ist so ein Konstrukt, das im Wettbewerb bestehen soll.

Warum fragen die NP-Leute nicht, was an der bisherigen Struktur aus Wettbewerbssicht falsch war. Werden niedersächsische Studenten etwa von den Unis in Schanghai oder Boston weggekauft? Wie sollte es überhaupt funktionieren mit einer Uni wie Harvard in Konkurrenz zu treten? Die haben so viel Geld, da träumt der Minister von. Harvard verfügt über ein Vermögen von 22 Mrd. Dollar und ein jährliches Budget im Milliardenbereich. Wie sollte da die neue NTH mithalten? Das ist doch abenteuerlich, was der Minister da erzählt. Der Gewinner der Exzellenzinititative der Bundesregierung erhält gerade mal 21 Millionen Euro.

Warum fragen die NP-Redakteure nicht nach diesem unsinnigen Verständnis von Wettbewerb und Konkurrenz? Warum fragen sie nicht nach dem Zerstörungswerk, das die deutsche Hochschulpolitik mit Konstrukten wie der NTH betreibt. Die wissenschaftliche Breite war immer das internationale Aushängeschild deutscher Hochschulen. Diese wird nun aber zu Gunsten eines zweifelhaften Wettbewerbsdenkens geopfert. Warum sind private Hochschulen in Deutschland eigentlich so kläglich gescheitert? Zum Beispiel die International University Bremen, die International University in Germany in Bruchsal, die European School of Management and Technology in Berlin, das Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT). Vielleicht, weil die öffentliche Konkurrenz besser war.

Warum sollte man also den Wettbewerb auch bei den staatlichen Unis einführen wollen? Vielleicht, weil man so besser Geld sparen könnte, das man in Sonntagsreden zum Thema Bildung großzügig ausgeben würde? Schade, dass Heiko Randermann und Harald John nicht in der Lage waren, diese kritischen Fragen zu stellen. Sie sollten eigentlich ein Interesse daran haben.

Wissenschaftsbereiche, die gemeinhin als unproduktiv gelten, werden gnadenlos optimiert. Als guter Wissenschaftler gilt man heute, wenn man es schafft, viele Drittmittel einzuwerben. Das spricht Bände. Immanuel Kant hat seinerzeit auf seinem Lehrstuhl in Königsberg zehn Jahre lang nur nachgedacht und nichts veröffentlicht. Das wäre heute undenkbar. Es sagt aber viel über Qualität aus, etwas, das den Optimierern der Neuzeit völlig fremd geworden ist…

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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